KOSMOPOLITANIA SAARLORLUX


Don Quixoten-Karawane auf Achse:

Ein ganzes Jahr Literatur-Wettbewerb im wahrhaft solidarischen Akt

 

Unter der Fuchtel des marktparaten Apparats der Furie marschieren die Gutleut-Guerilla aus Fraktion und Funktion lichterloh auf, faseln von Frucht und Fortuna, haben dann die Stirn, den Sturz in den Orkus der Habenichtse als Fortschritt ins Feld zu führen, wobei sie sackweise Asche in den Rachen der Mäuse-Fänger werfen.

Winter pausiert, Kälte kehrt um.

Der Sonnentrinker hat den Sturm auf die Vasallen-Varia des Warenzeichens zu wagen und sich gegen das Wahrzeichen der Liturgie-Literaten im Realiter-Reich der Lethargie zu wehren. Leider küßt er dabei – vom Wankelmut erfaßt – dem Privatier-Vampir die Stiefel. Es sind die Essayisten der Feuilletons, denen aus lauter Loyalitätslust der Blick auf den Sonnenmorgen abhanden gekommen ist.

Es gibt Gegenwartsgeschichten des aufrechten Gangs und manches Gegenüber des kommerziellen Kannibalismus im Gefilde der literarischen Manufaktur. Die einzelne Blüte im Versteck unter der Schneedecke bezeugt aber noch lange nicht die baldige Wiederkehr des Sommerboten. Die Meisten der bourgeois assoziierten, von der elitären Giftküche der Habgier assimilierten Gesellen und Gentilhommes mit ihren burschikosen Esprits in Groschenblättern und -heften essen sich im Etablissement der autoritären Etatautoren dick und rund, können Extra-Erträge einheimsen.

Die journalistische Diktion legt der poetischen Dediktion Daumenschrauben an. Hinter der virtuellen Wortwarte der mass-medialen Zocker-Zunft breitet sich die Bequemlichkeit der Bravo-Barden aus, vor ihr das Wolfsgruben-Areal, aus dem Heuler hervorkriechen und Heuchler. Auf der von Theater-Cäsaren dirigierten Allwaren-Arena der Paradieswächter haben sich gescheiterte Biographien mit digitalen Rivalen ewig in die Wolle zu kriegen, samt Ritual- und Risiko-Gepäck umherzuziehen oder Hals über Kopf die Flucht zu ergreifen.

Unter welchem Marasmus die Zivilisation in ihrem letzt höchsten Stadium leidet, trudelt in keinem Opus der Feder schwingenden Musketiere der götterhaft glorifizierten „Vierten Gewalt“ ein, nicht einmal der Opponenten des unersättlichen Oktopoden. Dabei stehen die Tutoren der aufklärerischen Tacheron-Gemeinde nicht direkt unter der Karbatsche der Zensur, fügen sie sich doch der Richtschnur des Ellbogenrechts und Heidenspektakels. Wenn sie beispielsweise ein Probeexemplar der Blätter DIE BRÜCKE erhalten, haben sie meistens das Bedürfnis, darauf demonstrativ zu reagieren: Aufhören mit der wild kreierten Wortkunst- und Wirrkopf-Attacken auf den Olymp der frisch frisierten Libertas!

DIE BRÜCKE brandmarkt: Die Akteure und Strukturen der Besitzpyramide im warenproduzierenden Forum okzidentaler Civil-Society sind patriarchal und rassistisch zugleich. Im Widerspruch zu Boulevard- und Gutbürgerblättern systemkonformer Qualität, die minütlich millionenfach vervielfältigt werden, bietet dieses Quartal-Periodikum eine Tribüne, die den Amateuren der Dichtkunst, den freimütigen Text- und Verseschmieden Mut einflößt, in des Wortes weitest nonkonformistischen Sinngehalts zur Feder zu greifen - in einem Weltalter, in dem die Streiter des kollektiven Glücks überall Federn lassen müssen.

Wenn ein Feierabend-Fechter der Feder jenseits der aufklärerischen Artikel-Aristokratie seine eigene Art der literarischen Artikulation entwickelt, so wird sein Geschreibsel als sprachliche Speckigkeit gemaßregelt oder als armseliges Artefakt. Vorgehalten wird ihm überspannt etwa der Trip eines Geschöpfs, dessen Intellekt mit dem Flachkopf des Langohrs zusammenstimmt. Der volkstumsbedürftige Untertan des Schickeria-Schicksals, der sich fleißig nach einem Amüsierlokal mit Bauchtanz umsieht und die Extra-Exotik verehrt, empört sich essenziell gegen jegliche Attacke auf das Normative seines Universums. Natürlich eifert er für den Schutz des Fremden, aber als externe Existenz und nur für den internen Nutzeffekt zur Fortdauer der dem elitären Frohsinn inhärenten Dolce vita. Selbst der abendländische Human-Right-Realist gewährt den bedrängten Fremden nur solange Beistand, solange er ihn in seinem Klischee speichern kann.


Frühlingsmeeting 2005 als Auftakt der mediterran inspirierten »Literatouren«

Da der Übergang vom Idealen zum Realen feste Bausteine benötigt, faßten die Brücken-Brigadiers schon vor dem Anbruch der letzten Wintertage ins Auge, die kosmopolitanen Communities des metropolitanen Gettogethers im Himmelsstrich „SaarLorLux“ phantasievoll zu pflegen. Dieses freiwillige Engagement sollte weit über die Sphäre des belletristisch Literarischen hinausgehen und ein breit angelegtes Spektrum umfassen – alles, was das soziale Allerlei als Politikum prägt. Hierzu gehörte das Selbstverständnis des Vorhabens, einen Literatur-Wettbewerb auszuschreiben und dessen Früchte in einer Anthologie zu sammeln.

Am Samstag, 21. Mai 2005, ging die Karawane „Kosmopolitania SaarLorLux“ an den Start. Im Saarländischen Künstlerhaus Saarbrücken fand sich zusammen: Ein in Zahlen beziffert kleines, dem Engagement nach bezeugt großes Publikum.

Es ging nicht um die Masse, sondern um das Gewicht der Idee, um das sich die gesamte Geschichte des Menschentums dreht. Es ging um ein Wagestück der Herolde, eine Botschaft zu verkünden, vor allem für diejenigen Überfüllten, die außer zuweilen Mut und Wut kaum etwas besitzen, aber sich alleweil einen frischen Morgen der Fidelitas ausdenken.

Das vierstündig vielschichtige Programm mit dem Schwergewicht auf die Zukunftschancen einer Nazim-Hikmet-Fundation im kleinen „Reich der Mitte“ SaarLorLux hatte Kritik und Perspektive unter einem dialektischen Duktus zusammenzuschmieden. Am Ende überragte das sozio-human Universale das Feld und artikulierte die Utopie der Kosmopolitania wider die schaurig schallende Globalismus-Glocke vereinzelter und vereinsamter Individuen zwischen ethnisierten Enklaven und neoliberal nivellierten Partikulier-Gettos.

Mit dem Frühlingsmeeting 2005 beabsichtigten die Brücke-Fertiger außerdem, dem Gemeinplatz „SaarLorLux“ einen angemessen Sinngehalt zu verleihen, damit die Inspiration nicht wie bisher nur einen Gesprächsstoff liefert, dessen sich die Großkopferten in der Region großzügig bei ihren eurozentrisch eingestellten Feierabendparties bedienen.


Ein ganzes Jahr Literatur-Wettbewerb im wahrhaft solidarischen Akt

Klein ist der Humanen-Planet Erde geworden, wenn nicht innerlich verkümmert. Kontinente miteinander verbunden, Berge überquert, Wüsten und Ozeane. Systeme überwunden, Unterschiede glattgehobelt. Pyramiden aufgezogen, Apartheidsartikel ins Soziale übertragen – bis zum Abwinken. Mit Bravour paradieren Börsen-Brigaden vor Kameras und die Briganten der völkischen Sippschaften...

Ende der Zivilisationsgeschichte? Kreuzzug gegen Dschihad?

Kein Regenbogenbaum, nach dem man sich sehnt? Kein Blütentraum, den man pflegt?

Nur noch die Börsenpflegeparties der Heuschreckenplage?

Ende der Utopien?

Ist das alles, was die dritte industrielle Revolution mikroelektronischer Glorie dem Menschentum bescheren konnte? Der Krieg kreischender Kulturalismen? Neben- und gegeneinander kumulierte Geschöpfe als Gesellschaft? Vereinsamte Individuen als Symbol der Libertät? Oder der Libertinage?

Keine Odysseen, keine Robinsonaden auf dem Programm der Printimperien und Fernsehsender? Endgültiger Exitus des Don Quijote?

Hyäne-Charm hinter dem Schlangen-Schwarm? Das zähe Zähneklappern vor der Furie und Sirene des Systems, dem triumphalen Trommelfeuer der Mäuse-Mönche? Der Heidenlärm auf dem Dach des Besitzgötzen-Tempels, dem Gipfel der Apartheidspyramide?

Ende der Wortkunst als Replik der Rebellion auf den Raubbau des Erdenrundes und auf die Invasion der globalisierten Reaktion? Gemäß der Fusion des Alten Kontinents mit der NewWorld?

Nein!

Und dieses Nein bekräftigt DIE BRÜCKE des Kosmopolitanen-Kollektivs mit einem prospektiven Ja zur Utopie, erwärmt sich für einen Berg von Don Quijoten – mit dem Start eines Literatur-Wettbewerbs, den sie innerhalb von fünfzehn Jahren zum dritten Mal entgegen dem nordisch arischen Drachenwind der Dramen-Diktion ausschreibt, um ein optimales Orchester von Oden- und Epen-Künstlern und epochalen Opponenten aufs Neue in Fahrt zu bringen.

Wettbewerbe im literarischen Betrieb gibt es inzwischen zuhauf. Auch die Preise, die vergeben werden, die Werkstätten der Wortkunstwerke zu sekundieren oder ihre Urheber systemkonform zu annektieren. Sie weisen auf eine Reise hin, die unter dem Kommando der bereits feststehenden Sieger anbricht. Zum gesellschaftlichen Gewicht der utopischen Denkarbeit gehört hingegen, jedes Leben als ein Opus aufzufassen, es vom ersten bis zum letzten Blatt optimistisch wie objektiv aufzuschlagen.

Das Kompositum „Kosmopolitania SaarLorLux“ setzt sich aus dem Saarland, Lothringen und Luxemburg zusammen, kann jedoch bis zum rheinland-pfälzischen Westen, belgischen Süden, schweizerischen Norden ausgedehnt werden – mit ihren alteingesessenen und eingewanderten Einwohnern: Iberianer, Sizilianer, Anatolier, Thrazier, Balkanier, Magrephiner, Adrianer, Moreaner u.a.

Die Wettbewerbs-Beiträge – Poesie und Prosa – haben neben den Impressionen aus dem gelebten Weltalter greifbare Utopien als Lebensperspektiven in einem exemplarischen Erdstrich zu illustrieren – nach der Devise Dichten statt Klagen. Die Teilnahme setzt keine Demarkation regionaler Zugehörigkeit voraus. Zwei historische Werke liefern Grundideen: „Utopia“ und „Don Quijote“.

Der Literatouren „Kosmopolitania SaarLorLux“ eignet sich einen ziemlich unkonventionellen Kurs an, was das Verfahren anbetrifft, die eingetroffenen Arbeiten zu bewerten.

Nach der Vorauswahl, die ein von der Redaktion einberufenes Team trifft, erscheint mindestens ein Text jedes Teilnehmers in DIE BRÜCKE – unter dem Kennwort: Literatur-Wettbewerb „Kosmopolitania“. Für jede Lyrik steht in der Regel ein Spalte zur Verfügung, für die erzählerische Kurzprosa, für Reportagen und Essays drei Seiten.

Der Leserschaft wird die Funktion der Jury übertragen. Jeden veröffentlichen Text kann jeder Leser mit einer Punktzahl zwischen 0 und 100 bewerten und sie der Redaktion zuschicken.

Jeder Teilnahme-Umschlag enthält höchstens fünf Texte der Kategorie Lyrik, Kurzgeschichte, Reportage, Satire, Essay u.a., aus denen auch ein Mixtum compositum möglich ist. Umfassen soll die Versandtasche neben den Texten eine Kurzvita und die vollständige Anschrift des Teilnehmers.

Zu liefern sind die Manuskripte am besten per E-Mail-Anhang, CD oder Diskette mit einem beiliegenden Ausdruck, notfalls als Papier-Vorlagen, vorausgesetzt, daß sie deutlich schwarz-weiße Konturen zum Scannen aufweisen.

Der Wettbewerb läuft bis zur kommenden Maienzeit und mündet in das nächste Frühlingsmeeting, voraussichtlich Mitte Mai 2006 in Saarbrücken. Der Redaktionsschluß des Heftes 140, Mitte März 2006, versteht sich auch als Einsendeschluß für die Wettbewerbsbeiträge.

Necati Mert
Für die Redaktion der Zeitschrift DIE BRÜCKE