Den originellsten Beitrag zur österreichischen Innenpolitik
der letzten Wochen lieferte die Parteijugend der Wiener Grünen.
In revolutionärem Eifer ließ die GAJ ein Plakat drucken,
das den stimmigen Slogan der Gemeinde Wien gegen Hundekot „Nimm
ein Sackerl für mein Gaggerl“ in ein „Nimm dein
Flaggerl für dein Gaggerl“ umwandelte. Mehr haben sie
nicht gebraucht, diese vaterlandslosen Gesellen. Da hört sich
jeder Spaß auf. Wenn die Fahne in den Kot gezogen wird, ist
für die Patrioten Feuer am Dach. Großes Geschrei war
die Folge. Eine kleine Hetzjagd war angesagt.
Eilfertig distanzierte sich die Ökopartei. In seiner Funktion
als Innenminister im Wartezimmer trat gleich mal Peter Pilz auf
den Plan. Auf seiner Homepage fordert er Züchtigung, Bekenntnis
und Ausschluss. Unter dem Titel „Grüne Scheisser“
schreibt er: „Bis vor kurzem wusste ich nicht, dass es auch
das bei uns gibt. Jetzt empfiehlt die ‘Grün Alternative
Jugend Wien’: ‘Nimm dein Flaggerl für dein Gaggerl’.
Ein Hund hält dazu die österreichische Fahne im Maul.
Ist das jetzt ein grüner Lausbuben- und Lausmäderlstreich?
Reicht da ein mildes Kopfschütteln unserer Parteiführer
und Führerinnen? ‘Wer Österreich liebt, muss Scheisse
sein.’ Das steht auf dem Plakat und ist offensichtlich die
Meinung der GAJ Wien. Ich bin anderer Meinung. Wer Österreich
für Scheisse hält, soll sich dafür eine Scheisspartei
suchen. Die sind sicherlich nicht wir. Bis jetzt sind die Plakatkünstler
noch nicht an die Öffentlichkeit getreten. Das sollten sie
jetzt tun. Sie sollten sich persönlich vorstellen, entschuldigen
und sich ein neues Feld für ihr Gaggerl suchen.“ Da fehlt
nur noch die Forderung, den Youngsters doch eine ordentliche Tracht
Prügel zu verpassen.
Wo Pilz poltert, ist die FPÖ nicht weit. Die würde die
jungen Grünen am liebsten gleich einsperren. Denn die Parolen
seien nicht nur „ein Schlag ins Gesicht jedes aufrechten Österreichers.
Sie sind auch von strafrechtlicher Relevanz.“ Man fragt an,
ob dieses Plakat nicht den Tatbestand des § 248 des Strafgesetzbuches
erfüllt, der die Herabwürdigung der Republik, insbesondere
der österreichischen Fahne regelt. Nichts Schlimmeres als eine
Fahne durch den Dreck zu ziehen. Der Taschenspielertrick dabei ist,
den Leuten einzureden, die Kritik von Symbol und Institution trifft
a priori auch sie, beleidigt sie höchstpersönlich. Doch
stimmt das so? Wer die Fahne beschimpft, beschimpft nicht mich,
und wenn jemand das Volk nicht mag, warum sollte ich mich da betroffen
fühlen? Weil ich einen österreichischen Staatsbürgerschaftsnachweis
habe, deswegen stehe ich doch nicht in Geiselhaft.
Bevor noch mehr auszucken, erinnern wir uns doch nur kurz an den
lange kolportierten Mythos von der Entstehung dieser Fahne. Auch
wenn die Geschichte nachweislich nicht stimmt und sie immer mehr
aus dem Verkehr gezogen wurde, ist sie geradezu bezeichnend. Nun,
es war unser ostmärkischer Herzog Leopold V., der auf dem Dritten
Kreuzzug durch das Blut der Muselmanen watete. Sein ganzer Waffenrock
war rot. Nur dort, wo sich der Gürtel befand, blieb darunter
ein breiter Streifen weiß. Rot-weiß-rot ward geboren.
Was erzählt uns diese Geschichte? Doch nicht weniger, als dass
die Flagge Folge eines Gemetzels ist. Darf man sich dazu bekennen?
Welch blöde Frage, man muss! Die Abschlachtung missliebiger
Fremder ist die ideologische Basis der österreichischen Flagge.
Es ging um Aggression und Invasion, inklusive Blutbad. Und die Barbaren
standen wie so oft im Osten.
Mir zweifellos ist der Kot beim Arsch lieber als die rot-weiß-rote
Kriegsbemalung im Gesicht. Um es auf den deftigen Punkt zu bringen,
auf dass es auch Patrioten verstehen: Gagge kommt im Normalfall
natürlich aus den Menschen heraus, Blut (von der weiblichen
Menstruation abgesehen) hingegen nicht, es muss durch einen extremen
Ein- oder Übergriff aus ihnen herausgeholt werden. Sind sie
die Gagge los, so sind sie erleichtert, sind sie das Blut los, sind
sie tot. Was da die obszönere Vorstellung ist, liegt auf der
Hand. Wahrlich, es ist um vieles unerträglicher, für die
Flagge zu töten oder zu fallen als auf sie zu scheißen.
Gegen die menschenfeindliche Perversion des ersteren ist zweiteres
direkt befreiend, ein Tabubruch der humansten Güte. Auch wenn
man diese Erkenntnis den grünen Jungs jetzt rausprügelt,
es ist gesagt und ich gratuliere. Und erkläre mich solidarisch,
wenn sich schon sonst niemand findet. Noch einmal: gegaggt werden
wird immer, auf alles, auch auf Fahnen, aber geblutet wurde schon
genug, gerade für Fahnen. Die Frage also, ob man wahlweise
für die Fahne in irgendeinen Krieg ziehen oder auf sie scheißen
möchte, ist doch so etwas von eindeutig im Sinne des Lebens
zu entscheiden, dass es eindeutiger gar nicht mehr geht.
Die nationalen Gemüter nehmen das aber umgekehrt wahr. Indes,
Nationen sind kollektive Halluzinationen, freilich ganz von der
reellen Sorte. Diese Haltung wird nicht nur von Patrioten exponiert,
sondern auch alle andern haben sie internalisiert. Verglichen damit
ist die GAJ-Persiflage ein intellektueller Hochgenuss. Auch analytisch
deutet das Plakat an, was eigentlich auf der Tagesordnung stünde:
Die Abwicklung der Nationen, die Entwöhnung der Menschen vom
klassifizierenden Schwachsinn nationaler Zugehörigkeiten. Das
Zoogehege der Völker ist zu entsorgen, damit die Menschen als
Individuen zu sich kommen können. Wer also die Scheisser sind,
mag Pilz bestimmen, wer die Hosenscheißer sind, bestimme allemal
ich. Das sind staatsfromme grüne Althirsche, die hinter diversen
Rabiatismen nichts anderes als ihre Angepasstheit und Abgeklärtheit
verstecken. Erlauben wollen sie nur noch, was in das beschränkte
Weltbild ihrer FDGO, der Freiheitlich-demokratischen-Grünzeug-Ordnung
passt. Wenn Pilz danach ist, kann er sich gemeinsam mit Strache
rot-weiß-rote Stricherl ins Gesicht schmieren. „Heute“
druckt solche Fotos sicher ab.
Mich erschrecken ehrlich ganz andere Sachen. Etwa wenn der konservative
Politikwissenschafter Günther Burkert-Dottolo, in der Tageszeitung
„Die Presse“ schreibt: „Österreich braucht
einen fröhlichen Patriotismus“. Jener dürfe nicht
dem „blutleeren Verfassungspatriotismus der Intellektuellen“
entsprechen. Wer sich also über blutleeren Patriotismus beklagt,
was wünscht der sich? Einen blutigen? Es ist zu vermuten, dass
einmal mehr das Volksvorurteil bedient werden soll, dass man für
sein Land schon zu bluten habe, in vielfacher Hinsicht. Das sind
die Selbstbeschwörungsformeln der Normalität, deren Selbstverständlichkeit
selbstverständlich in Frage zu stellen ist.
Was Burkert-Dottolo als „fröhlichen Patriotismus“
besingt, ist nichts anderes als eine schwere Droge. Das nationale
Gefühl ist eine gesellschaftliche Pathologie, an der wir alle
(auch ich) leiden. Frag nicht, was du für dein Volk tun kannst,
frag, wie dieses zu überwinden sei! Schlimm ist nicht, dass
man die Flagge mit der Gagge vergleicht, sondern die Gagge mit der
Flagge. In diesem Sinne. Gagge statt Flagge! - Werde ich jetzt eingesperrt?
Oder ausgebürgert?
Franz Schandl
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