Die silberhelle Heiterkeit von Helsinki: Der
Rand bietet dem Zentrum die Stirn
Aus dem Event des European Song Contest 2007 ging
die Serbin Marija Serifovic als Primas hervor. Während unter
den ersten Sechszehn mit Ausnahme der Türkei und Griechenland
nur noch ehemalige staatssozialistische Länder zu finden waren,
fanden sich alle alten Weststaaten ab Platz Siebzehn. Die meisten
dieser Nationen, in erster Linie die drei Großen des altkontinentalen
Imperium Romanum wie D-Land, F-Reich und G-Britannien, sind nächstes
Jahr wieder dabei - natürlich ohne einen Qualifikationszwang.
Im Sponsoring-Ring des schlangenhaften Spektakels. In Belgrad! Lichterloh!
Von Bravour-"Balkanisierung des Song Contest"
war in dem von der Monekratie durchwalteten Kosmos der Kommentatoren
die Rede. Die Moderatoren der Mainstream-Media stellten die Ohren
nachträglich auf Empfang und beklagten sich über eine
gezielte Manipulation der Punktvergabe, wenn nicht über die
arrangierte Arglist, suchen darin eine Ost-West-Konfrontation.
Überall gleiches Ärgernis. Wie undankbar
diese Ostler sind. Wie schnell haben sie vergessen, daß sie
von häuslichen Diktaturen befreit wurden dank den West-Kameras,
dem propagandistischen und geldgelenkten Beistand, sogar mit militärisch
"humanitärem Interventionismus" und dem ethnisch
parzellierten Erledigen Jugoslawiens sowie merkantil demokratischen
Befrieden Balkaniens.
Gleich nach dem Debakel für die Westler im Halbfinale
formierte sich der Chor der Verschwörungstheoretiker.
Kein einziges westeuropäisches Land hatte zuvor
beim ESC-Halbfinale am 10. Mai den Sprung ins Finale geschafft.
"Ist zwischen West- und Osteuropa tatsächlich ein 'Kampf
der Kulturen' entbrannt?" fragt das Internet-Portal "eurovision.de"
den Kulturwissenschaftler und Grand-Prix-Experten Dr. Irving Wolther.
Er antwortet: "Für viele östliche Länder ist
die Teilnahme am Eurovison Song Contest von sehr großer Wichtigkeit
für die nationale und kulturelle Selbstdarstellung, denn sie
sehen in ihrer Kultur die Quelle ihrers künftigen Aufstiegs.
Im Gegenzug begegnen sie Ländern, die ihre Kultur verleugnen
und sich in ihren Augen mehr oder weniger ‚dekadent’
präsentieren mit einer gewissen Verachtung."
Recht haben die empörten Kritiker damit, daß
die Punktvergabe nicht buchstäblich der musikalischen Ästhetik
folgte, sondern der ethnizistischen Sympathie. Also entschied die
vom Westen zum erstklassigen Menschenrecht erhobene Zugehörigkeit
zu einem ethno-kulturell kompletierten Demokreaturen-Kreis.
Dieses epochale Hirngespinst der Ethnizitäts-
und Kulturkreis-Theorien arrondieren und arrivieren real auch inmitten
der superimperialen Metropolen.
Während die enttäuschten Kritiker der aktuellen
ESC-Ergebnisse die Ambitionen nach vergangenen Hoch-Zeiten ohne
den Osten ins Gedächtnis riefen, zeigten die vernunftbegabten
Beobachter des Szenariums Verständnis dafür, daß
die Nähe zum Kulturkreis bei der Punktvergabe nicht unbedingt
aus der Rolle fällt.
Verlieblichen wollen die Urheber der Hegemonial-Allüren
keineswegs, daß der Rand dem Zentrum seinen Trotzkopf auf
setzt. Die Truppen der Troubleshooter begegnen ihm letztendlich
mit "Kampf der Kulturen".
In der Tat läßt sich darin eine Art abfällige
Artikulation, eine rege reklamehafte Reaktion der Peripherie auf
den arroganten Archetyp der eurozentrischen Aristokratie beobachten,
also des Zentrums als neokolonialistisches Kollektiv des globalen
Weltalters. Die These mag voreilig aufgestellt werden. Aber anders
läßt sich nicht erklären und arrondieren, wie die
mit etwas orientalem Bauchtanz und okzidentaler Kopie-Substanz subsumierte
banale türkische Band den vierten Platz erringen konnte.
Die Türkei erhielt neben achtzehn 0 die meisten
Punkte (fünf Mal 12 aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien
und Niederlande sowie zwei Mal 10 von Österreich und der Schweiz)
aus Ländern mit Migrantencommunities islamischer bzw. türkischer
Herkunft. Dabei ging es nicht um die musikalisch ästhetische
Qualität, sondern um die ethnische Zugehörigkeit der Künstler.
Und das bedeutet die spontane Rebellion des Randes gegen das Zentrum.
Auch direkt im Zentrum selbst. Ein Nein zum Integrationsdruck bzw.
zur selektiven Assimilation? In "junge Welt" vom 19. Mai
2007 schreibt Werner Pirker:
Der Sieg der Serbin Marija Serifovic beim diesjährigen
Eurovision Song Contest kommt einem politischen Erdrutsch gleich.
Nichts ist mehr wie es war vor dem 12. Mai 2007. Die westliche Musikproduktion,
die die Regime im Osten zu Fall brachte und deren Vormarsch unaufhaltsam
schien, ist in Helsinki von östlichen Horden jäh gestoppt
worden. Die Osteuropäer würden sich nun als die "Sieger
der Geschichte" fühlen, kommentierte die spanische Zeitung
El Mondo den Abgesang des abendländischen Teil des Abendlandes
in Helsinki. Denn die freche Serbin führte gleich auch noch
ein komplett osteuropäisches Spitzenfeld an. Die Wertegemeinschaft
fühlt sich zutiefst erniedrigt. Am schlimmsten aber wiegt,
daß der Aufstand der Kolonien am Rande des Kontinents unter
serbischer Führung stattfand. (...)
Die Seher haben sich diese Wettbewerbsbedingungen nicht zu eigen
gemacht: "Osteuropa schlug den Westen vernichtend", meldete
Spiegel Online. Was bisher unter kultureller Wettstreit lief, ist
zum vernichtenden Kulturkampf geworden. Womit sich gleich auch noch
die Frage nach der Zweckmäßigkeit der Demokratie stellt.
Sind Osteuropäer mit ihrem antiwestlichen Ressentiment zu demokratischen
Prozeduren überhaupt befähigt? Die stärkste Irritation
aber löste das Votum der Balkan-Nationen für die Sängerin
aus Serbien aus. Als hätte der "serbische Expansionismus"
doch noch einen späten Sieg erzielt. Würden die Balkan-Gestalter
ihr Gerede über die Herstellung eines multiethnischen Bosnien,
in der Muslime, Serben und Kroaten zu einer neuen Einheit fänden,
ernst nehmen, müßten sie die in Helsinki geäußerte
Balkan-Solidarität als Erfolg ihres Projekts feiern. Doch was
sie aus den Liebesklängen der serbischen Interpretin heraushörten,
war das "wilde Lied des Balkan", das dem Westen nichts
Gutes verheißt.
Da liegt auch des Pudels Kern. Höchste Zeit also,
auf den Puddig zu hauen: Die fünf größten Geldgeber
der EU sind Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien
und Spanien, die vier größten des ESC nur Deutschland,
Frankreich, Großbritannien und Spanien, weil Italien längst
nicht mehr daran teilnimmt und sich ausstechen läßt.
Seit 1996 sind diese Länder in der Endrunde gesetzt, um die
Repetition eines ehrenrührigen Debakels - damals schaffte es
der deutsche Beitrag nicht einmal durch die Vorauswahl - in Zukunft
zu verhindern. Noch mehr Vorteile kann man niemandem einräumen.
Im vollen Ruß verdichtet sich der Demokratieverdruss als Fata
Morgana
Immer mehr Anwärter eines parlamentarischen Postens
gehen an den Start im Jagdrennen um Stimmen, oft wie ambulante Händler,
respektive humorige Hausierer oder am Hungertuch nagende Husaren.
Immer prekärer wird die Spielwiese der wahl-wandernden Spezies
mit ihrem hundeelenden Handwerk.
Noch haben die Hochverräter des Stimmviehseins
ein Gemüt wie ein Schaukelpferd, bleiben wohlig am Tag der
Urnengangs-Gaukelei zu Hause, lassen ihren Stolz nicht mehr so leicht
brechen. Lange genug wendeten sie sich mit Fragen an Parteien-Patrone,
mußten auf Granit beißen.
Zum Beispiel beteiligten sich in Wiesbaden im März
2007 33,7% der Stimmberechtigten am Wahlakt, und aus der Urne stieg
gefühlig ein Oberbürgermeister heraus.
Den Rächer der Entrechteten, den Spartakus, gibt
es im Demokratismus nicht mehr, und die Gerechtigkeit ist längst
zur Farce verkommen - als Sarkasmus der sakrosankten Phantasten.
Bürger tauchen im endlosen Gesabbel der Mandatsträger
als komplexe Kostenfaktor auf, als ohnmächtige Objekte der
Ökonomie. Der Abklatsch des Sozialen ist das humanitäre
Restgewissen des Imperium Okzidentale hinter der Hymne des Homo
oeconomicus.
Die Journaillen-Junta leidet temporär unter dem
Verlust ihrer Einflußnahme. Stattdessen etabliert sich ein
Medium, das sich von marktfrommen Medien situativ unterscheidet,
das heißt, darauf keinen Wert legt, vom Mainstreaming akklimatisiert
oder akklamiert zu werden. Seine Handwerker entwickeln per Internetportale
einen eigenen Informations- und Kommunikationsstil, der vom konformistischen
Kosmos der Mäuse-miauenden Mediakratie völlig abweicht
und sich darum bemüht, die einförmigen Mauern der fromm
frisierten Informationsfront zu sprengen.
Der Globus leidet unter einem aufklärerischen
Universalismus abendländisch diktierter Lesart. Während
das Elend über alle Erdstriche hinweg schrankenlos expandiert,
wird der christliche Klerus Bundesdeutschlands großmütig
gepäppelt. So gehen über 20 Milliarden Euro staatliche
Subventionen an die beiden Kirchen. Wie läßt sich das
Postament einer solchen Republik dann nennen, wenn ihre muslimischen
Einwohnerteile - drei bis vier Millionen vermutlich - von derlei
Deutelei als Dreckfleck an die Wand gedrängt wird. Sekurität?
Sekularismus? Gar Laizismus? Grob grotesk Halbvolks-, Halbgottesstaat?
Frühlicht der emanzipatorischen Utopien erreicht
die Metropolitan-Meteorologie nicht. Die im Sold stehenden Demagogen
der Demokratur, die Fraktions-Freier von Rang und Namen, nehmen
vor jedem Kleinkrach die Beine in die Hand und lassen alle Rufe
in der Wüste verhallen.
Zugleich wird an den zähen Stammtischrunden in
Altherrenhinterzimmern gerätselt und gewettet. Die Nestoren
machen geröstet miesepetrige Gesichter, werden getröstet
von belanglosen Rambo-Geschichten im Glotzophon - oder von offiziös
oder offiziellen Honoratioren in Rhetorik-Runden.
Die Zivilisation abendländischer Art hat längst
den Gipfelpunkt erreicht und verwandelt sich in die Gestalt von
Vorposten der Apokalypse.
Ein neu erfundener Wettergott dirigiert den Klimawandel-Chor
aus Scharlatanen und Schaitanen. Seine sondergleichen besoldeten
Weichlinge tragen Zornesröte im Gesicht - innerlich kastriert
aus Angst vor der Kassation der Impressionen von einem heiteren
Sonnenmorgen.
Die Spatzen pfeifen es von allen Dächern: Auf
dem Globus verhungern täglich 24.000 Menschen und seit dem
11. September 2001 fielen 12.000 mal so viele Erdenbürger dem
Hunger zum Opfer wie alle, die an jenem Tag umkamen.
In den Zwergzimmerforen der Bravour-Barden überwiegt
schwer die Atmosphäre des Handels, Zinsgewinne zu erraffen
statt Händel anzufangen. Die Ökonomie als einzig ewiger
Weg zum Glück wurde von der Ideologie der Demagogie soweit
pervertiert, daß niemand mehr unbeirrt nach einem Freudenbecher
zu greifen fähig ist.
Über den Terminus Demokratie werden stets spekulative
Sympathien zur Sprache gebracht. Deren Funktionalität liegt
die Philosophie zugrunde, die Gedanken, über die Konsens erreicht
wurde, stets von Neuem zu überdenken.
Die moderne Demokratie ist ein modriges Modell, durch
das das Übereinstimmen des neoliberalen Globalismus mit der
moderaten Moralpredigt gesucht wird. Die demokreativen Kommandos
verbreiten dies mit ständig steigender Brachialgewalt - im
Geleit der zivilgesellschaftlichen Zunftgesellen.
Diese doktrinäre Demokratie ist eine Spielwiese
der arithmetisch gekünstelten Mehrheiten, die mehr oder weniger
einer Theatralik der Pressure Groups in dunkeln Hinterzimmern ähnelt
und realiter eine trügerische, tragisch herrische Tragweite
trübseligen Trubels innehat. Sie garantiert, daß die
komprimiert vermehrten Besitztümer als von dem Herren der himmlischen
Heerscharen angebracht Rechte allgegenwärtig und ewig anerkannt
werden.
MORGENRÖTE IN KLEINASIEN –
Die Rebellion der Laizisten gegen die liebedienerischen Laien und
Lakaien der globalen Hyänen-Horde und expansionshungrigen »Hunnen«
Von Mitte April bis Anfang Mai verweilte ich am Bosporus,
an der Ägäis und in Ankara - war Zeuge einer Rebellion
gegen den Ethnizismus und neoliberal globalen Kapitalismus. Verkündet
wurde das Ende der eurozentrisch in Szene gesetzten "orangenen
Revolutionen" in der Anrainer-Peripherie und zugleich der Start
der "roten Rebellion".
Am 14. April 2007 demonstrierten in Ankara über
eine Million Menschen für die Unanfechtbarkeit der republikanischen
Lebensregel. Es folgten in anderen Orten Massenaufmärsche.
Und am Sonntag, dem 29. April versammelte sich dieses Mal in Istanbul
eine Riesenmenge, die weite Stadtviertel in einen Ozean der rot-weißen
Fahnen verwandelte. Waren es eine Million, zwei oder sogar drei
Millionen? Sie nannten sich Wächter der Republik, des Laizismus
und der nationalstaatlichen Souveränität. Die Zufahrtsstraßen
waren überfüllt - mehrere Kilometer. Auch hier waren die
Frauen in der Mehrheit, die meisten mit rot-weißen Stirnbändern
und manch andere mit bunten Kopftüchern, dann Jünglinge,
Erwachsene, Kinder, Greise...
Der Platz des Meetings und alle Alleen und Straßen,
die zu ihm führten, verwandelten sich in einen Ozean der roten
Flagge mit Sichel und Stern. Keine Spur von gewaltbereiten bzw.
haßerfüllten Ambitionen. Festlich und fröhlich.
Konkreter Anlaß war die Wahl des Staatspräsidenten.
Die regierende Glühbirnen-Partei, die mit 25% der wahlberechtigten
Stimmen im Parlament eine fast Zweidrittel-Mehrheit hatte, stellte
den Außenminister, den einst offenen, danach katzenfreundlichen
Islamisten, Abdullah Gül als Kandidaten auf - strebte nach
einer Triarchie mit dem Parlamentspräsidenten, Premier und
Staatsoberhaupt an.
Nach dem Parlamentspräsidenten und Premier-Posten
sah sich das Triumvirat Erdogan-Arinç-Gül der Ampullen-Partei
(Glühbirnen) ihres Triumphes sicher, auch das höchste
Amt, das des Staatsoberhaupts, zu erbeuten.
Am 27. April 2007 beobachtete ich dieses Spiel. Nach
dem Wahlrecht verfügte die Gerechtigkeits- und Aufschwungpartei
(AKP), deren Emblem eine Ampulle (Glühbirne) ist, mit 25% der
Stimmen der Wahlberechtigten fast über zwei Drittel der Mandatare.
Es ging um die Wahl des Staatspräsidenten. Wenn
der Kandidat in der ersten und zweiten Runde die Mehrheit von Zweidrittel
nicht erreicht, genügt in der dritten Runde die absolute Mehrheit,
damit die Wahl der AKP-Kandidaten als sicher erschien. Und die Partei
der einst begierigen Islamisten hätte die letzte Spitzenposition
im Staate erobert.
Nur ging die Konstellation nicht auf. Für einen
Wahlgang benötigten die Ultra-West und Markt orientierten Muselmanen
etwa zehn zusätzliche Parlamentarier im Planersaal. Also mußten
auch für den obligatorischen Wahlgang 367 Abgeordnete anwesend
sein. Es fehlten sieben Köpfe. Ohne auf diese vorgeschriebene
Formel Obacht geben zu wollen, eröffnete der Parlamentspräsident
das Plenum, begann gleichwohl mit dem Wahlakt. Die erste Runde lief,
der Kandidat erhielt fast alle Stimmen der im Plenarsaal präsenten
Parlamentarier, aber natürlich keine Zweidrittelmehrheit. Die
zweite Runde wurde angekündigt. Innerhalb von fünf Tagen.
Die oppositionelle Republikanische Volkspartei ging zum Verfassungsgericht
und beantragte, den unrechtmäßig inszenierten Wahlgang
für nichtig zu erklären.
Spätabends am gleichen Tag meldeten sich auf
ihrer Internet-Seite nun die Militärs zu Wort und verkündeten,
über die Grundprinzipien der Republik, vor allem über
den Laizismus die Hand zu halten.
Ein Ultimatum an die Adresse jener parlamentarisch
zusammengestückelten Majorität, die alle konkreten Kontexte
ausklammerte und damit experimentierte, die Bürger der Republik
zum Hahnrei zu Machen? Ein Hahnenschrei ging über Mitternacht
los. Es drehte sich dabei nicht um einen Gemeinplatz oder eine Räuberpistole
der kemalistischen Generäle, die den trübseligen Regenten
des Staatsapparats die Hammelbeine langziehen wollten. Die Ampullen-Apparatschiks
der Macht empfanden das Manifest des Epauletten-Stabs als eine Kugel
in das Herz der Demokratie. Manche linksläufigen Kollaborateure
des Globalismus-Trubel kommentierten es sogar als einen erneuten
Putsch.
Höchst inflationär in aller Munde war das
regulativ paraphrasische Wortkunstwerk Demokratie, mit dem die Regenten
der provinziell "anatolischen Tiger" und großstädtischen
Grosisten vor den Toren der Europiden-Bastei, der EU, eine hohle
Hand machen wollen. Munter wie immer nahmen sie kein Blatt vor dem
Mund, wenn es sich um das mutwillige Musentempel-Mysterium der repräsentativen
Demokratie drehte, wobei das gesamte Parlament in Ankara nur noch
vierzig Prozent der stimmberechtigten Bürger vertritt (Siehe
folgende Passagen im Kasten, entnommen aus "In den Kulissen
der Teutozentrale" in DIE BRÜCKE 127, Januar-Februar-März
2003/1).
Mit solcher Art arithmetischer Artikulation bezweckten
die Potentaten des "fashionablen Islamismus" eine parlamentarisch
postulierte potentiale Timokratie zu erreichten, auf jeden kollektiven
Reichtum die Hand zu legen und auf dem schnellsten Wege die grünen
Holdings in das urbane Umfeld des Christen-Clubs zu führen.
Das bedeutet sang- und klanglos eine Ära des ungehemmten Ausbeute-Trubels
und der sozialen Erosion für die werktätigen Schichten
in schwer kalkulierbarer Spannweite. Das bedeutet die explosive
Angst davor, in den Strudel des eisigen Elends zu stürzen.
Die recht fragliche Prosperität, die die gewalthabende
Kaste und ihre westlichen Kompagnons guten Mutes propagieren, stützt
sich auf keine realiter prospektive Faktura, sondern auf die faktische
Zirkulation des "heißen Geldes", nämlich auf
den episodischen Sockel der monetär momentanen Monumente der
globalen Hyänen.
Demokratie als Ellbogen-Modell für das Elendsmenschen-Management
Die Demokratie der kleinasiatischen Monekratie sollte
funktionieren - notfalls mit allen heiligen und allheilenden Mittel
der Demagogie. Denn das ist ein westliches Projekt, somit ein zivilisatorischer
Prozeß. Und nur eine dem Westen untertänige Gewalt bietet
die Sicherheit, seine kolonialistischen Ambitionen zu bewahrheiten.
Es sind vor allem die pangermanischen Patronagen,
die ihren Druck auf die islamische Masse im eigenen Lande verstärken,
den Islam öffentlich als gefährliche Gewalttour inmitten
der Zitadellen-Zivilisation präsentieren, zugleich aber den
islamisch konservativen bzw. kontrarevolutionären Gläubigern
in Province Anatolia alle Macht wünschen.
Daß dort Millionen in allerlei Orten en masse
auf die Straße gingen, um die gottgefälligen Attacken
auf den Laizismus abzuwehren, interessiert die Primadonna-Demokraten
des selbstgefälligen Zivilisierten-Zentren nicht im geringsten.
Diese Menschenrechts- und Weltersten sowie unverhohlene
Universalisten, Tüftlergenies und Tugendwächter des imperialen
Leuchtturms können nicht für wahr halten, daß die
Militärs mit ihrem "Putsch" tatsächlich einen
Kröten-konservativen und konterreaktionären Staatsstreich
der treuen Diener des neoliberalen Globalismus zu vereiteln geholfen
haben.
Sie können nicht auf den Trichter kommen, daß
die Zeit der orangenen Revolutionen endgültig zur Neige gegangen
ist. Ihre Protagonisten weilen bald nicht mehr unter Lebenden. Das
Demokraten-Dogma im Verbund mit der Krieg kreischenden Kamarilla
wackelt. Seine Gralshüter und Kapriolen-Korps spielen nur noch
das Spiel des Kamel-Vogels (zu Deutsch: Vogel-Strauß-Politik).
Die Regenten des "gemäßigten Islam"
setzten ihr Vertrauen auf das in aller Welt einmaliges Wahlverfahren.
Mit 25% der Wahlberechtigten hatten sie 2002 fast Zweidrittel der
Mehrheit im Parlament erreicht.
Selbst diesen Prozentsatz verdanken sie der Philanthropie,
die sie praktizieren mit Spenden jener grünen Holdings, die
allein in Deutschland über dreißig Milliarden Euro von
naiven Gläubigen mit dem Versprechen sammelten, ihnen in der
Türkei hohe Gewinn-Anteile zu beschaffen.
Den Beutel füllen die Unternehmen des grünen
Kapitals durch die Vergabe von öffentlichen Aufträgen.
Diese versprechen im Gegenzug den kommunalen Verbänden Geschenke,
Güter zum Verteilen in den Varoschs der Metropolen, in denen
die sozio-ökonomischen Gegensätze zwischen Zentrum und
Rand als Folge des Reformeifers enorm wachsen.
Menschenmengen werden im Geschäft zwischen religiösen
Anstalten und den staatlichen Substrukturen als obligate Objekte
der systemkonform originellen Manöver behandelt, die sich von
beiden Seiten über den Tisch ziehen lassen und den tiefen Stich
ins Herz erdulden müssen.
Rechts und links vereint traten die schriftstellernden
Gesellen der medialen Ideenmanufaktur gegen die Mega-Meetings in
der Türkei auf. Mit verschiedenen Beiträgen (die meisten
Autoren tragen türkische Namen) versuchte beispielsweise das
neolinke Wochenblatt "Jungle World", dem Massenaufmarsch
einen "pantürkischen und militaristischen" Charakter
anzuhängen und ließ ihre Sympathie für das Kopftuch
der Kandidaten-Gattin bekunden.
Die postmodern positionierte türkische Linke
im medialen Pompposten zeigte Verständnis für die Potentaten-Kaste
mit dem Ampullen-Emblem. Manche linslastigen Gazetten-Garden testeten
sogar, Türme zu erklimmern, um sich an die Großkopferten
des Neokolonialismus zu wenden, damit diese für die Tacherons
der Global Players am Bosporus etwas unüberhörbarer werden.
Ihnen gefror das Blut in den Adern, da die "Wächter der
Republik" sich nicht niederhauen ließen, auf die imperialen
Zentren nicht blind vertrauen wollten und am Ende ins kalte Wasser
springen mußten.
Der Schickeria gelang es nicht, das Millionen-Heer
in Zivil in den April zu schicken oder mit grob globalem Gockeltanz
über den Äther. Und in Rage ließ sie sich auch nicht
bringen.
Die Millionen gaben sich spontan ein Stelldichein
und versammelten sich allerorten unter der Maxime des Antiimperialismus
- gegen den billigen Verkauf der Republik an das internationale
Kapital. Ihre klaren Worte und sorgfältigen Slogans richten
sich auch künftig generell gegen die klerikale Scharia, aber
auch gegen die putschistischen Ambitionen der griesgrämigen
Generäle.
Der Militarismus ist der eigentliche Kanon des Westens
mit Kanonen oder Raketen, wenn es darum geht, das Flickwerk Demokratie
so teuer wie möglich zu exportieren.
Mit dem Hochhalten der kemalistischen Fahne riefen
die Millionen das Symbol der türkischen Revolution in den Zwanzigern
des vorigen Jahrhunderts ins Gedächtnis. Es ist die Formel
der "sechs Pfeile", die heißen: Republikanismus,
Nationalismus, Volksverbundenheit, Etatismus, Laizismus und Umbruch
(Revolution).
Das sechste Prinzip besagt, daß die davor gesetzten
Grundsätze permanent bewacht und erneuert werden müssen.
Die Grundcharakteristik dieser Revolution ist, daß keiner
der sechs Pfeile von den anderen getrennt gesehen werden kann. Jeder
ergänzt den anderen.
Der Nationalismus kemalistischer Eigenart, dem der
Laizismus als unabweisbares Fundament innewohnt, besagt, daß
unter dem einheitlich türkischen Symbol alle die gleichen Staatsbürgerrechte
haben.
Die »Tarnkappenfundamentalisten« im Parterre des pan-europäischen
Prunkpunkthaus und die Manufaktur der Pappenstiel-Demokratur
Die Mega-Meetings für die prowestliche Türkei
zu reklamieren, auf diese Idee kommen die Kemalismus-Kritiker erst
gar nicht. In Rage schreiben sich nicht nur die nationalistischen
turanistischen pantürkischen Fahnen-Schwenker, sondern auch
die antiautoritären Befürworter einer EU-Mitgliedschaft.
Wo die westlichen Medien mit einstimmen, sind die
Reklamefeldzüge der Scharlatane und Spekulanten oder Lobhudeleien
der Pressure Groupies.
Die Broterwerber der abendländischen Journaillen-Junta
stellten sich fast einheitsfrontmäßig auf die Seite der
Kopftuch-Demokratur und attackierten den Kemalismus als eine "irrationale
Staatsreligion" (Sabine Küper-Büsch in "Jungle
World" vom 9. Mai 2007)
Die westlichen Reporter vertrauten auf jene postmoderne
Intelligenzia, die auf der Seite der eurozentrischen Nomenklatur
in ein Geschrei der Heuchelei ausbrachen. So palavert Deniz Yücel
im gleichen "Jungle World"-Heft über das national
Türkische am Beispiel der "vermeintlich linken Faschisten
von der Zeitschrift Türk Solu". Doch diese "Türkische
Linke" hat substanziell die imperialistischen Plünder-Paraden
zum Thema, verneint jede Position, die sich vor den ruhmvollen Beutelschneider
und Hyänen verneigt. In "Zeit-Online" vom 1. Mai
2007 wittert Günter Seufert, daß "national-linke
Phrasen auf einen fruchtbaren Boden fallen.":
Oder sind die Massenaufmärsche, bei denen fast
jeder eine türkische Fahne trägt und deren Sprechchöre
jedem vom Glück, Türke zu sein, künden, ein Zeichen
dafür, wie ungestüm sich heute in der Türkei das
Nationalgefühl entfaltet? Zeigen die Begeisterung der Redner
für das etwas anachronistische Begehren nach einer "vollkommen
unabhängigen Türkei" und ihre Verdammung der USA
und der "neo-imperialistischen" EU, dass in der Türkei
national-linke Phrasen auf einen fruchtbaren Boden fallen?
Was ist davon zu halten, dass sich nur zwei Tage vor der Ankaraner
Demo der Generalstabchef in einer Rede erneut für deren Hauptziel
– den Schutz des Laizismus – eingesetzt hat und dass
der Istanbuler Aufmarsch nur einen Tag nach einem Memorandum des
Militärs erfolgte, in dem die Generäle ganz offen mit
ihrem erneuten Einschreiten drohen? Sind die Demonstrationsteilnehmer
die Soft-Power des Militärs, das die Panzer in der Kaserne
lassen kann, weil sich in der Gesellschaft genügend Leute finden,
die seine autoritären Positionen teilen? (...)
All dies zeigt deutlich: Die säkulare Mittelklasse der Türkei
fühlt sich heute nicht nur herausgefordert, sondern politisch
zunehmend machtlos. Sie war seit Gründung der Republik in Staat
und Wirtschaft tonangebend, und auch in Kultur und Politik besetzte
sie die Schlüsselpositionen. Die wirtschaftliche Öffnung
der Türkei aber hat ein neues, konservatives Bürgertum
produziert, und die EU-Reformen verschafften bislang kulturell marginalen
Gruppen Gehör, den frommen Muslimen und den Kurden.
Gegen all das wird jetzt die türkische Fahne hochgehalten,
die für die Ideologie der frühen Republikzeit steht: für
die Leugnung kurdischer Existenz und für den militanten Laizismus.
Und die Gefahr, welche der Grund für all die Demonstrationen
sein soll? Es gibt sie nicht. Die AKP ist eine konservative und
keine islamische Partei, und ihre Wähler argumentieren stärker
für Demokratie und Europa als alle anderen Gruppen.
Im probaten Prahlhans Recep Tayyip Erdogan vermuten
einzelne westliche Kundschafter zwischenzeitlich einen "Tarnkappenfundamentalisten",
der sich zeremoniell als prächtiger Protektor des zivilgesellschaftlichen
Zirkus aufspielt. Mit etwas Nepotismus und dem Netzwerk der frommen
Nomenklatura gelang es ihm bisher die Geschicke des Landes zu bestimmen.
Und solange er dem globalisierten Neoliberalismus und dem Kröten-Konservatismus
treu dient, die Eigen- und Reichtümer der Republik verschleudert,
wird er der gepflegte Gevatter der expansionshungrigen "Hunnen"
von der superimperialen Bastei bleiben, deren Stabskommissare dann
alles im rosigen Licht sehen - gestützt auf die drollige doppelzüngige
Demagogie über "eine wirtschaftlich starke Türkei".
Doch diese "Stärke" basiert auf hohen Zinssätzen,
die das transnationale Spekulationskapital anreizt - mit saftreichem
Surplus. Die "unsichtbare Hand", die die Wachstumsraten
befruchtet, bestellt kräftig den Boden des Konsums, des Warenimports,
stets steil steigenden Schuldenberge im Ausland - und schließlich
die Gladiatoren-Arena der erdweiten Finanz-Desperados.
In den Großstadtzentren grassiert die Kriminalität.
Die aus der Steppe immigrierten Gestalten der Grassroot-Robinsonaden
sind nicht auf Rosen gebettet, verwildert und desorientiert.
Auf der eingeschlagenen Route zur Bravour-Bastei der
Europäischen Union entfaltete sich ein blühendes Terrain
der Kapitalanlage, auf dem sich die Hasardspieler tummeln.
Auch unter der Regentschaft der frommen Formation
triumphieren temporäre Gewinninteressen über existenzielle
Belange der Menschenmenge.
Die Riecher der Cosa Nostra schnuppern weite Horizonte,
das Corpus delicti endete bisher in dunklen Hinterzimmern der Seelenhirten,
der Tarikats (Derwischorden).
Die EU-Aristokratie und ihre militante Autokratie
bezog Position für die Partei des "moderaten Islam".
Nicht nur wurden über die vordere Front, die Ziele und Form
der Massenrebellion grundverkehrte Nachrichten verbreitet, sie würde
sogar zu heißblütigen Groupies der vom Putsch besessenen
Streitkräften degradiert. Doch es ging nicht nur um die Sekurität
der Republik gegen die Tarnkappendemokraten der Scharia, sondern
viel lauter um das Nein zum Imperialismus - ob im Habitus der USA
oder der EU.
Den Islamisten Abdullah Gül, der stets den Mund
verziehen und die Richtschnur der "Takkiya" (taktische
Lüge erlaubt, wenn sie dem gottesfürchtig gesetzten Ziel
dient) perfekt meistern kann, hätten Frank-Walter Steinmeier
und Janvier Solana, selbst die Grünen-Gladiatorin Claudia Roth
gern als Staatsoberhaupt gesehen.
Integration als intrikate Intension oder die miefige Ideenmanufaktur
der kulturellen Identität und die selektive Assimilation
Ein Gespenst auf dem neuesten Stand geht um in den
Zitadellen der abendländischen Methusalem-Mentoren: Der Kampf
der Kulturen, der letal sein kann, auf jedem Falle mental ist. Mit
dem szenarischen Dialog der Kulturen schieben die Gutmenschen-Mentoren
der Zivilisierten-Zentren den Gegenpart in die Wüste ab, jubeln
den unbedarften Menschenscharen einen islamischen Alp unter.
Allein auf weiterer Flur stehen die Spätlinge
aus Muselmanien und hören, wie die Salon-Söldner der integrationalen
Irrlichter salbadern, und wie die extremistischen Exekutoren des
Volksstaates goebbeln.
Die globalisierte Maschinerie sehen die buckligen
Globalismus-Glöckner des Groß-D-Landes als Schicksal,
die transnationalen Tumulte als unvermeidliche Folge. Die Nationalstaaten
werden zurückgedrängt. Doch zugleich konzentrieren sie
den Fokus auf den Erhalt der ethnisch homogenen Nation, des Volksstaates.
In ihren Debatten lobhudeln sie ethnischen Existenzen,
negieren dieselben aber im eigenen Areal. Ihre Attacken auf den
türkischen Nationalismus verschnörkeln sie mit der eigenen
hegemonialen Nationalität als natur- oder gottgegeben. Höchstens
akzeptieren sie eine Supranationalität im eigenen Kulturkreis
und unter pangermanisch paniertem Diktum.
Der blanke Hohn: Man fördert den "moderaten
Islam" dort, grenzt die muslimische Multitude hier aus. Dennoch
geht es dabei nicht um eine gedachtermaßen gedrehte Heuchelei,
sondern um den Erhalt der systemischen Route zur aufwendigen Ausbeute
- im imperialen Spaceshuttle unterwegs zur Kapital-Galaxis.
Jede aufkeimende Debatte über die autonom ebenbürtige
Existenz der ethnisch Abqualifizierten wird abgewürgt. Jedem,
der aus der Reihe tanzt, gilt der kränkend krakeelende Paukenschlag.
Der Methusalem Ralph Giordano mit seinem Molekül im Metrum
der islamophoben Kölner Tretmühle
Der antimuslimische Krakeeler-Kreis dehnt sich auffällig
und elitär aus. Nach dem judeophilen Journaille-Yuppie Henryk
M. Broder redet sich nun auch Ralph Giardano, der einst von den
Nazi-Schergen verfolgte Alt-Kommunist und renommierte Buchautor,
mit der Tretmühlen-These, die Integration der Muslime sei gescheitert,
um Kopf und Kragen und sprach sich gegen den geplanten Bau einer
Moschee in Köln aus, beklagt zugleich die "Parallelgesellschaften",
nämlich die heranreifende Urbanität der Allochthonen-Quartiere
in den Trabantenstädten. Als Corpus delicti für seine
Verbotsattitüden und kulturalistisch abwertenden Attacken führt
er "Burkas", "Ehrenmorde", "Turbans",
"Zwangsheirat" u.a. an.
Während dem 84-jährigen deutsch-jüdischen
Publizisten und Holocaust-Überlenden eine inhaltliche Nähe
zur ethnophoben rechtspopulistischen Ecke unterstellt wurde, brachten
andere auf den Punkt, was die Glaubensfreiheit im Grundgesetz angeht.
Da läßt sich nichts gegen den Bauplan einer Moschee in
der Dom-Stadt wittern. Andere wiederum, die auf muslimisches Kreuz-Malen
schielen, spielen sich als Islam-Apologeten auf.
Gegen die beiden Positionen steht der Vorwurf im Raum,
sich dem Karikatur- und Kamarilla-Krawall der Kulturen angeschlossen
zu haben. Wahrlich: Wer seinen aufklärerischen Blick auf das
ethnizistische Areal richtet, läßt sich über kurz
oder lang als Kreuzritter rekrutieren.
Bald wird es keine Diskussion oder demokratisch definierte
Aktion mehr geben, ohne die Frage des Antisemitismus in die Vordergrund
zu stellen. Der islamophob judeophile Populismus nährt die
Eskalation der Polaritäten zu gewalttätigen Gegenschlägen.
Wer vorsätzlich mit der Worte-Waffe der gescheiterten
Integration pauschal gegen die aus dem Vorderen Orient eingewanderten
Einwohner auf die Pauke haut, braucht sich von Neonazis oder neu-rechten
Möchtegern-Germanenschergen nicht zu distanzieren.
In einer über eine Rundmail der "Theo van
Gogh Gesellschaft" vom 2. Juni 2007 verbreiteten Streitschrift
beteuert Ralph Giordano, sein Nein zum "Bau einer zentralen
Großmoschee in Köln-Ehrenfeld" hätte ihm "schwere
Morddrohungen eingebracht, unmißverständlich und in türkischer
Sprache".
Ob der Philanthropode à la Germania der türkischen
Sprache so mächtig ist, sei dahingestellt. Daß er solches
Jägerlatein zum Anlaß nimmt, seinem Blickpunkt Gehör
zu verschaffen, macht ihn zum dilettantischen Demagogen. Es ist
sein gutes Recht, auf einer Lebensform zu beharren, die seine ist
und "auf deutschen Straßen weder Burka-Trägerinnen
noch Tschador-Verhüllten begegnen will, so wenig wie Muezzin-Rufe
von haushohen Minaretten hören. (...) Ich wehre mich gegen
ein Erpresserpotential, das uns unter islamischer Beobachtung halten
will und seine Tentakel von Zentral- und Vorderasien bis in die
Mitte Europas ausgeworfen hat: Wer nicht kuscht, der lebt gefährlich!
Soll ich nun schweigen und alle meine erkämpften und erlittenen
Kriterien verraten, weil auch mir mit Mord gedroht wurde? Was, Germania,
ist hier falsch gelaufen, dass heute so gefragt werden muß?"
Was wohl? Wenn nun jemand meint, daß es eine
"friedliche Alternative zur Integration" nicht gebe, muß
anfangen, das Artefakt "Integration" zu definieren und
die Alternative zur "friedlichen Alternative" zu charakterisieren.
Der Methusalem Ralph Giordano, der gemäß
der Maskerade des Opfer- Opportunismus operiert, erwärmt sich
dafür, die muslimischen Minoritäten in geschlossene Räume
zu verweisen, die in der deutschtümelnden Tretmühle auch
als Gettos firmieren.
Gettos entstehen nicht durch selbst verschuldeten
Rückzug der ethnisch homogenen Kollektive in bestimmten Hinterhöfen
oder Vorstädten. Im Gegenteil. Sie werden kulturalistisch deklassifiziert
und in die für sie bestimmten Räume eingeschlossen. Nach
Worten des französischen Soziologen Loïc Wacquant in "Jungle
World" vom 30. Mai 2007 wird in diesem Raum "im Laufe
der Zeit ein Parallelnetz von eigenen Organisationen hervorgebracht,
die das alltägliche Leben dort in diesem eingeschränkten
Rahmen prägen und definieren und den Raum vor externen Herrschaftsansprüchen
schützen: Und zwar so, dass das Ghetto überall die Gestalt
einer Miniaturstadt innerhalb der Stadt annimmt, mit einer erweiterten
Arbeitsteilung und einem Komplex an Institutionen, der sich der
ansehnlichen Reihe an Institutionen der umgebenden Gesellschaft,
aus der die ghettoisierte Gruppierung offiziell ausgeschlossen ist,
entgegenstellt – eine Art schwarze Stadt im Herzen der weißen,
wie es die schwarzen US-amerikanischen Soziologen St. Clair Drake
und Horace Cayton in ihrem großartigen Buch 'Black Metropolis'
nennen, in dem sie das schwarze Ghetto Chicagos auf dem Höhepunkt
seiner Entwicklung in den vierziger Jahren analysieren."
Ob die Gettos, deren Strukturen die Heterogenität
nicht ertragen, emanzipatorische Elelemnte in sich bergen. Jedenfalls
legitimieren sie die Negation des inhaltsleeren Jägerlateins
Integration mit all ihren Trust- und Trost-Troupiers, Troubador-Truppen,
Triumphatoren-Trünken und Trophäe-Trümpfen, stellt
sie als Türken-Phänomen der Trivialität der infertilen
Individualität ohne Sinngehalt und Souveränität bloß.
Als eine ebenfalls ineffektive Intension erwiesen
sich seit Jahren die interkulturellen Feste und Festivals der Kulturen
im Geleit der Palaver-Partys und Rhetorik-Runden, wo die Spätankömmlinge
der endkapitalistischen Republik plump als Phänomen der Problem-Popanze
porträtiert, als lumpige Laien, künstlich-lustige Lakaien
oder exotische Hofzwerge vom pompösen Podium der Majorität
herab beobachtet wurden - von prunkvollen Gutleut-Guerillaros und
mitleidigen Missionaren, mißmutigen und mißgünstigen
Moralaposteln.
Die integrationale Intelligenzia hinter der Turmuhr der desperaten
Tyrannei
Broder, Giardano und allerhand Rädelsführer
der schreibenden Zunft verstehen unter dem inflationären Leitwort
"Integration" allem Anschein nach die glatte Hingabe zu
Teutonen-Tugenden, können nur noch Sympathien für Keleks,
Ateschs, Zaimoglus pflegen und nicht für jene jungen Individuen
mit Hochschulabschluß, die sich beispielsweise weder türkisch
noch deutsch fühlen, sondern ein eigenes Selbstbild sowie einen
eigenständigen Kommunikationsstil entwickeln. Diese kosmopolitisch
kombinierte Lebensart besteht aus einem derb-drastischen Umgangston,
dem schnellen Wechsel in den Sprachen und rhetorisch äußerst
effektiven doppel-sprachlichen Gemisch.
Nestoren, Mentoren, Autoren, Rezitatoren sowie integrationalen
Missionaren gegenüber weigern sich die Wilden einen germanennahen
Gefallen zu tun, also sich ein Teilstück integriert zu zeigen.
Nur mühsam müssen die Methusalem-Musketiere in der Arena
der Mulatten-Meute ein Zeugnis für eine einigermaßen
gelungene Integration ihrer Klientel präsentieren. Solange
dieses Gewerbe Bestand hat, werden die eingewanderten Gettos als
Objekte oder Opfer ihren Platz im muffigen Keller des volksstaatlichen
Gesellschaftsgebäudes behalten müssen.
Mit ihrem Standpunkt gegenüber den Migranten-Meuten
zeigen die Zitadellen-Zöglinge und Zivilisationsersten ihr
wahres Gesicht als Zombies des Kolonialismus.
Während Hunderttausende unter dem migrantischen
Schicksal des Hin- und Hergeworfenseins leiden, werden sie z.B.
in den USA als Green-Card-Soldiers gebraucht - ein bemerkenswertes
Phänomen: 32 000 solche soldatischen Schergen sind in Mesopotamien
oder am Hindukusch im Einsatz. Posthum erhalten sie die Staatsbürgerschaft,
wenn sie dort für den Nachruhm der Pax americana ihr Leben
lassen.
Nach der Ideenmanufaktur, die in den Stabsstellen-Stuben
der selektiven Assimilation das Feld überragt, werden bestimmte
Menschenmengen mit einem banalen Bann belegt, indem man sie in nützliche
und parasitäre Parias einteilt, belohnt oder belügt bzw.
betrügt. In einem sieggekrönten System, in dem der großspurige
Grundsatz der humanen Existenz lautet: Man ist, was man tut. Man
unterwirft sich demgemäß der desperaten Tyrannei der
Turmuhr vor den Produktionsstätten und der deregulierenden
Despotie der Profit-Progressionen.
Integrations-Intelligenzia und Partei-Potentaten stimmen
darin überein, daß die eingewanderten Einwohner ihr Leben
fürs Überleben zu verkaufen haben, wobei hauptsächlich
über ihren Preis verhandelt wird.
Aus diesem Grund memorieren Adam Smiths zeitnahe Apigonen,
die krakeelenden Demokreaturen, bieder den "Reichtum der Nationen"
wie die prahlsüchtigen Priester bigott die Bibel - auf dem
Feld, wo Linke und Neoliberale um den gleichen Kuchen streiten.
"Democratic circus" mit dem akrobatischen
Wahlakt glänzt als asymmetrische Adresse, wo die Mehrheit erschöpft
durch den Einsatz der Schöpferkraft der Arbeit fürs Patronat
und Privatier auf Eiern sitzt und Besitz-Barone sich Honig um den
Bart schmieren lassen.
Immigranten wird es immerwährend geben, auch
die Intriganten, die Inklusion sagen, en detail Exklusion meinen.
Wer glaubt, nach seiner Naturalisation in den Genuß der Menschenwürde
à la Grundgesetz kommen zu können, wird auf der Strecke
vor dem Gelände des Menschenmanagements bleiben müssen.
Die Integration läßt sich als ein institutionell ironisches,
irrationales, iritiertes Lehrgebäude interpretieren, dessen
Leitfaden aus leeren Phrasen besteht. Die integrationale Imitation
der Egalität zielt nicht auf das Ei des Kolumbus, sondern wird
eifrig zum Einsatz gebracht, um die Konflikte zu verschieben, zum
Beispiel vom sozialen Sockel zum kulturalistischen Souterrain. Dabei
verdienen sich Zunft-Zöglinge die Sporen.
Der Aufstieg der Integrationszunft, deren Aktionsareal
darin besteht, dem allochthonen Anteil der Population als Aliens
darzustellen und ihnen allenthalben den Hosenboden strammzuziehen,
vollzog sich nicht abrupt - als humanitär getarntes mediokres
Missionarenmetier der selektiven Assimilation. Seit dem Überhandnehmen
der Kulturkreis-Karrieren kriselt es in der Tretmühle gewaltig
zwischen den Kriegern der Islamophobie als Erbfeind und den Kriechern
einer merkantil mediativen, friedsam muslimischen Multitude. Die
germanophilen Gesellen der medialen Gilde tragen dazu Beträchtliches
bei. Alternative zur integrationalen Allmachts-Allüren ist
der aufrechte Gang, daß heißt die Assimilation in eine
ebenbürtig libertäre Bürgerrepublik - vorausgesetzt,
daß das Postament des Volksstaates ersetzt wird durch die
Grundfeste einer Staatsbürgernation.
PANGERMANISMUS AUFS NEUE IM AUFWIND
Die Unbill der Global-Urbanen im Urbild und die Wächter der
Wanderwachtel in Form der Peripherie-Periöken
Unheilvolles Szenarium spielte sich Anfang Juni 2007
an der Ostsee ab. Ein Stück Theatrum mundi, Thalia der totalitären
Demokratur und Theatraliker, Tournee der globalen Großkopferten
mit der Kleinkunstbühne im Troß.
Das Nest Heiligendamm, das in den Marginalien der
Historie sicher erwähnt werden wird, müßte den Eldorado-Dynasten
der Demokratie-Tribunen und Timokratie-Domänen die Schamröte
ins Gesicht treiben. All jene aufklärerischen Apostel, welche
die Errungenschaften der marktparaten Patronage und Heiligtümer
huldigen, hätten in den Boden versinken mögen, wenn sie
nur einen Blick für die Verhältnisse auf von Potentaten
annektierten Planeten übrig hätten.
In Heiligendamm wurde klammheimlich das Spektakel
der herrischen Gewalt rekapituliert, wiedergekäut und mehr
heikel als heiter in Szene gesetzt. Im inneren Raum des Geländes
eines provisorischen Bollwerks - kilometerlanger Absperrzaun und
Stacheldraht, Bannmeilen und weiträumige Aufmarschverbote,
mobile und martialische Polizeikessel - brüskierten acht Gipfelgiganten
den Blauen Planeten, hatten im Falle einer sich heran nähernden
Klimakatastrophe und des heillos und raketenartig in die Höhe
schnellenden Elends im Schwarzen-Kontinent nichts weiteres rundheraus
zu sagen als lautes Stammtischpalaver. Heimgeigen wollten sie dergestalt
die Protestposten der alternativen Gipfelstürmer, die No Globals,
die wiederum nichts weiteres wußten, als sich über die
allezeit heißhungrigen Geier und Falken in einer allgewaltigen
Allianz zu beklagen - angegeben wie ein Lore nackter Affen.
Während die apodiktischen Apologeten der Kraken-Kaste
im Drehpunkt des G8-Zirkus weiter die sozialen Konflikte und xenophoben
Schlachten zu speisen hatten, die rund um die Erde starken Staub
aufwirbeln, konfrontieren sich die Nebenbuhler der Gipfel-Geißler
in Global Meetings mit der Aussicht auf die Freiräume im endkapitalistischen
Totalitarismus.
Wenn in den geläufigen Gipfelrunden der habgierigen
Giganten über den von nordischen Raubrittern gebrandschatzten,
daher ausgebleichten Schwarzen-Kontinent Afrika leeres Stroh gedroschen
wird, erwägen die Patronate des mental manierierten Menschenrechtsmetiers
post festum das Postulat von einem mächtigen Management der
Migrationsfluten, das heißt, ihrer Abwehr durch Prävention.
Das Groß-D-Land wollte keine häßliche
Bilder in die weite Welt funken. Das gelang ihm. Die Rollkragenpädagogen
und Pauker mit NGO-Bonus standen den sieben Herren und einer Dame
als Gastgeberin bei, die ein Forum Romanum präsentierte, das
durch Polizeiketten, Sicherheitszonen aus Stacheldraht, Armeekommandos,
Helikopter, Düsenjäger, Boden-Luft-Raketen abgeschirmt
stattfand.
Die Geschichte des zeitgenössischen humanen Geschlechts
tritt mit abgrundtiefen Wunden in den Gesichtskreis der wundersamen
Urbanen. Die Folgen ihrer feigen Taumel-Taten braucht nicht in Details
aufgezählt werden, sie sind allemal bekannt wie ein bunter
Hund und bringen die einigermaßen einsichtigen Erdlinge nicht
mehr aus dem Text.
Die Realität erschreckt, wirft man ein Auge auf
den Winkel Heiligendamm: Zehn Tage lang aus Angst vor dem Störenfried
ihrer ungehorsamen Untertanen hinter Natodraht versteckt, von Zitadellen-Zenturien
und Heerscharen in Form der Prätorianer bewacht, damit sich
die Theater-Cäsaren über das Los des stark strapazierten
Erdenrunds samt seinen Satelliten in aller Ruhe verlustieren konnten.
Wird der Aufschrei der "No Globals" in der
Trutzburg der nationalstaatlichen Gedankenbrei landen? Sicher nicht.
Das geläuterte Gegen-Geläute der Globalismus-Glocken begleiten
beileibe keine andere Strategie der spekulativen Spektren als die
der Gutleute der Gloriole.
Manche Zirkel stellen die Eigentumsfrage, stellen
sich auf die Seite der unhaltbar anschwellenden Migrationsströme,
fordern offene Grenzen und Gastrecht, nämlich die modernen
Metöken mit dem Recht des Andersseins zu registrieren. Besonderes
Leid fügt ihnen die ausgeraubte Meute der Arbeitsmigration,
der Peripherie-Periöken zu.
Gewiß repräsentieren die Gipfel-Protestposten
das Weltgewissen, demonstrieren jedoch ihre Machtlosigkeit gegenüber
den vom Neodarwinismus aufgepulverten Marktgesetzen, der Raubrittermaschinerie.
Die ökologische Nachhaltigkeit des ökonomischen
Wachstums unter den von der "unsichtbaren Hand" diktierten
Prämissen der endkapitalistischen Marktkräfte ist in der
Tat die Expansion des alternative-industriell erneuerten Besitztums
der nordischen Nomenklatur auf der südlichen Halbkugel.
Die Damen und Herren, die sich ein Stelldichein in
Heiligendamm gaben und alle ihre Absichten hinter der Gewaltwolke
versteckten, lassen sich von guten Argumenten und gewaltlosen Protesten
dazu bewegen, für etwas Gutes zu sorgen? Nein. Nicht. Denn
sie treffen sich als Fürsorger der herkulischen Marktkräfte,
die sie zum absolut Heiligen erheben. Daher muß am Zaun noch
kräftiger und steifnackiger gewackelt, kombiniert mit allerlei
Sozialposten und Konfliktfeldern konfrontiert werden.
Wer sich heute außerhalb der Grenzen des mächtig
umzäunten Systems einige Milimeter in der Gesellschaft bewegt,
hat schon eine Menge geholfen, daß aus der gegenwärtigen
furchtbaren Nacht ein ganz anderer, fruchtbarer Morgen hervorgeht.
Rauschhafte Events wie Heiligendamm folgt eventuell
die Resignation, vielleicht auch die globale Revolte unter den Rauchfahnen.
Viele werden sich einer Parlamentspartei zuwenden, weil da Positionen
und Posten zu vergeben sind. Oder andere werden die Zwänge
des Systems verinnerlichen als Hofnarren im Rahmen eines von selektiv
repressiver Toleranz geprägten Gesellschaftsgefüges.
Die idyllische Ortschaft Heiligendamm wird in der
Geschichte irgendwann nur noch als jener heilige (unheimliche) Damm
erwähnt werden, wo über die Gefahren, die das Erdenleben
bedrohen, etwas lauter als zuvor gesprochen wurde, ohne sie jedoch
beiseite räumen zu wollen.
Pan-germanische Geplänkel im transnationalen Terrain, Groß-D-Land
und Menschenrechte
In Sachen der Menschenrechtsverstösse entpuppt
sich das Groß-D-Land als mäusestiller Musterfall unter
den meisten Altmeisterstaaten des Spätkapitalismus. Die Berliner
Republik ist, lautet in "www.german-foreign-policy.com.de"
vom 25. Mai 2007, "Drehscheibe des organisierten Missbrauchs
von Minderjährigen und europäisches Zielland Nr. 1 beim
Frauenhandel. Den deutschen Repressionsbehörden, die bei der
Kontrolle von Migranten und Asylbewerbern führend sind, gelingt
es nicht, die organisierte Kriminalität mit Kindern und Jugendlichen
aus den Armutsstaaten zu unterbinden oder auch nur einzudämmen.
(...) Auf dem Gebiet der Zwangsprostitution und des sexuellen Menschenhandels
mit Angeboten jeder Art ist Deutschland führend. (...) Geschätzt
wird, dass 10.000 bis 20.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland
als Prostituierte tätig sind. Die Zahl dieser Minderjährigen
nimmt Jahr für Jahr zu und der Anteil der Jüngeren steigt.
So war jede elfte Prostituierte, die 2002 Kontakt mit der Hilfsorganisation
"Mitternachtsmission Dortmund" hatte, unter 18 Jahre alt.
Besonders in den deutschen Grenzgebieten zur Tschechischen Republik
und Polen floriert das Geschäft mit den Kindern, die in den
Nachbarländern billig eingekauft und auf kurzen Wegen in die
entsprechenden Bordelle verschleppt werden. Für die informelle
Durchlöcherung des Grenzsaums sorgen die aus Deutschland gesteuerten
"Euroregionen". Während die deutschen Grenzbehörden
mit ausgefeilter Technik Jagd auf Migranten und Asylbewerber machen,
gelingt es ihnen nicht, schwerwiegende Verstöße gegen
elementare Menschenrechte zu unterbinden und die Organisatoren der
Kinderprostitution, ihre Profiteure sowie die politischen Paten
dingfest zu machen."
Während derartige Transaktionen im Lande der
sattelfesten Gutmenschen und humanitären Heerscharen floriert,
wird in seinen Stabsstuben eine ganze Philosophie der probaten Protektion
protegiert, um den Migrationsfluten aus dem Trikont in die Feste
Europa querzutreiben, den angeblichen Menschenhändlern das
Handwerk zu legen sowie den Schleuser-Schurken in die Suppe zu spucken.
Das oben zitierte Internet-Portal vom 16. Mai 2007 setzt sich im
folgenden leicht gekürzten Text mit dieserlei in allen Sätteln
gerechten Aktivitäten bzw. pan-germanischen Geplänkeln
im transnationalen Terrain auseinander:
Wie die EU-Fluchtabwehrbehörde „Frontex“
nicht ohne Genugtuung vermeldet, ist es unter Mitwirkung deutscher
Beamter gelungen, tausende Einreisewillige in ihren Booten an die
afrikanische Armutsküste zurückzudrängen. Aufgrund
einer deutschen Initiative sollen in Kürze sogenannte Soforteinsatzteams
für den Zugriff auf Migranten bereitstehen. Die fast 500 Polizisten
werden in mehr als 100 Schiffen und Flugzeugen über High-Tech-Geräte
aus Militärproduktion verfügen und die Bootsflüchtlinge
auch bei Nacht verfolgen können. (...)
Dass trotz der anhaltenden Fluchtbewegungen die Zahl
der unerwünschten EU-Einwanderer deutlich zurückgeht,
ist Ergebnis konsequenter Anstrengungen des deutschen Innenministeriums.
Berlin arbeitet seit Jahren an einer Abwehrstrategie, hat bereits
2004 die Internierung Einreisewilliger in Nordafrika vorgeschlagen
und bemüht sich seit dem vergangenen Sommer um den Aufbau spezieller
„Frontex“-Eingreiftrupps. Die EU-Innenminister und das
Europaparlament haben die Verordnung über den Aufbau von „Soforteinsatzteams“
inzwischen abgesegnet; rund 450 Beamte sollen im Falle einer „besonderen
Bedrohung“ (Bundesinnenministerium) unmittelbar abrufbar sein
- gemeint ist der bedrohliche Anstieg von Flüchtlingszahlen.
Eine „Toolbox“, die den „Soforteinsatzteams“
zur Verfügung steht, ist im Aufbau und umfasst gegenwärtig
mehr als 100 Schiffe, über 20 Flugzeuge und fast 30 Hubschrauber
- Tendenz steigend. Mehrere Helikopter kommen aus Beständen
der deutschen Bundespolizei. (...)
Überwachungsschiffe sollen die Fluchtrouten systematisch
observieren und die Verfolgung noch schneller aufnehmen können
- zusätzlich zu den jeweiligen nationalen Küstenwachen,
deren Tätigkeit fortgeführt wird. Spanien etwa setzt bereits
acht Schiffe, drei Flugzeuge und zwei Hubschrauber gegen die Bootsflüchtlinge
ein. Beabsichtigt ist daneben der Aufbau eines umfassenden Europäischen
Überwachungssystems, „zunächst an den Seeaußengrenzen“,
heißt es im Bundesinnenministerium. (...)
Den Aufbau eines sämtliche Facetten moderner
Technologie einbeziehenden Spionage- und Abwehrsystems ergänzt
die systematische Ausforschung angelandeter Flüchtlinge. Exemplarisch
wurde sie im Verlauf der „Frontex“-Operation „Hera
III“ erprobt, die am 12. Februar begann. Binnen zweier Monate
mussten sich mehrere Hundert Asylbewerber der Befragung durch Experten
unterziehen. Ziel war es, Fluchtrouten und Fluchttechniken zu identifizieren,
um künftige Einwanderer bereits auf See abfangen zu können.
Zudem bemühten sich die Experten, darunter auch Deutsche, die
Staatszugehörigkeit der „Sans Papiers“ herauszufinden,
um sie sofort abschieben zu können. (...)
„Frontex“-Operationen stehen ebenso
im Südosten der EU bevor. In den Grenzgebieten zwischen Griechenland
und der Türkei soll in Kürze ein weiterer Einsatz der
Greiftrupps beginnen.
Kürzlich stießen die EU-Kommandos auf aktive
Gegenwehr, als sie sich einem Flüchtlingsboot näherten.
Der Vorfall ereignete sich in internationalen Gewässern vor
der afrikanischen Westküste. Den Versuch der EU-Einheiten,
die Barkasse abzudrängen, obwohl sie nach Seerecht nicht behindert
werden durfte, nahmen die Flüchtlinge für einen Akt der
Piraterie. Sie bewarfen die Greiftrupps mit Molotow-Cocktails. Nach
gewalttätigen Zwischenfällen vor der griechischen Küste,
bei denen es zur Ertränkung unerwünschter Einwanderer
gekommen sein soll, offenbart der Einsatz von Brandsätzen eine
zunehmende Entschlossenheit und Verzweiflung.
PRO MEMORIA
DIE BRÜCKE 127, Januar-Februar-März
2003/1
IN DEN KULISSEN DER TEUTOZENTRALE
Unterwegs nach Provincia Anatolia –
Der Journalismus am Leitwerk des Kreuzfahrt-Korps
Das Gedankengebäude dialektischer Plattform verschmilzt mit
den katzenfreundlich zusammenstoppelten Lebensgeistern des Spektakels.
Im Labyrinth der Latrinenparolen sacken die Peripherie-Laien der
imperialen Theatralik ausgiebig Sold und Spaß ein. Das inflationäre
Gepräge der auf den Markt gebrachten Informationen läßt
über das Gepränge der Aufklärungsposse urteilen.
Das Freiheitspathos der Journalismus-Junta spielt sich im schmalen
Flur des langen Schmeichelns ab. Aus der Kameraderie entfaltet sich
die Kamarilla, aus dem kolonisatorischen Mentor der Kreditor, aus
dem Parlamentär der Parlamentarier. Wo er auch immer eine gerade
Linie bildet, der Tag des Wahlganges gibt den Ort des Demos-Gratias
ab.
Daraus bastardisiert die Journal-Jonglerie als Ausschreier
des westlichen Westend-Komforts eine Anatolia-Arabeske. Sie hält
anfangs für wahr, der Kopfnuß der Nach-Wahl-Varianten
dem Anlaß entsprechend enträtselt zu haben, wer die Zügel
in der Hand hat - also die präpotenten Paschas im Postszenium
-, weiht im Anschluß daran in den Kursus der Blindpackung
ein: Im Orient brandet die Tretmühle der Demokratie eben mysteriös.
Tretradtrügerisch, mannbar-manisch, magisch, kontra-germanisch,
prokuratorisch!
Den frisch gebackenen Premierminister der Angaria-Agora
in Ankara entwerteten die Brotjobber der Jubilar-Journaille auf
ein solches Ministranten-Niveau, daß es in dessen Gestirne
als verzeichnet erscheint, wie der Gänserich am Gängelband
zu führen ist. Daß die Gattin des Kabinettsoberen den
Kopf mit dem Turban bedeckt, sticht in den normierten Neuigkeiten
besonders hervor. Extraordinär müssen daher seine Leistungen
sein - vor allem im Schweifwedeln vor den Sektionen der EU-Kommissare,
die sich längst keine Gelegenheit entgehen lassen, auf den
Busch zu klopfen, wenn das Muslimanen-Land weiterhin an das Tor
des Abendlandes klopft.
Dahingestellt bleibt lange noch die Frage, wer auf
wessen Scherflein angewiesen ist.
Dabei richtet sich der Weitblick der Europa-Architektur
über das Schwarze Meer und den Kaukasus bis auf Zentralasien.
Hier erwachsen die Hafenstädte wie Trabzon zu jener Drehscheibe,
die weit ins Hinterland hineinstrahlt. Bevorsteht die Wiederaufnahme
der alten Strecke, die bis Indien und China führt, die Seidenstraße.
Geräumiges Getümmel rollt auf. Das Politikum der Grenzübertretungen
prädominiert den öffentlichen Schauplatz, drückt
die alte Leier an die Wand. Nicht einmal in Minima erfährt
das breite Publikum gleichwohl, was östlich seiner Grenzscheide
allen Ernstes los ist.
Trotz aller Aussichten, daß das Novum Romanum
ohne den Brückenschlag am Bosporus unter dem in der Luft liegenden
Aderlaß eines elementaren Körperteils schwer zu leiden
hat, können die neunmalklugen Gewalthaber der eurozentrischen
Zitadelle den Spieß immer wieder umdrehen und die Türkei
als ewig unfähigen Bittsteller vor den Füßen der
oberen Zehntausend klassifizieren. Der Drang der eurokratischen
Kommissare, im Eifer des Gefechtes einen örtlichen Menschenrechtsstandard
durchzufechten, ist instrumental. Real ist ihr Kalkül, in Drangsal
eine hörige Regionalmacht im Frondienst oder als Tacheron zum
Durchbruch zu verhelfen oder zu erkaufen, deren Tätigkeitsfeld
darin liegt, die Ausbrüche sozialer Wirbelstürme zu Boden
zu schlagen.
Diesem Luftschloß der Westfeste paßt gerade
das gegenwärtige Getue: Scharwenzeln statt anzuschwärzen.
Dafür erdichteten die Dirigenten der öffentlichen Nachrichtenträger
auch den „gemäßigten“, nämlich kapitalismusfreudigen
„Islamismus“, der den schrankenlosen Erwerb des privaten
Eigentums hochachtet und das Scharia-Gebot, welches das Recht auf
den Grundbesitz verschmäht, außer Kraft setzt.
Voll Genüge getan haben den Beobachterkreisen
in dieser Hinsicht die Äußerungen des Parteibosses Tayyip
Erdogan am Tage, als sein Stellvertreter Abdullah Gül den präsidialen
Auftrag erhielt, amtshalber das Regiment zu führen: „Wir
bilden eine neue Welt, und diese Welt wird Ost und West in der Türkei
vereinigen“. Was noch auf dem Programm der Regierung für
die nächsten zwölf Monate steht, weicht seinen Grundtönen
nach von dem allgemeinen Diktum des „Washington Konsens“
(alias „Neoliberalismus“) nicht ab: Kürzung der
Ausgaben im öffentlichen Dienst, Schlußverkauf der Staatsbetriebe,
Übergabe aller Energie-Lizenzen an den Privatsektor, strukturelle
Anfertigung eingängiger eigentumsrechtlichen Gegebenheiten
u.a.
Außerdem setzte das Oberhaupt des Revoluzzer-Kabinetts
den Frohmut in Umlauf, nicht mit der Arithmetik der Mehrheit zu
regieren, sondern im Dialog mit der parlamentarischen und außerparlamentarischen
Opposition sowie der Zivilgesellschaft. Für den öffentlichen
Gebrauch von freier Meinung und kurdischer Sprache verbürgt
sich der mit westlichen Bravo-Bonbons prämierte Türkenpremier
der prägnanten Demokratie und pflegt keine Ambitionen für
eine Theokratie nach iranischem Muster - aber für eine Heilsarmee
nach der christlichen Soziallehre, um sich die Rebellionsrisiken
aus den Mega-Slums zu ersparen und den gangbaren Marsch der Hungerheere
auf die Arrivierten-Westends.
Journaillen-Wettlauf um einen Bild-Extrakt
à la Orientale
Auf einen prototypischen Heros hat das mediale Vagantentum
die Wahlnachrichten zugeschnitten und aus dem armen Tayyip einen
Anatolia-Typus aus der Familie Chamäleons gemalt: baumbewohnende
Echsen mit unabhängig voneinander beweglichen Augen, ausgeprägtem
Farbwechsel und langer Zunge, mit der sie ihre Beute „schießen“.
Für den Präpotenten à la Anatolia-Analogie
präsentieren die Presse-Poseure etwa - natürlich verblümt
- die Charaktere wie: Scharia-Scharlatan, Schacher-Schaitan, Schickeria-Schäker,
Charmeur-Chansonnier...
Vom unifarbenen Kommentieren aller Gedankentüftler
im Blätterwald kam einstimmig das Zeitgeist-Splitter heraus:
Türkische Islamisten gemäßigten Gepräges präparieren
sich für den Drang nach dem Westen. Die meisten Lohnschreiber
des Gazetten-Kartells waren heimlich darum bemüht, jenes heimische
Publikum zu beschwichtigen, dessen Gegeifer schon lange unterm getürkten
Druck des ethnozentrischen Tretrads in Gärung übergeht.
Besonders beschwerlich erschien das Bild von weiblichen
Wahl-Wallungen auf Stimmjagd und zermürbten Vorortsgestalten,
die dieses Mal nicht für eine der Patronaten-Parteien votieren
wollten, sondern gegen Dauerskandalen der blasierten Demograzien-Kaste,
wofür sie auch die Quittung bekam.
Erfunden haben die Media-Touristen an den Chausseen
ostwärts vom Bosporus den alten Unrat neu und die Odysseen
in den Buchten der Ägäis. Mitgenommen wurden sie von den
Freiheiten neoliberaler Noblesse, hatten aber spektakuläre
Spezies herauszugreifen und Jägerlatein aufzuputschen mit Gebetsritual,
Menschenrechtsmangel, Tingeltangel, Ethno-Exotik und ähnlicher
Oriental-Ästhetik.
Trotz aller Bedenken über die Rückständigkeit
der kleinasiatischen Population erblickt die Gehilfenschar der medialen
Innung jene geläuterte Wählerschaft, welche den Stern
verglühen ließe, der zuvor so rasant gestiegen sei. Sie
habe zugleich eine frische Truppe an die Spitze der Staatsgewalt
aufrücken lassen; jung seien ihre Mitglieder meist und gebildet,
viele von ihnen hätten ein Studium an Universitäten der
USA und Westeuropas abgeschlossen.
Und als besonders beflissen gilt ihr oberster Event-Effendi,
der gleich nach dem Triumph seiner „Gerechtigkeits- und Wachstumspartei“
gemäß seines Kanon-Katalogs loslegte, vor allem um das
Vertrauen der Wirtschaft und der ausländischen Gläubiger
zu werben. Am „Stabilitätsprogramm“, das die vorherige
Kompradoren-Koalition mit dem Internationalen Währungsfonds
vereinbarte, wolle er, heißt es in den Neuigkeiten der Agenturen,
festhalten, den Kurs in Richtung auf die Euroburg fortsetzen und
den gestarteten Eklat der kleinasiatischen Landzunge für die
globale Monekratie intensivieren.
Von einem überstürzten Bravourstück
will er jedoch Abstand nehmen. Da er vom derben Mißtrauen
der Militärs wisse, sei er vom ersten Tag seines Sieges an
peinlich bemüht, kleine Brötchen zu backen und nur nicht
anzuecken. Staatstragend habe er in ersten öffentlichen Erklärungen
einige Atatürk-Zitate eingestreut, der die strikte Trennung
von Staat und Religion zu einem unumstößlichen Dogma
erhoben hatte.
Gegen dieses importierte Überbleibsel des revolutionären
Bürgertums eben erheben sich die Standpauken-Spezialisten des
Abendlandes, indem sie die Geschichte eines Rezitationsabends im
Jahre 1998 aufwärmen, an dem der Ex-Oberbürgermeister
von Istanbul und Hodscha-Erbakan-Zögling folgende Versbrocken
aus einem gottseligen Wortkunstwerk vortrug, welche der Justiz reichten,
um ihn wegen Volksverhetzung zu verurteilen: „Die Moscheen
sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln
unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“ Daß
die triumphale Tayyip-Truppe im politischen Islam wurzele und der
Prinzipal sich selbst als strenggläubigen Moslem bezeichne,
was aber seine Privatsache sei und kein Politikum, beäugeln
die Beobachter der orientalischen Abartigkeiten plötzlich als
landläufigen Fortgang. Darin erblicken sie sogar eine muslimisch-türkische
CDU-Version. Eine Variante, welche den EU-Emissären erlauben
sollte, dem Türken-Habitat den Torweg zum Angelpunkt ein wenig
weiter aufzuschlagen.
Vielleicht wird die okzidentale Lesart der monoteistischen
Establishments irgendeinmal mit ihrer orientalischen Version fusionieren.
Und mit der AK-Partei, malen sich manche Kolumnen-Kumpane aus, könnte
erstmals glaubwürdig eine Synthese zwischen dem islamischen
„Millet“-Milieu und der christlich-abendländischen
Volkstum-Furore gelingen. Dann bedürfe sie nicht mehr der Leitplanke
des Militärs, die Partitenmacher der Partikuliers zu züchtigen.
(...)
Das Parlament als Agora der Freibeute-Fraktionen
Unter dem Fanal der repräsentativen Regentschaft
fraternisiert das repressive Reservoir der Besitzbewahrung mit dem
Fanatismus der Gewaltlegitimation. Ihr transformatives Können
liegt im Häuschen der dominanten Mehrheit ohne Demos. Mehr
als ein Symbol verkörpert der Terminus Demokratie nicht. Ihr
Potential fundiert auf versumpften Graswurzeln. Virtuell wie virulent.
Absolut wie Kruzifix. Überall dort im Futurum exactum, wo das
perfekte Präsens der Privatiers-Privilegien verwalten. Das
letzte türkische Bild der Demokreatur entwickelt sich aus folgendem
Negativ der mathematischen Zauberformel:
Rund 79% der stimmberechtigten Bürger (32 733
420 von 41 436 538 bei einer Gesamtpopulation von fast siebzig Millionen)
gebrauchen ihr aktives Wahlrecht - nicht gerade Ideal in einem episodisch
provinziellen Areal, wo das Kreuzmalen in der provisorischen Kabine
als Bürgerpflicht gilt. Die Trägheit nämlich, nicht
zur Wahlstube zu gehen, zieht eine (Geld)Strafe nach sich. Während
8 703 118 Personen eine solche Strafe im Vorfeld in Kauf nahmen
- lieber ein paar Banknoten an die Staatskasse als ein Votum für
die bankrotten Demokrauter -, machten sich 1 284 992 Personen (4%
der abgegebenen Kuverts) die Mühe, lustwandelten zum Urnenlokal,
stimmten ungültig und sparten eine Barschaft für ein paar
Mahlzeiten. Somit verweigerte ein Viertel der Wahlherde dem Hirtenhorn
des Parlamentarismus die triebhafte Gefolgschaft.
Die beiden Parteien, die die Hürdenlatte von
Zehnprozent übersprangen, erzielten gemeinsam 41% der zur Wahl
verpflichteten Staatsbürger (AKP 26% + CHP 15%). Auf die neun
unabhängig gewählten Kandidaten verfielen insgesamt 77
000 Kreuzzeichen (0,3%). Post factum: Die „Große Nationalversammlung
der Republik Türkei“ vertritt 69% der stimmberechtigten
Bevölkerung nicht. Dieser Zahlenhügel wäre halb so
hühnenhaft, wenn der Hürdenzaun nur halb so hoch gewesen
wäre, nämlich fünf statt zehn Prozent. Damit gäbe
es im Repräsentantenpalast der demokratischen Nomenklatur sechs
Filial-Fraktionen der globalen Monekratie und eine Sektion des (kurdischen)
Volkstums.
Weder empirisch noch metaphorisch, sondern mathematisch
ist der Scharfsinn. Die Mehrheitstruppe vertritt etwa 17% der Gesamtbevölkerung
und verfügt über 66% der Mandate. Ein Mitbringsel des
Gottvertrauens? Möglich ist dem aus der Urne entsprungenen
neuen Korps der Staatsgewalt die Verfassungsmehrheit durch den Ankauf
von zwei oder mehreren Parteilosen, die überwiegend aus Gebieten
mit schwerfällig feudalem Überbleibsel kommen.
Etabliert hat sich die parlamentarische Formation
„Tayyip“-Typus als Lärmzentrum aus der Provincia-Anatolia-Bourgeoisie,
die ihren bescheidenen Besitztum dem Händlerfleiß verdankt,
und der Varosch-Population. Gemeinsam für diese beiden de facto
unvereinbaren Klassenkategorien ist die Mißgunst gegenüber
der im Kernistanbul eingebürgerten High-Society, die mit kräftigem
Naserümpfen begegnet, was ihr im Gewande des Provinziellen
in die Parade fährt. Alles Anatolische empfindet sie als anomal
- mindestens seit der Maienzeit des Osmanen-Sultans Mehmet der Eroberer.
Daher lassen die Tayyip-Trupps die Balkenüberschrift ihres
Jubels in fetten Lettern drucken: „Anatolische Revolution“.
Aufs Neue dazwischengeschoben: Der Islam wird für
die Leitlektüre dieser „Revolte“ Hahn im Korb sein
- als Beiwerk in turbulenten Demograzien des tumultuarischen Marktwirtschaftens.
Antasten werden die abrahamitischen Desperados der kommerziellen
Progression den Laizismus nicht in seinem Hauptgehalt. Experimentieren
werden sie mit seiner Reparatur gemäß den Leitlinien
des bundesdeutschen Säkularismus, der den Klerus ermächtigt,
mit einer staatlich salarierten Heilsarmee die administrative Aufsicht
der sozial Entrechteten zu bewältigen.
Nebenbei bemerkt: Im deutschen Grundgesetz verfügt
die Religion über eigenes Kapitel. Ein Ausnahmefall. Denn in
zeitnahen Hauptgesetzen kommt Himmelsvater höchstens in der
Präambel vor.
Das Philanthropien-Pendant des Anthroposophen-Planeten
parodiert die christliche Soziallehre, plädiert für eine
Melange melancholischer Momente und merkantiler Metiers. Sein adoptierter
Konservatismus trägt wie das Original die Schwärze der
Nacht im Gegenüber der Morgenröte, hält Rückschau
auf die Allmacht der Strafenden, positioniert im Tempelturm des
privaten Eigentums. Den Habenichtsen verspricht er den Zugang zu
Armenküchen, nimmt den Schmerbäuchen die Furcht vor der
Rebellion. Die Scharia reduziert er auf die Tesettür-Mode,
bereinigt sie von dem Fleck des Gemeineigentums, erwirbt das Zeugnis,
europafähig geworden zu sein. Mit dem Verdacht, daß hinter
jedem glänzenden Vermögen der Schatten der Korruption
lauert, macht er reinen Tisch.
Es wird nicht lange dauern, daß sich im Höhenflug
der kommerziellen Kameraderie die nach Amber und Essenz riechenden
Reichen die Klinke in die Hand geben. Nicht mehr lange werden die
Revoluzzer der Provinzial-Parvenüs und Megadorf-Slums das christlich-abendländische
Augenmerk auf die Turban-Turbulenzen ihrer weiblichen Szenarien
erstarren lassen. Nicht mehr lange wollen sie sich an den Fleck
der Kurpfuscher im Zirkusrund der ungezähmt kapitalistischen
Wettläufe stellen lassen - als Brüllaffen eines Ganglandes.
Das Pantheon ihrer Macht werden sie ertüchtigen
und das Pantalone-Operette der globalen High-Society einstimmen.
Begonnen haben sie an diesen Graswurzeln, bevor sie ihr Kabinett
kundgetan hatten. Zum Troß des Parteibosses, der am 20. November
2002 nach Rom reiste, gehörte - für das internationale
Parkett auserkoren - die junge Abgeordnete Zeynep Karahan Uslu ohne
Kopftuch. Mit seiner bedeckten Gattin zu Hause wirbt ein Modemacher
„Tekbir“ für seine Kollektion „Emine“.
Das moosgrüne Establishment islamischen Usus etabliert sich
- genau dort, wo die Überlegenen der weißen Zivilisation
ihre Etablissements ausgestattet haben.
Besonders konformistisch ließ sich in den Rapports
und Reportagen ins Auge fassen, daß kein Silbenstecher über
das linksbündige Umland Platz in den nivellierten Bulletin
fand - auch in den linkslastigen Blättern nicht.
Konform mit der mathematischen Demokratie ging beispielsweise
nicht, daß eine Grünen-Truppe auf dem Wahlzettel-Wisch
aufkreuzte. Andererseits: Zum ersten Mal seit der Gründung
der Republik Türkei hatte die TKP (Kommunistische Partei der
Türkei) beim Wahlgang die Hand im Spiel und erhielt 59 951
Stimmen (0,02 %). 161 443 (0,05) Wahltagsnomaden optierten für
die neolinke auf Spaßkultur pochend poppige ÖDP (Partei
für Freiheit und Demokratie). Und 161 443 (0,05) Wahllokal-Ausflügler
malten ihr Kreuz auf die maoistisch untermauerte IP (Arbeiter-Partei).
Vom Ultra zum Ultimo ratio
Porträt des gemäßigten Islamismus
Recep Tayyip Erdogan, der Mitte-Mann zwischen giererfüllten
Yuppies und gewerblichen Handlangern, der von ganz unten himmelwärts
kam, bot seinem Parkett keine andere Aussicht als Kismet und das
mentale Memento, den zeremoniellen Treugesang vor dem IWF und der
Eurokratie niederkniend anzustimmen. Über die klaren Verhältnisse
für den Fortbestand merkantiler Interventionen freuten sich
die präpotenten Patrone des internationalen Kapitals.
Tayyip Erdogan, der Miles gloriosus vom Bosporus und
Migrantenbengel aus dem Gefilde am östlichen Schwarzen Meer,
der seine Hochtour zur Betuchtenkaste dem „grünen“
Magnaten „Erbakan-Hodscha“ verdankt und sich innerhalb
von acht Jahren (seit seiner Wahl als Oberbürgermeister des
Megadorfes Istanbul) ein stämmiges Vermögen aneignete,
spielt sich als Imitator nordamerikanischer Abenteuerer auf - zugleich
als „Baba“ der hortenden Husaren und waghalsigen Vagabunden,
als kleinbürgerliche Seele zwischen Hasardspiel und Nischen-Dasein.
Erdogans marktläufige Elogen für Hausse
und Hausierer stützen sich auf die Routine westlicher Vorbilder
der Elendsverwaltung. Hier mauserte sich zunächst die peripher
soziale Montage zum Abgott der Kastenpyramide unter dem Wachtturm
des Zentrums. Im systemischen Ballungspunkt der nachgeäfften
Werte-Variante drängte sich dann das Individuum als Urbild
der überspannt symbolischen Funktion des Konsums in den Vordergrund.
Es geht dabei nicht um den Besitz eines Gegenstands, der einem Freude
bereitet, sondern um den Nachweis des persönlichen Könnens.
Voller Vertrauen auf die Allmacht dieses Naturells rückt der
Souverän von der sozialen Pflicht gegenüber seinen Untertanen
ab, stockt die Hierarchien der Macht effizienter und repressiver
auf - beim Anwurzeln der konformistischen Konstruktionen.
Der Liberalismus des gegenwärtigen New Deal verschmäht
jegliches Denkgebäude der öffentlichen Wohlfahrt, nimmt
allein die Marktkräfte an die Brust und überantwortet
die soziale Reparatur dem Regime der „Community“, an
deren Schmerbäuchen die Taugenichtse und Aschenbrödel
des ökonomischen Schlachtfeldes um Gnade winseln. Das soziale
Päckchen aus dem mit voller Lautstärke gerühmten
Menschenrechtspack wird in der Bataillon-Barke eingeschifft und
versinkt in den Wogen der ständestaatlichen Demontagen.
Dieses Räderwerk des Kommunitarismus mit extrem
konformistischen und voluntaristischen Zügen ist für die
neugebackenen Regimenter des „Kleinamerika“ im Vorderen
Orient kein Erzeugnis nicht geläufiger Banderole. Die Philanthropie
gehört zu den Elementar-Elogen im islamischen Sozial-Gefüge:
„Imaret“ (Armenküche).
Nicht die „Community“, braucht der eloquente
Elendsverwalter einzuschleusen, auch nicht den aggressiven Businessman
als kulturellen Stereotyp für die Dynamik des ungebändigten
individuellen Triumphs. Aber ein funktionierendes Blendwerk für
die innere Leere des Pleitiers - den überaus gemeinen Hang
zum Selbstbeweihräuchern.
Die ersten Tage seiner Karenzzeit verbrachte der Heros
bedachtsam. Über die Personalie für den Lehnsessel des
Premiers ließ er die Lohnschreiber der Nachrichtenmagazine
rätseln. Ein Wunder konnte ihm persönlich den Weg zum
Ministerialen-Haupt zeigen. Sonst kann sein Parteipaktum in den
Chaos stürzen. Denn es deckt sich mit einem Tummelplatz der
Mammon-Manager.
Der Herold des Hochgefühls taktierte beharrlich
mit den Kontakten, die dem Austausch von Artigkeiten dienten. Das
Justizverfahren, das mit dem Verbotspostulat seiner heilsgewiß
geprägten Partei vor dem Urnengang eingeleitet wurde, sollte
im Sande verlaufen. Auf den Dunstkreis der Hesperiden und die Reaktion
der zivilen Kräfte von Hesperien ist er angewiesen, um das
alte Raumboot des kemalistischen Zentrums endlich zum Kentern zu
bringen.
Zum gesegneten Busch am Bosporus erblüht, wird
er mit aller Kraft versuchen müssen, den Dschungel zu entwässern,
in dem das Kopftuch weggespült wurde. Denn Pulloverprall brüsten
sich die frommen Töchter der Konjunkturritter damit, den Potentaten
dorthin begleitet zu haben, wo er jetzt das Zepter schwingen, das
Leiden der Gläubiger schmälern und die Brutstätte
der sozialistischen Giaurs brüskieren kann.
Über High-Tech-Wunder verfügt er nicht,
die Ballungspunkte auf der Zeitachse der Erde zu markieren und den
Wohlstand herbei zu bomben, aber über Entertaiment-Qualitäten,
die Hungrigen zu unterhalten. Das mental gleichgeschaltete Medium
der Erregungsreklame wird ihn nicht dem Schicksal überlassen.
Die Steppe rebelliert, läßt sich vom Krückstock
der Selfmademen scharwenzeln. Handel und Händel sind ihre Marksteine
beim Unterwegs zum all-markt-mächtigen Schlamassel. Es gibt
die Basis, der man etwas unterbreiten kann, meinen die Manier-Mentoren
des Mammons und fügen hinzu: Aber das Alternativ-Korrektiv
der Balsam-Bandagen muß noch verfertigt werden. Allein das
enthemmte Schüren von Angst-Allüren nützt nichts.
Übergroße Teile seiner Gefolgschaft werden
im Quadrat springen. Er selbst wird sich im geschlossenen Trigon
der Tribunen zum Rächer aller Gerechten aufspielen. Unbeachtet
vom linksbündigen Kontingent der medialen Meinungsmakler, dessen
enthnisch-kulturalistisch geschärftem Blickfeld kein umgefallener
Klagesack im kleinasiatischen Südosten entgeht, kann er auf
das Lobsingen des Meutejournalismus vertrauen. Zur tragenden Figur
des fortwährenden Diskurses werden sie ihn erheben, den sie
zuvor mit ein paar Speechfetzen eines etablierten Postenpatrons
begannen. Bleibt er dort, wo man ihn haben will, wird es keinen
Fingerzeig auf ein gottergeben grünes Kabinett des Horrors
geben - als schrilles Beispiel für die Abweichung von der Generallinie
der super-imperialistischen Menschenrechts-Allianz.
Nichts Neues am Westufer vom Bosporus: Kiebig wurden
die geläuterten Laute in den urwestlich urbanen Milieus. Die
Röcke etwas zu kürzen und eine Neue-Raki-Flasche zu öffnen,
empfiehlt sich mancher Gazetten-Kolumne der Grazien-Community.
Islam – ein Phänomen?
Was sich darunter auch immer verstehen läßt,
die Fragestellung verfügt über einen Marktwert, teils
de luxe, teils gepfeffert. Jedenfalls befähigt sie die subalterne
Globalisten-Gilde zur Missionars-Tätigkeit. Es geht dabei nicht
um Christianisierung, sondern um die Verbrüderung der Mittelschichten
unter dem Digitaldach der Abrahamiden. Die Frau erhält ihren
konventionellen Rang aufrecht als Co-Regentin des Mannes oder Zentralfigur
der Boutique-Bourgeoisie. Man kann sie auch anderweitig vermuten,
bedeckt bleibt ihr Hauptfeld mit dem Gesprächsstoff des Äußeren
- das Thema, auf welcher Stufe der zivilisatorischen Trittleiter
eine Gesellschaft stehen kann. Als primitiv denunzierten zum Beispiel
die Kolonialisten, weil ihnen die schwarzen Afrikanerinnen zu nackt
erschienen. Als rückständig gelten den immer noch weißen
Zivilisationsersten die brünetten Muselmaninnen, weil sie ihnen
nicht nackt genug begegnen. Der Blickwechsel spiegelt das Verhältnis
zwischen Herrin und Magd - welch ein Wunder - im gleichen abrahamitischen
Hof.
Ausnahmen gehen zum Gemeingültigen über,
und die gefällten Urteile lösen sich dort flott auf, wo
die Gesetzmäßigkeiten des Handels Überhand gewinnen
und die Runde machen. Stellt ein Warenhausmanager in einem etwa
westdeutschen Ortskern fest, daß seine Mitarbeiterinnen mit
blondierter Drei-Wetter-Taft-Frisur an eine vom Gewöhnlichen
mancherlei abweichende Klientel nicht herankommen können, stellt
er eine kopfbetuchte Verkäuferin ein. Da sind nämlich
die Muslima, die zwar Kopftuch tragen, aber sich ja nicht deshalb
auf Kernseife beschränken wollen und in der Parfümerie
einkaufen.
Aufgeweckt hätten die Moneymaker längst
ihren Zusammenhalt mit der muslimischen Parallelwelt demonstriert,
wenn es oben nicht immer wieder ein Stück mehr nach dem Linoleum
von Teutonen und Aufklärungspatriarchen riecht, wenn sie sich
weitere Einmischung der Theologen und Hierarchen in die Welthändel
verböten.
Dann gibt es keine zwei Gott-Typen, die sich so sehr
ähneln wie der Vater von Jesus Christus und der allmächtige
Allah. Beide beschwören den Anklang mit Jehova und bestreiten
ihre urwüchsigen Obliegenheit nicht, die Freibeuter-Brut zu
konservieren.
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