XXVII. Jahrgang, Heft 149
Sep - Dez 2008/3
 
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Letzte Änderung:
10.10.2008

 
 

 

 
 

 

 

GEGENWART DER GESCHICHTE

Schwarz – Rot – Gold
Die deutschen Fahnen auf Halbmast

Von Erich Rückleben

   
 
 


Das Berliner Management sieht sich als erstes in der Pflicht die Wirtschaftsbosse zu befriedigen, ihren Ansprüchen gerecht zu werden und wo immer es möglich ist, ihnen unterstützend unter die Arme zu greifen. Wirtschaftswachstum steht an erster Stelle, den Profiteuren den roten Teppich ausrollen und die Ausbeuter bei Laune zu halten, ist das Rezept für einen Aufschwung, der an den Menschen vorbei, in den Kassen der Wirtschaftsbosse Höchstgewinne verzeichnet. Während der Staat sich über sprudelnde Steuerquellen freut und die Wirtschaft bzw. die Reichen ihre Geldsäcke mästen, müssen sich die sozialschwachen Menschen im Lande einschränken, bescheiden und von dem wenigen was sie haben, ihr erbärmliches Leben bestreiten. Parallel zur Geldmeile sind die Wege eines großen Teils der Menschen in Deutschland mit Armut gepflastert, von Nöten jeder Art gekennzeichnet und von tagtäglichen Existenzängsten begleitet.

Vom globalen neoliberalen Virus verseucht und von ökonomischen Zwängen vereinnahmt, beugt sich das politische Systemmanagement dem Druck der Wirtschaft und verkauft dem Volk Entscheidungen, die eher auf dem Mist von Konzernbossen gewachsen sind, als dass sie politisch volkswirtschaftlich relevant wären. Soziale Marktwirtschaft, wie sie immer noch propagiert wird, ist zur Wirtschaft der Beliebigkeit verkommen, zu einem bösartigen ökonomischen System, das alles auf den Kopf stellt und von den Beinen holt was einst unter dem Markenzeichen „Soziale Marktwirtschaft“ Standfestigkeit hatte. Orientiert auf Profit und ausgerichtet auf Kapitalvermehrung, haben die Protagonisten der Wirtschaft und die Geldelite alles andere aus den Augen verloren und mit Blick auf das eigene luxuriöse Wohlergehen, Wohltaten nur in eigener Sache zu vergeben. Was schert es solchen die haben, wenn Habenichtse nur mehr ins Abseits gedrängt, von der Gesellschaft verstoßen und ausgemustert sind.

Zwei Welten –
Reichtum und Armut in Deutschland

Reich ist in unserer Republik, wer als einzelner über ein monatliches Einkommen von 3418 Euro netto und mehr verfügt. Arm hingegen sind alle jene, die im Monat mit 781 Euro und weniger auskommen müssen. Und das sind nach einer neuesten Erhebung 13 Prozent der Bevölkerung, oder aber 10,4 Millionen Menschen, die in Armut leben. Ein Prekariat und eine Unterschicht mithin, die vom gesellschaftlichen Leben abgekoppelt ist, gleichsam einer Kaste, die ein breiter und tiefer Graben von den Habenden trennt, die allenfalls als Zaungäste dorthin hinüber schauen dürfen, wo den Begüterten die gebratenen Tauben ins Maul fliegen. Reiche und die Elite der Superreichen haben es sich in einer anderen Welt bequem gemacht, in der es ihnen anscheinend nicht mehr ermöglicht, sich mit Menschen zu identifizieren, welche im sozialen Abseits vegetieren, in dauerndem finanziellen Notstand und von der Hand in den Mund leben. Reichsein vernebelt die Hirne und die Sicht auf die soziale Wirklichkeit. Reichsein planiert das Denken, löscht Mitgefühle und setzt solidarisches Handeln außer Kraft. Armsein aber ist für jeden Betroffenen ein entwürdigendes Leben, ein Leben, das täglich bestritten werden und auf Gedeih und Verderb durchgehalten werden muss. Wenn mehr als 10 Millionen Menschen am Rande der Gesellschaft leben, weder über ein existenzsicherndes Einkommen verfügen, noch teilhabend auf Zuwächse hoffen können, dann ist dies ein Missstand, der eigentlich alarmierend wirken müsste und namentlich die Berliner Politiker wachrütteln sollte. Die jedoch, mit dem Wissen um die soziale Schieflage, um steigende Armut und deren Auswüchse, kommentieren mit gewohnter Rhetorik die zunehmende Verarmung eines großen Teils der Menschen in der Republik, sprechen von „bedrückenden Zahlen“, die sie produziert haben und für die sie in Verantwortung zu nehmen sind - das ist in der Tat noch um einiges mehr bedrückender. Nahe bei sich selbst und weit weg von den Menschen im Lande, von deren prekärer Lage sie allenfalls pauschal vom Hörensagen Kenntnis haben, denn sie selbst begeben sich nicht in die Niederungen der Armut, wissen nicht um realexistierende Not, von Ängsten, Verbitterung, Ausgestoßensein und einem Leben, das von Verzicht und von Mängeln jedweder Art geprägt ist. Armut schmeckt bitter, macht krank und wie Statistiken belegen, sterben Arme früher.

Wenn sich nun weitere 13 Prozent der Gesamtbevölkerung, wie das statistische Bundesamt ermittelte, an der Armutsgrenze bewegen und nahe dem Abrutschen in die Armutsfalle sind, dann wächst damit umso mehr Armut ins Haus der Republik. Vermutlich wird in nur wenigen Jahren eine weit größere Anzahl der Bundesbürger von Armut betroffen sein und dem Beispiel der USA folgend, auch zunehmend und vermehrt Menschen aus der sogenannten Mittelschicht, denen der soziale Abstieg droht. Wobei das Muster USA anscheinend als Vorbild gilt, dem man nacheifert und damit der Armut jenen Boden bereitet, auf dem ihr Wachstum bestens gedeiht. Wobei das Wirtschaftswachstum, scheinbar völlig autonom, nur sich selbst genügt, nur ein Minimum Teilhabe den Lohnabhängigen gewährt und den verarmten Teil der Menschen überhaupt leer ausgehen lässt.

„Die Agenda Politik“, so Heiner Geissler, „hat die Menschen nicht nur ärmer gemacht, sondern hat ihnen auch die Würde genommen.“ Armut hat viele Facetten und mehr Dimensionen, als dass man sie allein auf Geldmangel reduzieren könnte. Fehlende Chancengleichheit, mangelnde Bildung, Nichtteilhabe am gesellschaftlichen Leben, Ausgrenzung, Stigmatisierung und eine Benachteiligung insgesamt, welche die Betroffenen nicht nur an den Rand der Gesellschaft drängt, sondern sie generell ins Abseits stellt. Erstaunlich aber ist wie die Öffentlichkeit das Problem Armut diskutiert, wie zwei Lager Pro und Kontra zur Verwirrung des Volkes beitragen und meinungsbildend dahin wirken, wo eben niemand mehr weiß, wie es denn um Armut in Deutschland bestellt ist. Und wenn auch Zahlen eine deutliche Sprache sprechen, reden die Besserwisser nur zu gerne von den Beispielen einiger weniger, die sich schmarotzend in ihrer Armut eingerichtet haben, um davon nun auf eine Mehrheit zu schließen und Verallgemeinerung abzuleiten. Darstellungen solcher Art verzerren die Wirklichkeit, diskreditieren jene Menschen, die in Not und Armut leben und würdigen sie zu Individuen herab welche nutznießend die Gesellschaft betrügen.

Aufschwung der Wirtschaft und Talfahrt der Armut

„Endlich ist der Aufschwung bei den Menschen im Lande angekommen“, verkündete die schwarze Lady Angela Merkel mit Ausgang des letzten Jahres. Was jedoch tatsächlich bei den Menschen ankam, ist der Aufschwung einer Teuerungswelle, welche auf breiter Front die Preise nach oben treibt und insbesondere jene Menschen in Bedrängnis bringt, die aufgrund ihrer prekären sozialen Lage am Hungertuch nagen. Aber auch die Masse der Lohnabhängigen mit einem durchschnittlichen Einkommen spüren zunehmend das ansteigende Preisniveau, welches das Mehr auf der Ausgabenseite geradezu beängstigende Formen annehmen lässt. Während Gutbetuchte, Besser - und Immermehr - Verdienende kaum etwas von den gestiegenen Preisen spüren und eher noch davon profitieren, müssen die Einkommensschwachen sich dem Diktat der Preismacher beugen. Und dies trifft namentlich alle Arbeitslosengeld - II - Empfänger, den größten Teil der Rentner, einkommensschwache Familien mit Kindern als auch alleinerziehende Mütter.

In fast allen Wirtschaftsbereichen boomt das Wachstum mit steigenden Umsätzen und zunehmender Gewinnmaximierung. Industrie, Handel und Daxunternehmen machen profitable Geschäfte, die Steuerquelle sprudelt wie lange nicht mehr und die Geldelite verzeichnet mit stetigen Zuwachs steigendes Wohlgefühl. Während in den Niederungen der Armut, angeheizt durch inflationäre Preise, das Geld immer weniger wird, vermehrt es sich dort, wo Geld en masse vorhanden ist. Zehn Prozent der Bevölkerung verfügen über ein gigantisches Vermögen, über Reichtum, der die abgehobene Kapitalelite im Überfluss und Luxus leben lässt, und in einer Welt, die abgeschottet gegen die Sicht nach Außen, nur die eigene Wohlfahrt im Auge behält. Sie leben mitten unter uns und sind doch meilenweit von einem Leben entfernt, das Lohnabhängige und die soziale Unterschicht in unserem Lande tagtäglich lebt. Aber ebenso weiß das Gros der Berliner Politiker wenig bis gar nichts von der prekären Lage jener Millionen Menschen, die sich durch Hungerlöhne durchs Leben schlagen, selbst bei mehreren Jobs über kein ausreichendes Einkommen verfügen, von Menschen, die trotz Arbeit plus staatlicher Unterstützung zu den Armen gehören und dem entwürdigenden Leben, das Langzeitarbeitslose, Arbeitslosengeld - II - Bezieher, den größten Teil der Rentner, die in Altersarmut leben und das alle jene führen, die von der Gesellschaft abgehängt und in den Ghettos der Armut vegetieren. Es ist eine Schande und ein Skandal, dass Ausbeuterlöhne vom Staat auch noch subventioniert werden, gewissermaßen eine Belohnung für Arbeitgeber, die Hungerlöhne zahlen, dafür müssten sie eigentlich bestraft werden, aber aus taktisch politischen Gründen werden sie großzügig belohnt.

Um die Arbeitslosenzahlen zu drücken und die Statik zu schönen ist jedes Mittel recht, wenn es Erfolg verspricht. Und den braucht die Bundesregierung bezüglich der Arbeitslosenzahlen um jeden Preis, einen Preis den 17 Millionen Niedriglöhner mit ihrem miserablen Einkommen bezahlen. Zur Arbeitslosenstatistik äußerte das Institut für Arbeitsmarkt - und Berufsforschung im Mai 2008, dass seit Jahren an der Statistikschraube gedreht würde, um damit die Arbeitslosenzahlen künstlich niedrig zu halten. Weiter verlautete, dass 625000 Menschen sich wegen schlechter Vermittlungschancen erst gar nicht bei den Arbeitsagenturen melden würden und somit in der Statistik überhaupt nicht auftauchen. Und hinzu kämen etwa eine Million Menschen, die nicht als arbeitslos gezählt werden, weil sie als Ein - Euro - Jobber tätig sind. „Zählt man alles zusammen“, so das Institut, „dann kommt man in Deutschland auf gut fünf Millionen Menschen, ...(die arbeitslos sind).“ Und addiert man die Dunkelziffer hinzu, wie sie Experten des Arbeitsmarktes schätzen, kommt man durchaus auf sechs bis sieben Millionen, die ohne Arbeit in unserer Gesellschaft leben. 17 Millionen Niedriglöhner plus 8 Millionen AG - II - und Sozialhilfeempfänger ergeben in der Summe 25 Millionen Menschen, deren Existenz auf ein Minimum angelegt ist, und damit nun sind sie meilenweit von allen gesellschaftlichen Standards entfernt.

Linke Fanfaren kontra neoliberale Trommler oder: Wie die »Linke« die etablierten Parteien auf Trab bringt

Welch ein Tohuwabohu bieten zurzeit die etablierten Parteien um die „Linke“. Welch ein Schauspiel um eine Partei, die nicht das wäre, was sie jetzt ist, wenn die Genannten sie nicht selbst gezüchtet beziehungsweise produziert hätten. Insbesondere hat die Schröder - Regierung fleißig daran mitgewirkt, dass Oskar Lafontaine & Co punkten konnten und Wähler mobilisieren, die namentlich der SPD jetzt fehlen. Wer aber will von den Sozialdemokraten sich eingestehen, dass ihnen unter der Regentschaft Schröders die soziale Orientierung abhanden kam, das Augenmaß für sozialdemokratische Politik verloren ging und sich die Schere zwischen Arm und Reich einen großen Schub weiter öffnete. Nun aber mit der Rolle rückwärts, spricht die SPD vom demokratischen Sozialismus, heftet das Soziale an ihre Fahnen und versucht von der Linken verlorenes Terrain zurückzuerobern. Abgesehen von der FDP geht aber auch ein vernehmlicher Ruck nach links von allen Parteien aus, zwar will dies die Union nicht wahrhaben, weil sie sich an ihre propagierte Mitte klammert, aber dass sie dennoch sichtbar nach links schielt, ist mehr als auffallend.

Indes mischt die Linke die Parteienlandschaft auf, Bündnisse und Koalitionen nach gewohntem Muster dürften in Zukunft mit Blick auf die Linkspartei weniger machbar sein beziehungsweise auch gar nicht mehr zustande kommen. Das Beispiel Hessen gab einen Vorgeschmack auf künftige Schwierigkeiten, mit denen die etablierten Parteien, ob sie nun wollen oder nicht, zu kämpfen haben werden. Nicht aber in dem Sinne wie es Guido Westerwelle auf dem Parteitag der FDP im Juli 2007 versuchte, indem er die verbale Peitsche in Richtung Linke schwang und diese seiner Meinung nach in der Nachfolge von Marx und Engels stehende Partei mit Sozialisten, Kommunisten und Populisten etikettierte. Die Linke ist so manchen wütenden Angriffen ausgesetzt, insbesondere aber von Unionspolitikern. Einen Ausfall der besonderen Art leistete sich Günter Beckstein in der Talk - Runde bei Anne Will im Juni 2008, als er auf einen Diskussionsbeitrag von Oskar Lafontaine mit dem Wutausbruch „Saudummes Gerede“ antwortete. Beckstein hatte vermutlich für einen Moment vergessen, dass er sich auf einem öffentlichen Podium befand und nicht daheim in einem Bierzelt. Denn unter solchen Bedingungen ist man Ausfälle der CSU gegenüber politischen Gegnern hinreichend gewöhnt. Die Presse kommentierte die Entgleisung Becksteins mit den Worten, dem bayerischen Ministerpräsidenten sei der Kragen geplatzt. Man sollte jedoch eher davon ausgehen, dass der Mensch einen Sprung in der Schüssel hat. Aber nicht nur dieser Defekt kennzeichnet den CSU - Obristen, auch seine Intelligenz ist nun nicht gerade das, was man bestechend nennen könnte.

Was diesen Beckstein umtreibt und ebenso die Protagonisten der etablierten Parteien ist der Stimmenklau Linkspartei. Der macht nervös, schürt Ängste und verunsichert in erheblichem Maße das etablierte Parteienspektrum. Angefacht vom linken Wind, heizen insbesondere die Sozialdemokraten ihre verlorenen Werte hoch, versuchen eingebüßtes Vertrauen zurückzugewinnen und krampfhaft Glaubwürdigkeit zu vermitteln. Jedoch ihr Profil ist dermaßen verschwommen und unscharf, dass kaum Wesensmerkmale der einstigen Partei zu erkennen sind. Orientierungslosigkeit und Widerspruch kennzeichnen die Politik der SPD. Vielmehr aber noch jene durchsichtigen Strategien, die zu Wahlerfolgen führen und verlorene Wähler zurückholen sollen. Dies Manöver blieb bisher jedoch ohne Erfolg, den aber verzeichnet zunehmend die Linke, welche fleißig aus dem Potential einstiger SPD-Wähler schöpft, aber auch die anderen Parteien bleiben dabei nicht ungeschoren. Kurzum, es bewegt sich was in der Parteienlandschaft, es wächst und gedeiht eine neue Kraft auf dem Boden der Republik, welche sich anschickt die verkrusteten Strukturen quer durch alle Parteien aufzubrechen, den Neoliberalisten und Globalisten gehörig einzuheizen und ihnen Schweißtreibendes mit auf den Weg zu geben. So wie es in unserem Lande insgesamt aussieht und insbesondere mit der Sicht auf die sich stetig verschlechternde soziale Lage, arbeitet die Zeit für die Linkspartei. Der Zuspruch wird in dem Maße steigen, wie der Abschwung des Sozialstaates sich fortsetzt und der Graben zwischen Arm und Reich tiefer und breiter wird.

Demokratie in Gefahr

„Wo sind die Revolutionäre, die sich schützend vor die Demokratie stellen?“, fragte Günter Grass in der Berliner Akademie der Künste im Juni 2008. „Der zweite Versuch in Deutschland eine Demokratie zu gründen“, so der Literaturnobelpreisträger, „ist gefährdet, angesichts von Lobbyisten, die das Parlament umzingeln und die Gesetze mitschreiben.“ Grass vergleicht die aktuelle Situation der Bundesrepublik mit Verhältnissen der Weimarer Republik und beklagt, dass es zu viele Ja-Sager gäbe und wünscht sich eine neue Revolte im Sinne der „68er“. Freilich eine Stimme in der Wüste demokratischer Verwerfungen, die allenfalls tagesaktuell wahrgenommen wird, und von denen aber, die sich angesprochen fühlen müssten, überhaupt nicht registriert wird.

Zwar sind es aktuell andere Faktoren die unsere Demokratie gefährden als zu Weimarer Zeiten, aber die sind nicht weniger bedrohlich, wenn man z.B. an den Einfluss der Lobbyisten denkt, nach deren Pfeife das politische Ensemble tanzt und deren Erfüllungsgehilfen sie sind. Die Lauscher der Regierenden in Richtung Wirtschaft gestellt und taub für das, was Volkesstimme ist, werden zunächst und bevorzugt die Wünsche der Lobbyisten bedient. Der Wille des Wählers wird sträflich missachtet, ja der wird geradezu entmündigt, der ansonsten propagierte mündige Bürger, der gut genug ist bei Wahlen sein Kreuzchen zu machen, danach jedoch mit Stimme Null nichts mehr zu sagen hat. Indessen ist die Mehrheit der Mitmacher und Ja-Sager gefragt, die ungefragt mit sich machen lassen und dumpf vor sich hindösend alles ertragen, was ihnen die Berliner Politiker zumuten und aufbuckeln. Die Minderheit der Nein-Sager hingegen, alle jene die das Treiben des politischen Managements durchschaut haben und den neoliberalen Systemverwaltern aus Politik und Wirtschaft auf die Schliche gekommen sind, wann immer und wo sie ihre Stimme erheben, wird diese von den neoliberalen Trommlern zugedröhnt und von dem Heer der Pseudodemokraten übertönt. Die, in festem Glauben, sie befänden sich auf dem Boden einer gefestigten und funktionierende Demokratie, obwohl es in deren Gebälk unüberhörbar knistert, sind taub für die Gefahr die uns allen droht, wenn die aus allen Fugen geratene Demokratie nicht auf ein neues Fundament gestellt und reformiert dorthin zurückkehrt wo ihre Wurzeln sind.

Überforderte Politik und außer Kontrolle geratene Ökonomie

Schaut man sich die Liste der Baustellen an auf denen die Bundesregierung tätig ist, aber auch ihre Projekte, die über Gesetze fertiggestellt und unter Überschrift Reformen verkauft wurden, dann fällt als erstes auf, dass hier Politiker tätig sind, die überfordert zu sein scheinen, die Übersicht verloren haben und von ihrem Handwerk zu wenig verstehen. Der Katalog der Verwerfungen und Schieflagen wird zunehmend umfangreicher und hat insbesondere durch die Reformen beträchtlich zugenommen. Anstehende ungelöste Probleme und nicht hinnehmbare Sachlagen werden verdrängt, beschönigt oder aber auch auf die lange Bank geschoben. Das Berliner Polit-Ensemble, rhetorisch geübt, aber sachbezogen inkompetent und qualitativ auf miserablem Niveau, suggeriert dem Volk Sach- und Fachverstand, und dies mit einer Überheblichkeit, die allesamt als eine Elite kennzeichnet, die in Diensten des Volkes ihr Bestes gibt, obgleich in Mehrheit das Schlechteste dabei herauskommt. Dies nicht zuletzt, weil sich die Berliner Politiker vor den Karren der Wirtschaft spannen lassen, globalen Zwängen nur zu leicht nachgeben und nationale Interessen aus den Augen verlieren. Alle Türen der Globalisierung geöffnet, hält Einzug, was rein kommen mag. Und da die Republik für alles und jedes offen ist, insbesondere aber für negative Einflüsse, die dazu noch als Muster dienen, bedient sie sich nur zu gerne aus dem globalen Angebot wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und sozialer Verwerfungen. Als Mitmacher der globalen Verwüstung und Verstärker des neoliberalen Mainstream, spielen die Deutschen mit Vorrang am liebsten die erste Geige. Und das politische Ensemble posaunt dazu: Wir sind doch keine Insel, wir können uns der Globalisierung keinesfalls verschließen! Die Antwort darauf kann doch nur lauten: dass die Betreffenden nicht ganz dicht sind und eigentlich aus dem Verkehr gezogen werden müssten.

Aus dem Verkehr zu ziehen wäre auch die raffgierige Meute der Manager, Vorstandsvorsitzenden und Wirtschaftsbosse, die Millionengehälter beziehen und mit eben solchen Abfindungen zur Luxusklasse der Geldelite gehören. Eine gebündelte Finanzmacht, der die politische Macht nichts entgegenzusetzen hat und nur duldend zuschauen kann, wie die Großverdiener sich die Taschen voll stopfen. Maßlos, unbeschränkt und Grenzen überschreitend giert es die Meute der räuberischen Geldelite nach Vermehrung ihres Reichtums, nach wohlfeiler Beute und profitablen Geschäften. Mit den transnationalen Märkten verknüpft und mit den globalen Standards der Wirtschaft vernetzt, orientiert sich die Ökonomie als erstes an den Bedingungen des Großmarkts „Welt“, der das nationale Geschehen hier bei uns vor der Haustür regelt und ebenso das Reglement für die ausufernden Millionengehälter der Wirtschaftsbosse bestimmt. Ohne dass ein Kontrollorgan überhaupt darauf Einfluss nimmt, kassieren die Großverdiener was ihrer Meinung nach als angemessen erscheint, scheren sich einen Dreck um die öffentliche Meinung und sind dickfällig genug, Kritik, woher auch immer sie kommen mag, abtropfen zu lassen wie Wasser am Teflon. Was ebenso für das Geschwafel der Berliner Poliker gilt, wenn sie Appelle auf Selbstbeschränkung an die genannten richten, damit allenfalls die Medien beschäftigen, keinesfalls aber die Betreffenden beeindrucken. Im Übrigen wissen die Manager der Wirtschaft sehr genau, dass hier in der Regel nur politischer Schaum abgesondert wird und leeres Geschwätz auf der Tageordnung steht. Die Kaste der Wirtschaftsmillionäre lebt ungeniert mit dem Vorsatz, dass, sobald sie aus dem Fokus des öffentlichen Interesses verschwindet, alles und jedes fortzusetzen ist, was dazu dient, Geld in ihre Kassen zu schaufeln. Geld, welches lohnabhängige Sklaven erwirtschaftet haben, Geld von dem niemand weiß in welche dunklen Kanäle es fließt und mit welchen Transaktionen Rückflüsse auf ihre Konten den Finanzstock um Millionen erhöht.

Das Gespenst der Inflation nimmt Formen an

Spekulanten, Preistreiber und Preismacher haben Hochkonjunktur, heizen auf profitabler Flamme die Preise in die Höhe, destabilisieren das Preisgefüge und unterhöhlen das Fundament wirtschaftlicher und sozialer Stabilität. Insbesondere die Verteuerung des Energiebedarfs als auch die steigenden Preise für Lebensmittel, sind in der Summe des Preisanstieges jene Posten, die massiv zu Buche schlagen und Lohnzuwächse auffressen. Denkt man hier an Niedriglöhner, Sozialhilfeempfänger, einen großen Teil der Rentner und Ein-Euro-Jobber, die alle samt keine Zuwächse zu verzeichnen haben, dann weiß man, dass diesem Personenkreis durch die hohen Preise umsomehr Armut ins Haus wächst. Namentlich sie sind es, denen das Gespenst der Inflation Angst macht, Sorgen bereitet und mit Hinblick auf ihre Existenz mehr als verunsichert. Wer jeden Cent umdrehen muss bevor er ihn ausgibt, und wen seine schmale Geldbörse dazu zwingt auf vieles zu verzichten, der ist in der Tat und im wahrsten Sinne des Wortes arm dran bei der galoppierenden Preisentwicklung. Zwar sind wir alle von dem hohen Preisniveau betroffen, aber niemanden trifft es so schwer und unmittelbar, wie jene, deren Existenz auf ein Minimum angelegt ist und die von dem Wenigen was sie haben, jetzt noch mehr für ihren Lebensunterhalt ausgeben müssen.

Angesichts der starken Teuerung drohen den Lohnabhängigen im fünften Jahr Einkommensverluste. Die Lebenshaltungskosten stiegen deutlich höher als die Löhne. Der Verdienst eines Vollzeitbeschäftigten stieg laut Statistik um 2,8 Prozent, die Preise jedoch um 2,9 Prozent, was bedeutet, dass hier ein Minus zu verzeichnen ist, das jedoch weit höher ausfällt als 0,1 Prozent, wenn man das Realeinkommen zugrunde legt und die steigenden finanziellen Belastungen jedes einzelnen in Bereichen dazu addiert, die von den Statistikern weder erfasst, noch berücksichtigt werden. Die Krise der Weltwirtschaft mit steigenden Preisen für Rohöl, Gas, Rohstoffe und Lebensmitteln verschlechtert zunehmend die Lage vieler Menschen in der Bundesrepublik. Menschen die noch vor wenigen Jahren über eine sichere Existenz verfügten und mit ihren Einkünften gut dastanden, ihnen aber sitzt heute die Angst vor dem sozialen Abstieg im Nacken, die Ungewissheit, was morgen auf sie zukommen könnte und wie ihnen übermorgen geschieht. Eine nicht vorausschaubare Entwicklung schürt Ängste und verunsichert die Menschen, destabilisiert ihr Vertauen in das politische Management und untergräbt den Glauben an eine bessere Zukunft. Das Morgen ist freilich so unsicher wie nie zuvor, es ist unberechenbar und aufgrund politisch ökonomischer Verwerfungen, welche in Richtung Zukunft gedacht, noch mehr Ängste produzieren. Laut Infratest sind es 85 Prozent der Deutschen, die Angst vor der Zukunft haben und sich vor einer Entwicklung fürchten, die unsere Politiker nicht mehr im Griff haben.

Zur akuten Teuerungswelle, welch durch die Republik rollt, formulierte ein Kommentator des ZDF Ende Juni 2008: „Unsere Politiker verhalten sich wie Feuerwehren, die sich trotz lodernder Brände in den Urlaub verabschieden und so als wäre nichts geschehen, ihre Ferien genießen.“ Man lässt den Dingen ihren Lauf, obgleich zwingend gegenzusteuern und Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung angezeigt wären. Ein erster dringender Schritt müsste die Absenkung der Steuer- und Abgabelasten sein, im weiteren bräuchten alle Hartz-IV-Bezieher, Nidrieglöhner, Arbeitslose und Menschen mit Niedrigrente einen Teuerungszuschlag. Nach Ansicht des Inflationsexperten Hans Wolfgang Brachinger von der Universität Fribourg, nimmt die Teuerungswelle bedrohliche Ausmaße an. Eine Bedrohung, unter der insbesondere die einkommensschwachen Haushalte leiden, „weil ihr ganzes Geld für die täglichen Einkäufe draufgeht.“ Im Weiteren ließ der Experte verlauten: „Die Teuerungswelle trifft Millionen Bundesbürger viel stärker als angenommen. Die Preise für die fünfzig Waren, die wir am häufigsten einkaufen sind in einem Jahr im Schnitt um 8,2 Prozent gestiegen.“ Und nehmen wir hier Einzelposten heraus wie z.B. Milchprodukte, Gemüse, Brot und Margarine, dann liegen wir bei einer Verteuerung zwischen 8,5 bis 25,1 Prozent.

Prognosen deuten darauf hin, dass sich der Preisauftrieb in den kommenden Jahren fortsetzt und die Löhne bei zu erwartendem Konjunkturabschwung nicht nur stagnieren, sondern bei weiter steigenden Preisen auch nicht mehr Schritt halten können. Was zur Folge hat, dass das Gros der Lohnabhängigen massive Einbussen und Verluste zu verbuchen hat, die zur Verknappung des eigenen Etats führen, was wiederum die Kaufkraft mindert, Konsumverzicht nach sich zieht und schließlich zu Lasten der Binnenkonjunktur in einen Teufelskreis mündet. In Abhängigkeit und mit Vollanschluss an das Wirtschaftssystem der Globalisierung, können die Berliner Politiker nur noch zuschauen wie Kräfte, die sie nicht mehr beherrschen und bändigen können, an Zuwachs gewinnen, außer Kontrolle geraten und ein Eigenleben entwickeln, auf welches sie keinen Einfluss mehr ausüben können bzw. auch nicht wollen. Hinzu kommt, dass die EU ihren Einfluss auf die nationale Politik verstärkt, deren Spielräume einengt und Entwicklungen Vorschub leistet, die das neoliberale Wirtschaftsprinzip fördern, nach Kräften unterstützen und schlussendlich stabilisieren. Die anonymen Systemverwalter bzw. die europäischen Politiker in Brüssel, deren Namen kaum jemand kennt, beherrschen Problemlagen noch um vieles weniger als nationale Managements und überraschen uns wiederholt und immer wieder mit Entscheidungen, die nicht nur Erstaunen, sondern vielfach auch Zweifel an den Entscheidungsträgern aufkommen lassen.

Demokratieverdrossenheit

Nach einer neuesten Umfrage glaubt jeder dritte Bundesbürger nicht mehr an eine funktionierende Demokratie, die Probleme lösen könnte und die Schieflage des Staates in den Griff bekäme. Jeder Zweiter befasst sich mit dem Gedanken bei der kommenden Wahl zum Bundestag den Gang zur Urne zu verweigern. „Ich fürchte“, so Frank Karl von der Friedrich-Ebert-Stiftung, „rund ein Drittel der Menschen hat sich schon von der Demokratie verabschiedet.“ In Ostdeutschland sind es gar 53 Prozent, die von der Demokratie nichts mehr wissen wollen und womöglich an den Sozialismus und zu Teilen auch an den Nationalismus denken. Überraschend aber ist, dass nicht nur die schwächeren Schichten der Bevölkerung Kritik an der Demokratie äußern, sondern dass insgesamt der Glaube an die Demokratie massiv erschüttert ist. Die Demokratie hat sich zu einem System entwickelt, das nach neoliberalem Muster verwaltet wird und sich unter die Diktatur ökonomischer Macht begeben hat. Pseudodemokraten und Hörige der Wirtschaftsbosse regieren unser Land, Schmalspurpolitiker und Parlamentarier auf den Regierungsbänken, die alle samt vom System infiziert sind, haben das Sagen. Kollektiv wird immer nur in eine Richtung gedacht, anderes Denken und Reden ist in der Regel Wahlmanöver zum Zwecke des Stimmenfangs, wie es die Sozialdemokraten z.Z. versuchen. Die Menschen aber glauben diesen Stimmenfängern nicht mehr, sie glauben nicht an das Geschwätz und die leeren Versprechen dieser Strategen.

Parteienverdrossenheit und Staatsferne kennzeichnet alle jene, die der Demokratie den Rücken zugekehrt und sich von der neoliberalen Politik in diesem Lande abgewandt bzw. verabschiedet haben. Sie fühlen sich von den demokratischen Kräften im Stich gelassen, den neoliberalen und neokapitalistischen Mächten ausgeliefert und den Ausbeutern der Wirtschaft zum Fraß vorgeworfen. Sie fühlen sich ohnmächtig gegenüber der Willkür des Staates, machtlos gegenüber den politischen Entscheidungen und mundtot, wenn es darum geht, mitzuentscheiden. Viele Menschen in der Bundesrepublik fürchten für die Zukunft das Abrutschen in Richtung Einschränkung, Verzicht und Bescheidung und sehen sich in Gefahr ihre gesellschaftliche Integrität zu verlieren. Ein breiter Riss geht durch die republikanische Gesellschaft, ein Auseinanderdriften der Gewinner und Verlierer, der Habenden und der Habenichtse. Eine gespaltene Gesellschaft mithin, in der ein Teil zunehmend reicher wird, während der andere zusehends verarmt. Geradezu ein Modell und Muster für den Neokapitalismus, der genau auf dieser Schiene seine Ernte einfährt und als erstes den Reichen Reichtum beschert. Wer hat, der soll mehr haben und wer kaum etwas hat, dem ist zu nehmen, lautet das Rezept der Systemverwalter aus Politik und Wirtschaft. Demokratie und Sozialstaat sind nur noch das Etikett für ein marodes System, das durch Pseudodemokraten notdürftig am Leben erhalten und mit dem Mittel der Täuschung als ein funktionierendes Staatswesen verkauft wird. Mit erstaunlichem Selbstverständnis, offenkundiger Verfrorenheit und einem gerüttelten Maß Dickfälligkeit suggerieren die Volksvertreter dem Fußvolk den demokratischen Staat und dies gegen das eigene bessere Wissen, aber vielmehr noch gegen das Wissen der Menschen im Lande, welche das pseudodemokratische Falschspiel durchschaut und ihren Glauben an diesen Staat verloren haben.

Schlaraffenland Demokratie

Für Großverdiener, Kapitalhaber, Absahner und Profiteure aber ist die heruntergewirtschaftete Demokratie jener Humus auf dem ihr Wachstum mit stetigem Zugewinn bestens gedeiht. Ihnen werden Möglichkeiten und Freiräume eigener Entfaltung geboten, die sie mit allen Kräften nutzen und gemäß ihre Raffsucht auszuweiten versuchen. Mit Manipulationen und perfiden trickreichen Strategien umgehen sie erfolgreich die vom Staat gesetzten Grenzen und dies nur zu oft mit Hilfe der Politik, die sie eigentlich daran hindern, wenn nicht gar bestrafen müsste. Das boomende Geschäft „wie-kann-ich-mich-illegal-bereichern“ und es trotzdem als legal deklarieren, hat Hochkonjunktur, ist ansteckend wie die Pest, verseucht die Liga „krankhafte Geldgier“ und offenbart den pathologischen Status der Raffsüchtigen. Nach dem „Rezept“ wer hat der will mehr haben und wem es gut geht, dem soll es noch besser gehen, haben sich die Nimmersatten in ihrem behaglichen abgehobenen Wohlstand eingerichtet. Fern und entfernt den sozialen Missständen, sind sie standesgemäß vom Überfluss umgeben, der ihnen aus materieller Sicht alles erlaubt was gefällt und jede Möglichkeit bietet, auf dem Niveau einer Klasse zu leben, die unentwegt aus dem Vollen schöpft und deren Geldquellen unversiegt weiter sprudeln.

Die Republik produziert Millionäre jeden Kalibers und aller Schattierungen, einen Geldadel, dem das neoliberale System in den Sattel geholfen hat, der im Galopp zu Kapital und Ansehen kam und für welche das demokratische Pflaster plus Beschleunigung durch die Globalisierung, zur Rennstrecke um Geld und Sieg wurde. Verlierer die auf der Strecke bleiben, sind nicht nur die Letztplatzierten der Unterschicht, sondern verloren hat die Gesellschaft insgesamt und die Demokratie insbesondere. Die transformierte Demokratie zum neoliberalen System züchtet auf dem Nährboden des Kapitalismus eine Geldelite, die ihr Wachstum den politischen und ökonomischen Verwerfungen zu verdanken hat, die aus den Verhältnissen Kapital schlägt und das günstige Klima für ihr Raubzüge nutzt. Während die Großverdiener aus der Wirtschaft mit ihren Gehältern und Abfindungen immer häufiger in den öffentlichen Fokus geraten und zu recht mit massiver Kritik konfrontiert werden, ist man anscheinend blind und taub gegenüber einer millionenverdienenden Elite, die sich aus Fußballern und TV-Großverdienern rekrutiert. Hier wird nicht nur ignoriert, sondern hier zeigt sich auch wie dämlich der Deutsche Michel ist, wenn er den Kickern auf dem grünen Rasen zu jubelt und den Show-Größen im Glotzophon applaudiert. Wie man jetzt weiß, kassierte die ehemalige Moderatorin Sabine Christiansen 30 000 Euro für eine Stunde Politikergeschwätz, das sind 500 Euro pro Minute und bei mindestens 35 Sendungen im Jahr die stolze Summe von 1 Million und 50 000 Euro. Die gleiche Summe, wenn nicht gar mehr, ist bei Anne Will und Maybritt Illner anzusetzen und ebenso bei den Vielzweckmoderatoren von ARD und ZDF. Und nicht zu vergessen jenen Daueraktivisten des Quiz-Spektakels von SAT 1 Günter Jauch, der Millionen scheffelt und vermutlich Spitzenverdiener unter den genannten ist, wie auch die Show-Größe Thomas Gottschalk, der mit seinen Bezügen ganz oben rangiert. Zwischen 1 und 4 Millionen Jahresgehalt kassieren Fußballer der Bundesliga plus Prämien und sonstigen Vergütungen. Überhaupt jongliert die Bundesliga mit Millionen, wenn wir an Ablösesummen, Neueinkäufe von Spielern, Trainergehälter und Managerbezüge denken. Und mit welchen finanziellen Mitteln der Deutsche Fußballbund ausgestattet ist, bewies er erst kürzlich bei der Europameisterschaft, als er die deutschen Kicker in einer Luxus- und Nobelherberge am Comer See einquartierte.

Die Klasse der Habenden lebt in einer Parallelwelt zur Masse der Lohnabhängigen, in einem komfortablen Ambiente, dessen Horizont nur bis an die Grenze dessen reicht, wo die Überschaubarkeit des eigenen Wohlstands in Sichtweite bleibt. Der Blick darüber hinaus scheint freilich getrübt und verschwommen zu sein. Gestörte Wahrnehmung und nicht wahrnehmen wollen was außerhalb ihres Dunstkreises geschieht, weist signifikant auf das Desinteresse der Nobel-Klasse hin, sich auf gesellschaftspolitische Schieflagen und soziale Verwerfungen in dieser Republik einzulassen. Solange ihre Luxusexistenz gesichert, und ihre Wohlfahrt garantiert ist, kann es den Kapitalhabern völlig gleichgültig sein, was in dem verrotteten System Demokratie geschieht. Ihnen als Nutznießer des neoliberalen Mainstream, ist einzig daran gelegen, dass es so bleibt wie es ist und wann und wenn immer es möglich ist, zu ihren Gunsten noch besser wird.

Der Merkel–Bonus, oder:
Die Schizophrenie des Deutschen Michel

Das gespaltene Bewusstsein der Deutschen trennt in kaum nachvollziehbare Weise die Person Angela Merkel von der politischen Akteurin, von einer Kanzlerin und Obristin der schwarzen Zunft, die innenpolitisch kaum Akzente setzt, dafür jedoch auf internationalem Parkett Lorbeeren einheimst und den Fokus der Öffentlichkeit dazu nutzt, sich selbstgefällig in den Mittelpunkt zu rücken. Während die Schieflage der Republik nach aktivem Handeln ruft, ist die schwarze Lady in Sachen Aktivismus permanent unterwegs und sucht nach jeder sich bietenden und passenden Gelegenheit, im Rampenlicht der internationalen Bühne zu glänzen. Was den Deutschen Michel sehr zu beeindrucken scheint und dies mit einer Wirkung, welche sie in der Beliebtheitsskala ganz oben platziert. Merkel weiß sich in Szene zu setzen, Volksnähe zu heucheln, volkstümlich aufzutreten und mit der Absicht Eindruck zu schinden, wie z.B. mit ihrer Gegenwart bei der Fußballeuropameisterschaft, Massenwirkung zu erzielen. Wie aus einem Stern-Interview vom Mai 2004 zu erfahren ist, wollte Merkel eigentlich immer etwas tun, was ihr nicht lag, wie z.B. Eiskunstläuferin werden. Thomas Wieczorek schreibt in seinem Buch „Über die Unfähigkeit unserer Politiker“: „Merkels Traum oder Zwangsvorstellung war: Mit irgendetwas auf der Bühne stehen, im Mittelpunkt, und von aller Welt bewundert und umjubelt werden. Zur Eisprinzessin reichte es nicht? Kein Problem, dann werden wir eben Kanzlerin.“ Die Grande - Dame der Nation mit internationalem Flair im Rampenlicht der Öffentlichkeit, das ist es, was der schwarzen Zunftschwester schmeckt und mit größtem Genuss wiederkäuend den Geschmack an ihrem Amt versüßt. Wie eben auch, wenn sie im Konzert der europäischen und internationalen Politik in vorderster Reihe ihren Part spielen darf.

Indessen scheint der Deutsche Michel vergessen zu haben oder aber auch ignorant darüber hinwegzusehen, dass der in Sachen Irak-Krieg von einer breiten Öffentlichkeit an den Pranger gestellte George Bush zum transatlantischen Freund der Kanzlerin wurde. Mit ihm auf Augenhöhe, da verliert man schnell den Blick für das richtige Augenmaß im Umgang mit Politikern wie die eines George Bush. Allein diese Beziehung macht deutlich, welchen Geistes die konservative Zunft-Schwester ist und welchen Charakter sie damit offenbart. Wer diesem Menschen freundschaftlich die Hand reicht, um seine Gunst buhlt und im Schulterschluss Gemeinsamkeit demonstriert, dem sollte man mit größtem Misstrauen begegnen. Denn hier offenbart sich das doppelte Gesicht der christlich Konservativen, die scheinheilig unter der Fahne des Christlichen operieren und im Gegenzug ihr Heil im Neoliberalismus suchen, dem Kapitalismus den roten Teppich ausrollen und mit den Mächten der Wirtschaft, wenn nicht gar mit dem Teufel kooperieren.

Merkel und die Bruderschaft der schwarzen Zunft sind Produkte einer politisch fatalen Entwicklung, die hin zum Neoliberalismus und weg von Demokratie und Sozialstaat eine im Selbstlauf beängstigende Zukunft ansteuert. Der richtungsgebende Geist der schwarzen Lady lässt vermuten, dass, sobald sie ihren politischen Wunschpartner, die FDP ins Boot geholt hat, volle Fahrt voraus ins Verderben angesagt ist. Was zurzeit noch auf kleiner Flamme hinsichtlich neoliberaler Politik köchelt, würde mit einer Koalition der Freien Demokraten nur zu schnell zum Turbokapitalismus hochkochen. Die Partei der Besserdienenden wartet in den Startlöchern geradezu darauf mit ihren neoliberalem Sprint auf die Strecke zu gehen und das Ziel einer Politik zu verwirklichen, die geradewegs in die Höhle des Raubtierkapitalismus führt. Wer auch immer seine Symphatie für Angela Merkel bekundet, der lässt sich nicht nur täuschen, sondern dem ist auch zu unterstellen, dass er weder weiß, noch sich dessen bewusst ist, an wen er sein Wohlwollen verschwendet.

Die System-Managerin und Vorstandsvorsitzende der Deutschland-AG Angela Merkel, die Kanzlerin und Obristin der christlichen Parteien, die neoliberal verseuchte Handlangerin der Wirtschaftsbosse sonnt sich in steigender Beliebtheit bei einem großen Teil der Bevölkerung, dies obgleich die Republik an allen Enden und Ecken aus den Fugen gerät. Die Bewunderer Merkels sehen hier aber keinen Zusammenhang und stellen sie in eine losgelöste Position von ihrer politischen Verantwortung über das Krisenszenario, welches die Republik zurzeit bietet. Wie dämlich, beschränkt, blind und taub muss man sein, um diese Blenderin auf ein Podest zu heben, das ihr weder zukommt, noch dass sie verdient hätte. Sie, die in Diensten neoliberaler Politik und als Hörige der Wirtschaftselite ihr Bestes gibt, meint es schlecht mit allen jenen, die durch ihrer Hände Arbeit den Konzernen das Geld in die Taschen schaufeln. Merkel und ihre Zunftbrüder stehen für eine Politik, deren neoliberale Prägung die Systemfunktion bedient und dabei mehr und mehr das Funktionieren der Demokratie aus den Augen verliert. Mit Blick auf das obere Segment der Gesellschaft und fixiert auf die Bedürfnisse des Geldadels, der Plutokraten und Timokraten, ist Merkel & Co die Sicht auf die Bedürfnisse der breiten Masse des Volkes verstellt. Die beamtete Regentin Angela Merkel samt ihrem Tross gleichgeschalteter Schwarzzünftler und pseudochristlicher Politiker, haben sich dermaßen im Dschungel des neoliberalen Mainstream verirrt, dass ein Weg aus dieser Verbiesterung wohl kaum mehr möglich ist. Demokratie auf Talfahrt und Plutokratie im ungebremsten Aufstieg ist das, was uns in Zukunft erwartet und hier ist Merkel & Co ein Teil der Schubkraft, die diesen Trend nach Kräften fördert und in Bewegung hält. Die demokratische Fahne auf halbmast und die neoliberale auf höchststand kennzeichnet eine Demokratie, deren Verfalldatum längst überschritten ist.

   

Netzbrücke:

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