XXVI. Jahrgang, Heft 144
Apr - Mai - Jun 2007/2

 
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Letzte Änderung:
20.04.2007

 
 

 

 
 

 

 

In den Kulissen der Teutozentrale

Mäuse-Moral in Gutmenschen-Memoiren
Manifeste Maienzeit-Melange aus Krisen-Kritik und Proleten-Poetik
Von Necati Mert

   
 
 


Graue Welt-Bilder

Die Furcht fruchtet im Überflußgürtel an beiden Ufern des nördlichen Atlantik. Die Zampanos der Zauberformel „immer mehr Markt, stets härtere unsichtbare Hand“ hüllen sich schwer in Schweigen. Das nordamerikanische Novum Romanum fuhr in Mesopotamiens Morast fest - trotz einer ruhmsüchtigen Armee, deren Söldlinge sich meistens aus von sozialen Miseren diktierten Nöten oder manches Mal aus Rambo-Ritualen rekrutieren ließen. Das friedvoll verbrämte freibeuterische Strohfeuer, das die neoliberale Nomenklatur - begleitet von der menschenrechtsmentalen Maskerade des „humanitären Interventionismus“ - im Schwarzen-Kontinent entfachte, erwuchs von langer Hand zum strapaziös sozialen Steppenbrand. Enteignete Erdenbürger entfliehen dem Furor des ökonomischen Herostraten, erblicken das Licht des Herolds, riskieren allerorts Odysseen, begeben sich auf den Fußweg mit dem Hochziel, die Zentren der Allwaren-Zivilisation zu erreichen.

Doch die Nationen Lateinamerikas fuhren aus dem Schlaf auf, laufen gegen den Schlendrian Sturm, legen nachgerade dem super-imperialistischen Syndikatensystem Zügel an. Selbst allerlei Akteure der altkontinentalen Regentschaften liebäugeln wieder mit der Rückkehr der sozialstaatlichen Strukturen, stellen den Kasinokapitalismus in ein schlechtes Licht als instinktive Heuschreckeninvasion.

Der Freihandel entfaltet sich, mit ihm die Heerscharen der Hungerleider. Die ökonomische Oktopode oktroyiert die Hominiden zur Existenz des Homo fabers oder zum Exponaten des Homunkulus. Die vom Protektionismus befreiten, endlos entfesselten Markträfte sollten bewirken, daß der angehäufte Reichtum auch nach unten tröpfelt, zu den Minderbemittelten. Nachhaltiger Tropfen hat den Stein zu höhlen, lautet das neoliberale Larifari; er hat ihn aber noch mehr untermauert und hart verkalken lassen.

Denn die Kaste der Manager samt dem Parteien-Primat und den primär präsentierten Pressure Groups, nehmen sich freudevoll die Freiheit, Millionen ins Elend zu stoßen, sich selbst allerdings die Taschen vollzustopfen. Den Tüchtigen in den Top-Etagen, den Tüftler-Typen und Triumphatoren und Homo novus und Tütendrehern soll statthaft die Sonne scheinen.

Die Erdökonomie boomt und brummt, brüllen die Kommentatoren in Gazetten und Bildschirmen burschikos und bilanzieren das Ausbalancieren der Ungleichgewichte, präsentieren sich schreibe und sage als Scharlatanen-Sultane und Maestros der Münchhauseniaden zugleich. Denn mit dem Brummen wird ein weiteres Auskommen breiter Schichten in allen Erdgegenden gekürzt, wenn nicht auf Null annulliert. Selbst den bärbeißigen Bürgern der kapitalistischen Hochburgen bleibt nichts anderes übrig, als zu kaufen, was das Zeug hält. Kommun ist der Konsum das A und O der Kommunikation. Wem es nicht gelingt, das Bergaufwärts anzupacken, kommt auf die schiefe Ebene, schämt sich in Grund und Boden.

In bundesdeutschen Wohnstuben herrscht der Angsttraum, Berufstätige geraten gewohntermaßen aus dem Häuschen, in die Fakiren-Fabrik der erwerbsfähigen Erwerbslosen abgeschoben zu werden. Angesichts der Aussichtslosigkeit ist der Zustand auch zulässig. Denn während selbst mächtige Mandatare des marktfrommen Marathons an den globalen Mammon-Magnaten Anstoß nehmen, suchen die Liliputaner der linken Sektion unter der „Globalismus-Glocke“ die Heilsbotschaft für den humanitären Morgen, strapazieren die Sympathisanten der erdsozialen Utopien. Sie verkürzen auch das neorassistische Reservoir auf das Revier jener Randalierer, die „konservative Revolution“ proben oder sich als populistische Prätorianer des Novum Okzidentum aufspielen. In „junge Welt“ vom 10. Februar 2007 setzt sich Werner Pirker mustergültig mit der „Diktatur der Besten“ auseinander, die dieses Mal nicht vom faschistischen Lehrgebäude stammen, sondern aus dem Fruchtfeld des Neoliberalismus:

„Wir haben gesehen, daß der Rassismus nicht unbedingt mit Fremdenfeindlichkeit verbunden sein muß. Das heißt: Der ihm innewohnende Grundgedanke der natürlichen Auslese und Aussiebung muß nicht primär gegen die 'Fremdstämmigen' gerichtet sein. Der marktfundamentalistisch begründete Rassismus kennt formal keine Unterschiede in Rasse und Geschlecht. Das liberale System verheißt allen den freien Zugang zum Markt. Erst hier kämen die natürlichen Unterschiede zum Vorschein, heißt es: zwischen denen, die seine Regeln gelernt und verstanden haben und jenen, die es nie lernen werden, zwischen dem homo economicus und den ewigen ökonomischen Analphabeten.

Der Rassismus ist ursächlich Sozialrassismus. Das Konstrukt der Rasse ist dessen Erfindung. Rußlands liberale Denker der ersten (auf das Scheitern des Sozialismus) folgenden Stunde entwickelten die Theorie des physischen Aussterbens des 'homo sovieticus', weil dieser die evolutionäre Entwicklung zur gewinnsüchtigen Spezies nicht mitgemacht habe."

Die historische Trias der „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ sind bei Lichte besehen antagonistischen Gegensätze inhärent. Sie lassen als solche Wortwracks vortragen, die jedoch mächtig genug erscheinen, das breite Publikum gefügig zu machen, mit den Wölfen zu heulen.

Apologet des dirigierenden Demokratismus, das bürokratische Stellvertretersystem, ist unentwirrbar mit der Sklaverei sinnbildlich verwoben. Das Zepter schwingen über das Gemeinschaftsgebäude die Zombie-Cäsaren unter dem Kommando der Hyänen und Habichte, der Pressure Groups, die den Rachen nicht voll genug bekommen können. Doch es knirscht auf Weg und Steg. Breit und bunt. Gewaltig und gegenwärtig. Im Gegengestade des Raubritterkapitalismus keimt emphatisch die Emanzipation der Enteigneten und Erniedrigten, der Entrechteten und Ausgeplünderten, der Ausgestoßenen und Entfremdeten auf.


Migrantische Miseren in Mephistopheles Miszellen

Millionen leiden und hungern, damit sich der Reichtum der Europiden-Nobilität weiter vermehrt bzw. akkumuliert. Bei dem Versuch, aus subsaharischen Landstrichen die spanischen Kanaren zu erreichen, gingen allein 2006 mindestens 6.000 Afrikaner in die ewigen Jagdgründe ein. Mehr als 31.000 Migranten gelang die Ankunft im Pläsier-Paradies.

Findige Fluchtrouten markieren, Passierpfade sperren, Stege sprengen, die Meere massiv mit Patrouillen besetzen, periphere Patrone bestechen... Diese Strategie der kommandierenden Kastell-Stäbe werden die Zitadellen vor dem Sturm der Armen nicht bewahren können.

Ebendort, wo die Freiheit von hohem Wuchs geschrieben steht, an diesem Ort, werden die Schlupflöcher so versperrt, daß kaum einer, der nicht zur altansässigen Majorität gehört, zu seinem Recht als Angehöriger des Menschengeschlechts kommen kann.

Denn es gibt andere Geschichten, die auf die Gegenwartsgeschichte emsig Einfluß nehmen. Geschichten der Schiffbrüchigen, die fesseln und auch imstande sind zu bewegen. Sie können Komplexe konkretisieren, den Impuls geben, über den moorigen Morgen nachzudenken. Vieles läßt sich in Geschichten vortrefflich transportieren, Kommunikations- und Kooperationsprozesse erleichtern.

Der Cäsarenwahn warnt daher: Der Euro-Päan widerhallt periodisch im Maghreb genauso wie am Hindikusch, singt den repressiven Refrain der supranationalen Parvenü-Putschisten, Privatier-Patrouillen, Krautjunker-Yuppies, superimperialen Yankee-Junta, altkontinentalen Bastei-Bataillone, Jakobiner-Junioren gegenüber enteigneten Erdenmenschenmengen, ethnisierten Desperados, entlassenen Parias und Periöken.

Der Kompagnon-Koalition des Imperium Okzidentum, respektive Novum Romanum obliegt der Pflichtkodex, die kasten-konforme Konstruktion einer selten findigen Konstitution zu fingern - eine obligate Mission, die sie jedoch ohne Mißgeschick nicht meistern kann.

Neben amtlich registrierten 170 000 Geduldeten im machtvollen Bundesdeutschland, die ihr Leben zwischen heute hier und morgen draußen fristen, sitzen etliche weitere in „Ausreisezentren“ oder Extra-Arrestlokalen und warten auf ihre Deportation.

Die Auffanglager, die sich als Kerngedanke des eurozentrisch zivilisatorischen Migrationsregime etabliert haben, dienen substantiell nicht nur zum Abschotten, sondern auch zum Filtern der internierten Masse. Eliten-Elementen aus der migrantischen Gesamtmenge wird die Sperre einen Spalt weit geöffnet. Der Pariavariante sagen die Grenzgarnisonen den kompromißlosen Kampf an.

Was gestern als Fluchthelfer gepriesen, gilt heute als Schleuser- oder Schlepperbanden, deren mit Bastarden beladenen Barken die Bataillonsbegleiter der Feste Okzidentale in Acht und Bann schlagen. Sie werden den horrenden Heerscharen der besitzlosen sich akkumulierenden Mulatten aus den fernen Gegenden der Erde dennoch das Wasser nicht abgraben können. Denn das Leben selbst erweckt in jedem den Trotz. Dementsprechend setzen desperate Globetrotter sich im Hungerturm, den zeitnahen KZs der Zivilisationsersten heftig zur Wehr.

Die Gesetzmäßigkeit des gegenwärtigen Fluchtgeschehens widerspricht jeglicher Interpretation der eurozentrischen Eulenflucht-Funktionäre als gegenweltliche Geschichte. In der Autonomie der Migration wurzelt die Aussaat der emanzipativen Assoziation freier Individuen.

Der Bedarf an marginalisierten Fronarbeitsnomaden in den Zentren wird sich kaum vermindern. Denn der Himmelsstrich Europa gleicht einem Flickenteppich, wo jede Gegend einige wenige natürliche Spezialitäten pflanzt und dazu Malocher benötigt.

Der Terminus Globalismus läßt dem supranationalen Gebilde mit dem Kürzel EU keine andere Wahl, die Pfade, durch die die Migrantenheere passieren, nicht ganz dichtzumachen - ein von der neoliberalen Heilslehre diktiertes Husarenstück. Menschenmengen auf Wandertour: In den Wüsten und Gewässern der Subsahara finden Tausende den Tod. Und die Supervisoren der Bravour-Bastei handeln restlos mit rassistisch reservierten Fremdenbildkonstruktionen, führen humanitären Krieg gegen „clandestins“, „Sans-Papiers“, „Illegale“ u.a.

Profiteure treten in televisionär polternden Runden trivial als Politikaster hervor. Wetterwendisch ergreifen sie das Wort, fragen rüde retour, äffen stämmige Stammeshäuptlingen nach, machen sich Sorgen um die Zukunft ihrer Nachzucht, verstärken den Bau der Schutzwälle, betrachten das Universum als privates Unikum, den Mikrokosmos der Betriebswirtschaftslehre als Unikat und das Millennium als ihre Müllgrube.

Der kraftvoll kreierte, kreativ kultivierte Kreuzzug des christlichen Abendlandes steht hoch im Kurs. Auf allen Gebieten der Gesellschaftsgeschäfte findet der Wetteifer statt.

Die als Standort-Sachwalter standardisierten Staatsgewalten manifestieren dreierlei Missionen: Schutz der metropolitan Zivilisierten-Bastion gegen Eindringlinge migrantischer Mimikry. Menschenrechtsmanagement auf dem gesamten Erdenrund, um die Freibeuterei namens Marktwirtschaft sowie den Zugang zu Bodenschätzen fugenlos zu feiern. Invasionen unter dem demokratisch dekorierten Deckmantel gehören zur Regel der Nomenklatur, um Mandat-Regime im Morgen- und Sonnenland zu errichten - mit dem Einsatz von High-Tech-Waffen.

Der Zielbahnhof des supranationalen Superimperium ist ein Weltkasten-Regime der Katastrophen.

Enteignete Subsistenz-Existenzen erzwingen den Zerfall der romantisch gebieterischen Kollektive. Das Heer der Entwerteten vermehrt sich wuchtig. Das stämmige System der spätbürgerlichen Bürokratien zielen auf das gerecht verteilte Elend, auf den allfälligen Budenzauber der Frondienstsöldner allerorten.

Die Nationen als Staatsgebilde werden durch Ethnien und Kulturen ersetzt.


Integration als Intension im Irrgarten

Alles im Wandel? Ein trügerischer Schein? Nein. Überall läuten die „Globalismus-Glocken“, locken Menschenmengen an. Abenteuerhungrig. Ohne Wenn und Aber. Auf Routen der Robinsonaden.

Das Schleuser-Geschäft blüht, das während der Zeit des „Eisernen Vorhangs“ als Freiheitsdienst gefeiert wurde. Jetzt kommen die Verachteten. Auf verschiedenen Routen. Der Sturm derer, die nichts zu brechen und zu beißen haben, auf die zentralen Zitadellen der Zivilisation fing erst an.

Die Autonomie der Migration wächst der Stabsarchitektur der Feste Europa über den Kopf. Es gelingt ihnen nicht, den Teufelskreis durchzubrechen. Sie stecken im Schlamm zwischen Humanität und Husarenstreich fest.

Die Gesellschaften der Hochurbanen mutieren zu einem Giganten-Garten von integrierten Intriganten. Allerorten wird das Gerechtigkeitsgerede konterkariert durch eine Lawine von Skandalen. Mädchenhirte machen sich bequem in Dirigenten-Stuben, pflegen intime Kontakte mit Oberaufsichtsposten.

Demagogische Diktion und simulativ in Szene gesetzte alternative Wahlkampfkampagnen geben ausgiebig Auskunft über die sensationelle Singularität der Demokratie als Doktrin diktatorischer Substanz. Die Mandatare memorieren die Münchhausiaden der Moneymaker. Ihre Untertanen vermeiden immer mehr den Urnengang. Hinzu kommt der Dämon demographischen Urquells. Um den Greisen-Kreis zu versorgen, ist die Herrschaft auf den Import von kopfgesteuerten Produktionsmitteln namens Arbeitskraft oder Humankapital angewiesen. Es läßt sich aber nicht so formieren, daß die ethnische Homogenität des hegemonialen Volksstaates - weder formel noch fundamental - angekratzt wird. Integration lautet das Leitwort dafür, daß die völkische Vollkommenheit des Souveräns so bleibt, wie sie von Leitkultur-Kuratoren verdeutscht wird. Aber sie als sozialer Prozeß zu sehen, die Minderbemittelten in das Gesamtsystem einzugliedern, ist längst Geschichte.

Daß das integrationale Propaganda-Projekt Probleme nicht löst, sondern sie erst protegiert, wollen die gewichtigen und gewählten Gewalthaber samt der Schützenhilfe aus der medialen und studiokratischen Zunft nicht wahrhaben. Auf den Trichter können sie nicht kommen.

Die Easyjet-Intelligenzija liefert dem parlamentarisch reglementierten Regime die fachkundigen Fakten, die durch die faltenreichen Fallstudien routiniert zusammengeschustert werden, indem sie dann und wann eine Umfrage macht und durch buntgescheckte „Multitude“ das einfarbige Konterfei einer gemeinen Gefahrengeneration ausmalt.

Im Zürcher Periodikum "Widerspruch - Beiträge zur sozialistische Politik" Heft 51/2006, setzt sich Mark Terkessidis mit der Frage "Was heißt eigentlich ‘Integration’?" auseinander und hebt hervor:

„Integration ist derzeit ein Begriff, der kaum noch hinterfragt wird. Wer heutzutage Kritik am Konzept der Integration äußert, der wird gnadenlos als 'Multikulti'-Träumer diskreditiert. (...)

Wann die Integration abgeschlossen ist, das bestimmt der Staat bzw. die einheimische Gesellschaft im Grunde je nach Gusto. Ein Beispiel wäre die Debatte über den Einbürgerungstest. Die Voraussetzungen für eine Einbürgerung wurden eingangs erwähnt - sie sind erheblich. Dennoch gibt es in zunehmendem Maße Personen, welche die Ansprüche erfüllen können. Die beabsichtigte Einführung von Wissenstest zur Einbürgerung hat offenbar keinen anderen Nutzen, als den Migranten das Gefühl zu geben, dass 'Integration' unmöglich ist - denn selbst wenn sie die Hürden nehmen können, werden sie dann eben höher gelegt.

Als Konzept ist Integration überholt. Erstens sind die Prämissen des Konzeptes Geschichte. Wirtschaft und Politik stellen heute nicht mehr die notwendigen Mittel zur Verfügung, damit 'Integration' stattfinden könnte. Zweitens sind Inhalt und Kriterien von Integration völlig ungeklärt. Drittens transportiert der Begriff bereits von Beginn an die implizite Vorstellung eines (kulturellen) Entwicklungsgefälles zwischen "uns' und 'ihnen' - und damit eine zweifelhafte und diskriminierende Normvorstellung. Viertens ist der Begriff widersprüchlich. Obwohl es sich bei der 'Integration' eigentlich um eine 'systemische' Aufgabe der Gesellschaft handelt, wird sie mittlerweile implizit als individuelle Anpassungsleistung verstanden - und der mangelnde 'Integrationserfolg“ als selbstverschuldete moralische Verfehlung.'


***

Pangermanisches Panorama

Die Pflege von unterjochten Völkerschaften und ethnischen Eigenschaften gehört zum Grundcharakteristikum des Deutschtums. Der Umgang mit einem solchen Phänomen im eigenen Terrain war immer seine Schwäche. Hier drehte sich die strategische Staatskunst um die Assimilation der zugezogenen Nützlichen oder um die Elimination der ausrangierten Überflüssigen - ob retourniert oder deportiert. Anderweitig erfolgte migrationstheoretische Ergebnisse haben keine Gültigkeit in studiokratischer Gründlichkeit. Daher befaßten sich die überwiegenden Teile der namhaft autoritären Autoren mit den teils hausgemachten, teils (importiert) imitierten Fragefelder der Schatten- und Parallelwelten.

Wie laut die Wortführer der Solidaritäts-Society auch immer die knechtschaftlichen Verhältnisse zu attackieren und sich theater-tauglich für die zeitnahen Galeerensklaven auf Baustellen oder in Haushalten ins Zeug zu setzen scheinen, das irreguläre Gewerbe machte einen einschneidenden Bestandteil des wirtschaftlichen Aufschwungs der letzten Zeit aus, mit dem sich die Honoratioren der Nation parteiübergreifend brüsten.

Daß im Groß-D-Land bis zu einer Million illegalisierter Fronarbeiter unterwegs sind, stört scheinbar jene sonst phantasiereichen Fraktionsfunktionäre nicht, die während der Wahlkampfkampagnen immer den Schrei „Das Boot ist randvoll“ ausstoßen. Nach allen Tiraden, welche die Exportweltmeister-Titanen, die markigen Marktschreier der Standort-Stattlichkeiten, hören lassen, wird kaum einer angesichts der Beschaffenheit des heimlichen Broterwerbs den Finger akrobatisch auf die Wunde legen und den heimischen Sklavenhändlern akribisch eine Standpauke halten.

Zu allem Überfluß: Mit herkömmlicher Manier vernebeln die meisten Filialen der ethnozentrischen Forscherfamilien ihre engstirnigen Flickwerke mit dem Miniatur-Merkmal der „kulturellen Identität“.

Generell lassen sich die feierlich feinen Verfechter der ethnisch-identitären Emanzipation als Guerilleros offerieren, erweisen sich oft als Gorillas jener Personen, die im Auftrag der imperialen Zentren gegenüber den Geknebelten auf die krumme Tour reisen und sich deren Träume von Freiheit und Fortuna unter den Nagel reißen.

Für den Schutz der „bedrohten Völker“ unterhält das Auswärtige Amt sowie Geheimdienste en masse Vorfeldorganisationen, von denen wiederum eine große Menge unter dem NGO-Label in Lohn und Brot stehen und von anderen Staatsressorts wie dem Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit finanziell gefestigt werden.

Diese vom Hegemonial-Staat stattlich gepäppelten nicht-staatlichen Systeme und Fundationen funktionieren als engmaschige Maschinen oder Denkfabriken mit einem stets retrospektiven Repertoire an pangermanischem Panorama. Ihr Handwerk unter der Standarte des Humanismus besteht darin, ethnische Minoritäten zu ermutigen oder sie auch gegen jene Nationalstaaten zu erdichten, die gegenüber dem imperialen Zentrum den Gehorsam verweigern sowie regelrechte Retourkutsche verdienen. Wie man von vielen Orten ordinär weiß, züchten diese NGO-Nomenklaturen Wegelagerer als Weggefährten. Assoziationen, die nicht die Willenskraft demonstrieren können, dem Expansionsexperiment des imperialistischen Impresarios gute Dienste zu leisten, werden von der Liste der Förderwürdigen getilgt. Schließlich nährt man wissentlich eine Natter am Busen nicht.

In den anhaltend entfachten Wortgefechten um die migratorische Schlangengrube bzw. Gefahrenquelle kommt das Leitbild „Schmelztiegel“ wiederholt zum Vorschein. Es verleiht dem Ideal der lückenlosen Integration, nämlich der selektiven Assimilation der zugezogenen Einwohner hohes Gewicht und ermutigt die vielzüngigen Handwerker des Deutschtums, ihren Dreh zu intensivieren.

   

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