XXV. Jahrgang, Heft 141
Jul - Aug - Sep 2006/3

 
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Letzte Änderung:
03.06.2006

 
 

 

 
 

 

 

In den Kulissen der Teutozentrale
Habichte häuslich
          Über den Hausdächern der Hyänen
                        mit der Hymne der Aktionären-Ära

Rühmliche Rückkehr des Ständestaates                    Von Necati Mert

   
 
 

Die Integrationale erkauft das Menschenrecht

Märtyrermache im Fabulantenflur zwischen entleerter Empathie und hochgenährt vermehrter Prophetie

Kraniche kreischen selbst im abgelegensten Krähwinkel der Erde. Gerechtigkeit krakeelen die Kollaborateure der Krautjunker. Zitadelle-Zeloten kontrollieren Zirkus-Zirkel ethnischer Fangemeinden mit gewollt favorisiertem Fanatismus. Status-quo-Statisten im humanitären Habitus scheint alles genehm zu sein, selbst das Foul einer Fabelgestalt wie der Walpertinger oder der Frust des Fuchses in der Fallgrube. Hauptsache, sie bringen das Gewicht der Gefahren über die Zeit und können etliche Kontingente ihrer Erträge in einem Wertpapier bündeln. Es gibt sonst nichts, was sie sich hinter die Löffel schreiben müßten.

Die von den hellen Mächten des Marktes manifestierte Malaise in den Peripherien des Zentrums wird von Regenbogen-Regenten als Rauch der Randgruppen-Randale rapportiert. Hier gehört der Fremdendiskurs zum zivilen Bestandteil der Gesellschaft, zum letzten Zellgewebe im Gedankengebäude des pangermanischen Panoramas. Zur mentalen Methode des Hegemons gehört die Panikmache durch mannigfache Mannschaften der Groß-D-AG, vor allem durch den intuitiven Berufsstand namens Integration. Die Zunftzöglinge der Integrationsindustrie irrlichtern auf der Nebenstrecke der Datenautobahnen unaussprechlich aufklärerisch in die Zukunft, schwingen sich neben der „vierten Gewalt“ auf dem gewöhnlichen Gebiet der genialen Märtyrermache als „fünfte Kolonne“ der gesetzgebenden Majorität auf.

Deutsches Freiheitsideal basiert generell auf völkischer Reinheit, fordert hin und wieder die Dilettanten zum Duell, rät fremdstämmigen Spätankömmlingen, sich dorthin zu orientieren, woher ihre Altvordern kamen: dem Orient! Das germanisch gemischte Wort Integration vereinigt alle Fraktionen der Alteingesessenen-Gesellschaft, der Anwälte und Anwärter der Get-together-Party, zu einer Allianz des christlich-abendländisch propagierten und kulturalistisch protegierten Gegenwartsgeschehens.

Aus trüben Phänomenen, z.B. den archaischen Attributen wie „Ehrenmord“ und „Zwangsheirat“ schlußfolgern die kundigen Soziusse der Status-quo-Society triviale Gemeinplatz-Gebaren, stilisieren stattliche Stories sowie souveräne Rituale, um eine ganze vom eigenen Genre abweichende Glaubensgemeinschaft unter Generalverdacht zu stellen. Dieses auf dem aufklärerischen Lehrgebäude basierende Weltbild ist arrogant, vielmehr aber argwillig.

Wenn die Protagonisten der gesellschaftsgeschichtlichen Geschehnisse im Linken-Lager dabei an ihrer vom sozialen Sorgfalt entleerten Lehre der Emanzipation festhalten und den Islam als Refugium der ethnisch Entmündigten an den Pranger stellen, dann verlassen sie den letzten Fleck der universal markierten Urbanität, machen sich zu lästigen Verbündeten der Entrechteten im sozialen Gegenufer, damit zu banalen Handlangern der super-imperialistischen Expansions-Ambitionen und schließlich zur Spießgesellen-Schar des eliminatorischen Rassismus. Eine solche Linke kann sich sonst nicht in die Lage versetzen, einen Eimer Wasser umzustoßen, höchsten versuchen, ihn eher auszusaufen. Hingegen geht es um die Gleichwertigkeit des ethno-kulturellen Andersseins. Um die markige Mutprobe, die Missionaren-Mär der markanten Münchhauseniaden zu brüskieren, auf das Thema des Muselmanen-Mekkas ein möglichst neutrales Auge zu riskieren und seinen Werdegang als einen revolutionären Akt zu registrieren. Schließlich veränderte der Islam nicht nur das Wüsten-Leben in weiten Teilen des Orients, gab auch dem Okzident Aufschwung, sogar den Olymp der Zivilisation zu erobern.

Daß das volkstümlich favorisierte Schlagwort Integration im systemischen Schaukasten des herrschaftsnationalen Souveräns kein Modell für die gesellschaftliche Emanzipation abgibt, läßt sich leicht aus der seit über drei Jahrzehnten fortdauernden Praxis gewahr werden. Vielmehr erwies sie sich als eine Attrappe, der jedoch die Fertigkeit innewohnt, nicht ins Fettnäpfchen zu treten. Als solche sollte sich das Räderwerk der selektiven Assimilation forcieren, die Konvertierten fähig zur kompletten Konformität und die Aussortierten gefügig zur Remigration zu machen.

Eingewanderte Einwohner der retrospektiv rotierenden Republik werden vorwiegend als vagabundierende Migranten-Meute registriert. Als Verschiebemasse in der Nebelzone der zivilgesellschaftlichen Zensuren machen sie manchen marktgläubigen Moralpredigern günstige Gelegenheit möglich, fiktive Weltmeisterschaften für Gutmenschenspiele abzuhalten. Manche okulieren ihren Stammbaum, andere oktroyieren die Menge der verwertbaren Neuen zu minderwertigen Leibeigenen im untersten Rang des Daseins.

Es dreht sich von Haus aus um die Ausbeute-Raten der Bestbetuchten, wenn der Debatten-Donner fortdauert und das Gerechtigkeitsgerede zum Generalgenre erwächst. Auskunft darüber geben allerhand Allüren im televisionären Diskurs-Zirkurs, wie real sich das Gleichheitsideal und der habgierige Deal zusammenreimen können. Der mannigfach marktschreierische Marasmus lenkt selbst seine alteingewurzelten Allergiker zum eigenhändig entfremdeten Artefakt, leistet dem Recht der Reichen Vorschub zu renommieren, mausert sich zum heiligen Hilfsmittel der Altangesessenen auf den Jagdparties nach Eindringlingen.

Mediale Meute manifestiert das Falsifikat als Fakt, indem sie die migrantischen Mitwelten gemäß den Vorgaben der Rassenlehre abqualifiziert und sie zeitnahen Fakiren des Fanatismus erklärt. Sie sind primitiv, lautet ihre listenreiche Lispelei, und als kollektiv fehlt ihnen das Naturell, sich zivilisatorischen Lebenswandel anzueignen. Leicht nachweislich!


Mainstream-Methode der Manipulation?

Doch Fakten lassen sich im Fall der Fälle leidvoll herbei phantasieren und litaneisch verallgemeinern wie die gerngesehene Story vom Frühjahr 2006 über die generelle Untauglichkeit der Migrantenkids, sich zivilisieren zu lassen. Genüge konnte hierfür ein „Brandbrief“ von betrübt betroffenen Paukern einer Berliner Hauptschule an ihre Dienststelle tun, um im Gesamtgewaltapparat der Republik ein gewaltiges Echo hervorzurufen. Er wirkte wie eine Tartarennachricht. Weite Fraktionen der nationalen Koalition ergriffen die Gelegenheit beim Schopfe.

Das Narrenkarussell, das dann in Gang gesetzt wurde, drehte sich wochenlang pausenlos, damit auch das Rad der volkstaatlich gepolsterten Drohkulisse. Die islamisch markierte Community sah sich erdrückt von dem Pflichtkanon aus dem Kulturkosmos der Alteingesessen-Attitüden. Die Spätlinge der Neuankömmlinge müssen sich, so lautete das ethnozentrisch kulturalistische Kommando, am Riemen reißen und sich die Maximen der selektiven Integrationsmühle aneignen. Sollten sie sich auf Sternstunden der Demo-Grazia nicht tüchtig einlassen und ein Herz für die Pax Gemania fassen können, müssen sie gehen.

Ein Rapport wird riskiert, ramponierte Münchhauseniaden zu reparieren. Es wird verdreht: Erst verbreitet sich der Schrei nach dem Scheitern der integrativen Intensionen. Drehteams machen sich auf den Weg, Wilden-Bilder zu produzieren. Zahlen Taschengeld. Kinder-Banden spielen Schlägerszenen, werden gefilmt und dem breiten Publikum als Faktum präsentiert.

Es wird gedreht: ZDF- und Spiegel-TV-Teams zücken den Beutel, wenn sie Sprößlinge der Familien aus Zugewanderten-Zonen anregen wollen, vor der Kamera Mülleimer aus dem Fenster zu werfen und sich zu balgen.

Tatsache ist, daß Konflikte zum Wesensgehalt der Integration als hegemonialer Husarenritt gehören. Jegliches Gespräch unter den von ihr geprägten Prämissen führt am Ende zum Mißbehagen. Die zuständige Zunft verblendet das alternative Blickfeld, beendet jegliche Widerrede. Es gibt kaum etwas, was helfen kann. Der Appell zum Kompromiß und Kontakt kommt als eine schiere Scheinheiligkeit zum Vorschein, scheitert zudem im Schatten der konfliktbeladenen Konkurrenzen zwischen ethnisch identitär definierten Communities. Und kosmopolitane Konvois geraten weitgehend in den blauen Dunst des zivilisatorischen Zynismus.

Die Dialog-Predigt erscheint als überlegen, hat sich jedoch längst als Dialektik der Diaphora im Gedächtnisgebäude der Diasphora entpuppt. Damit es dennoch zu konkreten Gesprächen zwischen den Kultur-Kommandos kommen kann, werden die Lebenswelten zuallererst kontrastiv kommentiert, also definiert und in geschlossen kreierte Kreise verordnet. Die Interaktion findet nur noch unter dem Wachtturm der überlegenen Legion statt als Artefakt der nordisch arischen Besitzkasten-Architektur.

Mit der Inanspruchnahme der Integration als unverzichtbares Gedankengut zum Wohle Deutschlands bezwecken die Leitkultur-Propheten, den Aufbau der Apartheidspyramide auf einer sozialer Basis zu bewerkstelligen. Sie sondern mit allen Mitteln der imitatorischen Intrigen und hinter dem emanzipatorischen Pathos die Getto-Quartiere der Spätankömmlinge aus, fürchten aber, daß sich in jedem Okzidentalen ein Brocken Orient finden kann, vor allem beim Sensemond. Als Dauerbrenner!

Als elementares Merkmal der klassifizierten Differenz dokumentieren sie die religiöse Rückständigkeit der Daherkommenden. Erhoben zum sensiblen Thema wird das Kopftuch der Kleinasiatinnen. Engstirnigkeit ohne Ende. Was den Event-Evolutionären schwer fällt wahrzunehmen: Die selbstbewußte Eva islamischen Glaubens verbindet mit „Tesettür“ (Kostüm nach göttlichem Gebot) Anstand und Erotik, bleiben dicht hinter ihren Demokratie-Hirten.

Zum zentralen Themenspektrum der Integrationssparte gehört zweitens die Sprache als Medium für kollektive Kommunikation. Kenntnispflicht des Deutschen lautet hier die alte Leier. Indigene Interpreten der Integratoren-Tourneen lehnen vehement ab, Türkisch künftig als Alltagssprache zu tolerieren. Damit ist das Diktum mehr doktrinär als Routine, wobei es sich darum dreht, das Selektionssystem zu generalisieren. Gerade in einem Stadium, wo der humane Abfall der technologisch terminierten sozialen Apartheid zwischengelagert wird.

Das Werte-Bekenntnis hat eine Kultur-Dressur mit Fangfragen zu abweichenden Verhalten zu steigern und den Kompromiß zwischen Rand und Zentrum mit dem Absolutismus der metropolitanen Macht zu kompensieren. Wer die Fähigkeit nicht erwerben kann, sich dem Kultur-Korsett der neuen Herren anzupassen, muß gehen. Der Hanauer Pauker und Poet Hartmut Barth-Engelbart warnt in einem für „Indymedia“ verfaßten Text vor den allerorts vorwaltenden „Wolf-Gesetzen“ und prangert die reglementierte Deutschpflicht als Bubenstück an:

"Die Kampagnen gegen die nichtdeutschen Mutter- und Herkunftssprachen, die Pausenhof-Muttersprachverbote, die Streichung des muttersprachlichen Unterrichts und seine systematische Ausdünnung durch Stellenkürzungen und Entqualifizierung sind zum Teil ministeriell organisierte Verbrechen an Millionen von Kindern in Deutschland. Die Intelligenz, die Verbindungen im Hirn entwickeln sich bei Kindern bereits in der pränatalen Phase bis hin zur Pubertät entlang der Muttersprache, ihrer Syntax und Semantik, ihrer Sprachmelodie und ihren Sprachrhythmus. Kinder, deren muttersprachliche Sozialisationdie in dieser Entwicklungsphase unterbrochen, eingeschränkt oder abgeschnitten wird, erleiden irreversible Verletzungen/Vernarbungen der Hirnrinde, erleiden Defizite in der Entwicklung des Sprachzentrums, die in späteren Entwicklungsphasen nicht mehr aufholbar sind. Die Kampagnen gegen die nicht(hoch-)deutschen Muttersprachen haben nicht nur zur systematischen Einschüchterung und zur öffentlichen Herabwürdigung und Abwertung von Millionen von Menschen geführt, sie haben sie auch nachhaltig verletzt. Wenn es in diesem Rechtsstaat mit rechten Dingen und mit Recht zuginge, müssten die Initiatoren und Betreiber dieser Kampagnen gerichtlich belangt werden und zumindest Schmerzensgeld zahlen."


Nicht zu enträtselnde deutsche Frage

Längst eingebürgerte Bewohner werden von ihren Organen nach wie vor beargwöhnt, ihrer angestammten „Heimat“ näher zu stehen. Ihnen fehlt es, lautet die Lektion, an Anstand, weil sie sich einen Ausweis mit dem Adler-Deckel einhandeln wollten, um es zu Wohlstand zu bringen.

Aus mit dem Traum von Allemannja als Notheimat der Anatolier. Sie haben sich zum Abschied vorbereiten. Einst, vor vier Jahrzehnten, kamen sie mit der türkischen Nationalhymne vorwärts: „Korkma, sönmez bu safaklarda yüzen alsancak“ („Keine Bange. Die rote Flagge, die in diesen Morgengrauen flattert, wird nicht erlöschen.“ Jetzt müssen sie heimwärts aufbrechen mit dem Weihelied: „Einigkeit und Recht und Freiheit... Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt“.

Es hilft kein Kassandraruf: Verschärfte Konkurrenzen um die wenigen Stellen und ethnisiertes Extra von Klassenkonflikten blockieren das Vorankommen des sozialen Bewußtseins. Das Imperium der political correctness reduziert das Zoon politikon auf den anonymen Zwischenstand der Population. Doch die als enträtselt geweissagte Klassenfrage wird sich bald zurückmelden müssen, und zwar im Zwist zwischen den Kumpanen der Kastellkaste und den ethnisch Entmündigten. Denn auch der Migrant mutiert. Er mauserte sich bislang zum täglichen Thema, gilt somit als Sündenbock für Miseren, die nicht nur ökonomisch okkult sind, sondern auch obligatorisch, um den Ausbau der endkapitalistischen Klassengesellschaft zu einer krisenfesten Kastenpyramide apartheidischer Utensilien zu vollenden.

Mit der mentalen Ellbogenmanier strengen sich die Impresarios der trüben Tretmühle an, die eingewanderten Wilden zu oktroyieren, damit sie sich in der Post-Raub-Ritter-Burg okulieren lassen. Während der Integrationskurs zur Pflicht wird, bewahrt die „deutsche Frage“ ihre Aktualität durch ihre Definitionsgewalt fort und läßt das Menschenrecht „Minderheitenschutz“ völlig aus dem Gedächtnis der Zivilisationsgenies ausradieren.

Wenn alle Integration predigen und zugleich beschwören, den Zugang zum Status der Bürgerrechte zu erschweren, dann lebt der eliminatorische Rassismus fort. Der Erfolg der einzelnen Gastarbeiter-Sprößlinge auf der Catch-as-catch-can-Piste des Marktes wird dem Minoritäten-Spektrum kein Respekt bringen, sondern das deklassifizierende Prospekt protegieren. Suspekt bleibt darin die Masse als riskantes Reservat.

Als eine subalterne Attrappe im Lehrgebäude des volkstaatlichen Hegemons kommt das Regelwerk mit dem Titel „Antdiskriminierungsgesetz“ zum Vorschein, über welches am Rande der Foren zum Thema der deutschen (Fremden)Frage gesprochen wird. Was bietet die Fiktion mehr als allerlei Attitüden im humanitären Habitus? Ein paar Integrationskarrieren beim Handeln mit ethnischen Identitäten? Daß Andersfarbige, Andersgläubige, Andersgeschlechtliche gleich sind unter ökonomischen Prämissen, unter dem Verwertbarkeitskanon des Marktes, dem sich gerade die enteigneten Erdenbürger selektiv unterwerfen müssen?

Solange der Zugang zum Bürgerstatus die ideologische TÜV-Straße der selektiv dokumentierten demographischen Dogmen durchlaufen muß, bleibt die Integration eine Retourkutsche demagogischer Diktatur und doktrinären Donnerwetters der Doppelzüngelei.

Elementare Menschenrechte werden nicht nur zerteilt, sie erleiden auch einen tiefen Marasmus. Denn Menschen werden geduldet, weil sie für den Schattenmarkt notwendige Werkzeuge darstellen. Und die heutig irregulären Regeln dieses Marktes sind die Regelwerke von morgen.


Das schwarze Schicksal der migrantischen Mandatare

Hinter der faktisch fossilen Fassade der kröten-demokratisch taktischen Krisen- und Klassen-Kompromiß-Fanfaren tutet die Tonfolge des Tempo-Tenors, nämlich die Reklametrommel für noch mehr warmen Regen. Da weitet sich das finstere Firmament des zyklischen Zyklons marktkreischender Machart, worunter das Heute des Urbanen mächtig leidet. Die Hochmütigen der zivilgesellschaftlichen Hierarchie bramarbasieren als Leitstern hinter ihren Hilfstruppen, die aus Heuchlern bestehen sowie - Heu und Stroh im Kopf - genug Geisteskraft besitzen, um mit den Wölfen zu heulen. Nebenbei memorieren sie als Intimi der Intelligenzbestie ruhmsüchtig das Memorial des Mäuse-Götzen im Melodram der manierierten Majorität.

Was droht? Die Gefahr von rechts? Die Invasion der Invaliden? Die Giganten der Gettos? Die Masse der Muselmanen? Homeland-Horden zwischen Stadtzentren und -rändern?

Auf diese Fragen wissen die parlamentarisch partizipierten Redekünstler keine Antworte. Dafür ist die inspirationskräftige Instanz der Forscherzunft zuständig. Ihre Stuhlinhaber fungieren substantiell als Schreiber von bestellten Gutachten, haben als Agitationsagenturen der Groß-D-AG zu agieren. Die Freiheit der Wissenschaft gibt es fakultativ nur in der Fantasie der Götzendiener. Jeder Start einer akademisch akzentuierten Studie ist eine Attrappe, zugleich eine Attacke auf die Zukunft der Existenzen in Allmende. Auf das humane Gemeingut, den Traum vom Glück.

Ohne die systemimmanent verbrämten Imitationen mit akademisch mechanischem Gütesiegel beruht der Berufszweig der selektiven Assimilation auf keinem attraktiven Standbein. Es ist der kanonische Akt einer drakonischen Theatralik, die sich auf die Dauer-Interpretation der merkantil Überlegenen stützt. Das einzig einzigartige Spiel, bei dem alle Akteure der herrischen Karrierekompanie heimlich mitspielen, enthält die fragile Fragmente der arisch heimischen Fremdenfrage.

Die Stammhalter der Gastarbeiter aus vorder-orientalischen Steppen gelangen zeitweilig an die zweitrangige Zitaten-Zone in den Feuilletons der Printimperien wie FAZ, Die Zeit, Der Spiegel, FR oder SZ, wenn es ihnen gelingt, sich als zierliche Ziehkinder der eurozentrischen Tugendgenies aufzuspielen, die Kunst der Selbstzensur zu meistern und etwas kreativ Karnevaleskes vor den Kameras kreieren. Immer wenn ein öffentliches Forum als potentielles Politikum ins Werk gesetzt wird, sich über den migrantischen Rand die Nase rümpfend auszulassen, haben diese Figuren als begleitende Possenreißer einen fast authentischen festen Auftritt. Sie haben dabei mit dem ethnisch kulturellen Kleinkram zu hantieren, Kundenfang zu betreiben und den zombig zensierten Prämissen der Händel mit den zielgerichtet zementierten Getto-Quartieren kreativ zu folgen. Um ihren Bravour-Bonus für einen beiläufigen Platz auf der Karriereleiter und damit ihren Laienanteil an Tantiemen zu sicher, müssen sie sich darauf besonders besinnen, von der vorgezeichneten Themenschiene nicht abzugleiten. Daß es sich dabei um den ideologischen Schützengrabenkrieg gegen die imaginär grüne, respektive islamisch illustrierte Barbarei dreht, braucht nicht betont zu werden.

Doch das habituelle medial gedrehte Geheul, das zyklisch wie zynisch auf den historischen Humus des Islam herabprasselt, besagt mehr über die heuchelnden Heuler als über jene mentale Meute, die gleichwie zum willfährigen Mitmachen manipuliert werden konnte.

In diesem spät spartanischen Feldzug gegen das Morgenland innerhalb der abendländischen Erdstricke gelang es auch der aus Afrika stammenden Immigrantin Ayaan Hirsi Ali, sich als Jeanne d’Arc, „Jungfrau vom Polder“, feiern zu lassen. Sie ergatterte sogar einen Platz im Den Haager Nationalparlament, eckte innerhalb ihrer eigenen Community gründlich an. Dann kam heraus, daß sie den Erwerb ihrer Staatsbürgerschaft erschlich und ihr Exilgrund „Zwangsheirat“ nicht existiert. Um einem nicht ausgeschlossenen Rausschmiß zuvorzukommen, beschloß sie kürzlich kurzerhand, sich zum anderen Atlantikufer abzusetzen.

Was ihre kontinentaleuropäisch arischen Nothelfer angeht, sie gebärden sich gewiß gemäß dem geflügelten Wort: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Zur Ali-Affäre, dem Geschick der schwarzen Heroine unterm Hesperus, bemerkt Werner Pirker in „junge Welt“ vom 20. Mai 2006:

"Die Grenzen sind fließend geworden. Zwischen einem bis vor kurzem die liberale Meinungsbildung bestimmenden 'Antirassismus' und einer aggressiven Selbstaffirmation, die die Werte der westlichen Gesellschaft zum höchsten Kriterium der menschlichen Zivilisation erhebt. Das läßt sich exemplarisch an der medialen Erschütterung ablesen, die der Fall der eben aus der holländischen Staatsbürgerschaft entlassenen Islamhasserin somalischer Abstammung Ayaan Hirsi Ali ausgelöst hat. ...

Denn welches Schicksal haben erst die Millionen Habenichtse in fremden Landen zu erwarten, wenn eine ihrer prominentesten und anerkanntesten Leidensgenossinnen dem Abschiebeknast nur durch ihre freiwillige Auswanderung in die USA zu entgehen vermag? Doch ist die Betroffenheitslyrik in diesem Fall genau andersherum gemeint. Hirsi Ali genießt die besondere Wertschätzung von Time und Zeit gerade deshalb, weil sie eine der Ihren ist. Eine, die sich an die Spitze der westlichen Meinungseliten hochgeturnt hat. Denn zu einem Promi - wenn auch ihr wirklicher Einfluß nicht so weit reichen dürfte, wie es das US-Magazin gerne sehen möchte - konnte Hirsi Ali nur werden, weil sie die passende Stimmlage im Wolfsgeheul gefunden hatte. Die Frau aus Somalia war immer das genaue Gegenteil einer Fürsprecherin der vom reichen Westen Beleidigten und Erniedrigten. Sie hat sich dem „weißen Mann“ hingegeben. Ihre Tiraden gegen den Islam folgen der Behauptung einer grundsätzlichen zivilisatorischen Überlegenheit der westlichen Kultur und münden in einer Apologie der imperialistischen Machtverhältnisse."

***


Virtuelle Variationen der humanen Varia zwischen Stigmatisation und Stimulation

Der Leitkultur des Laisser-passer-Allerlei folgend stolziert der Krakeelchor des nordisch weißen Imperiums unter der Standarte des „gerechten Krieges“, um die angeborenen Instinkten des Menschengeschlechts im Kampf ums Überleben zu entstellen. Seine Dirigenten diktieren das Recht der Überlegenen, um jene den Mund zu verbieten, die im Gegenüber des Eldorado-Dominiums auf ein utopisches Ufer universaler Urbanität hinarbeiten.

Immer wenn die Akteure der Staatskunstbühne Dialog predigen, beginnen sie die Seiten zu veranschaulichen. Sofort werden die sinnfälligen Konturen des minoritären Gegengewichts zum minderwertigen Moment angekreuzt und in einem abgestumpften Sack zusammengepackt. Handgemeine Vorkommnisse in der Tretmühle werden als Nebenkosten des worthabenden Votums angerechnet, als Kollateralschaden einer ethnozentrisch hantierenden „Generalität“, welche sich nicht im geringsten geniert, die zivilisatorisch humanitäre Genialität für sich in Anspruch zu nehmen. Gern spielt sie sich als Sicherheitshüter der gemein gesellschaftlichen Güter auf, aber nur wenn sie privatisiert sind.

Völkisch fundierte kulturalistisch korrespondierte Händel gegen die Überflüssigen mit migrantischem Werdegang gelten in (Fuß)Ball-Arenen scheinbar als Folklore, weniger als Bubenstreich. Nur mit etwas häßlichem Habitus, was jedoch längst als zeitnahe Kurzweil hervortritt, wie die Welt seine Inspirationsquelle während der Präsentation der Sieger-Maskerade des „Eurovision Song Contest 2006“ in Athen zu Gesicht bekam: Nordisch identitäre Idealbilder.

Kurzum: Die amtierenden Akteure und Laien des ständestaatlich systematisierten Szenariums, seine Dramaturgen und Drehbuchautoren, fassen den expansiven Schauplatz der ethnisierten Konflikte als eine epochale Arena auf, auf deren Tribüne sie das breite Publikum zu zerstreuen versuchen, indem sie hin und her pendeln zwischen Betroffenheitsphrasen und Skandalsentiment oder im Floskelfluß schwimmen.

Es ist gerade das kritische, sozial sensible Bewußtsein, auf das sie abzielen mit dem Ansinnen, es in den Schatten zu stellen, geschweige denn an die Wand zu drücken. In der Stunde der Patronage-Patrioten dreht sich alles um den Triumph im Welt(Fußball)Krieg, der als einzig elementar brillantes Instrument taugt, um die enteigneten Menschenscharen zu blenden.

   

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