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Der Hausaffe (lat. semiolus domesticus)
kommt in den besten Familien vor. Er ist in seiner Urform ein Bergtier.
Die ersten Exemplare der Spezies wurden um 1990 herum in diversen
mehr oder weniger maroden Altbaukolchosen in Prenzlauer Berg gesichtet.
Der Hausaffe stammt einerseits vom Homo sapiens bzw. von dessen
Großonkel, dem Schimpansen, andererseits von der Hauszecke
(lat. ricinus domesticus) ab; je nach Genotyp, d.h. je nach Dominanz
des rizinären oder homoiden Erbguts, werden daher Haupt- und
Nebenaffen unterschieden (semiolus domesticus maximus bzw. semiolus
domesticus minimus); der Nebenaffe wird oft auch als Halbaffe (semi-semiolus
domesticus) bezeichnet. Phänotypisch unterscheiden sich Haupt-
und Halbaffen kaum voneinander; vom Homo sapiens und von der Hauszecke
sind sie phänotypisch allerdings jeweils gleich weit entfernt.
Der natürliche Lebensraum des Hausaffen ist die
urbane Kolchose. Hier leben oftmals drei oder mehr Hausaffen zusammen
in einer Kolchose; wer dann Haupt- und wer Nebenaffe ist, ist in
solchen Fällen kaum mehr auszumachen, es sei denn, ein Homo
sapiens kommt dazu - dann erkennt man die Hauptaffen daran, daß
sie den Nebenaffen etwas von Verantwortung zu erzählen versuchen,
um so ihren geringeren Abstand zum Homo sapiens zu verdeutlichen.
Was Verantwortung bedeutet, wissen die Hauptaffen dabei selbstverständlich
auch nicht; sie kennen nur das Wort, und das zementiert sie in ihrem
dem Nebenaffen überlegenen Status.
Hausaffen leben in Rissen und Nischen. Dies ist der
Grund, warum um 1990 herum die diversen Altbauwohnungen in Ost-Berlin
zu urbanen Kolchosen umfunktioniert wurden: die DDR war zusammengebrochen
und hatte vor allem Risse hinterlassen. Hier begannen sich die Hausaffen
anzusiedeln, und hier lebten sie bis etwa 1995 herum fast ausschließlich.
Dann, nachdem viele Ex-DDR-Risse von der BRD gekittet und damit
der natürliche Lebensraum der Hausaffen teilweise zerstört
worden war, begannen sie sich über die restliche Stadt zu verteilen.
Dabei wurden Pankow, Friedrichshain und vor allem Neukölln
zu den Zonen mit der höchsten Hausaffendichte.
Zu beachten ist dabei, daß sich der Hausaffe
nicht auf natürliche Weise vermehrt, sondern per Telefon: er
ruft einen Artgenossen an, der bisher in der Forschung noch nicht
registriert wurde und sich bisher außerhalb Berlins aufgehalten
hatte, und bittet ihn, herzukommen. Dies zeigt, daß sich die
Hausaffenforschung noch in den Kinderschuhen befindet; da außerhalb
Berlins das Phänomen des Hausaffen nur sehr selten aufgetaucht
war, sah man es nicht als nötig an, ihn gesondert zu beobachten
- er wurde als „Untermieter“ spezifiziert und fristete
so unter seinen Teilverwandten, den Homines sapientes, ein Minderheiten-
bzw. Mutantendasein. Man kam früher einfach noch nicht darauf,
das Erbgut des Hausaffen zu untersuchen; seine genotypische Verwandtschaft
mit der Hauszecke und seine phänotypische Absonderlichkeit,
die ihn von normalen Homines sapientes wesentlich unterscheidet,
machte ihn dort zu einer Art Außenseiter. Erst wenn er nach
Berlin kommt, blüht er auf.
Was die natürliche Vermehrung betrifft, so zeigt
sich auch hier der Unterschied zwischen Semiolus domesticus und
Homo sapiens: der Hausaffe ist asexuell. Er kennt keinerlei Zärtlichkeiten,
er kennt weder die Praxis des Küssens noch die des Vögelns,
und der klassische Händedruck erscheint ihm überflüssig
und lästig. Die Geschlechtsteile des männlichen Homo sapiens
sind bei ihm zwar vorhanden, aber verkümmert und rückläufig
und daher nicht mehr zu gebrauchen. (Es gibt einige Ausnahmefälle
in Prenzlauer Berg, wo sich eine Frau in einen Hausaffen verliebte
und somit seine nutzlosen Teile wieder funktionsfähig machte;
dies erklärt teilweise auch den Babyboom in Prenzlauer Berg
zur Zeit, denn wenn sich ein Hausaffe auf natürliche Weise
vermehrt, dann legt er gleich richtig los. Die Hausaffen, die diesen
Sprung ins Lager des Homo sapiens machten, waren aber ohnehin vorher
schon mit einer größeren Menge homoiden Erbguts ausgestattet;
die rizinär dominanteren Affen leben und vermehren sich nach
wie vor nach Hausaffenart.)
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Die Kolumne wird fortgesetzt. Nächstes Mal: Hausaffentango
III: Die Affen rasen durch den Wald oder: Haupt- und Nebenaffen
in Neukölln.
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