Das Blätterwerk der bunten Beiträge, »Forum für
antirassistische Politik und Kultur«, DIE BRÜCKE steckt
seit einiger Zeit in ernsthafter finanzieller Krise, obwohl das
Interesse der autonom aktiven Autoren und kritischen Kosmopolitanen
spürbar wächst.
Mit diesen Worten begann ein Rundschreiben der Redaktion
von Anfang Juni 2008. Ein Appell, der sich an die Adressaten richtete,
dem fortdauernden Erscheinen des morgenbunten Forums einen beifälligen
Beistand zu leisten – u.a. etwa in folgender Form:
• Durch Beitritt oder Wechsel vom Abo zur Mitgliedschaft
im herausgebenden Trägerverein Die Brücke e.V. mit einem
Mindestjahresbeitrag von 65 Euro sowie durch Geschenkabos für
Interessierte im Bekannten- und Freundeskreis
• Durch regelmäßigen Bezug mehrerer
Hefte zum Weitergeben und durch Schalten von Anzeigen sowie Spenden.
Auf dieses Rundschreiben per Post und per Mail haben
ca. dreißig Angeschriebene reagiert, weit unter dem erhofften
Hundert, wie es am Ende des Appells hieß: Wenn nur hundert
Angeschriebene auf diesen Rundbrief positiv reagieren, ist die Herausgabe
auf lange Zeit gesichert.
Eingetroffen sind ein paar neue Abonnenten, Mitglieder
im herausgebenden Verein, einige Spenden und eine Menge Glücksbotschaften.
Nun bleibt der Juni-Appell solange bestehen, bis die
Redaktion den nötigen Rückhalt aus dem Mitglieder-, Leser-
und Autorenkreis erhält.
Die Literatouren 2007-2008 Kosmopolitania SaarLorLux II
Sie trugen sich mit der Absicht, den Sturm auf die
Vasallen-Warte des Warenzeichens zu wagen und dem Wankelmut der
Privatier-Piraten erneut die Stirn zu bieten.
Es drehte sich bei diesen frohgemuten Literatouren
generell um ein gegenwärtiges Gegenüber des kommerziellen
Kannibalismus im Gefilde der literarischen Manufaktur. Mit dem wiederholten
Aufruf sollte das sozio-human Universale das Feld überragen
und die Utopie der Kosmopolitania artikuliert werden. Es lag an
der Erkenntnis: Die meisten der bourgeois assoziierten, von der
elitären Giftküche der Habgier assimilierten Gesellen
der Verse schmiedenden Gilde essen sich im autoritären Etablissement
der Etatautoren dick und rund.
Der Sinngehalt der ausgeschriebenen Literatouren 2007-2008
»Kosmopolitania SaarLorLux II« lag auf den Grundfesten
des Literatur-Wettbewerbs von 2005-2006, die nach wie vor ihre Aktualität
beibehalten:
Klein ist der Humanen-Planet Erde geworden, wenn nicht
innerlich verkümmert. Kontinente miteinander verbunden, Gipfel
überquert, Wüsten und Ozeane. Systeme überwunden,
systematisch glattgehobelt. Pyramiden aufgezogen, Apartheidsparagraphen
ins Soziale übertragen. Mit Bravour paradieren Börsen-Brigaden
vor Kameras und die völkischen Briganten...
Ende der Zivilisationsgeschichte?
Explosive Expansion der Krieg kreischenden Kulturalismen?
Ende der Utopien?
Das zähe Zähneklappern vor dem triumphalen
Trommelfeuer der Mäuse-Mönche?
Der Heidenlärm auf dem Dach des Besitzgötzen-Tempels,
dem Gipfel der Apartheidspyramide?
Ende der Wortkunst als Replik der Rebellion auf den
Raubbau des Erdenrundes und auf die Invasion der globalisierten
Reaktion?
Nein!
Und dieses Nein bekräftigte DIE BRÜCKE mit
einem prospektiven Ja zur Utopie.
Auch die LiteraTour »Kosmopolitania SaarLorLux
II« eignete sich einen ziemlich unkonventionellen Kurs an,
was das Verfahren anbetrifft, die eingetroffenen Arbeiten zu bewerten.
Nach der Vorauswahl erschienen Texte jedes Teilnehmers in DIE BRÜCKE.
Eingetroffen sind über 100 Beiträge von
22 Autoren. Davon wurden 85 Texte in DIE BRÜCKE in Heft 146
bis 148 abgedruckt. Die Beiträge üben überwiegend
Kritik an realen Verhältnissen. Auch dieses Mal wurde das Thema
»SaarLorLux« nicht direkt aufgegriffen. Das widerspricht
jedoch nicht der Absicht der Literatouren. Utopie heißt ja
auch irgendwo.
Die Redaktion dankt den Teilnehmern:
Gottfried Weger, Elisabeth Rosing, Ulrich Bergmann,
Margot Born, Angelika Pauly, Teja Bernardy, Mircea M. POP, Erich
Rückleben, Friederike Weichselbaumer, Michael Starcke, Werner
K. Bliß, Gerd Hergen Lübben, Horst Bingel, Johann Bettisch,
Birgit v. Criegern, Henner Reitmeier, Lazar Dasic, Norbert Büttner,
HEL/Herbert Laschet, Dirk Werner, Heinrich Beindorf, Horst-Stefan
Jochum.
Was nun die Frage angehet, welcher Autor den ersten,
zweiten oder dritten Platz besitzt – auf eine solche Rangfolge
verzichtet die Redaktion.
Jeder Text in diesem Literatur-Wettbewerb, ob Novelle,
Essay, Kritik, Porträt oder Poesie, hat seine eigene Qualität.
Weiterer Kommentar erübrigt sich, wenn man auf dem unkonventionellen
Kurs der eingeschlagenen Literatouren bleiben will. Jede einzelne
der veröffentlichten Arbeiten verdient einen eigenen Preis
und Respekt. Also alle sind Preisträger. Und die »Literatouren
Kosmopolitania« wird künftig eine feste Rubrik.
Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan...
Redefreiheit für Faruk Sen!
Prof. Dr. Faruk Sen wurde vom Direktoren-Stuhl des
Zentrums für Türkeistudien ins Freie befördert, weil
er einen Vergleich zwischen Juden von gestern und Türken von
heute wagte. Der Schwarzen-Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen
Armin Laschet bezeichnete diese Metapher als »in besonderer
Weise inakzeptabel«.
Die Ressentiments gegen Juden einst und Türken
heute lassen sich durchaus vergleichen. Schon in den 1980ern trompeteten
die Neonazis den Slogan aus: »Was die Juden hinter sich haben,
steht den Türken bevor«.
In seinem Essay »Antisemitismus, Philosemitismus
und Islamfeindlichkeit: ein Vergleich ethnisch-religiöser Medienbilder«
schlußfolgert Prof. Kai Hafez: »Das Bild der Muslime
heute ähnelt in erstaunlichem Maße dem der Juden im 19.
Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Wie Juden früher sind Muslime gegenwärtig dem Verdacht
ausgesetzt, über eine Ideologie – den Islam, insbesondere
den politischen Islam – zu verfügen, die sie zur Vernichtung
der westlichen Kultur oder zur Eroberung des christlichen Abendlandes
einsetzen.«
In seinem Beitrag »Tabubruch: Redefreiheit für
Faruk Sen« in »www.ef. magazin« artikuliert Arne
Hofmann: »Auch über 'Die Türken sind die neuen Juden'
muss man diskutieren dürfen«. Ihm falle, so sehr er sich
auch den Kopf darüber zerbreche, »nur zwei Erklärungen
dazu ein, dass aus Faruk Sens Türken-Juden-Vergleich ein großer
Skandal gestrickt wird und aus den ähnlich lautenden Vergleichen
jüdischer Meinungsführer nicht. Die eine ist die bekannte
Maxime 'Quod licet Iovi non licet bovi'. Auf diesen Fall übertragen:
Was einem Juden erlaubt ist, ist einem Moslem noch lange nicht erlaubt.
Die andere, nicht weniger schmeichelhafte Erklärung wäre,
dass man die Meinungen jüdischer Prominenter einfach nicht
so ernst nimmt, etwa nach dem herablassenden Motto 'Naja, ihr seid
nach dem Holocaust verständlicherweise alle ein bisschen übersensibilisiert.'«
Der eigentliche Grund der Attacke auf Faruk Sen ruft
die Redensart ins Gedächtnis: Der Mohr hat seine Schuldigkeit
getan, der Mohr kann gehen.
Die pangermanische Bastion stützt sich in ihrer
modernen Drang-Nach-Osten-Position auf den »moderaten Islam«.
Jegliche Parteinahme für eine kemalistische Linie kommt hingegen
als ungeeignet zum Vorschein. Die Gewalt am Bosporus befindet sich
– vermutlich langjährig – in der Hand der nun als
geläutert geltenden, markt- und profitgläubigen Islamisten,
die hierzulande als Superreformer gefeiert werden.
Welches Gewicht hat außerdem ein »Zentrum
für Türkeistudien« noch, wenn die vom Auswärtigen
Amt ausgiebig gepäppelten patriotischen Partei-Stiftungen im
Vorderen Orient eifrig engagiert sind? Wenn der Bundesinnenminister
eine »Islamkonferenz« dirigiert und die Kanzlerin eine
»Integrationskommission«?
Lautstarkes Labern, den eingewanderten Einwohner türkischen
bzw. muslimischen Ursprungs durch die Integration zur Chancengleichheit
den Weg zu ebnen, avanciert ausgeprägt zur Kontrastfolie für
das Selbstbild der teuto-manischen Majorität.
Necati Mert
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