Ein paar Bilder anläßlich eines Jahreswechsels
• Wieder bilanzierten die Stabsstubendarsteller ein Stadium,
das kräftigen Kurs entfaltet. Der ethnisch homogene Hegemon
produziert sich hünenhaft, seine Helden driften die Hominiden
in eine Art Ameisenhaufen - vor der fingierten Invasion der harschen
Horror-Hunnen. Den Taktstock schwingen dabei die digitalen Dirigenten
der Journaillen-Junta.
• Eingedrungen in kahle Quartiere der divergenten Population,
liegen die Antiterror-Trojaner im Hinterhalt. Bald werden die Bravour-Bullen
der Antiraucher-Riten hinter den Straßenlaternen patrouillieren,
zugleich im Halbdunkel der spätnächtlichen Spelunken lauern.
Während die passionierten Genüßlinge des Glimmstengels
draußen im zittrigen Zustand vor dem Frost ihrer Sucht frönen.
• Die repräsentative, doktrinär durchgesetzte Demokratie
fundiert auf dem dumpf repressiven Weltbild der differenzierten
Werte zwischen eigenem und anderem - analog zur antiken Agora, auf
der sich die Sklavenhalter als partizipierte Parteien mitteilten
und sich als Siegerbarden über Barbaren brüsteten. Auf
dem Minoritäten-Phantom der Metöken, die als provisorisch
geduldete Parasiten beäugelt werden, erstarrt gegenwärtig
das aufklärerische Augenmerk.
• Der nimmersatte monetäre Moloch abendländischer
Abart kühlt am Typus des exotisch Orientalischen seinen mythischen
Mut und verursacht aufgeschwemmte Wutausbrüche in allen Breiten.
Der Blaue Planet verwandelt sich mehr und mehr in ein ramponiertes
Raumschiff der marktkreischenden Desperados sowie piratenparaten
Privatisierer.
• Die mediale Monteuren-Meute steht als Status-quo-Quäker
hinter den hart praktizierten Privatier-Parties neoliberalistischer
Qualität, der krämerhaften Krankmalerei. Selbst im Klamauk
des Überlebenskampfes üben die loyalen Untertanen des
Novum Romanum ihre Lakaien-Rolle getreu den Gemeinplatz-Gesetzen
sowie den Ritualen der messianischen Maskerade aus. Sie verfolgen
vorsichtig die späten Spuren des spartanischen Spektakels und
versuchen, eine einheitsfrontmäßige Formation aller Fraktionen
gegen die furios fremden Fantasien zu formatieren, sie als fundamentalistische
Fiktionen am Gegenufer zu forcieren.
• Honorige Humanisten hantieren mit dem Artefakt der heimlichen
Horror-Horden. Heimatliche Honoratioren heimeliger Moral lassen
Reform-Routinen ständestaatlicher Strukturen memorieren - jene
gefahrvollen Subsysteme, die dadurch eskalieren, daß die minderbegütert
untertänigen Lebenswelten zu ethnisch rivalisierenden Wesensarten
manipuliert werden.
• Grenzenlos läuten die Großglocken der militanten,
grimmig marktschreierischen Mobilität, bereichern - von dogmatischen
Philosophie-Fanfaren der teutomanischen tüftelnden Tink-Tanks
oder demokratisch dekorierten Denkfabriken ins Global übersetzt
- den Gauner-Gaumen.
• Die Freiheits-Fundamentalisten, die als Gewinnmargen-Mönche
des Besitzgötzen fuhrwerken, bewirken als absolute Autoritäten
der Gerechtigkeit, die eventuell als ethische Waffe eingesetzt wird,
um resolute Gefühlslagen zu übertünchen - meist mit
der Firnis aus dem Arsenal in der Finsternis. Ihnen gehen selbst
die linken Lemminge auf den Leim, nicht aus mangelnder Unkenntnis,
sondern Werte-Treue.
• Immer wenn der Krisenkurs des endkapitalistischen Kometen
in die Höhe schnellt und der Karren-Konvoi der Demokratie-Kumpanen
tief im Dreck steckt, streckt ihnen der bunte Bund der Biedermänner
willfährig die Hand entgegen.
Mainhattens Dompteuren-Demokratie
Das Jahr 2008 begann im Groß-D-Land mit einer Attrappen-Attacke
der Verbotsformationen auf den blauen Dunst, die irgendwie zusammenhängt
mit dem dauerhaft kommandierten Handstreich der kulturalistisch
aufgerüsteten Kompanien auf die halbwüchsigen Bösewichte
nicht-germanischer Altvordern.
Die Schwarzen-Union der Grauen-Republik benötigte ein Phantom,
um den hochheimatlichen wie tiefheimeligen Chor der ausgerufenen
Wahlpartie im Jahr 2008 zu protegieren. Ihre Leitfiguren hatten
den neorassistischen Grundcharakter des Lehrgebäudes, in dem
sie es sich bequem machen, nicht zu verheimlichen. Um die Reklametrommel
zu rühren, genügte ihnen eine Episode der Aversionen,
die den Laien ohne weiteres ethnisierte Eigenschaften boten.
Gewaltexzesse in der U-Bahn. So lautete der Titel des Szenariums,
das sich vor laufenden Kameras am Tatort tatsächlich abspielte
und im Anschluß daran tagelang in der Glotzkiste. Spätabends
oder Frühnachts - nicht von tiefgreifender Tragweite. Da verweilen
zwei Jünglinge, der eine mit türkischer, der andere mit
griechischer Stammtafel. Ein Flaneur im Rentier-Alter ertappt sie
beim passionierten Ziehen am Sargnagel, weist auf das frisch verhängte
Verbot hin. Ob er noch mehr sagte, z.B. "unartige Ausländer!"
bleibt unbekannt. Jedenfalls liefen die beiden ihm nach und wurden
tätlich.
Nichts rechtfertigt ihr Tun. Zudem verpflichtet sie ihre elterliche
Mentalität, Respekt vor den Älteren zu zeigen. Kann von
weiteren provokativen Hintergründen die Rede sein? Sie gab
es vielleicht tatsächlich nicht, müßte jedoch nachgeprüft
werden, bevor die Zöglinge der medialen Zunft aus einer Episode
ein Politikum, ein generelles gesellschaftliches Geschehen fabrizierten.
Denn sie liefert letztlich den ungehörigen Anstoß, die
heranwachsende Generation einer ganzen Gemeinschaft als Störenfried
in den Verdacht zu rücken und sie dann auch für vogelfrei
zu erklären.
Nach eigenen Angaben der beiden Radaubrüder habe der wehrlose
krankenhausreif getretene Ruheständler jedem von ihnen eine
Ohrfeige geknallt, nachdem sie sich geweigert hätten, seinem
Warnwort zu folgen und die Raucherorgie zu beenden. In manchen Portalen
im WWW-Dschungel tauchten sogar Zeugenaussagen auf, welche diese
Variante erhärteten. Welcher Dreh den Positionen der Züchtiger
auch immer anheimfallen mag, das Geschehen erschien ihnen vollkommen
als genehm.
Reparatur-Atelier der Apartheidsapparatur
Es wäre dümmlich, den gezielt inszenierten Debattenzirkus
als ein humanitäres Debakel aufzufassen, wobei es sich vorgeblich
darum dreht zu vereiteln, daß ein demographischer Dompteur
und demagogischer Feuerteufel namens Roland Koch aus der angeheizten
Atmosphäre - mit einer gehörigen Portion braun-brummiger
Affronts -Wählerstimmen saugt. Erbärmlich ist zudem, daß
sich der volksstaatlich geschulte Souverän leicht von "Bild"-Stürmern
lenken läßt. Denn das bedeutet, daß im majoritären
Potpourri fortan ein solches Potential existiert, dessen sich jeder
Mandatar der Macht idiotensicher bedienen kann. Es genügt lediglich,
ressentimentgeladenem, neorassistischem Gedankengut freien Lauf
zu lassen. Statt sich daher über den unlauteren Urnengang zu
beklagen, müßte hier vielmehr ein Vergehen an Menschenrechtsmetaphern
ins Auge gefaßt werden. Und nicht nur.
Der markant markierte Streit über die jugendtypische Straßengewalt,
der einer krakeelenden Kampagne gegen die als ungleichwertig abgestuften
Spätankömmlinge gleich kommt, trägt ziemlich dreiste
Züge der intensiven Apartheidsapparatur und zielt systematisch
auf das ethnisierte Unten. Erwähnt werden sollte in diesem
Kontext das Vorhaben der mitwirkenden Akteure des eliminatorisch
tönenden Szenarios mit den "geschlossenen Erziehungscamps"
für straffällig gewordene Heranwachsende eingewanderter
Einwohner. Damit nähern sich die Repressionsroutinen der Berliner
Republik historischen Vorläufern. Um jedoch jegliche Kombination
mit den Konzentrationslagern des Dritten Reichs zu vermeiden, wird
anstelle des Terminus "Lager" der Anglizismus "Camp"
verwendet. Die ersten dieserlei Fremdenlager befinden sich bereits
im Aufbau, berichtet das Internetportal www.german-foreign-policy.com/de
vom 9. Januar 2008, oder sogar in Betrieb wie das "Trainingscamp"
im nordhessischen Diemelstadt, das als Modellprojekt bezeichnet
bzw. gewürdigt wird. Ein weiteres "Camp" errichtet
das Bundesland Nordrhein-Westfalen noch im Frühjahr 2008.
Allerlei-Allianz der Allemanen
Das Groß-D-Land bekommt ein frischgebackenes arisches Gesicht
mit metropolitan manifestierten Deportationsdepots für migrantisches
Menschenmaterial, Anstalten bzw. geschlossenen Lagern zum Umerziehen,
respektive Züchtigen straffälliger Greenhorns - garantiert
frei vom blauen Dunst.
Die Wertedifferenz gehört zum allgemeinen Werk des alteingesessenen
Allemanen. Jeden, der anders aussieht als er und seinesgleichen,
entwertet er als überflüssigen "Ausländer",
dem es gilt, die Leviten zu lesen, damit er dem marginalisierten
Status anpaßt oder abhaut. Anders kann der germanophile Philister
nicht. Für ihn sind Ausländer per Gesetz politierte Primitive
oder vorläufig existentielle Exoten, die sich ziemlich anderes
benehmen, auch wenn sie hier zur Welt kamen und aufwuchsen. Und
das Andere enthält grundsätzlich nichts Gutes, in erster
Linie nur Negatives.
Dieses in Memen (Memory) fest verwurzelte Weltbild des aufs Grundgesetz
gestützten guten Germanen schiebt jeglichem Engagement für
ein re-visionäres Fortkommen gesellschaftlicher Regeln einen
Riegel vor. Als scheinheilig läßt sich daher entlarven,
was sich im Gegengestade der neokonservativen Kolonisatoren abspielt.
Es waren bei Lichte besehen miesepetrige Gemeckere, die gegen Roland
Kochs populistisch passionierte Positur sowie "Bild"-Boulevard-Provokationen
zeitweise Wellen schlugen. Die altbewährten Kräfte der
linkslastigen Kritik kommen auch dieses Mal in sonorer Sonderlaune
als artige Apologeten des Fetischs Demokratie anmarschiert und gehen
an der ethnisch entstandenen Unterschicht vorbei, damit an der expansiven,
gewissermaßen dynamischen sozialen Dramatik.
Was wahrscheinlich im Wesentlichen fehlt, ist die Kritik am Kritikus.
Sie hat den revolutionären Akt zum Inhalt und zielt darauf,
das normative Niveau des völkisch Gegenwärtigen zu überwinden,
allen voran das System - und nicht dessen Subsysteme - in seinen
faulen Fundamenten generell in Frage zu stellen, die Utopie zu wagen
und ein Gesellschaftsbild auf höherer Etappe zu illustrieren
- ein kosmopolitanes Kollektiv. Das bedeutet, dem Thema der Gesprächsrunden
den Ton anzugeben, die verkorksten Strukturen des Volksstaates anzuprangern.
Es gilt den Rahmen zu ändern, nicht das Menschenbild.
Necati Mert
|