Necati Mert´s Kolumne

Abendlands Ambitionen

   
Die Netz-Brücke
 


ABWEHR-ABENTEUER AUF DEM HÖCHSTSTAND DER NEOSTÄNDISCHEN STAATSKUNST

Stagnation zwischen Status-quo-Kulissen und Steckenpferd-Pfaden

Die kaum noch spürbare Trennwand zwischen Demokratismus und Demagogik, Populismus und Politikum, Logik und Litanei, Philanthropen-Partei und Parolen-Papagei

Aufgezeichnete Spuren von nicht ausgezeichneten Sommertheaterwochen

Von Necati Mert

Ob Ökonomen oder Ökologen, Philosophen oder Politologen, Philanthropen oder Phraseologen, Phänomenologen oder Psychologen, Pädagogen oder Pauker, Platoniker oder Poeten, Populisten oder Protektionisten, Historiker oder Hysteriker, Humoristen oder Humanisten, Honoratioren oder Homunkulusse, Herolde oder Herostraten, Heroiker oder Häretiker, Status-quo-Walter oder Nonkonformisten - wer einen experimentalen Ausflug in die Geschichte der Demokratie anpackt, landet gleich am Beginn seiner Safari in einem Sumpf zwischen symbiotischen Savannen und systematischer Sahara. Denn sie, die Demokratie als subtil stilisierte Form der Klassengesellschaft, läßt sich über alle historischen Stadien hinweg als die Partizipationsparabel der Untertänigen an jenen Miseren abzeichnen, die vom Parteienprimat der staatssteuernden Nomenklatur fahrlässig herbeigeführt oder expressiv bewerkstelligt werden - um den Fortbestand des Profits und Privateigentums zu fundieren.

Der Norden und die globale Nomenklatur

Der Norden, der sich selbstgerecht zum Primat über den Blauen Planeten avancierte, setzt den Zweibeinern an allen Ecken und Enden die Daumenschrauben an, damit sie mit absoluter Akklamation Feuer fangen - für das, was er als Protektionsprozeß und Politikum auftafelt. Selbst aus dem miserablen Wettersturz atmosphärischer Attacke macht er Weltklang oder Wettkampfklage.

Das Hauptgewicht seines globalen Gehabes legt das christlich-abendländische Imperium auf den willentlich provozierten Zusammenstoß der Kulturen, wobei auf der Gegenseite der Gefechtslinie der "islamistische", respektive der "islamische Terrorismus" verortet wird. In diesem Zusammenhang steht auch sein Vorsatz, zwischen der südlichen und nördlichen Halbkugel eine Mauer ohne Schwachstellen oder Löcher hochzuziehen, um die Migrationsflüsse trocken legen zu können. Ein Löffel Bettelsuppe und eine Handvoll Schmiergelder sollen das haltbare Handwerk des mondialen Elendsmanagements erleichtern. Im Schwarzen-Kontinent wächst noch schwerer die Skepsis - angesichts des gipfelstürmerischen Schauspiels der spektakulären Spiegelfechterei. Überdies dehnt sich in Lateinamerika die widerstandsfähig farbenfrohe Front dagegen aus, für die super-imperiale OneWorldOrder Frondienst zu leisten.

Als Traditionsgut des hoffärtigen Okzidents zählt, den Erden-Rest samt seinen Höflingen, Hungerherden, hohlköpfigen Horden, Desperados und Despoten von Maschrik (Orient) bis Maghreb gottbegnadet der Grabesnacht und Gauner-Grotte der moribunden Zivilisationen zuzuweisen.

Ähnliches gilt auch für das gelehrige Getue im eigenen Gewaltgefilde. Gemäß dem Genörgel der Partei-Häuptlinge als systemischer Souverän erweisen sich Teile der Untertanen als nicht nur getreue Jüngerschaft verkommen, sondern müssen auch randständig bleiben, da sie ihr Recht auf Faulheit wahrnehmen und sich nicht die Mühe machen, den ungereimten Urnengang zu proben, statt landläufig im Freien zu promenieren oder frei von Patriotenpflicht fröhliche Urständ zu feiern.

Die Unart der Demokratie-Dompteure verursacht auf Weg und Steg Unmut. Doch dem imperialistischen Impetus setzt die "unsichtbare Hand" der globalisierten Laisser-faire-Fanfaronade Dampf dahinter. Wieviel die Häuptlinge der Begüterten und Begabten für die Mühseligen und Beladenen übrig haben, vor allem für die Wenigkeiten innerhalb ihres Territoriums, kann kein anderer abwägen als die bevorrechteten Business-Barone mit ihren garantierten Betriebsergebnissen.

Zum Delirium steigert sich das Sirenen-Signal und selbst die Wut der Wankelmütigen beim auffälligen Augenschein, wie die hedonistische Schickeria, die Heerscharen im Dolce-vita-Dorado und die Massas der globalen Domänen aus ihren dekadenten Denkfabriken, nämlich aus dem Arsenal der Demagogie heraus Demokratie-Dramen fabulieren lassen und die auf dem Catch-as-catch-can-Markt Unterlegenen auffordern, ihren schicksalsschweren Weg zwischen den drakonischen Drangsalen der geldgeladenen Delinquenten und dem delphischen Dekret der gelehrigen spartanischen Dragoner zu wählen sowie wegen der heillosen Heidenarbeit als herabwürdigte Heimliche, die ihr prekäres Kismet tragen, Krach zu schlagen.

Der Großgipfel der Theater-Cäsaren

Als einen seiner zentralen Pfeiler im protestantisch-puritanisch proklamierten "Krieg gegen den Terror" brandmarkt der demokratisch delegierte, der Brachialgewalt gewandt legitimierte Zombie-Cäsar am Potomac ein um das andere Mal den rebellischen Mikrokosmos unter dem Halbmond. Er brüstet sich mit seinen titanenhaften Taten, lächelt leichtfertig und bemerkt dazu lakonisch, den Heiland in seine Maskerade gesteckt zu haben. Seinen betagten Habitus möchte er recyceln und respektabel dem Himmelsdach antragen - mit einem noch nie dagewesenen Evangelikaner-Event. Seine Siedler-Nation betrachtet er als Weltgesellschaft, den Weltmarkt als Wertegemeinschaft. Stände- und klassenstaatlichen Strukturen will er verewigen und still in das Universum Einzug halten - dem Brandstifterstil des Bonapartismus folgend.

"Democratic circus" zeichnet sich seit dem Sturz der gentilgesellschaftlichen Faustregeln als höchste Stufe der Agora ab. Der homo oeconomicus überragt das Feld aller humanen Brücken. Die soziale Kommunikation findet nur noch auf der Ebene der Warenförmigkeit sowie Besitz- und Kapital-Kumulation statt. Die staatlichen Substrukturen stehen unter der Gravitation der machiavellistischen Gewalt. Der wiederkehrte Manchester-Kapitalismus manipuliert das menschliche Gewicht, das Managementale ersetzt die parlamentarisch partizipierten Mandatare, der Marasmus des Konsumismus expandiert wie die Malaise der explosiven Maschinen-Melancholie.

Der asymmetrisch ökonomische Verkehr zwischen hoch- und unterentwickelten Erdstrichen ist unaufhörlich im Aufwind. Die Krakeel-Konvois der konventionell kanonisierten Selbstsicherheitssymbole trumpfen alles auf, was als Wagnis erscheint, den Demokratie- und Menschenrechtstruppen des christlich-abendländischen Kulturkreis- und Kartellen-Kastells die letzt höchste Expansions-Exkursion zu sabotieren. Die Kassandrarufkuriere der klimatisch in die Höhe kletternden Apokalypse und des horrenden Hominiden-Karmas landen im Humus des hysterischen Homunkulus, der hoffärtigen Kreaturen. Die marktschreierischen Schwärmer-Scharen befinden sich bereits auf der Marschroute vom Korsaren- und Hyänen- zum Kannibalen-Kapitalismus.

Auf den Datenautobahnen strömen Informationsflüsse und hinterlassen so viel Ladenhüter wie der Monsun in den Nachbarschaften dieser einen Erde. Der digitale Dschungel wächst alleweil, die Wüste weitet sich real aus. Und dem Dafürhalten für das ungehemmte ökonomische Wachstum läßt man nichts in die Quere kommen.

Die hohe Faszination von der humanitär zementierten Zivilisation des US-One-World-Varietés erwies sich unbeirrbar als hohle Fassade, zugleich als eine unbelehrbare Variante des Vandalismus.

Solange am Katastrophen-Himmel die Uncle Sams Standarte der "Stars and Stripes" als rettende Hand erscheint, wird sich schwer vereiteln lassen, daß sich der Planet Erde zu seinem Ende hin bewegt, auf dem der militärische wie ökonomische Terror, Profit-Piraterie und Privatier-Power endlos wie prächtig expandiert und dann explodiert.

Dasselbe gilt auch für die künftigen Kollisionen in den Zivilisierten-Zitadellen. Die Potentaten der Mitte praktizieren einen soziabel systemkonformen Pakt mit dem Einsatz des Großreinigers "Kärcher" gegen den sozialen Mob, um ihn als Abfall der Get-together-Party, des Besitzkasten-Kollektivs zu eliminieren. Die Mitte überhaupt, die sich Kollateral-Korrekturen am Krisenkosmos ihres Kurses wünscht, wehrt sich gegen die Infiltration aus dem Rand mit der demokratischen Gewalt und dem gemeinhin eingemeindeten Gemeinplatz. Denn dem Rand wohnen Utopien und elementar rebellische Energien inne.

Es gibt keinen Flecken auf dem Erdenrund, dessen Bewohner verschont bleiben, dem Kapitalismus-Kraken in die Arme getrieben zu werden - selbst die Arktiker nicht, die als Arrestanten der Weißen-Armada behandelt werden, den mobilen militanten Missionaren hinterherzockeln und den Marodeuren, Marketendern, Mädchenhirten...

In Szene wird gesetzt als substantiell schutzwürdige Subjekte die Kategorie der Kameraderie, die sich als Katalysator der noch katastrophaleren Klüngel auftut. Ökologie und Klimaschutz unter den prävalenten Prämissen des nachhaltigen Wachstums öffnet den Königsweg zum Horizont extravaganter Profitraten. Dabei werden angesichts der heranreifenden Klimakatastrophe manche Mühsale einzelner Nationalstaaten nicht als zukunftsträchtig beachtet und daher über die Schulter angesehen. Zumindest in diesem Punkt behalten die zünftigen Palaver-Prominenten des Planeten Recht. Denn das Primat der Profit-Parties passen nicht ins Bild des primären Progresses für den kollektiven Konsum der Natur, ohne sie zu veraasen.

Während die Finanzspritzen aus dem Zentrum die subalternen Strukturen im Trikont sanieren und dem Anschluß am globalen Markt den Weg bahnen sollen, regte die Neuigkeit aus der Küste der nordischen Ostsee, Heiligendamm, den Appetit der Marketender, Marodeure, NGOs und ähnliche Geier an. Vor allem im Schwarzen-Kontinent sehen die abenteuerlustigen Eine-Welt-Exponenten des ruhmreichen Abendlandes ihren Rummelplatz. Dort haben sie ihren Habitus als Herrenmenschen zu demonstrieren wie der Habichtsschwarm vor der Eulenflucht.

Im übrigen Überrest-Dunkel des konventionellen Kolonialismus gedeiht der Rassendünkel in gegenwartsnaher Form. Das Herren- und Untermenschen-Märchen aus dem faschistisch mystischen Geschichtsbrei erzählt der Fabulant der Koketten-Kröte nicht mehr, stattdessen die ideologische Maschinerie der Hoch- und Unterkulturen. Das renoviert wiederbelebte archaisch Arische attackiert die Kolonisierten als Barbarische, arrondiert sich selbst als ewig Aristokratische.

Auch den Advokaten des militärisch angeführten, humanitären Interventionismus wird bald buschig zu Ohren kommen, daß ihre Rambos überall in einem Buschwerk landen und sie immer mehr Opfer beklagen werden. Daß die toten Söldner der Okkupationsgarden keine langlebigen Lieder haben, weder Elogen noch Elegien oder Epen, wissen schon die gekauften Barden des Novum Romanum.

Das Gerede von einer anderen Welt

Was den unverhohlenen Youngsters des Anti-Gipfel-Theaters vor kurzer Zeit als Fabel des Faselhans um die Ohren gehauen wurde, scheint sich jetzt sogar durch die Doktrinär-Doyens der Gipfel-Dynasten zu bestätigen: Das hermetische Herannahen der ökologischen Apokalypse, das es gilt hinauszuzögern, indem man dem besitzlosen breiten Unten - notfalls mit dem Einsatz von High-Tech-Waffen - die Untertanenpflicht beibringt und es zugleich zwingt zu verzichten, auf das Wohlbehagen zu zielen und einen eigenen Anteil an den gesellschaftlichen Ressourcen zu reklamieren.

Essentiell wird auf der Eselsbrücke kleben bleiben, wie die selbstsüchtigen G8-Gipfel-Giganten über Demokratie-Export zu Gericht saßen und draußen - jenseits des Schutzzauns - der Staatsterror tobte. Es dreht sich hierbei nicht um einen Internet-versierten Flegelfleiß oder um einen sporadischen Spaß eines Migrantenspätlings aus dem dschihadistischen Dschungel, sondern um die Bambule der Redundanten gegen die Demokratur der Plutokratie.

An der Ostsee wurde ein Trainings-Terrain des demokratischen Terror-Typus projektiert und die repressive Routine des Hegemons praktiziert - ein Extra-Experiment des Exempels für die Gefechte kommender Dekaden. Hunderte Demonstranten wurden teilweise tagelang in Käfigen aus Stahldraht interniert, die an die Verhältnisse der us-amerikanischen Sonderlager erinnert. Eine Form von Folter, dessen präparierende Praktiker im Auftrag des herkulisch und hoch heroischen Hegemons angeblich darauf visitierten, vor der Gefahrenquelle des "internationalen Terrorismus" über das Eliten-Event haarscharf die Hand zu halten. Zu Lande, in der Luft und auf See kam es zum Einsatz von paramilitärischen Schwergeräten, um das Rendezvous von acht Oberhäuptern gegen die protest-aktive Menge abzuschirmen. Man würdigte sie fortan als Straßenspaß-Guerilla herab. Folgender virtuellen Formel entsprechen die parlamentarisch partizipatorischen Prinzipen einer vitalen Demokratie:

Beim A und O hat der Bürger nichts zu bestellen. Er darf, wenn er gefragt wird, den aufgelisteten Partei-Protagonisten sein Wählerkreuz schenken. Er darf sich aber auch, und zwar ungebeten, zu Wort melden und durch Massenaufläufe um allgemeine Achtsamkeit für sein Dafürhalten nachsuchen. Oftmals werden seine Versammelten-Proteste über die Schulter angesehen, wenn es sich bei den Auftritten der kritischen Untertanen um etwas mehr als einen katzbuckelnden Appell an die gewalthabenden Regimenter dreht, um Hinweise auf die Versäumnisse im Kontext ihrer wesenhaften Ziele, die sie in ihren Werbetexten versprechen. Und wenn ein Demonstrant Wert auf das Attribut "friedlich" legt, hat er gegen jeden im eigenen Block, der Anlaß auf Gewaltverdacht herbeiführt, vorzugehen und ihn zu denunzieren. Also verordnet die demokratische Obrigkeit: Selbst beim Protest gegen sie soll unbedingter Respekt vor ihr demonstriert werden.

Noch nahm die Angriffslust der Obrigkeit die drakonisch diktatoriale Dimension nicht an. Und das Gebot der Gewalt war vorerst ein Dublikat dessen, was noch hundertfach brutaler bevorsteht. Sicher scheint, daß die Guantanamo-Käfige, die in Heiligendamm erprobt wurden, künftig prompt und überall verwendet werden.

Zu der Gegenwartsgeschichte der Prätorianer-Präsentation der Theater-Cäsaren (und -Cäsarin) gehört das Geschick der Bullen, die sich in die Gegenmenge dreinmengen konnten, Randale provozierten und sich dann im Gemenge von der Journaillen-Junta ordentlich als Opfer darstellen ließen.

Leichtes Spiel haben die Impresarios und Inspektoren der Sicherheitsschergen mit den in einem mühsam sichtbaren Gegengestade positionierten Protestposten, die sich in einer wiederum schwer erkennbaren "anderen Welt" bewegen und für sie die Reklame-Trommel rühren.

Strittig bleibt, ob die von "Eine andere Welt ist möglich"-Promotern inszenierten Themen-Tage irgendwann einen Knospenknall auslösen werden. Denn gewisse Prozesse innerhalb des Systems lassen sich nicht als sozialer Wandel markieren, solange sie die Strukturen als Ganzes nicht durchbrechen. Sie dienen höchstens als Manövermaschinerie, die zu Buche schlägt, abweichende Elemente den präsenten Bestandteilen des ethno-sozialen Apartheidsapparats anzupassen.

Das einst in Großbritannien arkadisch artikulierte Artefakt TINA (this is no alternativ) war von Beginn an nicht ohne Alternative der systemisch assoziierten Systme im Dienste der erdweit attraktiv aktiven Syndikate, die ihr Einstiegsvermögen mit Mädchenhandel erwarben und die Arier-Aristokratie mit Kurtisanen versorgten.

Natürlich: "Eine andere Welt ist möglich." Aber nur eine, in deren Geschichte es keinen Platz für Privatiers- und Profiteuren-Gerechtigkeit gibt. Eine solche Welt ist Schicksal und der Kommunismus ein historisches Muß. Vielleicht werden auch die Exponenten dieser "anderen Welt" in weiter Ferne wahrnehmen müssen, daß weder Ochs noch Esel die sozialistische Idee in ihrem Lauf aufhalten kann - bis die Leibeigenen und Paupers der Erde frei von der pausenlosen Angst vor der neoliberalen Galeerensklaverei sind.

Es geht der Mehrheit des Menschengeschlechts trotz des spektakulär gewieften Gewichts aller gewaltig tönenden Freiheitsrhetoriken um das Erlangen eines autonomen Lebens, zumindest um das gescheite Gelingen des Ausblicks auf das eigene Geschick.

Migrantisches Ungestüm: Schwarzen- und Brünettenströme

In jeder in Fernsehstudios oder in Auditorien mancher Alma mater und achtbar gepäppelter Fundationen inszenierten Gesprächsrunde über Migration sticht ständig die Metapher "Festung Europa" hervor. Und ins kollektive Gedächtnis speisten sich seit über einer Dekade die ähnlichen Bilder ein: Überladene Schiffe und Fischerboote, skrupellose Schlepper, anonyme Massen elender Erdenbürger. Mal werden sie voller Empathie betrachtet, mal abwehrend verachtet. Selten jedoch verlassen die Großkopferten der Studio-, Media- und Politokratie abgesteckter Pfade diesen Mythos und fragen, was eigentlich am Limes, im Migrationstrubel oder in den nebligen Nebenwinkeln der angeblich aufgekratzten Zitadellen der Zivilisation vor sich geht.

Der Expertokraten-Express der Demographie und Migration rast nicht hinter dem allvertrauten Glück her, sondern der monetär manierierten Version "Eine Welt" der Risiken. Die Vision der ebenbürtigen Individuen und gleichwertigen Ethnien wird wissentlich abserviert und die Angst zum Motor der Gegenwart, zugleich zum Primat der eliminatorischen Abschiebe-Geschichte gemacht.

Die Exekutive der unbrauchbaren Barbaren scheint im Aufwind zu sein. Der Abtransport von langjährig Geduldeten wird bald ohne Kundgabe vollstreckt. Der Deportationsbetrieb der Deportees kann jedoch vorübergehend still bleiben, solange die sittsame Singakademie des singulären Systems den Refrain der mangelnden Fertilität der alteingesessenen Evas anstimmt.

Wie wirkmächtig und gewärtig das gegenwärtige Revival der Rivalen ist, zeigt die Reprise der virtuosen Prämissen: Immer wenn die untere Schichten unruhig in den Bart knurren, läßt die parlamentarisch prahlende Politokratie mürrisch die erdichteten Migrationsflüsse anschwellen, die dann wiederum virtuell drohen, die behaglichen Zentren zu überschwemmen.

Alles, was die Sachwalter des marktparaten Machtapparats über die "Vierte Gewalt" in Umlauf bringen, müffelt schwer nach der Suada am staubigen Stammtisch - mit dem Effekt, daß demonstrativ neuwertige Dämme entstehen oder auch digital aus der Taufe gezogen werden.

Jeder Schritt der gewalthabenden Gevatter und Gestalter vollzieht sich ohne nennenswerten Gegenstandpunkt. Mit den Demokratie-Dramen haben sich die Erdlinge ein Kuckucksei ins Nest gelegt, aus dem nichts Gutes ausgebrütet herauszukommen scheint.

Der Kerngehalt des Demokratie-Staates enthält den Terror, soweit dem Terminus die angewandte Gewalt inhärent ist, diejenigen widerspenstigen Elemente des marktschreierischen Maschenwerks zu züchtigen, die vor allem die besitzlosen Basismasse umfaßt. Die Demokratie nämlich, deren Grundriß aus der Partizipation der urbanen Untertanen am Orbit der Obrigkeit durch den Wahlgang besteht und sie zu Komplizen aller Vorgänge des Gewaltapparats macht, verursacht noch stark striktere Ex- und Inklusionsattribute als die Exekutive der Diktatur. Sie läßt den Mehrheitsmandataren die freie Hand, ohne sie wegen der Folgen ihrer Taten und Trachten heimleuchtend an den Pranger zu stellen.

Angesichts der brisant anhaltenden Bilder von rasant anschwellenden Migrantenströmen hallt ein Aufschrei der Angstlust durch Gazetten und Röhren. Kursive Tatarennachrichten über die kuriosen Barbaren-Barken vor den Küsten der Bravour-Bastei kursieren in Wohnstuben der braven Bürger, wobei der künstliche Komet des Terrorismus über ihren Dächern kreist. Solcherart fleißig fabrizierte Fabeln fruchten nicht nur Furcht, sondern auch die rassistischen Haßgefühle im breiten Publikum - selbst gegenüber den längst ansässigen Allochthonen in der Nachbarschaft. Doch Terror-Tortur wird eigenhändig gesät, Gewaltmittel im Überfluß hergestellt, zugleich die Mär gemehrt, den Gegensturm der Ausgeplünderten durch spirituelle Friedensgebote zu besänftigen.

Der Terror der Ökonomie wächst währenddessen maßlos an, auch in den hoch industriellen Zentren. Habenichtse machen sich auf die Strümpfe und stürmen in ferne Gefilde, in die Fremde innerhalb ihres Staates.

Mit ihren Exporteuren, Importeuren und Expansionsakteuren wachsen die Imperatoren. Haß hegen die Apologeten der Hegemonial-Allüren gegen alles, was dem imperialen Impetus der Plutokratie die Suppe zu versalzen droht.

Der Hungertod, das Sterben in regionalen - oder auch religiösen - Kriegen und unterwegs auf Migrationstouren gehören zum feudalen Triumph der Zivilisation im dritten Milllennium unter der autoritativen Gewalt des fruchtbaren Kapitalismus, der einen schwer vorstellbaren Reichtum hervorbringen konnte. Während die Ressourcen des Blauen Planeten auf Biegen und Brechen ausreicht, einer doppelt so großen Menschenmenge als die gegenwärtige Population den Hunger zu stillen, ist die Knappheit die Logik derer, die das Regiment führen - ob im Habitus der Pluto-, Media, Studio- oder Politokratie-Zunft. In sich birgt sie ein entkerntes Erinnern an jenen Husaren-Humanismus, mit dem die Apologeten der abendländischen Aristokratie prahlen.

Zuflucht in der Illegalität

Noch nicht haben sich die Hungerherden aller Erden und Horizonte auf den Hohlweg, sich die Vision zu Eigen gemacht - haben freilich den Feuereifer im Visier, den eigenen Anteil am angehäuften Überfluß zu reklamieren.

Das Zitadellen-Zentrum des Europiden-Projekts zieht hinter einem ziemlich zeitnahen Zaun, der jedoch eine Menge Löcher hat. Vier bis acht Millionen wird die Zahl derer geschätzt, die sich "illegal" in EUropa aufhalten und dem irregulären Malochen nachgehen.

Was sich im humanitären Terrain abspielt, jagt einem einen Schrecken ein. Man überliefert das Schicksal der Migranten nicht nur dem selektiven System, man fährt sogar verbale Kanonen hinter dem Hegemon auf - notfalls in den elenden Herkunftsstätten der Wandererherden.

Paradigmenwechsel: Die Flucht gibt es nicht mehr, damit den Flüchtlingsschutz, der in den heißen Phasen des Kalten Krieges über besonderen Stellenwert verfügte und für die Demokratie-Experteure großen Nutzeffekt innehatte.

Abschottende und abschreckende Schritte sowie der Deportationsbetrieb nehmen auf die moralische Montur nur episodisch unangenehmen Einfluß. Wenn erreicht wird, daß die Fluchtmigranten als Zeugen des ökonomischen Terrors weit genug vor Europas Toren und (Natodraht-)Mauern bleiben, so werden sich über ihr Los schwindend wenige Gut-Leute aufregen. Vom wohligen Hier schaut man schließlich in die Röhre, um sich davon ein Bild zu machen, was sich auf dem Globus abspielt, auch das gehört zum wonnevollen Amüsement der Wohlbeleibten.

Die Mehrheiten des gutbetuchten Nordens bestehen auf die Überlegenheit als weiße Übermenschen, befähigen ihre Gewaltorgane, die episodischen Ereignisse an der Scheidewand zwischen prometheisch privilegierten prosperierten Zentren und allererst proletarisierten, im nachhinein problematisierten Peripherie zu dirigieren.

Den Gegensturm aus dem Süden halten sie noch im Zaum, haben jedoch jegliche humanitäre Linie verloren.

Allein vor der Südküste Siziliens ertranken oder verschwanden im Juni 2007 nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR 210 Bootsflüchtlinge. Migranten sterben in Mengen bei der Überfahrt von Afrika vor den Kanarischen Inseln, und die Eventtouristen der hochbetuchten Zentren zitieren in ihrem Gedächtnis ein farbechtes Erlebnis - als Mitbringsel für ihre von Neugier erfüllten Verwandten und Bekannten.

Bei einem Meeting im Europa-Parlament erklärten einige eingeladene Experten, bis zu 120.000 illegale Einwanderer überquerten jedes Jahr das Mittelmeer. Und mindestens 10.000 von ihnen sind im vergangenen Jahrzehnt auf dem Seeweg nach Europa ums Leben gekommen. Ein UNHCR-Vertreter in Rom erinnerte an den Fall von 53 Afrikanern, die am 21. Mai von einem Flugzeug im Mittelmeer geortet worden waren: "Ihr Schicksal ist weiterhin unbekannt."

Anfang Juli 2007 betonte ein Vertreter der marokkanischen EU-Mission in Brüssel erhobenen Hauptes, dank einer engeren Zusammenarbeit mit Spanien sei die Zahl illegaler Ausreisen von Marokko nach Europa im vergangenen Jahr um 60 Prozent zurückgegangen. Wem es dennoch gelingt, den betonierten Boden der gut Beleibten und schlecht Gelaunten zu betreten, begegnet er gleich den begnadeten Patrouillen und prekären Praktiken des Fremdenmanagements, landet in einem mit Stacheldraht ummauerten Sammellager der Deportees oder muß untertauchen und in der Illegalität sein Leben fristen.

Zukünftig werden die volksstaatlich besoldeten Abschiebe-Banden nachts öfter als bisher zuschlagen, aber die lichterloh artikulierende Autonomie der Migration nicht so leicht auslöschen.

Auch wenn die Migrationsströme auf die Dämme der nordischen Notstandsarchitektur stoßen und unterzugehen scheinen, sie gelten dennoch als symbolischer Akt der Rebellion, der wirkmächtiger ist als die Blockade-Bulldozer der Domänen-Demokratur.

Die Globulen beobachten die Ideologen der globalen Kapital-Kaste mit Bravour, haben aber weiche Knie vor jenen Vorboten der kommenden Gefechte oder Getümmel, so daß sie die militanten Demonstranten vor dem Zaun um Heiligendamm als Chaoten abqualifizierten, die den Corpus des genehmigten Gegengestades der Acht-Großen-Gipfel-Getto sprengten und sich als Sprachrohr der Autonomie der Migration auftaten.

Mit mental zivilisatorischem Gedöns im medialen Zirkus kritikastern die Krämergeister die Krautjunker-Kreaturen, beobachten das florierende Profitwachstum freudvoll, das sich auf den Einsatz der Fronarbeit stützt - vor allem in jenen Wirtschaftszweigen wie Baugewerbe, Landwirtschaft, Gastronomie oder in ähnlichen Dienstleister-Branchen, in denen die Verhältnisse der irregulären Tätigkeit mit Subunternehmen überwiegen und die Zustände bei den Arbeitsmigranten an die der Galeerenhäftlinge ins Gedächtnis rufen.

Im Beisein von mentalen Menschenrechtsmentoren gedeiht der zeitnahe Sklavenhandel binnen der Zivilisationszentren, den die Regenten der Standort-Standarte beharrlich regulieren, indem sie die Methode der "zirkulären Migration" anwenden, wobei sie ihr Augenmerk eifrig auf die Quote der Qualifizierten-Garnitur richten. Gleichzeitig kombinieren sie felsige Vorgänge gegen die migrantischen Herden, die im Süden aufbrechen und sich unterwegs nordwärts bewegen. Allein im Jahr 2006 versanken in Gewässern zwischen der westafrikanischen Küste und den Kanarischen Inseln bis zu 7.000 Erdlinge auf Migrantentouren ins Grab.

Nachdem die Menschenrechtsersten auch noch die Trennwand aus Natodraht zwischen Süd und Nord als Freiheitsfragment ausgestattet hatten, um den ökonomisch unterlegenen Bedürftigen Wasser in den Wein zu gießen, platzte selbst den ertaubten Erdlingen der Kragen.

Was tun die humanitär aktiven Akteure der sonst zimperlich zirkulierenden Zivilgesellschaft? Ihnen gelingt es nicht einmal marginal, den Schlaf aus den Augen zu reiben und die Wut auf die desaströse Zustände in umstandsloser Offenheit zu artikulieren.

Alles, was sie in Ringgesprächen der protestantischen und katholischen Akademien, der vom Staatssäckel profund gepäppelten oder von einigen Kartellen kontrollierten Fundationen meistern, gleicht einem Marionettentheater, wo Maulhelden auf den Puddig hauen.

Wer wie die Grünen-Kompanie und ähnlich andere Alternativen nur allbekannten Fakten der Kameraderie kriegslüsterner Interventions-Allianzen feilhält, prallt auf der Suche nach erdhaften Hintergründen hart gegen eine Wand. Doch den Lauf der Geschichte transnationaler Klassenkämpfe werden weder Almosen noch humanitäre Hilfe-Allüren aufhalten. Daher schauen die Veranstalter des Schaugeschäfts mit Krähenaugen auf den windschiefen Sachverhalt, kreieren manches Mal die Hinterbänkler, um sie dann zu karikieren. Einen Lachkrampf bekommen sie, keinen Spaß, aber speiüblen Spasmus aus Furcht vor der Invasion der ausgeplünderten Schwarzen und Brünetten.

Wenn die Fanfaren der Domänen-Demokratie dem breiten Publikum in den Ohren pulsiert und jene Globetrotter aus der südlichen Halbkugel, welche die Nordiden-Feste stürmen, als "sozialer Abfall" eingestuft werden, dann steht der Menschheit die Geschichte eines Holocausts im viel gewaltigeren Ausmaß bevor, als er sich kurz vor der Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts ereignete.

Die Urbanen, die Barbaren, der Limes

Was die paritätischen Gegenpart-Partisanen der Globalismus-Glocken im Frühsommer 2007 in der Gegend von Heiligendamm zu Gesicht bekamen, nämlich die Stachelsperren aus Natodraht, ist an der fast 10.000 km langen Südgrenzen der USA zu Mexiko längst gegenwärtig. Hier bauen die Menschenrechtserstlinge und Marketender der "Freedom and democracy" einen zeitnahen Limes gegen den Ansturm der Barbaren aus dem Süden. Von der Küste des Stillen Ozeans her weitet sich der Staketenzaun mehr als 300 Kilometer aus, den die grausigen Grenzgarnisonen der superimperialen Bastion mit High-Tech-Geräten überwachen. Gleichzeitig führen die Gesetzeshüter der nordamerikanischen Demokratur einen fuchsteufelswilden Kampf gegen die bezahlten Fluchthelfer, die Coyotes respektive die Schlepper. Sie entsprechen aber nirgends dem Bild raffinierter Gangster, das sich die Medien-Meute von ihnen macht und verbreitet. Ihr Geschäft gründet auf dem Vertrauen, das in den lateinamerikanischen Gegenden entsteht, aus denen seit Jahrzehnten Menschenmengen nordwärts auswandern.

Dem US-Imperium eilen allenthalben radikale "Minutemen" (Heimatschützer) zur Hilfe. Sie fungieren dort nicht nur als Informanten, sondern auch als paramilitärische Patrouillen, heißt es im Editorial der "ila, Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika" vom Juni 1007 zum Schwerpunktthema "USA Mexiko. Mauer, Migration und Klassenkampf", in dem die Redaktion auch auf Parallelen zu Migrantenabwehrstrategien im alten Kontinent hinweist:

"Während die 'Minutemen' ein spezifisch US-amerikanisches Phänomen darstellen, sind wir bei unseren Recherchen zum vorliegenden Schwerpunkt jedoch immer wieder auf frappierende Parallelen zwischen dem US-amerikanischen und dem europäischen Migrationsregime gestoßen. An erster Stelle der 'illegale Immigrant' als Feind und Bedrohung. (...)

Um den Bedarf an migrantischer Arbeitskraft in Institutionen abgesegnete und kontrollierte Bahnen zu lenken, ist auf einmal hüben wie drüben wieder der gute alte 'Gastarbeiter' en vogue. Wahlweise wird auch von 'zirkulärer' oder 'gewählter' Migration geredet. Um die legalen EinwanderInnen klassifizieren zu können, werden Punktesysteme entworfen, mit denen Qualifikationen, Sprachkenntnisse etc. bewertet werden."

Ideenketten nach Er-Satz-Bauten

Im erodierenden Kampf-Krakeel gegen das autonome Aufdämmern der Migrationsströme unterminieren gewollt die euphorisch operierenden EU-Gendarmen, ihren internationalen Pflichten Genüge zu tun und den Schiffbrüchigen in ihrem Territorium zur Hilfe zu kommen.

Da fungiert das Groß-D-Land als die Arterie der altkontinental komplettierten Schutzsystem-Symmetrien, attackiert jedes Attribut der autonomen Migrationssysteme, die sich als Folge der globalen Kollaps manifestieren.

Die christlich-abendländischen Hegemonial-Häupter hantieren hauptsächlich mit dem hartköpfigen Humanismus, meistern einen hünenhaften Husarenstreich mit den Hungerheeren der südlichen Halbkugel, wenn diese sich nordwestwärts aufmachen, um Tyrannei und Tod zu entkommen. An den Außengrenzen der hiesigen gutbegüterten Himmelsstriche stoßen sie immer grauenvoller auf die anhaltenden Abwehranlagen. Im Juni, als in den potent hochurbanen EU-Ländern die Hauptsaison der Urlaubsfreude begann, wurden allein zwischen den Stränden Nordafrikas und Siziliens 210 Migranten tot geborgen. Vermißt werden 53 Passagiere eines Fischerbootes, das ein EU-Spionagemaschine am 21. Mai zwischen Libyen und Malta ausfindig machte. Während es dem Flieger gelang, die Bootsinsassen zu fotografieren und als eritreische Einwanderer zu identifizieren, wurden offenbar keine Versuche unternommen, sie zu retten. Die Gesamtzahl derer, die es in den letzten zehn Jahren wagten, in die Bravour-Bastei einzudringen, und dabei den Tod fanden, wird mindestens mit der Zahl von zehn Tausend gemessen - vor den Ferienufern Spaniens, Italiens und Griechenlands.

Gestützt auf ihre leibeigenen Legionen auf der weiten Welt, wird künftig die vom Groß-D-Land dominierte EU-Autokratie die Limes-Linien lediglich noch liederlicher und rigoroser ausrüsten sowie legitimieren, aber nicht verhindern können, daß ihr Humanismus in die Geschichte als eine Farce eingehen wird, wenn nicht als Schandfleck oder fratzenhafte Xenophobie, nämlich auch Menschenscheu. Das achtsame Internet-Portal "www.german-foreign-policy.com/de" vom 13. Juli 2007 zieht folgende Dreijahresbilanz:

"Drei Jahre nach dem ersten Berliner Vorstoß zur Errichtung von Migrantenlagern in den europäischen Urlaubsgebieten Nordafrikas schreitet die deutsche Flüchtlingsabwehr erfolgreich voran. Wie das Bundesinnenministerium in diesen Tagen mitteilt, ist die Zahl nach Deutschland gelangter Asylbewerber im ersten Halbjahr 2007 erneut um ein Fünftel zurückgegangen. Die Zahl genehmigter Asylanträge ist auf unter 20 pro Monat gesunken. (...)

Seit der damalige deutsche Innenminister Otto Schily (SPD) im Juli 2004 verlangte, Migranten auf dem Weg nach Europa müssten in Nordafrika in Lagern interniert werden, hat die Bundesregierung bei der Hochrüstung der EU-Außengrenzen umfassende Erfolge erzielt. Sämtliche relevanten Küstenstaaten Afrikas von Senegal bis Libyen kooperieren mit der EU bei der Flüchtlingsjagd, unterhalten wie gewünscht Menschenlager oder lassen sich von Brüssel Internierungs- und Abschiebemaßnahmen finanzieren. Mit der eigens gegründeten Frontex-Behörde unterstützt die EU die Verfolgung von Migranten im Mittelmeer. Sukzessive werden Abschiebeverträge geschlossen, die die umstandslose Ausweisung unerwünschter Einwanderer legalisieren. Um dennoch nicht auf billigste Arbeitskräfte verzichten zu müssen, hat die deutsche EU-Ratspräsidentschaft die sogenannte zirkuläre Migration auf den Weg gebracht. Ausgewählte Einwohner von Armutsstaaten dürfen auf Anforderung europäischer Unternehmen für eine begrenzte Zeit zur Arbeitsaufnahme in die EU einreisen. Berlin hat durchgesetzt, dass die EU-Kommission bis Ende des Jahres "Pilotpartnerschaften" mit Ländern Afrikas vorbereitet, in deren Rahmen die "zirkuläre Migration" erprobt werden soll. Bereits im Februar wurde in Mali ein Rekrutierungszentrum (Centre d'information et de gestion des Migrations/CIGM) gegründet, das die kontrollierte Zufuhr afrikanischen Arbeitspersonals für Firmen in der EU steuert."

Damit sich die selbsttätigen Freibeuter im demokratischen Format freudvoll über Wasser halten, heben sie die systemimmanent sanktionierten Frontdiener sublim wie stabil in den Sattel und starten die standardisierte Maschinerie der Spürhunde, um die Spuren der Fronarbeiter als "illegale Einwanderer" zu sichern.

Von langer Legion der Elegien bewölkt und von den reumütigen Eleven der antikolonialen Revolution bevölkert, Rotz und Wasser heulen die Mütter und Vermählten, wenn die Hiobspost eintrifft über den unwiederbringlichen Heimgang ihrer Alten und Jungen auf der Flucht vor den Sturmbooten des Kröten-Kastells der Menschenrechtsersten im Gottesacker Mittelmeer.

Selbst im Arrestlokal der Deportation prahlen die wachehaltenden Pauker und Posten des Hochhumanen-Humus vor dem trikontinentalen Prekäriats-Parias und proben, ihnen Wasser in den Wein gießen, damit sie nach ihrer gewaltsam gewährleisteten Rückkehr in die Megaslums ein Mitbringsel aus ihren Odysseen in den Zentren der Zivilisation haben: Die zertretenen Träume und das Trauma, das die nordisch rassistische Tyrannei anstiftet.

Steckenpferde reiten die Stabilitätsstäbe vor den Prätorianer-Statuetten der Krisenkurs-Regimenter. Oft fallen sie jedoch vom Sattel, wenn sie davon Wind bekommen, daß sich die Unterschicht-Untertanen keinen Bauernfang andrehen lassen und mit den subtilen Tartüff-Theater-Touren unterwegs den Laden voll haben.

Der Krisenkurs der Integrationsindustrie bleibt blutvoll

Dichte Wolken des grauen Regens bedeckten im Frühsommer 2007 die Allochthon-Quartiere der Berliner Republik, während ihre Regenten mit einem glanzvollen Spektakel den Horizont verbrämten. Die großkoalitionären Kompagnons der D-Land-AG bewerkstelligten eine Novelle der Zuwanderungs- und Staatsangehörigkeitsgesetze, legen dem Erlangen des bundesrepublikanischen Bürgerstatus und dem Zuzug der Familienangehörigen der eingewanderten türkischen Einwohner neugebackene Stolpersteine. Der dazu notwendige parlamentarische Prozeß vollzog sich ohne nennenswerte oppositionelle Friktion zwischen den Fraktionen.

Vier türkische Verbände, Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland (FÖTED), Rat Türkeistämmiger Staatsbürger (RTS), Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) sowie Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) kündigten Protest gegen die retrospektive Reform an, kommentierten das Novum als grundgesetzwidrig, betonten ihren auch künftigen Einsatz für "Integration und gleiche Rechte", boykottierten den zweiten von der Kanzlerin und ihrer Staatsminsterin für Migration, Prof. Dr. Maria Böhmer, als verantwortlich getragenen "Integrationsgipfel", bekamen von den restlichen türkischen Sektionen Beistand. "Die gesamte organisierte Bevölkerung der türkischen Minderheit lehnt dieses Gesetz ab," heißt es in ihrer öffentlichen Botschaft.

Kanzlerin Merkel reagierte darauf mit der Standpauke: "Der Bundesregierung stellt man kein Ultimatum!" In einer Replik auf die Integrationsministerin Böhmer zitierte der stellvertretende Bundesvorsitzende der TGD, Hilmi Kaya Turan, aus dem brühwarmen Regelwerk:

„Durch den neu eingefügten Satz 3 kann der Ehegattennachzug zu Deutschen bei Vorliegen besonderer Umstände von der Sicherung des Lebensunterhalts abhängig gemacht werden. Besondere Umstände liegen bei Personen vor, denen die Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zumutbar ist. Dies kommt insbesondere bei Doppelstaatlern in Bezug auf das Land in Betracht, dessen Staatsangehörigkeit sie neben der deutschen besitzen, oder bei Deutschen, die geraume Zeit im Herkunftsland des Ehegatten gelebt und gearbeitet haben und die Sprache dieses Staates sprechen.“

Turan typisiert, was das für die Praxis bedeutet. Einem deutschen Staatsbürger werde grundsätzlich zugemutet, den Lebensmittelpunkt der Familie ins Ausland zu verlegen – ein Widerspruch Grundgesetzartikel 6 (Schutz von Ehe und Familie). Dies werde zum einen den Doppeltstaatlern zugemutet. Es sei rechtlich nicht zulässig, bei Staatsbürgern eine unterschiedliche Vorgehensweise wegen der Mehrstaatlichkeit vorzunehmen. Dies werde aber auch denjenigen Personen mit nur der deutschen Staatsangehörigkeit zugemutet, wenn sie im Herkunftsland des Ehegatten gelebt haben und die Sprache des Staates sprechen.

Die autonomen Organe der organisierten Greenhorns des ethnisch homogenen Volksstaates haben die Luft anzuhalten

Mit stetem Stelldichein salutieren die Impresarios des integrationalen Impetus die system-immanenten Illustrationen, fühlen sich mit ihren Jammertiraden ständig am Steilhang - trotz des pädagogischen Präventionsprimats, der prima protegierten Assimilationsprogramme streng selektiver Natur.

Mit der erneut nivellierten Novelle zum Aufenthaltsstatus der migrantischen Malocher legt der Gewaltapparat der Retro-Republik einen Schritt zu, die Kontrolle über das Geschick der Überflüssigen geschichtlich zu vollenden.

Die Imperatoren-Trupps des nordisch-arischen Nonplusultras verhalten sich als Inspekteure von Bandenkampfverbänden. Sie überlassen die Argumentation ihrer Härte generell ihren Kurtisanen mit "Migrationshintergrund".

Die Voluntaristen der integrationalen Interpretation gesellschaftlicher Prozesse, experimentierende Eleven der Expertokratie, starren auf das vollzogene Volumen ihrer majoritären Position. Vom ausreichenden Augenmerk gebauchpinselt, gesellt sich der eine oder andere Freiwillige hinzu. In ihrem ausgedehnten Wirkkreis herrscht die Wirrnis - nahe der Finsternis. Es wird weitergemacht, jeglicher Gegenstandpunkt zensiert, gezimmert und gebastelt.

Dann besteht die eigentliche Furcht der Leithammel-Kultur-Kumpel darin, daß die Citys in nicht weiter Zukunft brünett statt weiß aussehen, dementsprechend die pikanten Verhältnisse der bekannten Parallelgesellschaften sich pragmatisch von der parodistischen Parole zum realistischen Reservoir der Revolte entwickeln.

Nicht nur die Akkumulation des Kapitals erfährt einen Aufschwung der Akklamation, sondern auch die Kräfte des Gegenmarkt-Meetings, auf denen das Nein zur Akklimatisation der global marginaliesierten Mehrheiten an den Systemen der Mehrwert-Vermehrer immer lauter tönen wird.

Beim Integrationsgipfel, der im Juli 2006 von der Kanzlerin ins Leben gerufen wurde, dem sich im nachhinein der für das innere Sicherheitsressort zuständige Minister mit einer Islamkonferenz anschloß, ging es um den aufpolierten Weg der eingewanderten Eliten in die Schicksalsgemeinschaft unter der kursorischen Kuratel der wirbeligen Wirtschaftlichkeit. Die meisten Funktionäre der migrantischen Selbstorganisation ließen sich in diesem Singkreis der sittsamen Signale heiter stimmen. Sie glaubten, endlich einen Gipfel gesichtet zu haben, den sie spielerisch stürmen konnten.

Dann verabschiedete die Großkoalition die Novelle der verschärften Konditionen. Das Zuzugsalter der Familienangehörigen wurde von sechzehn auf achtzehn heraufgesetzt und von den zuziehenden Spätlingen und Zöglingen neben ausreichenden Deutschkenntnissen auch ein ökonomisches Fundament gefordert. Angeblich zielten die Paragraphen-Phantasten darauf, das Geschäft mit den "Importbräuten" zu versalzen. Um derartige Dokumente vor dem breiten Publikum sanktionieren zu lassen, wurden Trophäenjägerinnen der Schleierliteratur wie Necla Kelek und Seyran Ates zusätzlich zu dem Werbefeldzug herangezogen. In einem von "theovangogh-gesellschaft@online.de" verbreiteten Rundmail unter dem Leitspruch "Erst wird Gebäck gereicht, dann droht man mit Desintegration" vom 8. Juli 2007, wobei es sich um den Boykott des zweiten Integrationsgipfels durch vier türkische Dachverbände am 12. Juli 2007 dreht, lobhudelt Kelek das frisch gebackene Paragraphenwerk und arrangiert ein Affront - warum auch immer - gegen die Türkei:

"Die Bundesregierung hat eine Gesetzesinitiative beschlossen, die das Zuzugsalter bei Familienzusammenführung von sechzehn auf achtzehn Jahre heraufsetzt und von den Zuziehenden einfache Deutschkenntnisse und wirtschaftliche Unabhängigkeit verlangt. Diese Maßnahme richtet sich darauf, den leidigen Tatbestand der "Importbräute" zumindest einzudämmen. Gerade der Zwang zur (frühen) Heirat und die völlige Abhängigkeit junger Frauen aus Anatolien von den Familien ihrer meist in Deutschland geborenen Männer, die völlige Unkenntniss der Sprache und Kultur ihrer neuen Heimat haben in den vergangenen Jahren zum weitgehenden Scheitern der Integration und zur Zuwanderung in die Sozialsysteme geführt. Diese Frauen führen in den Familien in Deutschland ein separiertes, ihrer anatolischen Tradition verpflichtetes Leben, sie erziehen Kinder nach den Vorgaben dieser Kultur, sprechen mit ihnen nur türkisch.

Die Folge sind Segregation und Schulversagen der Migrantenkinder. Immer wieder wird so eine erste Migrantengeneration produziert. Wir haben bereits Hunderttausende so lebende Frauen in Deutschland. Weder Islam- noch Türkenverbände haben auch nur eine Hand gerührt, um die Lage dieser Frauen zu verbessern, sondern immer nur ihr Recht und ihre Kultur verteidigt. Das Gesetz ist deshalb dringend nötig."

In der Folge verschärft Kelek den Ton ihrer Standpauke, wirft dann den Vorständen der Türkenverbände Gaukelspiel und Schurkenstreich vor:

"Sie (die türkischen Verbände) wollen möglichst viele Türken nach Deutschland bringen, diese sollen so leben können, wie es ihre Religion und ihre vormoderne Kultur vorsehen. Es geht nicht um Integration, sondern um Zuwanderung und Separatinteressen.

Hinter den süßen Reden wird also knallhart Interessenpolitik im Sinne der Türken und der Türkei betrieben. Es geht um Stellung, Geld und Einfluss der Verbände."

Necla Kelek, die wie von der Tarantel gestochen dem Gestern ihrer Altvordern entflieht, eilt die Karriereleiter hinauf, sieht im als "antitürkisch" geflickten Regelwerk "Zuwanderungsgesetz" einen "Lackmustest". Also haben die Verbandsfunktionäre Farbe zu bekennen: Entweder schwarz-rot-gold mit dem geadelten Adler oder rot-weiß mit Sichelmond und Morgenstern. Mit den Mittelsmännern der Muslime will sie keinen Dialog pflegen und keine Expertise anpacken, sondern nur noch über Gewalt reden, die sie trotz der blutbefleckte Geschichte des Abendlandes unter Kruzifix und Hakenkreuz dem islamischen Glauben allein als Grundpfeiler zuschreibt.

Keleks Augenmerk gilt der gesamten Integrationsindustrie als zwangsläufige, aber auch kurzweilige Zeremonie. Ihr geht es nicht um die Miseren der "verkauften Bräute", sondern um ihre Heldin-Rolle in den germanisch manischen Schleich-Reklame-Produkten. Doch einem Beitrag von Andrea Brandt und Cordula Meyer in "Spiegel Online" vom 7. Juli 2007 zufolge sieht der Integrationsforscher Klaus Bade selbst für Merkels Interesse am langjährigen Tabuthema Integration auch ganz pragmatische Gründe: Es sei schlicht billiger, schon Kinder gut zu integrieren, als sich später mit aufwendigen Maßnahmen um chancenlose Migranten mit Hartz-IV-Biografien zu kümmern. Besonders qualifizierte Einwanderer, so Bade, machten außerdem inzwischen einen Bogen um Deutschland: "Wir kriegen nur die zweite Garnitur. Die erste geht ins Silicon Valley oder nach England."

Parteien-Populismus und die ewig entfremdete Population der Spätankömmlinge

Das restaurierte retrospektive "Zuwanderungsgesetz" präzisiert den ethnozentrischen Willen zur selektiven Migration und Assimilation. Auch der "nationale Integrationsplan", den die Kanzlerin in einem einjährigen Zeitraum von mehr als 250 Experten formulieren ließ und den sie dem von ihr zusammengestückelten Plenum namens "Integrationsgipfel" am 12. Juli 2007 präsentierte, zählt als eine Portion Promotion mit dem präventiv parierten Populismus, eine Formvorschrift zum Kundenfang.

Die Zieheltern und züchtig herumziehenden Paraphrasen-Pauker des völkischen Zauberzirkus hinter dem Balkan und Ural drohen den nonkonformistischen Meetings mit dem Schluß der Debatte über die kulturellen Menschenrechte in Deutschen Landen. Wer die von Extra-Exponenten pikant formulierten und brillant formatierten Passagen des platonischen Plans als kleinkrämerischen Extrakt des Klimbims zu karikieren wagt, wird sein blaues Wunde erleben.

Die Gouvernementalität der gewalthabenden Majorität, die sich auf der Gralssuche nach den Grundfesten der leidigen Leitkultur befindet, setzt alles daran, den Minoritäten-Verbänden den Schneid abzukaufen. Sie protegiert jene Schmeichler, die sich schräger Schmähschriften bedienen und als Marktschreier in die Schneise schneien, Schleich-Reklame für das imperiale Kasten-Kastell auf Touren bringen und darauf zielen, es sich als dessen willfährige Schreiberlinge auf einem Schrein voller Banknoten bequem zu machen.

In der achtundzwanzigsten Woche des Jahres begann eine Attitüden-Attacke auf vier türkische bzw. türkisch-islamische Dachverbände, weil sie die neuesten Formalien der autoritär normierten Novelle, des frisch gebackenen, noch schärfer gewürzten Regelwerks namens "Zuwanderungsrecht" als kulturalistisch archaisch in Frage stellten. Vor allem die Prämissen im Passus des Nachzugs von Familienangehörigen, denen ohne "Deutschkenntnisse" die Einreise ins Groß-D-Land verwehrt wird. Und das gilt nur für die Migranten aus dem (vor allem vorderen) Orient. Die Sprachkenntnisse, die aus etwa zwei bis drei Hundert Wörtern bestehen, sollen die Neuankömmlinge, nämlich die nachziehenden Bräute ermutigen, ihr gleichberechtigtes Recht gegenüber ihren Paschas einzuklagen. Welch eine Liederlichkeit! Zudem wurde das Nachzugsalter von sechzehn auf achtzehn aufgesetzt, um dem praktizierten Geschehen der Zwangsehen zum Erliegen zu bringen.

Die vier Verbände reagierten auf solche Art des selektiven Methode, die Subjekte des Gesetzes gemäß ihrer Staatsangehörigkeit zu klassifizieren, mit einer impulsiven Kritik, argwöhnten den Merkelianer Gipfel als einen Schwank und flüchteten sich in einen Boykott. Aber aufrecht!

Gralswurzel-Greise, die sich vor den zum Alltag anwachsenden Schikanen in Bezug auf ihre Grenzwacht nicht scheuen, beäugen griesgrämig die Erdenbürger der Brünetten, stellen ihr Herz für weibliche Greenhorns aus dieser Spezies zur Schau gegenüber den patriarchalischen Paraden.

Doch derartiger Habitus der Hochhumanen ist eine populistische Parodie oder die Karikatur der Kurtisanen-Kultur. Der Voluntarismus dieser selbst ausgestellten Urkunden-Urbanen wird sich vollgültig als Volumen-Volte für immer ins Gedächtnis brennen.

Am vierten Tag der 28. Woche wieherte der Amtsschimmel, trafen sich an der Spree die willfährigen wie ausgelaugten braven Honoratioren der Berliner Republik - zum zweiten Integrationsgipfel der Kapriolen-Kanzlerin, die ihn als einen "Meilenstein" in der Gastarbeiter-Ausländer-Asylanten-Zuwanderer-Geschichte der Bundesrepublik wertete, emotionell die Positur der Berolina im Statuen-Stil fingierte und sich genaugenommen zur Karikatur der Kuriosumskultur machte. Das in der Runde im Kanzleramt präsentierte Papierwerk "Nationaler Integrationsplan" soll die Budgets auf allen Ebenen angeblich um 750 Millionen Euro belasten - zugunsten derer, denen man den Weg zur Chancengleichheit ebnen will, indem man sie zur Sippschaft eines nicht vollwertig urbanen Geschlechter-Genres macht.

Der Boykott-Block wurde im Laufe der Tage von der majoritären Meute einheitsfrontmäßig ins Gemeine gezogen und mit Allgemeinplatz-Allüren veralbert. Mit hoch gegipfeltem Berolina-Blick und pangermanisch tendenziösem Tenor tröstete die Kanzlerin Angela Merkel ihren treuherzig trainierten Troß: "Wir haben eine ausgestreckte Hand für jeden..." Und der Integrationsminister von NRW: "Nur weil einige Verbände dem Gipfel fernbleiben, ist das Tischtuch noch nicht zerschnitten." Das vielleicht nicht, doch es bekam kaum einen Farbenton aus dem Gegengestade der ethnisch homogenen Gesellschaft.

Der Musentempel des integrationalen Impetus auf dem Schaugipfel nach Gutsherrenart verspricht seinen Leitstellen-Lakaien und liebedienerischenen Laien Arbeitsplatzgarantie sowie weiteren zwölf Tausend höchstwahrscheinlich mißgünstigen Hartz-IV-Frondienstlern den Einstieg in die militante Missionaren-Mischpoche von Mischlingen und mildtätigen Mitleidern.

Die Gipfelsturm erfahrene, Fahnenappell fähige willfährige Kurzweil-Kanzlerin und ihre goß-koalitionären Kompagnons wissen, daß man den Minoritäten nur ganz vereinzelt in den gesellschaftlichen Schaltstellen begegnet. Das hört sich nicht fragwürdig an, sondern entspricht genau dem germano- bzw. eurozentrischen Fahrplan.

Tatsächlich dreht sich der Zwist, den der Kanzler-Troß, der neben einigen alteingesessenen Experten und allochthonen Exponenten aus der medialen Merkel-Meute besteht, mit den türkischen Verbänden ausfechtet, nicht um einen Teil des nationalen Integrationsplans, dessen Dokument reichlich Roßtäuscherei betreibt. Es umfaßt als Objektmasse nicht allein die Eingewanderten im Ausländerstatus, sondern auch alle, die bereits eingebürgert sind. Wenn öffentlich orakelt wird, daß die Papierpassagen die Projektpraktiker verpflichtet, mehr Einwanderer in den Staatsdienst zu holen, ist der selektive Hintergrund sichtbar stilisiert: Es geht um die Promotion für die Eliten - vages Vorhaben wie eine auf einer einsamen Bergspitze gehißte Vielfarbenfahne, nach der man immerfort nachprüfen muß, ob sie überhaupt weht.

Im Kerngehalt ist der Meilenstein-Plan à la Angela Merkel ein ambitioniertes Aktenstück, keinen Pappenstiel wert, das zugleich eine Menge Lebenslügen einschmelzen kann. Zum Beispiel das paradoxe Pathos der Chancengleichheit, die auch zur Folge hat, die Asylmigranten als leisetreterische Loser in Deportationslagern zu internieren, die erdgrau erdichtete Furcht vor den virtuellen Flüchtlingsfluten zu intensivieren; oder der Pathos den eingewanderten Individuen ein ethnizistisches Etikett aufzudrücken sowie die Existenz der kosmopolitanen Kollektiven launisch zu leugnen, genauso die Autonomie der Migration zu verbarrikadieren.

Für die schäbigen Laien der Journaillen-Junta und Gesellen der Jägerlatein-Literatur oder Legionäre der Gazetten-Garnison haben sich die Boykotteure selbst in ein Wespennest gesetzt. Der Zug der Integrationsintimi bewege sich fort, auch ohne sie, lauteten die liederlichen Töne einiger schreibender Lehrmeister. Nur sollten sie auch erkennen: Der Zielbahnhof zeigt sich ziemlich verzwickt.

Die gelungene Integration enträtselt der Prosaprolet eines Revolverblatts mit solcherlei Sophistik wie hier: Davon lasse sich erst sprechen, wenn die große Mehrheit der eingebürgerten Türken nicht mehr von sich sagt, sie seien Türken mit deutschem Paß, sondern Deutsche mit türkischem Hintergrund. Also doch: An den ethnizistischen Ambitionen des germanophilen Gedankengebäudes führt kein Weg vorbei. Das souveräne Individuum taucht im integrationalen Sumpf endgültig unter. Die kosmopolitane Bürgerrepublik kommt in den pangermanischen Silhouetten der Berliner Republik abhanden. Das gilt speziell für die Türken. Daher läßt sich die Novelle des "Zuwanderungsrechts" als ein antitürkisches Geflecht ins Gedächtnis rufen, wodurch auch das weich geflickte Dialog-Tuch unweigerlich zu Bruch ging, das sich schwerlich wieder instand bringen läßt.

Das islamische Gegengestade

Die Agenda der islamophoben Zirkel und Zerbilder expandiert expressiv und repressiv zugleich. Behäbig hebt die Regentschaft der Schicksalsgemeinschaft jene kulturellen Menschenrechte im eigenen Himmelsstrich robust aus dem Sattel, welche die pangermanischen Prahlhans in der Peripherie inbrünstig propagieren und protegieren. Die Restriktionen gegen die Muttersprache im Pausenhof reifen zu resoluten Repressionen heran. Das gerade geht dank des Duckmäusertums in den vorderen Reihen der eingewanderten Einwohner vonstatten, die den Aderlaß ihrer autonomen Lebensart beipflichten, um dem rasanten Verfall in das Fanggebiet der Unterprivilegierten zu entfliehen.

Doch die gemäß dem ethnizistischen Lehrgebäude als muslimisch markierte Migrantenmasse wird noch lange als stilles Reservoir der demographischen Demoskopie-Kompanie ins Auge gefaßt und weniger als zukunftsträchtige Ressource des Humankapitals. Daher tritt das verbal veräußerte, kümmerlich kultivierte Qualifikationswunder, das die fantasiebegabten Wächter der selektiven Assimilation (in der Tretmühle allgemein Integration genannt) als farbenprangendes Fragment an den Horizont malen, als formhafter Fortlauf des tiefgründig kulturalistisch konzipierten Kursbuches zutage.

Welches gemeine Geheimnis oder urkundlich finstere Ungeheuer behaust das Firmament des islamischen Glaubens, das soviel Unbehagen bei den urtümlichen Urbanen bereitet und Aversionen weckt? Es sind nicht mehr als fünf Säulen, auf die er sich stützt: Bekenntnis, fünfmaliges Gebet am Tag, Fasten einen ganzen Monat im Jahr, jährliche Abgabe eines Vierzigstel des Vermögens an die Minderbemittelten, Wallfahrt.

Sind die Moscheen, wie die morsche Frage lautet und wie die Zöglinge der Kreuzzugszombies bezeugen wollen, Keimzellen einer Gegengesellschaft und keine heiligen Stätte wie die Kirchen und Synagogen? Das entspricht schon der Wahrheit. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach wird in diesen Gebetshäusern allesamt krumme Geschäfte getrieben - vom Klerus oder den Klüngeln der gottbegnadeten Geldmännern.

Scharia-Regel des Dschihads bedeuten nicht immer oder ausschließlich kriegerische Gewalt und das Trachten nach dem Terror. Auch manche methodisch manierierten Wohltaten gehören dazu, wie in der Türkei der Fall ist, wo in Wahlkampfzeiten die Frommenfront des "gemäßigten" Islam Lebensmittelkonvois für die Varoschs organisiert und dadurch ihre militanten Troupiers mobilisiert, Kreuzmalen-Zettel für die "grüne" Patronaten-Partei einzufangen. Die nötigen Finanzmittel ergattern sie zumeist in den Moscheen oder Gebetsstätten der Tariqats (Ordensbruderschaften).

Und die willfährigen Fanatiker der imperialen Zentren werden von Hegemonial-Humanisten hochherzig unterstützt, damit die Träger des symbolträchtigen Turbans aus den Urnengangspielen als Sieger hervorgehen. Dabei nimmt man allem Anschein nach in Kauf, daß die Funktionäre des gemäßigt gewandten Islams gemäß dem Scharia-Schmäh "Taqiyya" handeln - das heißt das Verschweigen der wahren Absichten im Geschäftsleben mit Nicht-Muslimen bzw. "Ungläubigen".

Im Turbo-Turnus von Turko- zur Türken-Tünche

Daß zahlreiche zuversichtliche Studien das tugendreine Theorie-Theater der Kulturkreiskriege als schwerfälliges Falsifikat zweifelsfrei enttarnt haben, tut der Konjunktur der platten Pamphlete über den Zusammenstoß der Kulturen keinen Abbruch. Die aufklärerisch animierte Debatte in fingerfertig fabrizierten Feuilletons und fingierten Studio-Runden über die eingewanderten Communities aus Kleinasien sind allgegenwärtig, protegieren die Auflagen und Einschaltquoten. Die Zöglinge der Expertenzunft experimentieren eifrig mit der Zukunft einer Türken-Tünche, paraphrasieren einen turbulenten Turko-Typus - nach Osmanen-Art gekleideter Angehöriger der algerischen Truppen des französischen Heeres. Jedenfalls kreischen die Marktschreier des Ideologie-Gutes "Clash of civilization" immer durch Mark und Bein gehender. In "ZAG, Antirassistische Zeitschrift, Heft 50, Frühjahr 2007" bemerken Christoph Burgmer und Tobias Fassmeyer:

"Die Türken vor Wien beflügeln allerlei Verschwörungstheorien, obwohl ein großer Teil des türkischen Heeres aus Christen besteht. Die Propaganda sieht bis heute in den Türken vor Wien den drohenden Untergang des Abendlandes, und nimmt noch einmal historisch Bezug auf die angebliche Rettung des Christentums vor dem Ansturm der Araber im Jahr 732 durch Karl Martell in der Schlacht von Tours und Poitiers. Real migrierten lausende christliche Untertanen nur allzu gerne aus dem feudalen Europa und vor der mit der Inquisition, also dem zigtausendfachen Morden vor allem von Frauen, beschäftigten katholischen Kirche ins Osmanische Reich. Hier war ihre politische, soziale und rechtliche Situation bei weitem besser. (...)

Die Mehrheit der Linken interessiert sich nicht im Entferntesten für die politischen oder gesellschaftlichen Zustände und Bedingungen in den ideologisch bis zum Faschismus phantasierten orientalischen Ländern, die gerade so begeistert mit Krieg befreit werden. Diskutiert wird, was der politische Mainstream vorgibt, wahrgenommen wird, was dem gewünschten Bild entspricht. Dies ist momentan, der von der islamischen Weltverschwörung existentiell bedrohte Westen. Und die kritische Öffentlichkeit - mit Tunnelblick. Die spezifische Gefährlichkeit des Islam: Erwiesen! Eine große infame Verschwörung! Herr Huntington feiert hier seinen größten Erfolg.

Die weidlichen Retter und vermeintlichen Wegweiser der Zivilisation faseln vom Dunkel der Fabeln vehement weiter. Der Reklame trommelnde Sicherheitsstab hat endlich eine Verschwörerhöhle lokalisiert: Die Moschee!

Es gibt aber die Dulder mit dünkelhaftem Durchblick. Doch sie zielen nicht auf Akzeptanz, sondern darauf, den wilden oder primitiven Muslimen die Güte der von christlich-abendländisch kapitalistisch kalkulierter Warenförmigkeit herbeigedichteten Aufgeklärtheit zu zeigen, damit sie - zum Allgemeinplatz avanciert - die Chance haben, selbst so zu werden wie die christianisierten Hochurbanen.

Davon abgesehen bewegen sich Angela Merkel und ihre CD-Union mit leisen Schritten von dem Gedankengebäude des ethnisch homogenen deutschen Deutschlands à la Grundgesetz-Artikel 116 zum integrationalen Imperium mit arteigenem Multikulturalismus zugunsten der muslimischen Multitude. Dies jedoch nicht im Kontext der "Multikulti"-Karikatur der 1980er Jahre, in deren Zentrum sich der Konsum der kulinarischen und exotischen Extras befand. "Das Zentrum des neuen Unions-Multikulti hat jedoch mit käuflichen Genüssen nichts zu schaffen," artikuliert Mark Terkessidis in einem Beitrag in "MID-Newsletter 7/07, www.migration-boell.de" vom 7. Juli 2007, "sondern vielmehr mit ideeller Unterstützung und geistigem Halt: Es ist die Kirche, genauer gesagt: die Moschee." Auf der Agenda des protektionistisch populistischen Integrations-Getues steht die Masse nicht als Bürger, sondern primär als Muslim. Terkessidis weist weiter auf die Hintergründe des christlich-demokratischen Wagnisses hin:

"Moscheen sprießen derzeit nur so aus dem Boden. Groß und repräsentativ dürfen, ja müssen sie sein, denn sie sollen, wie Navid Kermani kürzlich schrieb, Symbole werden dafür, "dass die Muslime heimisch wurden und als heimisch galten, mit einer Initiative des damaligen Innenministers, ausgerechnet eines Christdemokraten". Tatsächlich täuschen die Proteste vom rechten Rand, von senilen Schriftstellern und von professionellen "Islamkritikerinnen" darüber hinweg, dass die Religion als Ticket zur "Integration" politisch beschlossene Sache ist. Und neben der verbreiteten Angst vor "dem Islam" gibt es eine ebenso weit verbreitete Anerkennung von religiösen Bedürfnissen. Der "Tag der offenen Moschee", der in vielen Städten jährlich stattfindet, bricht ständig neue Besucherrekorde. Und in Köln wurde im Zusammenhang mit dem Moscheebau oft mit einem Schulterzucken vermerkt: "Die Leute müssen ja irgendwo beten." Das leuchtet sogar in der bayerischen Provinz ein.

Für die Union hat das Herausstreichen des Islam noch einen weiteren Vorteil. Denn diese Aufwertung des Religiösen bietet die Möglichkeit, den zunehmenden Relevanzverlust der christlichen Kirchen symbolisch aufzuhalten. Während man den Moscheebau fördert, wird zugleich die christliche Hoheit über die öffentliche Sphäre mit allen Mitteln behauptet. Als der nordrhein-westfälische Landtag ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen beschloss, während Kippa und Nonnenhaube erlaubt blieben, da gaben die Regierungsparteien als Begründung an: Nur das Kopftuch entspreche nicht den jüdisch-christlichen Bildungs- und Kulturwerten "unseres Landes". Zudem erhob das Gesetz die Vorurteile der einheimischen Bevölkerung quasi in Verfassungsrang. Denn nicht das Kopftuch per se gilt in NRW als verfassungsfeindlich. Verboten wird es, weil ein Schüler oder ein Elternteil denken könnte, dass die Verhüllung des Haares ein Zeichen gegen Freiheit und Demokratie sei.

Auf ganz Deutschland übertragen lässt sich daraus folgendes Modell ableiten: Die Bundesrepublik ist ein christliches Land, das "fremde" Religionen zulässt - im Rahmen des bescheidenen Anspruchs, dass Leute "ja irgendwo beten müssen". Bei der Realisierung dieses Modells werden neue Gruppen geschaffen. Wie oft hat man in den Medien gehört, dass in Deutschland "etwa zwei bis drei Millionen" Muslime leben? Nun ist bekannt, dass nicht einmal 20 Prozent "der Muslime" hierzulande organisiert sind - alle anderen werden, selbst wenn sie strikte Atheisten sind, einfach zu Muslimen erklärt. Im Umkehrschluss mutieren die anderen 80 Millionen Menschen zu Christen in einem christlichen Land."

Die kulturalistische Qualität der emanzipatorischen Riten und die Renaissance des Kreuzrittertums

Militante Missionare und mutwillige Moralapostel des okzidental kulturellen Absolutismus wie Henrik Broder oder Ralph Gordano minimieren die muslimisch markierte Geographie der Zivilisationszone bis auf die Zero. Sie operieren mit Anti-Bildern aus der Mottenkiste, schreiben die archaisch patriarchalen Daseinsformen wie "Ehrenmord", "Zwangsheirat", "genitales Verstümmeln des Mädchens" u.a. pauschal dem gesamten islmaischen Areal zu. Auf weitere Details der primitiven Peripherie-Praktiken wie "Zeitehen" sind sie anscheinend noch nicht gestoßen, die von Rechts wegen als schariakonforme Variante der Prostitution gelten. Doch solange die dominanten Damen und Herren der Dolce-vita-Spezies all diese Gebräuche jenseits der hoch kursierenden Kulturkreis-Konjunktur nicht differenziert auffassen, müssen sie sich den Vorwurf gefallen lassen, in ihrer fashionablen Art den faschistoiden Akt bugsiert zu haben.

Die Formation "pro Köln", die sich am Rhein mit ihrer Agitation gegen den Bauplan eines mächtigen Supermarkt-Zentrums um einer Großmoschee im Aufwind befindet, ist als "rechtsextrem" bekannt. Sie gilt als Sammelbecken für alle, die sich nicht verstanden fühlen von jenen Partei-Patronen, denen sie ihr Kreuz auf dem Wahlzettel schenkten. Und da ist die Gegenseite, wogegen die braven Bürger nicht hieb- und stichfest zu argumentieren fähig sind, sodann sie zweitweilig den braunen Bramarbassen folgen, die eine breite Basis der Mitstreiter mit mißgünstiger Mentalität mobilisieren können. Und diese stimmen gerade, von der primordialen Tradition der Inbesitznahme abgeleitet, den Gesang eines sanguinischen Singularismus des germanischen Gettogethers an, also den barschen Barrikaden-Barritus gegen die Barbaren-Gettos. Dank des Scharfblicks Wolfgang Schäubles als zuständiger Stabslenker für das Portefeuille des inneren Friedens wird der Sektor des "deutschen Islams" auf die Mitglieder von ein paar religiösen Sektionen oder Sekten reduziert. Von ihrem Bild wird die gesamte muslimische Multitude geprägt.

Auch wenn die freimütigen Akteure des kulturellen Engagements großenteils mit den Folgen des generellen Kahlschlag-Kommandos konfrontiert sind, befassen sie sich als Exponenten der Majorität mit der Realität der migrantischen Lebenswelten in der Regel nur marginal. Ihre Angehörigen werden nicht als gleichwertige Mitträger ins Gesichtsfeld der Reproduktion und Repräsentation von Kunst und Literatur einbezogen, höchsten als exotische Exponate aus der Umwelt der Minorität verwertet - im Sinne des Fremdenkonsums.

Während die islamophoben Pamphlete in Revolverblättern, vor allem aber im Internet-Dschungel ins Kraut schießen, kursieren einige Zeitschriften und Zirkulare in der Nebelzone der Integrationsindustrie, eifern ihren publizistischen Ambitionen in den Silhouetten der Berliner Retro-Republik nach, werden meist ins Bockshorn gejagt. Zu dieser Sorte des medialen Mikrokosmos gehört das unter dem Label "nah & fern" von "von Loeper Literaturverlag" herausgegebene sorgfältig gestaltete und knallbunte "Kulturmagazin für Migration und Partizipation". Besonderes Augenmerk läßt sich in seiner Nummer 35 dem Beitrag "Chancengleichheit in Zeiten der Globalisierung. Zivilgesellschaftliche Anmerkungen zur Ökonomisierung des Politischen" von Prof. Dr. Wolf-Dietrich Bukow widmen. "Zur 'Logik' der hiesigen Debatte über die Einwanderungsgesellschaft" bemerkt der achtsame Beobachter der migrantisch gemischten gesellschaftlichen Prozesse:

Ähnlich schwierig ist es, jemandem, der in einem Land lebt, in dem Einwanderung und Auswanderung normal ist, unsere Debatte über Einwanderung und über eine Einwanderungsgesellschaft zu erläutern. Zunächst muss man darauf hinweisen, dass es hierzulande nicht nur um aktuelle Einwanderung geht - zumal zurzeit mehr Menschen aus- als einwandern -, sondern vorzugsweise um die Kinder und Enkel von Einwanderern (in Köln wie in Toronto/Kanada stellen sie in manchen Altersgruppen bereits ein Drittel der Bevölkerung). Zunächst ist es nötig, den Begriff „Ausländer" in all seinen Facetten vom „Gastarbeiter" über den „Asylanten" und den „Bildungsinländer" bis zum „deutschen Ausländer" zu erläutern. Dann muss man erklären, dass die in diesem Zusammenhang immer wieder eingeforderte „Integration" nicht bedeutet, dass ein „Ausländer" arbeitet, Steuern und Gebühren zahlt, vielleicht Eigentum besitzt, über ein Haus oder eine Firma verfügt, vielleicht auch Arbeitsplätze geschaffen hat. Sondern „Integration" ist „ethnisch", „kulturell" und „religiös" gemeint. Damit wird auf etwas gezielt, das man nicht erwerben kann, sondern für das man sich bekehren muss. „Integration" wird auf diese Weise zu einem Qualitätsmerkmal, das nicht durch Kompetenzen und Leistungen belegt, sondern nur gnadenhalber zugestanden wird. Das hat drei „Vorteile". Erstens kann man Einwanderung leicht dosieren, weil es keine „störenden" Rechtsansprüche gibt. Zweitens kann man auch noch stolz sein, weil man ja einem anders ausgestatteten, weniger kompetenten, kulturell andersartig geprägten, also insgesamt weniger weit entwickelten Menschen gnädig die Hand reicht. Und drittens kann man guten Gewissens Bedingungen stellen. Eine so ausgestattete „Zuwanderungspolitik" hat 50 Jahre lang dazu beigetragen, entsprechende Bedingungen zu pflegen und zu härten. Soziologisch nennt man das prekarisierende Unterschichtung. Niemand braucht folglich zu rätseln, wo er „hingehört". Nur gelegentlich gibt es Irritationen, wenn jemand unübersehbar erfolgreich ist. Oder wenn ein ganzes Quartier, das eigentlich zum „kulturellen Brennpunkt" definiert wurde, urbane Qualitäten entwickelt, ökonomisch erfolgreich dasteht und Arbeitsplätze aus dem nichts heraus selbst schafft. Oder wenn Quartierbewohner gegen alle Erwartungen Bildungserfolg haben, studieren und sich hoch qualifizieren. Oder wenn im Stadtteil neben der Kirche eine anspruchsvolle Moschee gebaut werden soll. Aber eigentlich wird man erst nachdenklich, wenn der Gesellschaft die Bevölkerung ausgeht, wenn es zu wenig Kinder, Kunden und Fachleute gibt oder wenn aufgrund der Globalisierung Kompetenzen nachgefragt werden, über die „die Anderen" besser verfügen. Auch hier greift man zunehmend auf ökonomisches Gedankengut zurück. Man denke nur an die aktuelle Diskussion um die bislang geduldeten Flüchtlinge, bei der man sich schließlich auf einen Tausch „Bleiberecht gegen Arbeit" verständigt hat. Allmählich beginnen auch hier ökonomische Überlegungen in den Vordergrund zu treten. Die Frage ist, ob damit wirklich viel geholfen ist oder ob bloß der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wird.

Von linken Fossilen als Rollen-Rivalen oder Fabel-Filialen

Mit der Duftmarke des Emanzipatrorischen gelingt es den linken Legionen nicht, mit der Menge ins Bad zu steigen, um die Krautjunker samt ihres Gewaltapparats demonstrativ zu demolieren und ihre Demokratie-Konjunktur bloßzustellen. Vielmehr sehnen sie sich nach zierlichen Zirkussen und Zeltfreizeiten mit Lagerfeuerabenden - unterm orangenfarbenen Antlitz der Frau Luna.

Doch hauen die Regenbogenkrieger von Greenpeace hart u.a. in die Tastatur, promenieren prominent im Monitor ihres Elektronengehirns, heuern willfährige Greenhorns an, reklamieren einen ansehnlichen Anteil an öffentlichen Fördertöpfen, nehmen die Besorgten und Betrübten in Beschlag, bieten den originalen Gut-Betuchten und bürgerlichen Gettogether-Partys Ökokost, laufen gegen den Staatssäckel Sturm, wenn sie nicht das Gefühl haben, von ihm privilegiert behandelt zu werden. Hier entsteht ein Wildwuchs der NGO-Groupies, in dessen Gewirr sich die prämierten Pressure Groups durchsetzen, zugleich menschenrechtsmental manierierte Meriten erwerben. Nur in Marginalien wecken sie Verständnis für Milliarden, die im untersten Rand der Weltgesellschaft herumkrebsen - aber auf Umwegen versuchen, an die Küsten der Behaglichen-Bastei zu gelangen.

Schön und geschmeidig reden im frei zugänglichen Zitaten-Zirkus der medial merkantilen Maskerade die marktgläubigen Mandanten das mehrerlei Risiko als Sprung aus dem Gehäuse der Rivalitäten. Welch ein fulminantes Füllhorn!

Daß die transnationale Migration weit oben auf der Agenda der von imperialen Phrasen-Philosophen diktierten globalen Programme steht, interessiert die Spaßpartisanen der NGO-Gilde nur am Rande. Die Potentiale der bodenständigen Widersacher der Ständegesellschaft zog durchweg unter die planetäre Plane der parlamentarischen Patronage-Parteien. Neben ProAsyl existieren nur noch marginale Melangen, die hin und wieder den Start einer Karawane kundtun - als Demonstration der Solidarität mit der migrantischen Menschenmenge in Deportationsdepots, der Illegalität oder im Status der Geduldeten. Ansonsten wächst in der linksbündigen Antifa-Szenerie das hyperklug judeophile Gebrodel und erklimmt hanebüchen die ethnophobe Etappe, mausert sich einsatzbereit zum argwillig faulen Gorilla-Klub hinter dem Gendarmen-Dampf für die Freistunden der Mäuse-Monarchen - robotet robust unter dem Feigenblatt der emanzipatorischen Züchtigkeit und zivilisatorischen Ziererei.

Der Blick des parlamentarisch demokratisch partizipierten Linkenlagers erstarrt zur Salzsäule, gibt sich mondial dem Simulationsritual hin statt der sozialen Revolution. Die medial manipulierten öffentlichen Wortführer dieser zerfahrenen Zeremoniell-Zöglinge prahlen mit ihren kollaborationsbereiten Konversationen, vermeiden vermehrt jegliche ideologische Kontroversen, setzen zombig auf die dilettantenhafte Konversion und den faulen Frontwechsel der verirrten Kollegen, gehen am Ende zornig ins Zeug, jeden Antagonismus der lakaien- und laienhaften Linie kurz und klein zu schlagen, zumindest aber zu zensieren.

Die buntscheckige kulturalistische Klangfarbe

Es ist soweit. Die zweite Welle der völkischen Attraktions-Attitüden im Marschplan des europoiden Orders ist angekündigt. Nach Aussagen ihres Außenkoordinators Xavier Solana Anfang Juli 2007 stellt die Europäische Union trotz Rußlands Veto im UN-Sicherheitsrat die Sezession des Kosovo in Aussicht. Das ermutigt weitere völkische Kräfte, allen voran die ungarischsprachigen Minoritäten in Serbien, Rumänien und der Slowakei, ihre Autonomie-Ambitionen zu manifestieren, die durch deutsche "Volksgruppen"-Experten hochkarätig angeleitet wurden und in Budapest zum guten Ton gehören.

Noch hat das Amselfeld rechtlich den Status einer serbischen Provinz. Aber nicht mehr lange. Über weitere Schritte wird noch konferiert. Auf die Protagonisten der protegierten völkischen Welle huscht wieder das Geflacker von Neonlicht von weit her, aus den Metropolen. Sie können so viel Mut zeigen und Zeter und Mordio schreien, daß sie keiner Keilerei aus dem Weg gehen wollen. Immer mehr werden sie doch unter die Räder des Imperiums geraten - als Verlierer natürlich, die sich in den Fängen des Schicksals verheddern und einer femme fatale verfallen müssen. Dies versichern ihnen versierte Rassenkundler, deren Gorillas irgendwann anfangen werden, auch diese Desperados zu vermöbeln.

Seit sich die ethnizistische Krake krankhaft entfaltet, dringt die Religiosität als embryonales Relikt der feudalen Fundamente in sämtliche Strukturen der neo-kolonisierten Peripherie ein. Um torpedieren zu können, daß sie auch im Zentrum an Boden gewinnt, leben die Kompagnons des Spätkapitalismus von früh bis spät geistesgegenwärtig auf dem Kriegsfuß.

Je mehr das Gewicht des Neokolonialismus im Aufwind ist, desto gewaltiger wird das Geflecht des Glaubensgewühls als Reaktion darauf Schlag auf Schlag aus der Privatsphäre wieder tiefer in das gesellschaftliche Gefüge eingreifen - vor allem im erdfahl erniedrigten Orient.

Die Existenz des Raumschiffs Erde als Allmende aller scheint stärker als je zuvor auf der Kippe stehen. Während die mental wie merkantil Übermächtigen der Erdgeborenen mit ihrer Messias-Metapher im Angesicht kommender Katastrophen Froschblut haben, wird erneut der Streit um die Definition des Kollektiven aufflammen müssen.

Doch die universitäre Intelligenzia auf ihrer Seite geißelt die christlich-abendländische Mammon-Media mit sarkastischer Schärfe zum Beispiel die plötzliche Eruption eines bürgerlich-laizistischen Patriotismus in der Province Anatolia, tischt waghalsig ein Amalgam aus Humanismus und Kapitalismus auf - eine Lagerhalle für Menschenrechtseinerlei sowie einen Gemeinplatz für Mehrwertallerlei.

Mächtig medioker stolziert der grüne Mittelstand mit Lammfrommen und Politisch Korrekten, trompetet sein Menschenrechtsmetier nach dem kulturalistischen Kompaß heraus. Allemal wechseln diese überlebenstüchtigen und akklamationssüchtigen Akteure der Laisser-aller-Allianzen ihre Alternativen, glauben sogar mit ihren Marketingmethoden die Hungerherden und Elendslegionen in Megaslums steuern zu können.

Die Grünen-Gladiatoren genießen ihren putschistischen, Pro-Profit protegierten, protektoral politierten puritanischen Pyrrhussieg im Gerangel um den Glimmstengel und interessieren sich für den Protest der mondialen Proleten im deutschen Hungerturm nur als Protagonisten des humanitären Interventionismus. Daß das Rauchen geringstenfalls den geistigen Zustand der Pleitiers fördern kann, den Präparaten wie Antidepressiva als Alternative hingegen oft verbleibende, hin und wieder todbringende Nebeneffekte innewohnen, bagatellisieren die Partei-Potenten der mammon-mobilen Privatiers und moderaten Piraten, die vom einstigen Hausierer-Status der Hausbesetzer und Pflasterstein-Partisanen zum gerissenen Klassenrang der probaten Hausbesitzer aufgestiegen sind.

Nebenbei bemerkt: Interkulturelle Aktivitäten sind herrschaftlich hierarchische Pflegepraxen der Untertanentreu und Formen alltäglichen Handelns, die von prinzipiellen Normen der majoritären Gewalt-Meute diktiert werden. Beim fort und fort aufgewärmten Scheinstreit über das Gewicht der „Leitkultur“ dreht es sich um die Definitionsmacht systemisch autoritärer Strukturen, also um die kulturelle Hegemonie wider die Autonomie der Nochnichtdazugehörigen, der eingewanderten Einwohner.

Kultur läßt sich in diesem Kontext als gesellschaftliches Konstrukt zum Erhalt von Klassenkompromissen des autochthonen Zentrums gegenüber der allochthonen Peripherie ermitteln. Ob sie, also die Kulturdebatte, auch als potenzielles Medium emanzipatorischer Strategien analysiert werden kann, hängt davon ab, daß der Kampf nicht um die Korrekturen innerhalb des Systems läuft, sondern um den Wagemut, es als historisch überwunden zu erklären.

Hier gerade entpuppt sich das strittige Multikulturalismus-Konzept als Verwirrspiel, dessen Kerngehalt das Gebot der strikten Neutralität der Staatsgewalt samt ihrer Institutionen gegenüber allen partikularen Identitäten innewohnt. Daß die Gleichwertigkeit der Andersartigen kein Primärgut verkörpert, zeigt z.B. die medial gelenkte Islam-Schelte im Mainstream, die ins Uferlose geht. Der Souverän repräsentiert keine Staatsbürgernation, sondern den Volksstaat.

Die andauernd aufs Glatteis geführte Antifa-Debatte demarkiert eine linkische Linie des Debakels. Sie bleibt trotz aller Alternativ-Allianzen im antiquarischen Quartier der Querulanten stecken, was einer Quarantäne der Chaoten ähnelt, die sich über die Paraden der Stammhalter faschistisch ethno-nationalistischer Kameraderie beklagen und kreischend Kassandraruf-Kapriolen kommentieren. Selbst die klitzekleinste Demonstration von völkischen Fundamentalisten reaktiviert eine Menge Antifa-Agitatoren. Es kommt zu mentalen Meetings, zu Abwehr-Attacken für das bourgeois-demokratisch adrette Artefakt, aber selten zu der Artikulation der Akzeptanz eines egalitär kosmopolitanen Gesellschaftsgebildes.

Alles, was die organisierten Gutmenschen-Mystiker tüfteln, bleibt an einem Punkt hängen, nämlich die vom beruflichen Glück ausgeschlossenen, unterqualifizierten Allochthonen-Abkömmlinge in den Gettos Germanias mit Spiel und Spaß sowie im Hartz-IV-Archipel zu beobachten, deren latenter Haß allzeit zum Tumult entfacht werden kann. Nur diejenigen, die im besten Saft stehen und sich dem Karriere-Krieg auf dem Nischenmarkt verschreiben, gelten als exemplarische Exponenten der „gelungenen Integration“.

Keine alte Lektüre im Folioformat kann eine alternative Blüte hervortreiben. Beim rudimentären Räderwerk der integrational institutionalisierten Instrumente und Utensilien dreht es sich um ein intrigantes Lehrgebäude. Die lauthals zitierte Rhetorik der Chancengleichheit durch Qualifikation zielt nicht auf das Gleichmaß zwischen Ambitionen und Positionen, sondern darauf, der Reservearmee in den Gettos Wasser in den Wein zu gießen. Gewiß rechnen die Mausklicker des Menschenmanagements mit der Auslese der Tüchtigen und Tüftlergenies. Gehandelt wird jedoch gemäß der theosophischen These des Soziologen Gunnar Heinsohn von der Gefahr des „Youth Bulge“ („Jugendüberschuß“). Wie Moritz Schwarz am Ende eines Gesprächs mit ihm in „Junge Freiheit“ vom 10. August 2007 resümiert, „bezeichnet die überproportionale Ausstülpung ('bulge') der Alterspyramide beim Segment der jungen Menschen. Nach Heinsohn entstehen durch 'Youth Bulges' die Voraussetzungen für Bürgerkrieg und Terrorismus. Wenn nämlich große Teile der männlichen Jugend keine Aussicht haben, eine angemessene Position in der Gesellschaft zu finden, stehe ihnen als einziger Weg die Gewalt offen: 'Um Brot wird gebettelt. Getötet wird für Status und Macht.' Europa sieht sich, bei gleichzeitigem eigenem Jugendschwund, mit dramatischer Geschwindigkeit in den nächsten Jahrzehnten mit einem solchen Überschuß an jungen Männern aus - islamischen - Einwanderer-Kulturen konfrontiert.“

„Political Correctness“ hält die Hand über Totschlagargumente für die kulturalistisch kalkulierbare Qualifikation mit dem demokratisch dogmatischen Diktum integrationsfähig und -willig.

   

Beiträge, die nur im Internet und nicht in der gedruckten Ausgabe erscheinen

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• Mehr lesenswertes Textmaterial

• Wider den Schwarzen Winter

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  Letzte Änderung: 11.12.2007