XXVII. Jahrgang, Heft 147
Jan - Apr 2008/1
 
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Letzte Änderung:
24.2.2008

 
 

 

 
 

 

 

In den Kulissen der Teutozentrale

Krieg kreischender Kulturalismus –
Das Fundament der neofeudalen Kastenpyramide

   
 
 


Marode Manipulationsmaschinerie der Menschenrechtsmentoren

Über und über Serpentinen zum verkorksten Gipfel der Karriere-Kumpanen

Laikale Aspiranten der selektiven Assimilation

Reaktive Akklamation und die repressiven Perspektiven der intriganten Integrationsindustrie

Marginalen zum Ende eines Jahres mit morgenleeren Merkmalen

Von Necati Mert


Über den Sieg

Die furchtbaren Hände auf deine Wunde gepreßt,
   mit blutig zerbissenen Lippen
   mußt du den Schmerz ertragen.
Hoffnung ist jetzt nur ein nackter, grausamer Schrei.
   Wir werden mit unseren Fingernägeln
      den Sieg aus dem Boden kratzen,
         und nichts wird vergeben!

Nazim Hikmet


Sprunghaft bunt brach das herbstliche Herbarium an der Spree an, auch schwermütig bis schemenhaft. Strohgelb verblühte. Kaffeefarben die Kälte, die sich durchaus nicht umarmen ließ. Brandrot bedroht Kosmopolitania fortan. Nirgends geblümt. Weit blümerant zeigt sich die Jetztzeit, blamabel bleibt die Vergangenheit. Es gehört zum metropolitan mythischen Metier, abendbraun memmenhafte Münchhausiaden in Umlauf zu setzen.

Im song- und sonnenarmen Sommer 2007 diagnostizierten die Klima-Doktoren der doktrinären OneWorldOperation dem sozial ramponierten Erdenleben eine "schwere Depression". Als Symptome stellten sie am Globus, der dem Organismus der Gerät-gestaltenden Zweibeiner zwischen zotiger Zeremonie und ungezähmten Zorn ziemlich ähnlich erscheint, scheffelweise Schwächen bis kategorischen Katzenjammer fest - stetige somatische Beschwerden wie Rücken-, Nacken-, Backen-, Kopf-, Hals- und Herzschmerzen.

Rabiate Rambos setzen rivalitäts- und ruhmsüchtig ihr Rummelstück gleichwohl fort. Die neoständisch hegemoniale Gewaltkunst hält den besitzlosen Barbaren, Pleitiers und Parias des mysteriösen Monstrums namens Freihandel konstant eine Standpauke und läßt an allen Ecken und Kanten der eroberten Erdoberfläche die mentalen Moralapostel applaudieren, über den Herren der himmlischen Heerscharen plaudern. Dieser Über-Er könnte seinen irdischen Hirten und Agenten Order erteilen, zwischen den Zitadellen der Glücksgüter zu wandern und Wunder zu erbringen. Diese Unter-Tüftler wiederum haben dann zu bewerkstelligen, daß die planetären Pleitiers der merkantilen Maschinerie wieder Luft ablassen: Vielleicht werden ein paar Krümel vom auffällig kumulierten Krauter-Kuchen für das Prekariat abfallen können.

Dem markant merkantilen Anachronismus hinterherhinkend attackieren die Drama-Dragoner der Oligarchen-Ökonomik drahtig die längst ausgeschalteten Subsistenzstrukturen. Denn sie glauben, vereiteln zu müssen, daß solcherlei Lebenswelten wiederkehren, die durch sich selbst, also autonom bestehen wollen und sich der Leibeigenschaft der freien Marktwirtschaft verweigern. Mit profanen Produkten jener prostitutionsbereiten Intellektuellen, die lausiges privatisiertes Lohngeschreibsel basteln, probiert der demokratisch doktrinierte Hegemon ein primitives Tünchen-Ticket zu erwerben, das in den linkslastig lustigen Szenen-Zone einen gewissen positiven Ruf genießt und in sie einen Keil treiben kann.

Im Wettstreit mit dem Westen gerät die Welt immer klaftertiefer in die Fänge des Fanatismus. Dabei rufen die zeitnah prahlenden Plünderer der natürlichen Reichtümer und Früchte humaner Mühsale plump das Grauen mit Armageddon, das baldige Ende des Blauen Planeten, ins Gedächtnis, sobald sie mit dem denknotwendigen Ende des Kapitalismus als historischer Fäulnis konfrontiert werden. Einmut herrscht in Palästen darüber, bei der Reproduktion der Gewalt prävalent aufs Tempo zu drücken, um der Gegenwehr der Hüttenhorden präventiv entgegenzutreten.

Triviales Tamtam auf dem Turm der zeitgeistgläubigen Intelligenzia

Einen fulminanten Flug startet der systemkonform strenge Gegacker-Chor, der sich aber auch mit der Crash-Kompanie des Chamäleon-Chaos anfreundet. Etlichen elitären Eleven im digitalen Dunkel der Rollenrebellen, deren Sympathie allein um den Konsumismus kreist, erscheint der Tempo-Trubel der freihandelsparaten Apparate, das kollektive Substrat des humanen Daseins zu privatisieren, nicht laut genug. Und ihren Rivalen im realitären Revier der Enteigneten, die im Kommunismus immer noch das einmalige Gemeinwohl des Menschengeschlechts sehen, wird über kurz oder lang der Geduldsfaden reißen müssen. In der Tat: Innerhalb von ein paar Jahrzehnten kann aus der ebenda dunklen Epoche ein alternativ helles Weltalter platzen. Denn das Besitz- und Profitsystem, das in der humanen Gegenwart vorrangig das Arsenal von Material und Manufaktur aufspürt, Menschenmengen samt ihren naturhaften Bedürfnissen und Sehnsüchten zu überflüssigen Kreaturen erklärt, läßt sich als endlos brutal entlarven - als totales Urbild der Tyrannei.

Noch gelingt es der mit eitlen bourgeoisen Hyänen komplett kokettierenden Intelligenzia, die sich zumal von der Kreativität der anderen nährt, die Fäden zentral mit der neofeudalen Filzokratie zu verknüpfen. Die doktrinäre Dramaturgie des Kapitalismus, die Eigentum, Markt und Mammon miteinander verzahnt, erfährt mit dem digitalen Vernebeln der lichtbeständigen Lebensbilder seine höchste Blüte.

Global konkurrierende Großkopferte des politisch Korrekten, die fromm über frohmütig freien Foren die Hand halten, gebärden sich mit dem trägen Terminus PowerPointPräsentation wie clevere Clowns, die manches Mal das Publikum verblüffen und ärgern wollen. Doch ihr triviales Tamtam trägt zuvorderst Trauer zur Schau, erntet daher Hohn und Spott statt Staunen und Zutrauen.

Aus der Sicht der Profit-Touren zum Mekka des mächtig angehäuften Privateigentums postulieren Media-Mentoren erarbeitete Prozesse, die vorrangig ein Hebel zum Bauernlegen sind, und zwar zugunsten der monopolistisch agierenden Großagrarier, deren Gewinnmargen vor allem in Zeiten der atmosphärischen Attacken weiter in die Höhe schnellen. Eine Handvoll Aristokraten der überportionierten Prosperität artikulieren archaisch ihr reguläres Recht auf Reichtum durch emporragende Profitraten, Milliarden von elenden Mengen nagen am Hungertuch - dann kann der Tag des Höllenlärms nicht mehr weit sein.

Auf den Fährten des aufklärerisch ideologischen Fundamentalismus

Sience-Fiction-Produkte überfluten die Realität, auch die staatlichen Stabsstellen bedienen sich mit vollen Händen aus dem mannigfaltigen Fundus dieses Genres der Kunst. Die terroristischen Schurken tauchen vorwiegend als "alienistische Attacker" auf. Kokettiert wird dabei mit der Angst vor ihnen - und damit, daß der neoliberale Ständestaat die Hände nicht in den Schoß legen darf, sondern selbst gegen das feige Phantom aktiv agiert. Und er handelt formen- wie reformenreich.

Ein magisch sozialdemokratisch sanktionierter Kanzler, der Anfang des dritten christlich-abendländischen Millenniums einen kombattanten Kometen startete, sich komödiantisch einen Namen als Ger(t)-Hartz machte und im Reformmotoren-Regal der Gentleman-Geschichten landete, diffamierte die hart errungenen sozialen Systeme als "Mitnehmmentalität". Seine Rivalität-geladenen Rituale und Agenda-Animationen entbehren jeglichen Akt der freiwilligen Solidarität. Nicht das - dem Namen eines korrupten Konzern-Managers nach konstruierte - Schlagwort Hartz, sondern die Härte der vollzogenen Retro-Reformen in der letzten Dekade der Demokratie-Geschichte machen es jedem unmöglich, von dem minimalen Einkommen einen Teil auf ein Spenden-Konto einer kollektiv aktiven Korporation zu überweisen.

Die ökonomische Doktrin des Oligarchen-Kapitalismus, die in flagranti viel mehr destruktives Desaster dokumentiert als vermeintlich zu vermittelnden Wohlstand, läßt kollektive Komponenten der Gesamtgesellschaft in desolate Parzellen zerfallen. Die parlamentarische Parteien-Parade bestückt dabei ein postmodernes Politikum, das allerorten die Gesetzmäßigkeit der Geschichte verdrängt sowie das Vorgestern der feudalen Fäulnis fortwährend vergegenwärtigt. Was einstmals als erklärliche Errungenschaft galt, zählt neuerdings als erratischer Block. Im Zwielicht des zivilisatorischen Zaunzirkus kommen dann die Intellektuellen und anderen Akteure der Intelligenzbestie nur noch in der Rolle des Pausenclowns angetanzt. Wer sich brav den ideologischen Prämissen und dem Wertekanon des endkapitalistischen Werbetrommelns unterordnet, kann ekstatisch auf eine Karriere hoffen - als quasi Kurtisane im Geiste.

Gegenwärtig gewährt der Bannstrahl des Antisemitismus den Bellizisten der christlich hochkapitalistischen Bastion ideologische Überlegenheit, die Übeltaten des titanischen Imperiums als Zivilisationswacht zu legitimieren. Vor allem am bärbeißig virtuellen Profil der beschwerlich orakelnden Berserker und Barbaren orientalischer Eigenheit feilen die arisch artigen Autoren der okzidentalen Aristokratie vehement weiter. In en masse Urkunden, die in unzähligen Untergeschoß-Archiven verstauben, breiten sich derlei Positionen wie ein Steppenbrand aus. Was den präpotenten Europiden als legitime Lektüre zum Vorschein kommt, gilt für die zionistischen Apologeten des israelitischen Siedler- und Okkupantenstaates als progressiv polierter Patriotismus - das heißt: als das letzte Refugium der Erzhalunken. Dabei dreht es sich um den gebetsmühlenartig verkündeten Zusammenprall der Kulturen, der nicht erst vom brummigen Pentagon-Politologen Samuel P. Huntington erdichtet wurde.

Theodor Herzl, der Urheber des Zionismus, positionierte bereits im 19. Jahrhundert in seinem Schriftprodukt "Der Judenstaat" Palästina als "unsere unvergeßliche historische Heimat" und erwähnte: "Für Europa würden wir dort ein Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen.“

"Kultur" meint hier keineswegs ein menschlich hohes Gut, weder kollektive Ästhetik noch komplettierte Eintracht. Sie enthält im Schwergewicht das bombige Bonmot der markt-manierierten Machart wie Gerechtigkeit, das wiederum die Renaissance der militärischen Metaphern und militant martialischen Rhetorik manifestiert.

"Freies Individuum" ist der Stützpfeiler des aufklärerisch expansiven Fundamentalismus und verkörpert jenen urbanen Typus, der sich athletisch jeglicher kollektiver Komponente einer dynamischen Gesellschaft entledigt. Auf dieser Plattform wird todesmutig ein islamischer Komplex zusammenstückelt, der im Gegengestade des "christlich-abendländischen Kulturkreises" vorgeblich die zombig zivilisatorischen Errungenschaften attackiert. Daher müsse selbst die Kritik der politischen Ökonomie den Verriß des Antisemitismus sowie die rückhaltlose Solidarität mit Israel zur Richtschnur haben, plädieren die aufklärerisch militanten Apologeten der westlich formatierten Werkstattwerte wie Stephan Grigat im neolinken Wochenblatt "Jungle World" vom 21. November 2007.

Schizoid ist bei diesen judeophilen Luftschlößern, daß der zionistische Siedlerstaat vollends auf dem Fundament des Gottergebenen fußt, somit den aufklärerischen Maximen wie Liberté, Égalité, Fraternité auf Biegen oder Brechen entgegensteht.

Das Domänen-demokratische Schurkenstück »Enduring Freedom«

Die Demokratie lebt von Idealen abstrakten Artefakte, läßt sich immun gegen jegliche Kritik im Kern behaupten. Somit können die Opponenten nicht einmal in Keimformen dagegen auftreten, ohne tief im Sumpf des Opportunismus zu verfallen und das dogmatische Opus des Demos als Souverän aneignen zu wollen.

Mit der listenreich gesteiften, gewieft geleisteten Last der Demokratie, die mehr das Primat des Parteien-Patronats in sich birgt als die prinzipielle Partizipation der Population, gerät die transnational bestellte Balance blank in immer turbulenterem Tempo aus den Fugen.

Das gentilgesellschaftlich Gewesene kehrt - vom hoch betuchten Besitzstand bestimmt - ins Gegenwärtige zurück. Das Götzengebot des Eigentums, dessen rasante Akklamation auf der im Turbo-Tempo rasenden Akkumulation gründet, fügt dem urbanen Überleben schwere Schaden zu. Die christlich-abendländische Allianz der Oligarchien, die den Gipfel der globalen Hierarchie, respektive der Besitzkastenpyramide, kontrolliert, laboriert fleißig, ihren Status gemäß der Botschaft betoniert aufrechtzuerhalten: Einen Morgen nach dem monetär belagerten Heute wird es nicht geben - außer, daß der Homo Sapiens, das heißt das Raumschiff der Humonoiden im apokalyptischen Knall versinkt. Gleichzeitig glauben die oberen Zehntausend, mit dem Start eines Space Schuttles dem Untergang zu entgehen.

Unter der Oberfläche der Nahtstelle zwischen dem hoch betuchten Zentrum und unterbemittelten Rand brodelt es immer heftiger. Die Menschenrechtsmetaphern, auf die die weiße Krauter-Kaste des Globus mit massiver Gewalt die Hand legt, tritt die Gladiatoren-Kompanie der universal dominanten Demokratur mit Füßen, zertrampelt sie, wenn es sich bei diesem Wertepathos um das Geschick im unmittelbaren eignen (Be)Reich dreht. Das Kismet der erträglichen Erdlinge befindet sich dabei im Würgegriff der göttlich gewürdigten Geld-Giganten, und ihre untergebenen Regenten tragen, wo auch immer sie können, Scharmützel aus, reiten eine bestimmte Masche wie „Enduring Freedom“, meistern die streithafte Routine der Heuchelei, die nicht strafbar ist und zum Wesensgehalt der nordischen Nomenklatur-Literatur gehört.

Von der Leine gelassen fühlt sich die Kumpanen-Koalition der oberen Besitzstandskaste bemächtigt, weit und breit im rostigen Rahmen der "Enduring Freedom"-Fiktion zu handeln. So legten ihre Generalstäbe im Frühsommer 2007 im deutschen Ferienort Heiligendamm Hand ans Werk und übten sogar ohne - eigenem Gutdünken nach - sorgfältig rechtsgültige Grundlage, daß die militärische wie militante Gewalt nicht nur global, sondern auch lokal - innerhalb des eigenen Territoriums - für die kapitalistischen Friedensfantasie zu sorgen hat. Diese majoritär mentale Form des diskriminierenden Diskurses liegt formal darin, daß es erst konstruiert, dann primitiv provoziert wird, was schließlich primär verhindert werden soll: Terrorismus! Seine dumpfig dunklen Dateien werden direkt durch systemimmanente institutionelle Detektive sowie durch mediakratische Mannschaften der imperialen Regentschaft direkt postuliert und reproduziert.

Vom Lehrgebäude des messianischen Mysteriums beseelt, hantieren die humanitären Hüter und mäuse-treuen Täter der traditionellen Zivilisationszucht mit allen Arten der Gewalt, um das doktrinäre Diktum der Demokratie an allen Ecken und Enden des Erdenrundes durchzufechten.

Die von der Wiege des westlichen Werte-Vermächtnisses abweichenden Daseinsweisen werden als primitiv, barsch oder barbarisch klassifiziert, zum Freiwild erklärt und gehören aus den dem Jägerlatein eigenen Gründen der Humanität per Präventiv-Behelf gelöscht, reformiert oder vielleicht von Neuem formatiert an den Pranger gestellt.

Der Fundamentalismus als händelsüchtiges Weltbild ist wesentlich mit den westlichen Grundwerten der Marktwirtschaft inhärent, damit dem kapriziösen Räderwerk des Kapitalismus. Insofern gedeiht auch der Islamismus nicht auf dem gestaltlosen Gegengestade der merkantilen Maschinerie, hat vielmehr darin seine urwüchsigen Wurzeln.

Die pathosgetränkte Propaganda für die "Operation Enduring Freedom" bleibt ein starkes Schurkenstück des evangelikan anti-evolutionären Imperators am Potamac. Jegliche Kritik an seinem Kriegsgeheul und kriminellen Kreuzzug wird auch in der Europoiden-Bastion vorlaut als zivilisatorisch gewagt abgebügelt.

Militärische Truppen-Trainings und interventionistische Initiativen der imperialen Staatsstrukturen verdichten sich bei ihrem Anti-Terror-Turnier, nehmen strapaziöse Züge an - aber auch spartanische Präsentationen.

Auf den Fersen der am Fließband der Fantasie fabrizierten Fanfaren-Fracht

Die omnipotent orakelte "Enduring Freedom"-Operation demonstriert die Totalität der Demokraten-Domäne, demontiert den elementaren Denkprozeß kollektiven Gedeihens und exekutiert die Fundamente der humanen Sehnsüchte nach erdsozialer Emanzipation.

Dabei dringen fraktionäre Fanfaren-Funktionäre der One-World-Fiktion darauf zu klären, ob die altkontinentalen Befehlsgewalten auch künftig mit dem präpotenten Imperator jenseits des Atlantik den Schulterschluß fortsetzen oder im werbekräftigen Wettspiel zu ihm den Ton auf die eignen Positionen legen sollen. Jedenfalls provoziert die archaisch pangermanische Panik vor der Wiederkehr von primitiven Piraten, den transnationalen Seekrieger-Kurs mit einer hochmodernen Armada auf den Plan zu rufen.

Während eines zweiwöchigen Manövers in der Ostsee trainierten Anfang November 2007 Einheiten aus acht EU-Staaten neue Kampftechniken für künftige Kriegseinsätze in aller Welt, und die Bundesmarine spielte die erste Geige - auch Spezialtruppen (KSK) und die Luftwaffe waren eingebunden. Das Szenario des Manövers war auf internationale maritime Aspekte zugeschnitten: Da die Mehrheit der Erdeinwohner in küstennahen Gebieten lebt, könnten die Marine-Verbände bei den meisten Gewaltinterventionen als flexible Operationsbasen zum Einsatz kommen. Ihr Gewicht steigt auch aus anderen Gründen. Weil die direkte Territorialabwehr Deutschlands weitgehend obsolet geworden ist, geht es um den "erweiterten Schutz" seiner "Schiffe und Güter". Im Hintergrund liegen erheblich elementare Interessen der Wirtschaft, die nämlich ohne Rohstoffimporte und Warenausfuhren über die weiten Weltmeere nicht konkurrenzfähig ist. Dem entspricht ein überdurchschnittliches Engagement der deutschen Seestreitkräfte an den aktuellen Auslandseinsätzen.

Ins Gewicht fällt nicht zuletzt, daß die Bundesrepublik der drittgrößte Schifffahrtsstandort ist. "Die deutsche Handelsflotte steht mit 3.105 Schiffen nach der Nationalität der Eigner weltweit an dritter, bei den Containerschiffen mit 1.408 Einheiten an erster Stelle", informiert das Flottenkommando. Somit besitzte Deutschlands Schiffahrtsindustrie "mehr als ein Drittel (36,2%) der weltweiten Containertransportkapazitäten (3.881) und bereedern darin einen Tonnageanteil von 36,1% (46,3 Mio. dwt)." (www.german-foreign-policy.com/de, 24. Oktober 2007)

Der Blaue Planet präsentiert sich platt. Das Morgen- und Sonnenland liegt unter den Füßen der privaten Besitz-Bestie brach. Tief hinter dem bratrostroten Gemäuer schallen die Sirenen der systemischen Krisen und der Hyänen-Hymnus. Simultan brüstet sich der Patriot des Privateigentums und Privilegiums, posiert im Schlagschatten des ökonomischen, ökologischen und ökumenischen Patriarchats. Ringsum der peripheren Megadörfer breiten sich die Slums aus wie Tinte auf Fließblatt. Der Lichtblick ihrer Einwohner richtet sich eisig auf den Aufbruch in die ferne Fremde. Nur wenige erreichen blutunterlaufen vor dem furiosen Frost der Furie das Nordiden-Fort. Allerdings werden Unmengen bald die feinen Vororte und vielerlei finsteren Viertel der Metropolen bevölkern, auch wenn sie derzeit wie räudige Schafherden belauert sowie als Pennbrüder gejagt werden.

Kreativer Kolonialismus faßt in jenen Breiten des einst gewaltsam überfallenen Trikonts kräftig Wurzel, wo die als geringwertig wie überflüssig verdammte Kontingente der planetären Population lauthals murren. Kleine Kredite und kuriose Gnadengeschenke erhalten dort die lokalen Häuptlinge, die ein Mindestmaß an Menschenmanagement und Elenden-Elimination in Aussicht stellen, damit ihre enteigneten Heerscharen, also weit anwachsende Armen-Armeen, an den Stränden der begüterten Eine-Welt-Eliten kein kaltherziges Chaos anzetteln, sondern dort bleiben, wo sie still vor sich hin Kohldampf schieben.

Das Prekariat brummt, die Prosperität prunkt

Migrantenmassen, die sich schwerfällig nordwärts bewegen, fungieren im Gehirn der hiesigen Gentilhommes generell als grimmige Gefahr, manches Mal als demografisch geschickte Lückenbüßer, sehr selten als geschichtliche Akteure der globalen Normalität.

Das zu eliminierende Elendsheer wird sich nicht zeitlebens über den Löffel halbieren lassen, seinem von Geburt an präsenten Blütentraum vom heiteren Dasein nachzueilen und das hämische Szenarium der selbstherrlich zementierten Zivilisationszentren zu zerfetzen, das weite Teile der humanen Erdeinwohner zu Überflüssigen erklärt. Dabei ließ der Export-Appetit am Menschenrechtsmetier und Demokratieduktus die einstigen ethno-europäischen Pazifisten im linken Pathos in Bellizisten verwandeln. Diese handeln außergewöhnlich patriotisch, möchten den Heimat-tümelnden Werte-Varietes nicht im Dunkeln begegnen, erdichten daher das helle Mittagslicht auch in der Mitternacht.

Fest in ihrem Wolkenkuckucknest am Gewächsstamm des christlich-kapitalistisch aufgefüllten Kapriolengartens fühlen sich die links-liturgischen Laien des Dogmen-Dramas und freiwilligen Frontfechter der Patronage-Partei fürwahr in der permanenten Privatierparty gut bewirtet. Sie reduzieren den Sinngehalt der Emanzipation auf die Geschlechter-Quote in oberen Positionen der Obrigkeit, lassen sich von den Demokratie-kreischenden Kreuzrittern für die chronischen Kriege der Kulturen rekrutieren.

Fragile Fragmente furioser Phantome

Das alltägliche Ende in immer wachsender Zahl am Limes, dem Apartheidwall der allmächtigen Demokratie-Dompteurs, wird unentwegt als Bagatelle beäugt - sowohl vom breiten Publikum als auch von neoständischen Wächtern des staatlichen Souveräns sowie den Status-quo-Fechtern der Media- und Studiokratie. Sonst müßte das große Sterben seine wohl in Schuld verstrickten Anstifter haben. Das sind dann die mehrerlei Dämonen oder Sirenen aus den Mären.

Wahrgenommen werden die Wanderer von Alle-Welt-Eliten des Menschenrechtsmetiers als minderwertige und vermoderte Vagabunden, vor denen es gilt, über Dolce-Vita-Dorados weit und breit den Schild zu halten. Gerade in diesem Kontext entpuppen sich die abendländischen Bannerträger der Zivilisation als Zöglinge zorniger Zombies, die sich davor nicht scheuen, die migrantischen Morgensucher des Überlebens viehisch in die Enge zu treiben - trotz aller Rhetorik und Ritualien von Humanität und Moral, Gerechtigkeit und Geschwisterlichheit, Freiheit und Fortuna...

Die prekären Lebenslagen der Einwohner in den uferlosen Slums der trikontinentalen Megacities, Savannen oder Saharas erfahren in medialen Momenten bedauernswertes Aufsehen als Event. Gleichzeitig gehen in den Metropolen des Überflusses grimmig die Augen auf, wenn publik wird, daß die Elenden der südlichen Erdkugel im Sinn haben, nordwärts der Not zu entfliehen. Sie geraten leichtfüßig in die Fänge der gemeinen EU-Patrouillen oder finden den Tod wie etwa jene fünfzig Migranten Anfang November 2007 vor der Küste Mauretaniens. Weil die Küstengewässer seit der Intervention der EU scharf kontrolliert werden, hatte der Kapitän das Schiff mit den Migranten rasch auf Hohe See gesteuert, wo er auf ungeklärte Weise zu Tode kam. In dem führerlos umher treibenden Boot verhungerten und verdursteten die Passagiere. Mitte Oktober starben bereits ebenso viele Personen in einem Seelenverkäufer vor den Kanarischen Inseln, nachdem ihnen der Treibstoff ausgegangen war.

Riskante Manöver in gefährlichen Gewässern nehmen zu, seit die EU die gängigen Routen scharf kontrolliert. Tatsächlich sind die Todesraten bei der Flucht über das Meer sehr hoch, während die Zahl der etwa in Spanien angelandeten Migranten um zwei Drittel sank. (www.german-foreign-policy.com/de, 13. November 2007)

Die EUkratie perfektioniert ihre Operationsbasis gegen Migrationsfluten, spielt sich im selben Augenblick als phantastischer Verfechter des Menschenrechtsmythos auf. Überall an den Meeresufern, wo die "boat people" stranden können, lauern ihre Sturmboote. Dennoch lassen sich die Mordsgeschichten der enteigneten Erdlinge nicht unterbrechen. Im Jahr 2007 wagten mehr als 20.000 migrationsbewegte Mohren mit verrosteten Booten oder hölzernen Nußschalen dieses Mal die gefährliche Fahrt über den Golf von Aden. Mindestens 439 von ihnen ließen dabei ihr Leben, weitere 489 galten als vermißt oder ebenfalls als tot.

Ende Oktober 2007 kamen nach ersten Erkenntnissen der Beobachter rund 150 Schwarz-Afrikaner beim Kentern ihres Bootes unterwegs zu den Kanaren vor der marokkanischen Küste ums Leben. Spanische Fischer konnten 10 Schiffbrüchige retten, bevor die Nußschale auf hoher See auseinanderbrach und alle anderen ertranken.

Unterdessen nimmt der Zustrom auf die spanische Inselgruppe kein Ende. Innerhalb von 24 Stunden erreichten Anfang November 2007 fast ein Dutzend Boote mit etwa 300 Flüchtlingen an Bord den Archipel.

Die Zahl der "heimlichen" Migranten, die über die Levante in die EU-Zitadellen zu gelangen versuchen, steigt stark. 18.000 wurden bereits im Jahr 2007 - vor allem aus Pakistan, dem Irak und Bangladesh - an den Land- und Seegrenzen Griechenlands aufgegriffen. Während die griechischen Küsten-Patrouillen auf ihrer "Illegalen"-Jagd den Tod von ertappten Asiaten vermehrt in Kauf nehmen, wehren weitere EU-Apparate vehement Migranten brutal ab.

Handel auch mit Klimawandel

Gegen den Klimacrash kommen nun die betuchten Citoyens der hochzivilisierten Zentren abrupt angetanzt. Mehr erweckten ihre Szenen wie am 8. Dezember 2007 mit poppigen Parolen auf den possierlichen Paraden durch die Promenaden nicht als Riten einer Reklame-Revolte. Denn sie können nicht leugnen, daß sich aus ihrer "Mitte" der Attackenakt auf Erde, Wasser und Luft entfaltet und dem Gleichgewicht des Globus ans Leben geht. Daher beißen sich ihre argumentativen Artikulationen, die als Rache der Natur stilisierten Gefahren durch den konzertierten Konsum von Alternativ-Energien ein Stück zu mildern, in den Schwanz. Vielmehr nähren ihre von der nordisch oligarchischen Nomenklatur dirigierten Tamtam-Touren den Verdacht, daß diese begüterten Bravour-Bürger des Planeten den besitzlosen Rest zur Bereitschaft auffordern, sich für den sicheren Morgen der endkapitalistischen Sieger zu opfern. In der Tat: die Regimenter-Regie ließ diese Fans des Straßenspektakels phantasievoll Revue passieren. Also Handel auch mit Klimawandel! Lauter Protest gegen Anonymus und Kurzweil mit dem europoid manischen, autoritär arischen Hymnus garantiert - unter der delegierenden Dominanz der Schickeria-Scharlatane wie Al Gore - preisgekrönter (Oscar und Nobel) Reklametrommler -, der Ende des vorigen Jahrtausends dem Imperator im Weißen Haus als dessen Stellvertreter stilvoll beipflichtete, über die Breiten Balkaniens Uran-angereicherte Bomben regnen zu lassen.

Exklusiver Exkurs

Hier macht sich der weltenwaltende Hegemon, der im cäsarischen Habitus der zornroten Zombies seine zopfige Überlegenheit aus dem Arsenal von technologisch hochentwickelten kostspieligen Waffen, der paramilitärischen Glut von ruhmsüchtigen Rambos und blutdürstigen Söldnerbanden schöpft, über das Überlebensstreben der Unterlegenen Luft, aber auch über all jene Gegenfüßler, die sich zur sozial sensiblen Solidarität mit den in die Fänge der neokolonialen Aggression geratenen Gesellschaften verpflichten. Das Imitatoren-Ensemble der Nero-Manien, das über die höchste Gewalt des Imperiums unterm Hesperus verfügt, legt keinen Wert aufs Leben, oder nur soviel, wenn es zum Emporsteigen des Mehrwerts beträgt, damit dem vermehrten Gewicht des Privateigentums.

Es ist eigentlich nicht der Klimawandel, worüber die globalen Großkopferten kopfüber grübeln, sondern der sich annähernde Heidenlärm um die Anteile an Ressourcen. Selbst wenn es um die Alternativ-Energien geht, die aus bestimmten Produkten der Agrikultur gewonnen werden. Weit bekannt ist mittlerweile, daß sich unermeßlich breiter werdende Flächen von fruchtbaren Böden weltweit für den Abbau von Bio-Kraftstoff bereithalten müssen.

Zur Folge hat dieserlei Variante der ökologisch affektierten Ökonomie vor allem: Die Vorräte der global eingefahrenen Lebensmittelprodukte schmelzen dahin. Ihre Preise schnellen in die Höhe, damit auch Extra-Profite. Agrar-Riesen treiben selbst ihre Franchisen in den Ruin. Stetig schwellen Migrationswellen vom Land in die Städte. Tumultuarisch wachsen Favelas in den Megacities. Integrative Artikulationen versagen. Peripherie und Zentrum kommen ins Rollen zu verschwimmen. Heikel für ruhebedürftige Hinterwäldler: Klaustrophobe Phänomene treten in aller Härte hervor, münden in gewaltsamen Krisen in den Vororten der Metropolen wie zuletzt im Pariser Banlieue Villiers-le-Bel gegen Ende 2007. Dabei dreht es nicht nur um Fermente einer katastrophalen Urbanität, sondern auch um eine noch nie dagewesene Qualität der Klassenkonfrontationen.

Die launigen Citoyens der laissez-faire-Raffinements entsetzen sich darüber, assoziieren sich mit dem Lehrgebäude der selektiven Systeme der dämonisch dirigierten Demokratie, um die naturhaften Bedürfnisse der Besitzlosen zu marginalisieren. Sie treten wie rechtsgelehrte Ratefüchse in Sachen Glückseligkeit auf, verkünden freimütig, daß die ökonomischen Pleitiers und primitiven Überflüssigen aufhören müssen, sich zu den zivilisatorisch zementieren Zonen des Überflusses aufzumachen.

Die mondial agierende, metropolitan seßhafte Meritokratie arrangiert sich mit unverhüllt diktatoralen Assoziationen der OneWorlOrder-Oratoren sowie mit dem aktuellen Stadium des permanenten Krieges, um ihre Gewinnmargen zu maximieren. Wo nun die Höhe des Maximums liegt, bleibt das Geheimnis der Ellenbogen-Alien. Auch dort, wo die Not himmelhoch ans Licht kommt, scheuen sich die Mäuse-süchtig miauenden Marketender nicht, den höchsten Reibach zu erzielen.

Wenn schon die Öffentlichkeit der Prosperitätsbreiten zur Erkenntnis gelangt, daß das Erdenrund an allen Ecken und Enden aus den Fugen gerät, so liegen die auslösenden Ursachen selbst für den subalternen Bürgerbereich der hoch zivilisierten, nämlich industrialisierten Bastion im Außerhalb der eigenen Autorität. Demgemäß verlangt er, daß sie gebieterisch auch transnational interveniert und die Risiken jeglicher - etwa klimatischer - Krisen exportiert bzw. abtransportiert. Das gut betuchte Kollektiv will letztlich die sicher süßen Seiten des Lebens kosten, schert sich kein bißchen um das Katastrophen-Kismet des trikontinentalen Prekariats.

Elendes Ende im Eldorado

Mit einem taktischen Kraftakt aus den merkwürdig wie trivialen Traktaten der aufklärerisch kreuzzüglerischen Humanität sowie aus dem wesentlich manierierten Wertebudget der westlich weißen Urbanität setzt sich das Novum Romanum zur Wehr gegen den ruhmlos, aber romantischen Versuch der enteigneten Erdmenschenmengen, ihren Anteil an Reichtümern auf dem schwierigen Wege der Migration zu den Zitadellen des Zivilisierten-Zirkus zu reklamieren.

Nicht nur einzelne, saisonale Sektionen des systemisch sanktionierten, selektiv systematisierten Fremdenabwehrsektors pflegen Umgang mit rechtslastig randalierenden Rändern, sondern auch - und vorwiegend - das gesamtgesellschaftliche Gewaltgefüge der parlamentarisch patentierten, ethnozentrisch protegierten Majorität. Sie legitimiert gerade, was der kulturalistische Charakter des Sicherheitssystems delegiert: Elendsmenschenmanagement!

Repressive Fertigkeiten im gängigen Gefecht gegen die anschwellenden Fluten der wanderbewegten Massen am Limes der Feste Europa durch hochtechnische Kontroll- und Abwehrsysteme scheint schmerzlich ausgeschöpft zu sein. Nun investiert das amtliche Migrationsregime vermehrt Kapital in die Prävention, und zwar in vielgestaltige mediale Kampagnen, die - von der NGO "International Organization for Migration" (IOM) mitinitiiert - darauf zielen, migrationswilligen Parias noch im Ursprungsland abschreckend zu zeigen, daß sie im erträumten Eldorado im fernen Norden Elend und Repression erwartet. Kurz und gut: Es sind die Jagdrevier-Patrouillen, die sie im hundekalten Regen durch dunkle Straßen hetzen. Sofern es ihnen überhaupt gelingt, die Schikanen der schwierigen Überfahrt überlebt zu haben.

Bereits im Mai 2007 startete die Schweiz eine solche Operation anhand eines Fernsehspots unter dem Schlagwort "Leaving is not always living", der dem breiten Publikum in Nigeria und Kamerun - demnächst auch im Kongo - die Realität von illegalisierten Migranten in der europäischen Fremde vor Augen führen soll. Beistand leistet dem medialen Feldzug die EU-Autokratie mit 1,5 Millionen Euro. Thorsten Mense beschreibt in "Jungle World" vom 5. Dezember 2007: "Es ist dunkel und regnet in Strömen, ein junger schwarzer Mann, mit Mütze und in eine dicke Jacke gehüllt, geht in eine Telefonzelle und ruft seinen Vater zuhause an. Der Vater sitzt lesend auf einem Sofa, mit einem weißen Hemd in einer Umgebung, wie man sich in Europa ein gutes Zuhause vorstellt: ein schickes Wohnzimmer, gerahmte Bilder an der Wand, ein kleiner Beistelltisch mit Leselampe, auf dem das Telefon neben dem Foto des Sohnes steht. Während der Sohn seinem Vater erzählt, dass alles in Ordnung sei, er bei Freunden übernachte und in der Universität eingeschrieben sei, zeigen kurze Einblendungen die Realität des Lebens in der Illegalität: unter Brücken schlafen, um Geld betteln, vor der Polizei wegrennen.

Der Spot endet mit den Worten: 'Glaube nicht alles, was du hörst. Leaving is not always living.' Dann wird etwas Reggae-Musik eingespielt, während das Logo der IOM durchs Bild läuft. Bekannt wurde der Spot in Europa, als er während der Halbzeitpause des Länderspiels Schweiz-Nigeria Ende November gesendet wurde."

Neben dem Videospot machten sich in Kamerun auch Plakate bemerkbar, auf denen kurzerhand ins Auge fällt, wie ein verlorener Schuh im offenen Meerwasser treibt. Geschrieben steht darüber: "Jedes Jahr führt die illegale Migration zu Tausenden von Toten." Darunter dann die EU-Flagge und das IOM-Logo - Symbole jener Systeme und institutionelle Instrumente, die das Drama an der Scheidewand der Begüterten-Bastei verantworten.

Dahingestellt bleibt der Erfolg derartigen Bravourstücks. Es ruft indessen spontan die spöttischen Spots mit "Rauchen kann tödlich sein" auf Tabakpaketen ins Gedächtnis. Hier wollen nun die herrischen Akteure des gesunden Gesellschaftsgebäudes auf den Reibach durchs Rauchen durchaus nicht verzichten. Auch außer acht wollen sie den ökonomischen Nutzeffekt des migrantisch mobilen Geschehens nicht lassen. Nur müssen die rudimentären Elemente draußen bleiben.

Pangermanische Partnerschaften

Daß die Bundesrepublik von ihrer Genese bis zu ihrem Aufstieg als Groß-D-Land auf den Balken des Deutschen Reichs fußte, ist nicht nur ein Faktum des Grundgesetzes. Sie fährt auch auf den Traditionen ihrer Vorwelt und führt ihre hegemonialen Ambitionen aufgrund eines teutomanisch dominierten Novum Romanum unter dem lobbeladenen Label EU. Kerngedanke ist, Staaten mit Grundfesten der nationalen Souveränität in ethnische Parzellen zu zersetzen und aus den Kleinstaaten dann loyale Terrains zusammenzustückeln. Als Paradebeispiel hierzu läßt sich das frischgebackene Balkan-Adria-Projekt "Europanon" mit einstigen Teilrepubliken des untergegangenen Jugoslawiens anführen.

Für die Hegemonial-Ambitionen der Berliner Republik Deutschen Reichs ist neben dem Bundesnachrichtendienst (BND) ein hermetisches Heer von Verbänden unterwegs. Sie stehen oft unter der NGO-Etikette oder sind auf dem Stifterstil fundierte Fusionen, die von verschiedenen ministerialen Portefeuilles zweckdienlich gepäppelt werden. Als eine von ihnen tut sich die "Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen" (FUEV) häufig hervor, die unter anderem deutschstämmige Diasporas im Ausland sogar mit Bundes-Beamten vernetzt.

Anstatt sich anzustrengen, um mit dem sozial expansiven Leid überhaupt - und zumindest utopisch - aufzuräumen, drängen die missionaren Emissäre der aufklärerischen Emphase darauf, das Lotterlied des Mitleids als allmächtige Anstalt zu dokumentieren und es auch noch mit universalen Utensilien der Humanität zu dekorieren. In dieser postmodernen Position postieren sich auch noch die Metaphysiker der abrahamitisch monetheistischen Metapher. Immer wenn die metropolitan posierende Journaillen-Junta Katastrophennachrichten als Sensationssignale aufnimmt und weitergibt, kommen die Kompanien des Mitleids angetanzt, setzen ein rigides Event in Szene und hoffen hinterher insgeheim, daß die zu bemitleidenden Braven um die Brotkrumen am Betuchten-Bankett zu betteln haben. Ihnen gelingt es tatsächlich, die Wogen der Wut durch Scharlatanenschrei zu glätten.

Besoldet werden die NGO-Gesellen, Torturbilder von Terrorhorden zu reproduzieren und sie dann den holden Honoratioren vorzuführen - nicht nur in ihrem unmittelbaren Wirkkreis, sondern auch und allen voran im erreichbaren Bereich der Obrigkeit. Je nach propagandaparatem Bedarf schmieden sie grobmaschig eine Allianz mit marktfähigen Alternativen, veranstalten ein Politikum ersten Rangs, indem sie ethnisierte Kolonien als Horrorkulissen fokussieren und als Vorboten der Apokalypse illustrieren.

Recycling von Menschenmaterial durch den Druck der selektiven Assimilation

An der aus dem Stegreif gespielten Gegenwart der "Parallelgesellschaften" scheiden sich die Geister - auch in der linkslastigen Szene der Wirtschaftswunder-Schwärmer, die sich retrospektiv wie restaurativ zuvorderst in den Ruinen der 68er Legende rühmt. "Gastarbeiter", welche die Fruchtfolge der einstigen "Fremdarbeiter" fortzufahren und sich in die furiosen Verhältnisse des modernen Frondienstes zu fügen hatten, dennoch als willfährige Gäste "auf der Schwelle" empfangen wurden, sind heute die widerwilligen Fremden vom gegenseitigen Ufer, die man institutionell durch repressive Integration, respektive selektive Assimilation entsorgen will. Daß das bundesdeutsche Gesellschaftsgenre fest auf den Fährten des (Dritten) Deutschen Reichs fortwährt, dafür legt der intrigante Irrgarten der volksstaatlichen Integrationsindustrie glasklar den Beleg ab.

Es gibt kaum ein Wort, mit dem solange soviel Geschäft und Palaver-Partie betrieben wurde wie das Phantom des integrationalen Tamtam-Theaters, das kreischend über den Foren der baufälligen Fantasie-Fabriken kreist. Was steckt allen Ernstes hinter dem Geschrei, der Tartüffen-Tünche? Was enthält der Schrein? Die populistische Pappschachtel der schäbigen Parteien-Parodie?

Welche Nagelprobe die Nachkömmlinge des Gastarbeitergeschlechts auch immer bestehen mögen, sie gelangen zum bürgerrechtlichen Terrain des germanischen Gemeinplatzes nicht. Fast turnusmäßig schlägt das Thema der vermißten Integration von kolonisierten Migranten hohe Wellen, treibt den Kolonisatoren-Kompanien Teutoniens die Schweißperlen auf die Stirn.

Seit dem Start der Integrationsindustrie in den 1970ern etablierte sich eine Reihe von privaten Projekten, die bis aufs Messer um Klientel streiten und die Klingen schleifen, um die errungenen Stellen der Brotarbeit zu stabilisieren. Dabei spielt die Staatsraison mit den Mediatoren zwischen rivalisierenden Foren und füllt deren willfährigen Moderatoren die Hand, damit sie gemäß dem Gehabe der volksstaatlich strukturierten Majorität hantieren und die kulturelle Apartheid mit einem humanitären Gütesiegel polieren.

Als gerecht wird gerechnet, wenn die demokratisch porträtierten Partei-Potentaten als direkte Delegierte des Establishments ihren Unmut an Parias auslassen und den Glücksrittern des Überlebens stets eine Standpauke halten. In einem kulturalistisch erdachten, vom ethnisch homogenen Hegemon breit gemachten Etablissement amüsieren sich die Spezialisten der selektiven Assimilation mit dem extravaganten Esprit der exotischen Ästhetik.

Die Hauptattraktion des integrational massiven Metiers besteht darin, einen nebelgrau archaischen Allochthonen-Alltag zu artikulieren, der wirkt, wirkliche Alternativen zu vernebeln. Seine dienstfertig berufenen Bravour-Barden basteln banale Eleven-Elaborats, um den Brotherren flehend in den Weg treten zu können, damit ihre Stellen von den schweren Kettenrädern des rationalisierenden Bulldozers nicht geglättet werden.

Intrigantes Lehrgebäude der institutionalisierten Kastenpyramide

Mit institutionellen Drohkulissen, systemischen Sieger- und kulturellen Elitegebärden gewährleistet das partizipative Präfix „Interkulturell“ als eine attraktive Attrappe vor der autokratischen Attacke auf das leichtfertig erreichte, subalterne Feindbild, bewährt eine demokratisch doktrinäre Etappe mit dem Sensations-sehnigen Suffix „Politik“, artikuliert sich gemäß der Formel: Rivalität statt Solidarität; Polarität statt Kommunität; Nationalität statt Kosmopolität; Besitzpriorität statt Kollektivität; Resignation statt Revolution...

Keine alte Lektüre im Folioformat kann eine alternative Blüte hervortreiben. Beim rudimentären Räderwerk der integrational institutionalisierten Instrumente und Utensilien dreht es sich um ein imaginär wie intrigantes Lehrgebäude der Architektur einer archaischen Kastenpyramide. Die allerorten lauthals zitierte Rhetorik der Chancengleichheit durch Qualifikation zielt keinesfalls auf das Gleichmaß zwischen Ambitionen und Positionen, sondern der Reservearmee in virtualen wie realen Gettos Wasser in den Wein zu gießen. Gewiß rechnen die Mausklicker des Menschenmanagements mit der Auslese der Tüchtigen und Tüftlergenies. Gehandelt wird jedoch gemäß der Gefahr, die vom Überflüssigen-Heer der hier wohnhaften Fremden ausgeht.

Der Kosename „Multi-Kulti“ tritt kreuz und quer als ein Platzhalter-Begriff fürs generelle Gesprächs-Genre in Nischenmedien an die Oberfläche. Und der ethno-zentrisch erdichtete Terminus Interkulturalität prägt sich als Rucksack der Globetrotter auf der neoliberal ständestaatlichen Route aus, wobei es sich um ein primär leeres wie primitives Pathos in der turbulenten Tretmühle dreht. Dabei geht das Wesentliche, alles Umfassende im groben und ganzen in die Hose.

Der Begriffsblender "Integrieren durch Qualifizieren" tritt saisonal zum Vorschein, entpuppt sich beim vorsichtigen Blick kreuz und quer als der sensationelle Bannspruch der eigentlich eliminatorischen Selektion. Und Chancengleichheit versteht sich primär als trivial riskantes Ringen um Anschlußfähigkeit an die marktgängige Praxis. Sie ist weder konstruktiv noch produktiv, sondern dem Wesen nach verbal, erweist sich im Endeffekt als ein virtueller Tretmühlen-Trick. Oder als exemplarisches Experiment, einigen Möchtegern-Yuppies innerhalb des Allochthonen-Alltags die Hand zu füllen, damit sie sich berufen als Vorzeige-Zöglinge der „gelungenen Integration“ aufspielen.

Die magische Ideenmanufaktur der sozialen Emanzipation durch Assimilation heftet sich an die Sohlen der Spätlinge eingewanderter Neulinge mit dem Ziel, eine eigentümliche Spießer-Spezies zu züchten. Was sich die holdselig honorierten Spezialisten der demographisch morbiden Defizite davon versprechen, ist die Genesis eines byzantinischen Typus des homo oeconomicus.

Projektposten der spartanischen Spaßparty-Partisanen

Die mächtig gewachsene Sozialindustrie, die sich auf das Postament des Menschenmanagements stützt, bietet den Anblick einer Gettogetherparty mit gewinnsüchtigen privaten Groupies, deren Augenmerk sich nicht darauf richtet, die von ihnen beaufsichtigten Mißstände instand zu bringen, sondern sie zu versteifen und auszuweiten.

Das assertorische, streng ausrichtende System der selektiven Assimilation sät das Anwachsen des Überflüssigen-Parts der de facto ansässigen Population, welche es gilt, auf die eine oder andere Art nicht aus den Augen zu lassen. Es dreht sich hierbei um die Reihe jener als integrationsunfähig Aussortierten, die - gemäß der Ambitionen der allgewaltig überlegenen Majorität - dann und dann entsorgt werden müssen. Während der generalstabsmäßigen Operation, diese de jure eliminierten Menge aus dem Lande zu weisen, optimieren die Opportunisten des pro forma oppositionellen Gutmenschentums die mentale Methode, die elementaren Bürger- bzw. Menschenrechte der eingewanderten Fremdlinge genauso marginal einzugrenzen, wie die neorassistisch (kulturalistisch) geneigten Regentschaften es genial tun und die privaten Projekt-Promotoren als erweiterter Arm der vorwaltenden Gewalt exerzieren. Denn sie wollen sich von den überflüssig müßigen Exoten schließlich nicht auf den Kopf spucken lassen.

Die ethnisierte Etikette, die den kriegerischen Kulturalismus des Endkapitalismus konkretisiert, illustriert im Kollektiv der als wilde andere Instrumentalisierten nicht nur das faktische Feindbild, sondern auch die kriecherische Spezies verminderter, überflüssiger Bedürfnisse.

Alles, was die organisierten Gutmenschen-Mystiker tüfteln, bleibt an einem Punkt hängen, nämlich die unterqualifizierten Allochthonen-Spezies in den Gettos Germanias episodisch mit Spiel und Spaß zu besänftigen, deren latenter Haß allzeit abrufbar zum Tumult entfacht werden kann. Nur diejenigen, die im besten Saft stehen und sich dem Karriere-Krieg auf dem Nischenmarkt verschreiben, gelten als exemplarische Exponenten der zumindest statistisch „gelungenen Integration“.

Die Projektposten prahlen einmütig als spartanische Spaßparty-Partisanen, können jedoch jederzeit Jeremiaden-Olympiade in Szene setzen und sich bald wegen der Höhe individueller Anteile auf offener Straße in den Haaren liegen. Daß sie nach eigenem Bekunden für den ebenbürtigen Rang der eingewanderten Anderen Partei ergreifen, läßt sich nur als Doppelzünglerei herauslesen. Denn im Fundament der fulminant fingierten Chancengleichheit, die sie hochherzig anbieten, liegt die Libertinage der Apartheid, die als Schandmal brennt - in den Köpfen derer, die mit Bravour als braune Wasserträger der weißen Brandleger bramarbasieren.

Statt die staubige Phase der ethnisierten Unterschicht-Genese zu zerpflücken und sich im Stande der Morgenstürmer zu verorten, rufen die linken Phrasenpoeten den hegemonialen Ständestaat an, sich als partizipierender Sachwalter der Emanzipation ins Zeug zu legen. In ihren retrospektiven Rollen trüben sie kosmopolitan kollektive Perspektiven, tragen als Wahrzeichen ihrer emanzipativen Emphase lieber ein paar Ohrringe als Pantalons, stolzieren kontradiktorisch zwischen Gewachsenen und Gewesenen - oftmals mit der grimmigen Grimasse des antiken Patriziats.

Das Feindbild der feinen Emanzipationsambitionen

Seltsam wie ein Sirenenstück. Systematisch. Manisch melancholisch. Von weit her sattsam vernehmbar: Von schwer winterlichen Dächern der digitalen Singakademie pfeifen die Spatzen die Arie vom arithmetischen Absterben der germanisch arischen Ethnie, und die Doktrinär-Dynasten der Demographie-Zunft sitzen nicht auf den Händen, sondern reagieren darauf mit der Sorge um die Zitadellenzukunft und mit dem prachtvollen Plan für risikofrei regulierte Einfuhr preisgünstigen Humankapitals, nämlich Menschenmaterials.

Pangermanisch manieriertes Trachten nach dem Artefakt der mentalen wie mythischen Ethnizitäten geht gemäß der phantasievollen Routine über die Bühne, loyale Delinquenten in der Rolle emanzipatorischer Delegierter zu präsentieren und sie als Regenten auch ohne Regierte aufzupeppeln.

Das ethnokulturelle Ethos etikettiert die eingewanderten Minoritäten immer negativ und zementiert den Privilegierten-Status einer autoritativen Majorität. Und das fiktive Feindbild des wilden Gegenübers wird in steter Folge urbanisiert, restauriert und von neuem montiert, zugleich modernisiert und mondial wie lokal marmorisiert.

Keinesfalls orientieren sich die Oratoren des germanophilen Volksstaates und Ordner der repressiv selektiven Assimilation an der bürgerrechtlichen Routine, eher an einer ethnizistisch atomisierten Atmosphäre, welche der sozialen Desintegration Vorschub leistet, damit dem patriotisch-manisch erdichteten postmodernen "molekularen Bürgerkrieg".

Die Allüren-Allianz der Anständigen gegen die völkischen Randale-Rambos verhüllt den eigentlich hybriden Habitus der Majorität. Der Rassismus, der sich auch als aufklärerische Renaissance der christlichen Caritas wahrnehmen läßt, bahnte den weißen Okkupanten den Weg zur südlichen Erdkugel und lebt komplett in der Substanz der okzidental kommandierten Demokratur fort. Diktiert wird von ihr nach wie vor drahtig, was die leichtfüßigen Lakaien des imperialen Leithammels als naturhaftes Drama publizieren.

Dem Freiheitspathos des Individuums wohnt weit und breit der Allgemeinplatz jener Liliputaner-hohen Libertät inne, sich alleweil zu prostituieren, und die sakrosankt sanktionierte Demokratie entpuppt sich hierbei als dornenreich routiniertes Regime, das die Souffleure der Marktmaskerade ermächtigt, den prekären Prämissen der Parodie-paraten Nachfrage-Angebot-Abart im systemischen Spiel um Maximalanteile von der realisierten Beute vorzustehen.

Lautstarken Zuspruch im breiten Publikum erfährt das autoritäre Verfahren der selektiven Assimilation dank der manierierten Maschinerie der medialen Zunft, die vornehmlich als Motor, Moderator und Multiplikator des ethnozentrischen Eifers agiert. Das Attribut Konformität scheint dabei mächtig kollektiviert zu sein. Sie konserviert bereitwillige Akklamation der allgemein als verbindlich geltenden Regeln. Präsent bleibt zudem die populistisch fabrizierte Piratenfabel der Hauptfarbe schwarz und brünett in der Dunstwolke der Propaganda ringsum das majoritäre Gesellschaftsgebäude. Was die mediale Singakademie über die Spätankömmlinge summt, trägt radikal spektakuläre und katastrophale Züge.

Metöken als Menetekel der Mätopie

Fast ein halbes Jahrhundert benötigten die grotesken Größen des germanophilen Gedankengebäudes, notgedrungen gelten zu lassen, daß die Migrationen den Leitlinien der Einbahnstraße angemessen entlang laufen. Nach wie vor negieren sie jedoch die Autonomie des Geschehens und betätigen die mentale Manuale der Integrationsmaschinerie, um aus der Minoritären-Menge die ertragreichen Fragmente auszulesen. Auf Seminaren und Symposien teilen sie ausgiebig Sympathie-Symbole aus, haben es faustdick hinter den Ohren, die "faulen" Teile der bereits ortsfesten Fremdlinge aus dem Lande zu schaffen. Die Ende 2007 wieder entfachte dubiose Debatte über "kriminelle Ausländer" stützt sich so auf ein subaltern strukturiertes System sensationeller Substanz - ausgelöst von einem Überfall im Münchener Hauptbahnhof, den die Medien-Meute tagelang zum Thema hatte und als Debakel im Kontext mit der bürgerrechtlichen Ebenbürtigkeit aller Einwohner des Groß-D-Landes durchkaute.

Saisonale Referenten der Status-quo-Studien und Regenten sensationssichernder Sorte sorgen dafür, daß das verwertbare Menschenmaterial die Elemente einer Illustration in der Mätopie (Utopie als Schreckgestalt) enthält. Parteigänger und Postenträger des Assimilationsateliers sowie präpotente Prediger des Primats deuten die heiß diskutierte Integration als demographische Determination zum Fortbestand der im Grundgesetz fundierten ethnisch homogenen Nation. Von derartiger Leitlinie weichen selbst die fragilen Verfechter der Staatsbürger-Republik schwerlich ab wie der emeritierte Historiker und Migrationsforscher Prof. Dr. Klaus J. Bade in seiner "Abschiedsvorlesung" am 27. Juni 2007 im Schloß zu Osnabrück unter dem Titel "Leviten lesen: Migration und Integration in Deutschland":

Integration kann man, unabhängig vom Migrationshintergrund, definieren als möglichst gleichberechtigte Partizipation an dem Chancenangebot in zentralen Bereichen der Gesellschaft. Sie ist Ergebnis vor allem von entsprechender Teilhabe an Erziehung, Bildung und Ausbildung, die zum Beispiel wiederum die Voraussetzung zur Teilhabe am wirtschaftlichen Leben im Allgemeinen und am Arbeitsmarkt im Besonderen ist. (...)
Die nüchternen Bildungsdaten beleuchten ein Problem, das wichtiger ist als die mitunter nachgerade rituelle Skandalisierung von "Ehrenmorden", "Zwangsheiraten" und "Parallelgesellschaften": Das eigentliche Integrationsproblem in Deutschland ist die Benachteiligung der Zuwandererbevölkerung in Bildung, Ausbildung und beruflicher Qualifikation bzw. Weiterqualifikation. Sie bildet die Grundlage für eine oft unverschuldete, aber lebenslang wirkende, deshalb zunehmend empörende und vielleicht bald den sozialen Frieden in der Einwanderungsgesellschaft gefährdende Benachteiligung, denn:
Integrations- und Assimilationsprozesse haben eine mentale Begleiterscheinung, die von der Mehrheitsgesellschaft ohne Migrationshintergrund oft nicht zureichend erkannt wird: Mit zunehmender Integration und insbesondere Assimilation wächst, vor allem in der zweiten Generation, die mentale Verletzbarkeit durch die Erfahrung oder die begründete Befürchtung gruppenbezogener, insbesondere wirtschaftlicher und sozialer Benachteiligung, also von ethnisch, kulturell oder anders begründeter oder so begründet erscheinender Segregation.
Anders gewendet: Gerade die Verletzbarkeit durch so begründete faktische oder auch nur also so begründet empfundene gruppenbezogene Benachteiligungen ist ein Zeichen von mental weit fortgeschrittenen Integrations- und Assimilationsprozessen, deren Nichtakzeptanz durch die Mehrheitsgesellschaft auch zu offener Auflehnung führen kann - zuletzt zu besichtigen in Gestalt der Brände in französischen Vorortstraßen.
(IMIS-Beiträge 3/2007)

Gewiß trifft das Auseinandertriften der sozialen Schicksale als Folge der kulturalistisch konstruierten Separation der besitzstandsschwachen Schichten die Masse des migrantischen Mikrokosmos besonders massiv und weitgehend aggressiv. Was den sorgfältigen Warnern des sozialen Aufbegehrens aufgrund der handfertigen Segregation eingewanderter Einwohner schwer fällt wahrzunehmen, ist die neoständische Genese der endkapitalistischen Gesellschaft zu einer sichtbaren Besitzstandspyramide, die auf den Segmenten der Gegensätze fußt, damit auf dem Bodensatz der Konflikte, die es nur gilt, unter Kontrolle zu halten.

Der kriegslüsterne Kulturalismus

Die symbolträchtigen Systeme im Mem - Gegenstück zum biologischen Gen, abgeleitet aus Memory - haben sich in den Wurzelbestand des Christlich-Abendländischen grob wie global eingemoost. Dem soll nun, heischen die Gehilfen der sozial-hierarchisch strukturellen Gepflogenheit und hybriden Helfershelfer der kolonisatorischen Elimination heiter, Respekt gezollt werden.

Damit erfährt die Apartheid eine Qualität der Güteklasse Kultur, die im öffentlichen Gedächtnis sogar emphatisch als emanzipatorisch empfunden wird. Faßt man törichte Theorien wie der geräuschvoll verbreitete "Zusammenprall der Kulturen" oder "Clash of civilisation" ins Auge, erscheint die gegenwartsgerechte Form der kulturalistischen Hierarchie bzw. Klassifikation der humanen Lebenswelten giftiger als der auf dem biologistisch differenzialen Typus berufenden Rassismus. Mit dem kriegslüstern konsumierten Kulturalismus haben die kreuzbraven Dramatiker der okzidental demokratischen Domäne über den Rest der Erde den Dreh heraus.

Unter dem gängigen, jedoch nicht gegenständlichen Begriff des Universalismus verstecken sich ethnozentrische Verwerflichkeiten des aufklärerischen Auftrumpfens: eine bloße Verweltlichkeit klassisch christlicher Symbolik. Von ihren humanistisch-kritischen Emanzipationsimpulsen blieb im Verlauf der Jahrhunderte nur der Krieg übrig.

Jeder der Studiokratie-Granden, dem es gelingt, sich dem exemplarischen Titel eines elitären Experten anhängen zu lassen, projektierte bereits ein unterurbanes Rivalen-Revier und reflektiert, daß die Projektionsfläche für ein verstaubtes Lehrgebäude des Orientalismus hergibt. Da erfand der selbstherrlich imperiale Okzident einen imaginären Orient, in den er hineinprojiziert, was an eigenen Sehnsüchten tabuisiert und abgespaltet wird.

Turbanistans Türken als moderate Vorboten des weiten Islamistans vor der Türschwelle des Christen-Clubs

In der Levante, der Erdgegend, wo die Sonne aufgeht, lavieren die Law-and-Order-Patrouillen-Boote des Frontwerks vom mondialen Patronen-Fort unterm Hesperus. Sie kreuzen nicht gegen den Wind, sondern gegen jene wahrscheinliche Lawine, welche droht, wahr zu werden - nicht in allzu ferner Zukunft: Menschenscharen, die dem von der Invasion des gefräßigen Krakenkapitalismus verursachten wilden Elend entfliehen und sich zu den Zentren der hoch urbanisierten Weltverwalter bewegen, wo sie hoffen, ihre elementaren Bedürfnisse zu befriedigen. Wie viele von ihnen beim heimlichen Überqueren der Ägäis ertrinken und im Gottesacker am Meeresgrund landen, kann keiner wissen. Die imposant integrierten, nämlich gleichgeschalteten Organe der freien Presse nehmen keine Notiz davon. Hier erfährt die häßliche Zensur die Qualität vom aufklärerischen Gewicht. Publik wird nur, wie die Seegendarmerie der Türkei den Grenzgarnisonen der Feste Okzidentale die handelnde Hand reicht und sich bei der Jagd auf "illegale Invasoren" vollkommen kooperativ verhält. Meriten erwerben die Gewalthaber von Ankara bisher bei der Brüsseler Bravour-Bourgeoisie sonst kaum.

Als ein hünenhaft hysterischer Höhepunkt der mass-medial getürkten Systeme gegen die Türkei und folglich gegen den türkischen Tummelplatz Teutoniens prägte 2007 der Fall Marco, der mehr als eine Saison in Antalya im Arrestlokal saß, weil er in den Verdacht geriet, ein minderjähriges Mädchen aus Großbritannien vergewaltigt zu haben. Inzwischen ist der Frechdachs wieder frei und hier, und die Anklage der dortigen Kadis wurde im breiten Publikum von vornherein als Farce abgetan, also prompt verdeutscht, plump zum Primitiven erklärt. Dafür hängten die tugendreinen Tüfftlergenies der heimischen Patronage-Presse den Lausebengeln anatolischer Ahnen in den nicht mehr heimlichen Gettos Germaniens einen populistisch publizistischen Prozeß an den Hals, indem ihnen vorgehalten wird, mit dem türkisch nationalistischen, nämlich neofaschistischen Fanatismus immens an Fahrt gewonnen zu haben. Was für ein Wunder! Die patrizischen Patrone des pangermanischen Pathos registrieren in den ethnisierten Enthusiasmen schreckgespenstische Schlangengruben und brüsten sich als die besten Menschenrechtsprotagonisten.

Dann kam es zum Urnen-Triumph am Bosporus: Aus den Kreuzmalen-Kapriolen am 22. Juli 2007 ging, wie die westlichen Kreuzer-Karrieristen der medialen Gilde sich selig wünschten sowie folglich voraussagten, die Tayyip-Trupps der Turban tragenden Trivial-Urbanen als sichere Sieger hervor. Seine trotzigen Troupies, jene Yuppies und einige Junioren der neoliberalen Bravour-Bourgeoisie ließen sich zeremoniell in einem Krakenchor des Kapitals assoziieren und beten nun die Laisser-aller-Allüren sowie Laien-Allerlei so an wie den allmächtigen Allah. Da habe die Mehrheit der Türkei Pro-Europa gestimmt. Hat sie das tatsächlich getan? Oder eine religiös verfälschte Reaktion?

Der hochwüchsige Reformator des Vorderen Orients, der in den vergangenen knapp fünf Jahren seiner fast Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament allen von der christlich-abendländischen Autokratie diktierten Prämissen entsprach, legte für die Gerechtigkeit Hand auf den Koran und erwies sich als mediokrer Mentor des zeitnahen Elendsmanagements, also als mäßige Marionette des neokolonialen Maschenwerks.

Die abendländische Avantgarde feierte ein paar Tage Tamtam-Theatralik im medialen Sommerloch 2007, den Tayyip-Triumph der Demokratie östlich von Balkanien, dem die Kanzlerin Angela Merkel als Errungenschaft "zum Wohle Europas sowie der Atlantischen Allianz" gratulierte. Dokumentiert haben die Agenturen die Gloria eines einstigen religiös Radikalisten bzw. Ex-Extremisten als einen konservativen Demokraten - als einen Turbanisten, der endlich gegen die Turanisten (Ultra-Nationalisten), primär Kemalisten in Kleinasien, allesamt auftrumpft.

Mitleidige Laien und neoliberale Mullahs der Media-Monarchen Allemanias berichteten ferner von einem noch nie zuvor registrierten ökonomischen Aufschwung in Kleinasien, verschwiegen aber, daß sich dort auch das Elend in noch nie dagewesener Weise ausweitete, die Auslandsschulden sich innerhalb von fünf Jahren verdoppelten.

Ob Tayyip Erdogan ein grüner (respektive islamistischer) Wolf ist, der im Schafspelz der gemäßigt Gewandten daherkommt, sagt nicht vieles, schon gar nichts wichtiges. Und ob der hermetische Herkules gemäß dem dschihadistischen Zöglingswesen "Taqiyya" (religiös sanktionierte Erlaubnis zum manipulierten Manöver im Handeln mit Ungläubigen) agiert, bleibt weiter umhüllt.

Dem dienstbeflissenen Dirigenten des moderaten Islams und grünen Kapitals gelang es jedenfalls, neoliberale Draufgänger verschiedener Weltbilder zusammentrommeln - unter dem Dach einer Patronage-Partei, die willfährig die Befehle Washingtons und Brüssels ausführt, sich somit als vertraute fraktionelle Formation der globalen Größen aufspielt.

Da der neoliberal romantische Raupen-Rausch des Reform-Roboters ins Stocken gerät, diktiert das Kommissaren-Korps des EUropoiden Profitprojekts weitere komplexe Konditionen, um diametrale Urteil zu überbrücken. Die Ambitionen-Architektur spannt dabei den Bogen von vorgestern bis übermorgen, um die Türkei, das autarke Islamistan zwischen ultrafrommen und moderaten Muselmanen vor der Türschwelle des christlichen Kumpanen-Klubs an die Leine zu nehmen - als Laien-Nation der Stagnation. Mit ein bißchen "Dialog der Kulturen" und eine Spur "privilegierte Partnerschaft".

Bravouröser Bramarbas am Bosporus

Die Republik Türkei, die aus dem Trümmerhaufen des Osmanischen Sultanats hervorging, erwies sich gegen Ende der ersten Hälfte im zwanzigsten Jahrhundert als ein reputabel souveräner Staat aufgrund einer Vielfalt von konstitutiven Restaurationen. Die gegenwärtigen Gewalthaber verwerfen nicht nur das kemalistische Weltbild, auf dem die anatolische Revolution fußt, sondern führen das Land auch unter die Kontrolle des neokolonialen Regimes. Reformen werden im Ellenbogen- und Eilverfahren vorgenommen und vollendet. So wurde ein rigoroses, gewissermaßen riesiges, risikoreiches Programm, die Schlüsselindustrien sowie strategisch relevanten Staatsbetriebe zu privatisieren, vom Stapel gelassen.

Daß das Land des moderaten Muselmanen und routinierten Potentaten im weiten Westen auch langwierig keine gute Presse haben wird, ist keine schwierige Erkenntnis. Als lapidar und limitiert läßt sich bezeichnen, was hierzulande das vorurteilsfrei öffentliche Augenmerk auf die dortigen Realitäten anbelangt. Keines Blickes würdigen die Reporter des hiesigen Blätterwalds dem laizistischen Gelingen. Vorwurfsvolle Attacken auf dieses revolutionäre Grundgerüst überwiegen die Berichte, die von Hause aus als Gerüchte zutage kommen. Alltägliche Konflikte und Episoden werden abrupt ideologisiert und ethnisiert, in antagonistische Anstalten verwandelt. Die Diversität wird nicht dokumentiert, sondern als orientalisch-despotisch diktierte Doktrin diskutiert. Fiktiv fabrizierte Fabelgestalten des Fatalismus bevölkern das graue Terrain unter dem aufklärerischen Nebelschleier.

Beifall wird dem burlesken Bramarbas und bravourösen Burschen am Bosporus gezollt, um ihn gemäß dem mondialen Trend zum präventiven Menschenmanagement zu protegieren. Ob Kleinasien irgendeinmal vollwertiges Mitglied des EUropiden-Klubs wird oder im Status der "privilegierten Partnerschaft" haust, die dortigen Akteure der Globalismus-Glocken haben als leidvoll lokales Mündel der Zvilisierten-Zentren eine waghalsige Rolle im generellen Gefecht gegen die migrantischen Meuterer zu spielen. Das klingt zwar etwas hohl, aber nicht anämisch. Schon gegenwärtig müssen die Tayyip-Trupps für die Sicherheit der Ägäis gegen die wanderbewegten heimlichen Proleten den Patrouillen der Betuchten-Bastei zur Hand gehen.

   

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