XXVII. Jahrgang, Heft 149
Sep - Dez 2008/3
 
  Inhalt  
  Editorial  
  Meinungen - Karawanserei  
  In den Kulissen der Teutozentrale  
  Gegenwart der Geschichte  
  Kultur-Atelier  
  Die Brücke an der Spree  
  Medien-Kultur-Schau  
  Lyrik  
     
  Wir über uns  
  Der Verein  
  Archiv  
  Impressum  
     
 

Letzte Änderung:
10.10.2008

 
 

 

 
 

 

 

EDITORIAL

Stützt DIE BRÜCKE vor dem Sturz!


   
 
 


Das Blätterwerk der bunten Beiträge, »Forum für antirassistische Politik und Kultur«, DIE BRÜCKE steckt seit einiger Zeit in ernsthafter finanzieller Krise, obwohl das Interesse der autonom aktiven Autoren und kritischen Kosmopolitanen spürbar wächst.

Mit diesen Worten begann ein Rundschreiben der Redaktion von Anfang Juni 2008. Ein Appell, der sich an die Adressaten richtete, dem fortdauernden Erscheinen des morgenbunten Forums einen beifälligen Beistand zu leisten – u.a. etwa in folgender Form:

• Durch Beitritt oder Wechsel vom Abo zur Mitgliedschaft im herausgebenden Trägerverein Die Brücke e.V. mit einem Mindestjahresbeitrag von 65 Euro sowie durch Geschenkabos für Interessierte im Bekannten- und Freundeskreis

• Durch regelmäßigen Bezug mehrerer Hefte zum Weitergeben und durch Schalten von Anzeigen sowie Spenden.

Auf dieses Rundschreiben per Post und per Mail haben ca. dreißig Angeschriebene reagiert, weit unter dem erhofften Hundert, wie es am Ende des Appells hieß: Wenn nur hundert Angeschriebene auf diesen Rundbrief positiv reagieren, ist die Herausgabe auf lange Zeit gesichert.

Eingetroffen sind ein paar neue Abonnenten, Mitglieder im herausgebenden Verein, einige Spenden und eine Menge Glücksbotschaften.

Nun bleibt der Juni-Appell solange bestehen, bis die Redaktion den nötigen Rückhalt aus dem Mitglieder-, Leser- und Autorenkreis erhält.


Die Literatouren 2007-2008 Kosmopolitania SaarLorLux II

Sie trugen sich mit der Absicht, den Sturm auf die Vasallen-Warte des Warenzeichens zu wagen und dem Wankelmut der Privatier-Piraten erneut die Stirn zu bieten.

Es drehte sich bei diesen frohgemuten Literatouren generell um ein gegenwärtiges Gegenüber des kommerziellen Kannibalismus im Gefilde der literarischen Manufaktur. Mit dem wiederholten Aufruf sollte das sozio-human Universale das Feld überragen und die Utopie der Kosmopolitania artikuliert werden. Es lag an der Erkenntnis: Die meisten der bourgeois assoziierten, von der elitären Giftküche der Habgier assimilierten Gesellen der Verse schmiedenden Gilde essen sich im autoritären Etablissement der Etatautoren dick und rund.

Der Sinngehalt der ausgeschriebenen Literatouren 2007-2008 »Kosmopolitania SaarLorLux II« lag auf den Grundfesten des Literatur-Wettbewerbs von 2005-2006, die nach wie vor ihre Aktualität beibehalten:

Klein ist der Humanen-Planet Erde geworden, wenn nicht innerlich verkümmert. Kontinente miteinander verbunden, Gipfel überquert, Wüsten und Ozeane. Systeme überwunden, systematisch glattgehobelt. Pyramiden aufgezogen, Apartheidsparagraphen ins Soziale übertragen. Mit Bravour paradieren Börsen-Brigaden vor Kameras und die völkischen Briganten...

Ende der Zivilisationsgeschichte?

Explosive Expansion der Krieg kreischenden Kulturalismen?

Ende der Utopien?

Das zähe Zähneklappern vor dem triumphalen Trommelfeuer der Mäuse-Mönche?

Der Heidenlärm auf dem Dach des Besitzgötzen-Tempels, dem Gipfel der Apartheidspyramide?

Ende der Wortkunst als Replik der Rebellion auf den Raubbau des Erdenrundes und auf die Invasion der globalisierten Reaktion?

Nein!

Und dieses Nein bekräftigte DIE BRÜCKE mit einem prospektiven Ja zur Utopie.

Auch die LiteraTour »Kosmopolitania SaarLorLux II« eignete sich einen ziemlich unkonventionellen Kurs an, was das Verfahren anbetrifft, die eingetroffenen Arbeiten zu bewerten. Nach der Vorauswahl erschienen Texte jedes Teilnehmers in DIE BRÜCKE.

Eingetroffen sind über 100 Beiträge von 22 Autoren. Davon wurden 85 Texte in DIE BRÜCKE in Heft 146 bis 148 abgedruckt. Die Beiträge üben überwiegend Kritik an realen Verhältnissen. Auch dieses Mal wurde das Thema »SaarLorLux« nicht direkt aufgegriffen. Das widerspricht jedoch nicht der Absicht der Literatouren. Utopie heißt ja auch irgendwo.

Die Redaktion dankt den Teilnehmern:

Gottfried Weger, Elisabeth Rosing, Ulrich Bergmann, Margot Born, Angelika Pauly, Teja Bernardy, Mircea M. POP, Erich Rückleben, Friederike Weichselbaumer, Michael Starcke, Werner K. Bliß, Gerd Hergen Lübben, Horst Bingel, Johann Bettisch, Birgit v. Criegern, Henner Reitmeier, Lazar Dasic, Norbert Büttner, HEL/Herbert Laschet, Dirk Werner, Heinrich Beindorf, Horst-Stefan Jochum.

Was nun die Frage angehet, welcher Autor den ersten, zweiten oder dritten Platz besitzt – auf eine solche Rangfolge verzichtet die Redaktion.

Jeder Text in diesem Literatur-Wettbewerb, ob Novelle, Essay, Kritik, Porträt oder Poesie, hat seine eigene Qualität. Weiterer Kommentar erübrigt sich, wenn man auf dem unkonventionellen Kurs der eingeschlagenen Literatouren bleiben will. Jede einzelne der veröffentlichten Arbeiten verdient einen eigenen Preis und Respekt. Also alle sind Preisträger. Und die »Literatouren Kosmopolitania« wird künftig eine feste Rubrik.


Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan...

Redefreiheit für Faruk Sen!

Prof. Dr. Faruk Sen wurde vom Direktoren-Stuhl des Zentrums für Türkeistudien ins Freie befördert, weil er einen Vergleich zwischen Juden von gestern und Türken von heute wagte. Der Schwarzen-Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen Armin Laschet bezeichnete diese Metapher als »in besonderer Weise inakzeptabel«.

Die Ressentiments gegen Juden einst und Türken heute lassen sich durchaus vergleichen. Schon in den 1980ern trompeteten die Neonazis den Slogan aus: »Was die Juden hinter sich haben, steht den Türken bevor«.

In seinem Essay »Antisemitismus, Philosemitismus und Islamfeindlichkeit: ein Vergleich ethnisch-religiöser Medienbilder« schlußfolgert Prof. Kai Hafez: »Das Bild der Muslime heute ähnelt in erstaunlichem Maße dem der Juden im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Wie Juden früher sind Muslime gegenwärtig dem Verdacht ausgesetzt, über eine Ideologie – den Islam, insbesondere den politischen Islam – zu verfügen, die sie zur Vernichtung der westlichen Kultur oder zur Eroberung des christlichen Abendlandes einsetzen.«

In seinem Beitrag »Tabubruch: Redefreiheit für Faruk Sen« in »www.ef. magazin« artikuliert Arne Hofmann: »Auch über 'Die Türken sind die neuen Juden' muss man diskutieren dürfen«. Ihm falle, so sehr er sich auch den Kopf darüber zerbreche, »nur zwei Erklärungen dazu ein, dass aus Faruk Sens Türken-Juden-Vergleich ein großer Skandal gestrickt wird und aus den ähnlich lautenden Vergleichen jüdischer Meinungsführer nicht. Die eine ist die bekannte Maxime 'Quod licet Iovi non licet bovi'. Auf diesen Fall übertragen: Was einem Juden erlaubt ist, ist einem Moslem noch lange nicht erlaubt. Die andere, nicht weniger schmeichelhafte Erklärung wäre, dass man die Meinungen jüdischer Prominenter einfach nicht so ernst nimmt, etwa nach dem herablassenden Motto 'Naja, ihr seid nach dem Holocaust verständlicherweise alle ein bisschen übersensibilisiert.'«

Der eigentliche Grund der Attacke auf Faruk Sen ruft die Redensart ins Gedächtnis: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.

Die pangermanische Bastion stützt sich in ihrer modernen Drang-Nach-Osten-Position auf den »moderaten Islam«. Jegliche Parteinahme für eine kemalistische Linie kommt hingegen als ungeeignet zum Vorschein. Die Gewalt am Bosporus befindet sich – vermutlich langjährig – in der Hand der nun als geläutert geltenden, markt- und profitgläubigen Islamisten, die hierzulande als Superreformer gefeiert werden.

Welches Gewicht hat außerdem ein »Zentrum für Türkeistudien« noch, wenn die vom Auswärtigen Amt ausgiebig gepäppelten patriotischen Partei-Stiftungen im Vorderen Orient eifrig engagiert sind? Wenn der Bundesinnenminister eine »Islamkonferenz« dirigiert und die Kanzlerin eine »Integrationskommission«?

Lautstarkes Labern, den eingewanderten Einwohner türkischen bzw. muslimischen Ursprungs durch die Integration zur Chancengleichheit den Weg zu ebnen, avanciert ausgeprägt zur Kontrastfolie für das Selbstbild der teuto-manischen Majorität.

Necati Mert

   

Netzbrücke:

• Necati Merts Kolumne

• Mehr lesenswertes   Textmaterial

• Wider den Schwarzen   Winter

• Porträt des   Periodikums