XXV. Jahrgang, Heft 141
Jul - Aug - Sep 2006/3

 
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Letzte Änderung:
03.06.2006

 
 

 

 
 

 

 

LYRIK




         
 
 

Loblied eines Kaufhauses an seine Produkte

Euch fassen Massen
In jedem Eck
Und finden in euch
Des Lebens Zweck!

Und Freud' und Wonne
In jeder Brust!
O Tand, o Flitter,
O Glück, o Lust!

O Ding', o Waren!
So herrlich schön!
Vorüber kann man
An euch nicht gehn!

Wie labt ihr himmlisch
Des Menschen Herz!
0 wie vertreibt ihr
Ihm jeden Schmerz!

O Ding', o Waren!
Wie liebt ihr sehr
Den Käufer! der euch
Noch liebt viel mehr!!

Wie bin ich selig,
Daß es euch gibt!
Wie danke ich euch,
Daß man euch liebt!

Wie bin ich glücklich,
Bin ich fast leer
Am Abend, sind mir
Die Kassen schwer!!

Gottfried Weger


***

Ein Bär ist los

Stell dir vor:
ein Bär ist los!
Mitten unter uns,
in unsrer Welt –
ein Bär ist los!

Hier ist kein Platz
für Bären,
und nicht einmal
für Einen.

Ein Bär ist los!
Er macht sich
auf die Jagd:
zwei Schafe
kamen ihm gelegen
und ein paar Hühner noch.

Ein Bär ist los –
Rann an die Waffen:
ein Bär zu erlegen,
das wäre doch zu schaffen…?

Weit kann er nicht sein,
weit darf er nicht kommen;
die Berge, die Wälder
müssen wildfrei sein.

Ein Bär ist los!
Politiker sorgt für Ordnung,
STOP der braunen Gefahr –
der Feind Nr. 1

(Ist er etwa ein russischer Bär?
für manchen wär’ das willkommen
ein Ereignis
in andere Richtung zu lenken)

Es ist was los
In diesem Land!

Ein Bär ist los!

Lazar Dasic


***

freie marktwirtschaft

die maske des abwehrens
wird aufgesetzt im moment
des offenbarwerdens, dass
ungezügeltes marktgeschehen
untergehen könnte wie schon
vormals einfluss nehmende
vergangener zeitläufte

in phasen der bedrohung
neigt man zu propagandalügen
und lässt eindruck erwecken
hochgelobte freiheit des bürgers
beschränke sich auf wähl
beim erwerb und gebrauch
von diesem und jenem

eigentlich ereignet sich
FREIHEIT zum SELBST
nicht jenseits der angeblich
freien von freiheit
des marktes redender
über leichen gehender
marktschreier

Bea Bezler


***

Täusche Sprach

Unser Deutsch muß deutscher werden,
Versteigert euer ABC bei Ebay,
Ertränkt alle bekannten und unbekannten
Vokale im Strudel der Gefühle,
Verbrennt die Üblichen, verdächtigen
Konsonanten auf dem Scheiterhaufen
Der Meinungs-Undsoweiter-Freiheit.
Und vermählt dann die unverständliche
Mutters(p)rache mit dem Gevatter
Schreibgeschwätz in Höhr-Grenzhausen,
Ach, wie schlöhn die Buchstabenzäune
Rings und lechz der Highweh klappern
Wähn die Gehtrauten in den Honeymuhn
Düsen, und wie silbenrisch der Mond
Von Oho auf das Trottwahr scheinst,
Welch zum Internuschel Hotell führt,
In dem sie eine Horchzweits-Swieet
Gebucht haarbeen, umpff ahndlicht
In aahleer Ruh über den Wippzelln
Von Ruckediguh-City freischnautzäh
Mitteinanders klönen zu könntern, biß
Nachemm Schow-Down des Haiverrat-
Uhrlaubs sie in die Schulde des Lähm-
Penns zurückverführt, endlicht Zeit is,
Wüter NormaloDeutschlich zu tratschen.

Hadayatullah Hübsch


***

Kriegsversprecher

Häuptling gespaltene Zunge aus Texas
hatte auch noch ein Rad ab
das rollte auf seiner Zunge
her und hin und hin und her
so wurde er zum Radebrecher.
Um von diesem Makel abzulenken
schenkte er der Welt einen Krieg.
Seit der aus seinem Mund geschossen kam
nennt ihn niemand mehr
einen Radebrecher;
der erste Teil des Wortes
trifft einfach nicht mehr zu.

Rüdiger Stüwe


***

Er korrigierte Entwürfe,
bevor er sie dem Papierkorb anvertraute,
weil man sie nicht mit Fehlern fortwerfen dürfe,
falls jemand sie aus dem Abfall klaute.
So ging er auch nicht in der Negevwüste
bei Rot über die Straße in der Nähe von Ampeln,
selbst wenn er wüßte,
daß nie Autos verkehren und stets Kamele
darüber trampeln.

Jaime Salas


***

Die drei schwarzen Frauen

Ich schaue im Spiegel mich an,
und erneut sind in ihm
die drei schwarzen Frauen,

und ich weiß nicht, was sie suchen,
ob das Mädchen, das ich bin,
oder die Alte, die ich war.

Die drei Frauen singen
mit halblauter Stimme
ein altes Trauerlied:

Und als ich Zurückkehr zum Spiegel,
sehe ich lose in ihm
weiterhin meine Zöpfe.

Die drei Frauen aber sind jetzt
noch einmal zu sehen,
jedoch schwarz sind sie nicht mehr.

Josefina Verde


***

salz

höhlen die jahre das leben aus
wie wasser den stein lagere ich mich
in der sonne bestreu ich den körper
mit dem salz der verheißung rinnt es
durch die reisigbündel der seele
verschmelzen schwerkraft und licht
in der brust saugt es die säure auf
wie ironie die depression zieh ich
einen kreis in der erde unter mir
im solewasser folgen mir die tiere
in den rachen der landschaft zum meer

Holger Benkel


***

Öffentliche Schmerzen

Öffentlich gehe ich heute Nacht in den Schmerz,
während irgendein teuflischer Sommer steht.
Hingegen süße Augen wer weiß wo,
Gott weiß wann
scheinen mit dem Wind, bringen Jugend zurück,
hinterlassen eine Spur im Haar.
Und so während alles schön glänzt
liebe ich trotzdem, denn es gibt viel davon,
doch ich weiß nicht warum, wofür alles?
Weshalb Schmerzen? Wegen der Spuren im Haar?
Weshalb glänzt es? Wie fiel gibt es davon?
Diese arme Liebe die aufhören muss,
unschuldig den Kopf hingeben.
Neben mir traurig gehend
schluchzt die arme Seele, das Herz stehen geblieben
in dieser jungen Nacht.

Jasmina Segrt


***

Farben der Wut

Konturen fließen
springen aus den Augen
auf das Grau der Wand

tastende Finger greifen
in das Schwarz des Beutels
der die Ideen umhüllt

Farbe sprüht Wut
die im Verborgenen gärt

Eile ist geboten

langes Verweilen
macht verletzlich
für streunende Hyänen
die Einheitsgrau der Betonköpfe schützen

bezahlt zu jagen

künstlerische Freiheit
die aus der Dose sprüht

Georg Walz


***

mit reinem atem

ein weißer nabel ohne haar
erinnert dran wie's damals war –
beim zweiten mal

doch damals war damals hör
auf zu reimen und laß dich nieder
in der grauzone in der die
freundin zum säugetier wird
in der das nicht-verlieren zum
gewinnen reicht

laß dich nieder in der grauzone break-
dance ist in die jugend steht mal
wieder kopf güterzüge bringen
wieder menschen gen osten

laß dich nieder in der grauzone zwischen
guter erziehung und perversion;
wünsch dem niesenden aids-kranken im
endstadium gute besserung wirf
zwei tick-tack ein und stirb
mit reinem atem

Stefan Heuer


***

Am Nil

Ins Tal strömt mit der Dämmerung
der kühle Wind aus der Wüste,
ergreift den Ruf, trägt ihn weit:
Allah o Akbar...
ins Unendliche sinkt die Zeit.

Auf gelbdunklen Wegen am Fluß
fliehn Stimmen durch die Nacht,
ein Eselsschrei zerreißt die Luft,
Feluken gleiten sacht
über mondhelle Wellen.

Marlies Schmidl


***

Kennst du das auch?

Kennst es auch, dieses Gefühl,
dass, wenn dir ein Unrecht geschah,
das Unrecht der ganzen Welt in deinem Herzen brennt?

Kennst du ihn auch, diesen Schmerz,
dass, wenn dir ein Leid widerfuhr,
das Leiden der ganzen Welt auf deiner Seele lastet?

Kennst du das auch, dieses helle Erschauern,
weil du, als dir wahre Freundschaft begegnete,
dich fühltest als ströme dir die Zuneigung der ganzen Welt ins Gemüt?

Kennst du ihn auch, diesen Frieden,
der, wenn du dich von menschlicher Güte getragen weißt,
das Unrecht, das Leid und den Schmerz der Welt in Freude aufzulösen hilft?

Kennst du sie auch, diese Dankbarkeit,
die die bittere Trauer in deinem Inneren tilgt,
hoffend, statt ihrer mögen Liebe, Mitgefühl und Frieden Raum finden und – bleiben?

Kennst du das auch..?

Margot Born


***

seltsame begegnung

           die haare zerzaust
die nase im wind
lachfältchen an den augen
nichts gefährliches im sinn
ein netter mensch wohl wahr
der mir da am strand begegnete
er sprach mich an
wir plauderten ein wenig
über das meer
das wetter den strand
dann ging jeder seines weges
doch als ich über die dünen
nach hause kam
da fiel es mir ein
mensch den kennst du ja
es war mein alter ego
dem ich just begegnet war

Artur Nickel


***

und es ward tennis

in den fluren der
arbeitsämter
sitzend die glücklosen
wertlos in augen
ellbogenbewehrter
vor den kassen
der sozialämter stehend
die blicke gewohnt
ihnen zugeworfen
von anderen seite
vor dem nächsten
entlassungsschub
der jobcenter
von der anderen seite der tische
und schalterscheiben
pingbälle pongblicke
sie fangen sie nicht auf,
die geschnittenen backhands.
gebeugten hauptes und
augen gen boden
verzögern sich reaktonszeiten
von oben die stimme des schieds
richters:
aus!

Anna Panek


***

Die Pharaoen weinen
wenn Himmelswagen
Räder verlieren

Aton brennt
noch immer
kopflos
der Obelisk
zur besten Sendezeit

Hartmut T. Reliwette

   

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