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Die letzte Irak-Resolution des Sicherheitsrates von
Anfang Juni 2004 stellt den hochgerüsteten gewaltbereiten Besatzern
und Usurpatoren, dem Theatercäsaren im Weißen Haus und
den Seinen einen Freibrief aus – ein Armutszeugnis für
die Parlamentäre am runden Tisch im UN-Hochhaus. Sie legitimiert
die Piraterie und delegitimiert sich selbst. Die Marketender können
jetzt ihren Feldzug fortsetzen und sich der National- und Naturreichtümer
in den mesopotamischen Breiten bemächtigen. Zivilgesellschaftliche
Halluzinationen harmonisieren auch die linksseitigen Libertianer
und reichen ihnen zur Genüge, die Klassenfrage von Neuem zu
verdrängen.
»Trotz mancher Änderung gegenüber
früheren Entwürfen gesteht dieser Text jenen Staaten,
die den Irak unter Bruch des Völkerrechtes angegriffen und
besetzt haben, weitgehende Verfügungsgewalt über ihre
Kriegsbeute zu.
Auch wenn es deutsche Regierungsvertreter anders
darstellen, die USA haben mit der neuen Sicherheitsratsresolution
ihre wichtigsten Ziele erreicht. Die Debatte der letzten Tage um
die Frage, inwieweit die irakische Regierung bei Militäraktionen
der Besatzer zu konsultierten wäre, wirkte dabei fast schon
lächerlich. Was eigentlich soll passieren, wenn die Regierung
eine bestimmte Aktion ablehnt? Dass die Amerikaner dann eben pokern
gehen, ist kaum anzunehmen. Und: Allawi und Co. wurden nicht nur
von den USA selbst eingesetzt, sie sind auch weitgehend abhängig
von Washington. Regierungschef Allawi arbeitete schon früher
eng mit dem britischen Geheimdienst MI6 und der CIA zusammen. Auf
ihn geht die Kriegslüge zurück, Saddam hätte innerhalb
von 45 Minuten Massenvernichtungswaffen einsetzen können.«
(Roland Heine in “Berliner Zeitung” vom 9. Juni 2004)
Ein Kostprobe von der Anti-Terror-Torte, welche die
Sauf- und Raufbrüder Uncle Sams dem Menschentum servieren,
ist nicht nur die Tortur der wehrhaften Demokratie-Domäne,
der Quarantäneaufseher, sondern auch das lukullische Lokum
für den Bombenleger Allawi auf dem Marionetten-Ministerratsposten
Mesopotamiens, der Anfang der 90er eine Terrorbande sowie einen
Ring von Agenten anführte, wie “New York Times”
vom 8. Juni 2004 berichtet. Außerdem: Ein weiterer Mentor
des Martyriums, der in der Bundesrepublik per Haftbefehl gesuchte
Drahtzieher der Geiselnahme in der irakischen Botschaft in Berlin
von 2002, Mithat Al Alussi, hat einen hohen Posten in Bagdad inne.
Daß der UN-Sicherheitsrat die völkerrechtswidrig
agierenden Okkupationsheere als “multinationale Streitkraft”
anerkennt, weist übrigens auf etwas mehr als ein Armutszeugnis
dieses gloriosen Gockel-Gremiums der “Völkergemeinschaft”
hin.
In der Skyline der panamerikanischen Siegespalme führt
das Novum Romanum, gemeinhin EU genannt, im Schilde, auf seinen
Anteil an den Friedensdividenden zu drängen. Seine Potentaten
können also nicht umhin, sich der Usurpatoren- und Kriegerkoalition
der Willigen anzuschließen und die Fortdauer der Okkupationsgefechte
unter der Banderole UNO zu billigen. Das Appeasement im Hinblick
auf die mesopotamischen Prämissen, wo marodierende Meuten und
Marketender ihre Beute einfahren, wird ihnen vielleicht die imposante
Ideenmanufaktur eines Paneuropanismus Mut einflößen.
Die Feuereiferer des Invasionsmanagements, die sich
mit allerlei Zugeständnissen an urbane Eliten, lokale Stammesscheichs,
ethnische und religiöse Kreise hermetische Luft zu verschaffen
suchen, verweisen nicht nur in die altbewährte herkulische
Teile-und-Herrsche-Abart, sondern legen auch Zeugnis als für
das kulturalistisch manipulierte, martialisch moderierte Auseinanderdriften
der sozial-humanen Nachbarschaften des Globus. Nicht nur verzapfen
die im UN-Sicherheitsrat optierenden Heroen noch größeren
Mist als die dem Herostrat verwandten Missetäter, sie halten
auch die ganze Welt für dämlich und fiebern danach, daß
diese ihr Gefasel vom wehr- und lebhaften Demokratie-Dogma abkauft.
Kollaborationskompanie für »Congregatio pro Gentium
Evangelizatione«
Die anti-deutschen Hilfstrupps allemannischer Allüren
wüten überall, wo die Kritiker des feigen israelitischen
Frevels zusammenlaufen. Damit provozieren sie eine Judeophobie unter
all jenen, welche die liebedienerische Kunstfertigkeit nicht verdauen
können, den Gewaltstreich der zionistischen Soldateska zu rechtfertigen.
Diejenigen Hilfssöldner, die sich als Zeilen- und Zitatenschinder
bei manchen ehemals radikal-linken Zirkularen oder Flyerredaktionen
der schmierigen NGO-Scharpies oder ähnlicher Kosmetikkooperationen
der Zivilgesellschaft schelmisch durchs Leben schlagen, bedienen
sich der Laienformel vom einzig relevanten Refugium für die
vom monströsen Antisemitismus Drangsalierten, um ihre militanten
Haßtiraden gegen die Sarazenen, das muslimische Weltgebäude,
Gewicht zu verleihen.
Weder der gestrige noch der heutige Judenhaß
entspricht der “Umma”, dem “Millet”-System,
dem islamischen Gesellschaftsvertrag mit Andersgläubigen. Die
Wurzeln der Mißgunst, die aus der Kolonisation Palästinas
durch die zionistischen Feldzüge ersprießt, liegen vielmehr
in der Reaktion auf die religiös reglementierte Ethnophobie
des staatlichen Souveräns der Siedler.
Wenn die teutonischen Tumultanten der anti-deutschen
Maskerade im Islam den zivilisatorischen Erzfeind erdichten und
ihm sogar den schwärzenden Schwindel des Faschismus umhängen,
so hat das Heidenspektakel nicht einmal mit dem moralischen Gewissenswurm
wegen des Holocausts zu tun, den ihre Altvordern bewältigten.
Vielmehr touren sie auf den mentalen Fährten der Kreuzritter,
machen sich jedoch nicht mehr aufgrund messianischer Gelüste
in den Morgen auf, Heiligtümer zu befreien, sondern die geheiligte
Wüste, unter der die Rinnsale des Petroleums sickert. Die sonoren
Solidaritätssonette der anti-antisemitischen Sirenen stimmen
im Endeffekt mit dem Hochziel des Missionaren-Projekts “Congregatio
pro Gentium Evangelizatione” überein, einer “der
einflussreichsten und zugleich unbekanntesten Organisationen des
Vatikans,” wie sie Andreas Englisch in “Welt am Sonntag”
vom 30. Mai 2004 unter “Millionen gegen Mohammed” porträtiert.
Hervorgegangen sei die “Kongregation für die Evangelisierung
der Völker” aus der Kongregation "De Propaganda
Fide" von Papst Pius V. zwischen 1566 und 1572.
Die Kongregation ist die einzige Institution der
Welt, die den Konflikt zwischen der christlichen und der muslimischen
»Religion aktiv austrägt. Sie untersucht nicht wie ein
Kultur- oder Forschungsinstitut das Verhältnis zwischen Muslimen
und Christen, sondern arbeitet ganz praktisch mit einem Heer von
mehr als einer Million Mitarbeitern daran, die Ausbreitung des Islam
und die Verehrung für den Kriegsherren Mohammed einzudämmen.
Sie will Menschen in aller Welt zum friedlichen Christentum bekehren,
dessen Religionsstifter niemals eine Waffe in die Hand nahm und
darüber hinaus den Menschen sogar befahl, ihre Feinde zu lieben.
Die Auseinandersetzung wird allerdings durchaus
mit militärischer Präzision ausgetragen. Kardinal Crescenzio
Sepe, Chef dieser aktiven Missionare, nennt seine Mitarbeiter nicht
zufällig "meine Truppen". Denn die Zahlen in diesem
Kampf um die Seelen auf der ganzen Welt sind beeindruckend. Die
Kongregation für die Evangelisierung der Völker ist allein
zuständig für 40 Prozent der christlichen Welt. Der Kongregation
sind 1081 Diözesen direkt anvertraut, darunter alle so genannten
"Zonen des Schweigens" - gemeint sind damit alle Teile
der Welt, in denen die katholische Kirche de facto verboten ist
wie in China, Saudi-Arabien, Vietnam, im Jemen oder in Kambodscha.
Der Kongregation untersteht ein Heer von 85 000
Priestern und 450 000 Ordensleuten. Als Nachwuchs bildet sie in
280 Seminaren weltweit 65 000 Priester aus. Die Hauptarbeit erledigen
die mehr als eine Million Katecheten, die den "kämpfenden
Teil" der Kongregation ausmachen. Sie klappern überall
auf der Welt Dorf für Dorf, Stadt für Stadt ab, um Unentschlossene
vom christlichen Glauben zu überzeugen. Der größte
Teil der Katecheten ist verheiratet, es sind Christen, die zum Broterwerb
versuchen, Menschen von der Richtigkeit des katholischen Glaubens
zu überzeugen. Durchschnittslohn: 30 Dollar. Im Monat, wohlgemerkt.«
Die EU-Autokratie orakelt über die »Illegalen«-Korona
der »Schlangenköpfe«
26. Mai 2004. Eine niederländische Maschine aus
Amsterdam mit abgelehnten Schwarzafrikanern am Bord landet auf dem
Flughafen Hamburg. Verschlossen im betriebseigenen Hafthaus sitzen
“Passagiere”, die gewaltsam aus Berlin, Baden-Württemberg,
Sachsen-Anhalt sowie der Justizvollzugsanstalt der Hansestadt hierher
transportiert wurden. Nachdem alle von den befehlsbefähigten
BGS-Beamten verfrachtet worden waren, rollte die gebrauchsfertige
Deportationsmaschine zu Departure. Ins Rollen kam damit eine frischgebackene
EU-Attraktion, deren Auftakt im großen Stil noch viele folgen
werden. Denn 30 Millionen Euro stellt Brüssel dafür bereit,
für die nächsten zwei Jahre.
6. Juni 2004. Im Meer vor der kretischen Hafenstadt
Siteia fischen die Patrouillen der Küstenwache neun Leichen
auf, insgesamt dreizehn seit 30. April 2004, dem Tag, an dem wieder
ein Boot voll mit migrantischem Menschenmaterial südlich von
Kreta kenterte. Hier verläuft eine Wanderer-Schleuser-Route.
“Illegale Einwanderer”? Vorläufer
einer schleichenden, aber anschwellenden Völkerwanderer-Welle
oder ihre Nachzügler? Galeerensklaven eines Imperium Europanum
der grenzenlosen Freiheit, wo die Globalismusglocke ohrenbetäubend
schlägt? Je lauter sie schlägt, desto lausiger steigt
die Konjunktur der weidmännischen Get-together-Party, die Jauchzer
der Jägerlatein-Jünger.
5. Februar 2004. Auf den Warton Sands, einer eisig
kalten Muschelbank an der Bucht von Morecambe im Nordwesten Englands
sind im Nachtdunkel Fronknechte (Erntesammler von Herzmuscheln,
münzengroßen Schalentieren, einer begehrten Delikatesse)
von Springfluten eingeschlossen, vermutlich vierzig in der Zahl.
Sechszehn Überlebende und zehn Ertrunkene ziehen die Rettungsboote
aus der See. Zehn Leichen schwemmen am Ufer an. Alle aus dem fernen
Osten. Chinesen. Unter der Balkenüberschrift “Sklaverei”
schildert Reiner Luyken in “Die Zeit” vom 1. April 2004
einige Details des Betriebsunfalls, legt jedoch – wie jeder
andere Schmierfink der Printimperien – das Schwergewicht seiner
Novelle auf die “Schlangenköpfe” und “Gangmaster”,
in deren Fängen sich bis zu 100 000 papierlose Parias Englands
befänden. “Gangmaster sind, so eine bis heute gesetzlich
gültige Definition von 1867, Leute, die saisonale Kräfte
an Farmer vermieten. Zeitarbeitsvermittler also. Um die tausend
von ihnen, lautet eine Schätzung des britischen Innenministeriums,
operieren in den dunkelsten Winkeln des Arbeitsmarktes.”
Der Zeilenschinder der “Zeit” läßt
in seiner Libertinagen-Elegie zwar die Profitgeier nicht außer
Acht, widmet dem Großmogul der Deregulationsfabrik im (nicht
nur) Insulaner-Reich, dem byzantinischen Barden des Imperium Amerikanum,
Antony Blaier, jedoch keine Zeile, verliert auch keine Silbe über
das betriebsfertig beschriftete Bravourstück der christlich-kapitalistischen
Bastei, das Erdmenschentum zu Leibeigenen der inbrünstige Landzunge
namens Europa zu deklarieren.
Hierzu noch folgende Episode: Zeus, der zornmütige
Herr über Himmel und Erde, befindet sich vor der Hybris der
Herostraten auf der Flucht. Auf der Suche nach einer Zuflucht überquert
er den Großteich, stürzt kopfüber im US-Bundesstaat
Pennsylvania in den Fluß Potomac, wird von dessen Schlamm-Massen
nach Washington geschwemmt, rettet sich hier direkt ins Weiße
Haus, wird von einem dunkelhäutigen Dragoner empfangen und
geradewegs ins Oval Office begleitet. Dort grübelt im oliven
Overall eines Olympiers der höchst messianisch motivierte,
präsidial-präsente Imperator mit einem Rohrstock in der
Hand darüber nach, den letztgültigen apokalyptischen Reiter
Osama bin Laden in den Hindukusch-Gipfeln zu überlisten, während
er in der anderen Hand fortwährend eine Pistole hält,
die seine konventionellen Kombattanten und frommen Folterfront-Kompanien
dem letzten Nebukadnezaren namens Saddam Husein in einem Erdloch
am Tigris entnahmen und ihm als Triumphatoren-Trophäe zum Geschenk
machten.
Leid tat er selbst dem gejagten Göttergott, der
wie von der Tarantel gestochen dem rauchigen Refugium der rudimentären
Räuberpistole entfloh und sich dem Tartarus ergab.
Nicht deswegen weint aber Athene, die jungfräuliche
Göttin der Weisheit, der Künste, des Handwerks, auf dem
Olymp zum Steinerweichen, sondern um die schwarzarbeitenden Lohnsklaven
auf den Olympia-Baustellen. Das Athener Tagesblatt “Kathimerini”
vom 3. März 2004 gibt die Gesamtzahl der dort Beschäftigten
kund: Rund 11.000, davon 50 bis 70 Prozent irreguläre Ranklotzer
aus Osteuropa und dem Trikont. Da bekundet der Generalsekretär
der Bauarbeiter-Gewerkschaft, Georgios Theodorou: “Wir hatten
Todesfälle im Athener Olympiadorf zu beklagen, wo es nur zwei-
oder dreistöckige Gebäude gibt. Wer von morgens bis abends
arbeitet, verliert seine Reaktionsfähigkeit. Die unqualifizierten
und billigen Arbeitskräfte aus dem Ausland werden ohne Green
Card von den Arbeitgebern ausgebeutet. Sie protestieren nicht dagegen,
dass sie nicht bezahlt und versichert werden." Schaudervoll.
Ein Handwerker fügt hinzu: "Im Mediendorf Selete nahe
dem Athener Olympiastadion hatte ich als Helfer einen Universitätsprofessor
aus Georgien. Er bekam 15 Euro für sieben Stunden und 3 Euro
für Überstunden. Er hat den ganzen Tag geschuftet. Die
Griechen werden verjagt. Die Ausländer bleiben und arbeiten.
Nachdem die Albaner aufmüpfig geworden sind, bedienen sich
die Baufirmen einfach bei anderen Nationalitäten."
Olympiade heißt das monumentale Sportspektakel,
der Freudensturm der Friedensfortuna. Aber er hat mit dem Glück
offenbar so viel Ähnlichkeit wie der Kahle Asten mit dem Kilimandscharo.
Kein Urbehagen für die besitzlosen Nachbarschaften dieser Erde.
Vielleicht ein Comeback der Edelmetall- und Medaillenjäger,
die sich dem Irrgarten der nach Rivalität dürstenden Ichsucht
hingeben, aber wissen, woher der Wind weht – von der Idiotrie
der kollektiven Identität. Demgemäß haben sie sich
früh genug in den Kopf gesetzt, sich im Museum der Ikonen Meriten
zu erwerben. Sie rechnen in vollem Maße damit, daß sich
ihr Volksstamm himmelhoch im Jubelgeschrei wieder einmal auf sie
zubewegt und die Lunge aus dem Leib bläst, wenn sie erstgereiht
die Siegespalme erreichen und über ihnen die Nationalflagge
von einem strahlend stählernen Mastbaum baumelt, den zuvor
die Fronknechte beim Einsatz ihres Lebens aufrichteten.
Das postproletarische, pop-polemische Protektorat der Sprachschwierigkeiten
Dank des Philanthropismus des altersgrau, exzellent,
altruistischen Ex-Straf- und Jetzt-Staatsverteidigers Otto Schily,
der sich im Hohlraum zwischen einem schemenhaften Sheriff und dem
separationsfähigen Syndikus in der Sieger-Silhouette der zivilisationszentrischen
Eurovisionen porträtieren läßt, stieg der “islamische
Terrorismus” allerorten auf den Allgemeinplatz des Kommunikationskompasses,
damit auf den “Altar” der geläuterten Friedensprediger
im Glotzophon. Längst haben die Vokabulars wie “Islamismus”
oder “Fundamentalismus”, die ein aufklärerisches
Attribut zum Inhalt hatten, Abstriche hinnehmen müssen. Mit
dem “Islam” allein können die Untertanen des vom
Krisenkometen kollidierten nationalstaatlichen Trabanten, die sich
wegen der Preisexplosion des schwarzen Goldes schwer kollabiert
fühlen, endlich ihr Gegen-Götzenbild malen.
Dem “Terrorismus”-Tropus ein “christliches”
Adjektiv anzuhängen, würde die lingualen Lehrmeister unter
dem Leitstern des Abendlandes sündhaft strapazieren. Das Kruzifix
glänzt hier als das oberste Kürzel des absolut Guten,
geschützt vor jeglicher fremdländischer Schmierage. An
ihm stolzieren selbst die Aufklärungs-Adlaten scharenweise
vorbei und erwecken so den Anschein, als wären es der Sensemond
oder der Davidstern gewesen, die die Kreuzheere des Kolonialismus
begleiteten, während die legendären Legionäre der
besitz-besessenen Heiligkeit gegen den Leviathan der Subsistenz-Existenzen
das Schwert schwenkten und den Kanonenschlag betätigten, die
südliche Halbkugel ins bis heute anwachsende Elend stürzten
und ihr Menschenmaterial in die Sklaverei trieben. Selbst die zornroten
Soldateska und Södlinge im überfallenen Zweistromland,
die Foltermägde und -knechte wollen nicht mit dem Adjektiv
“christlich” inkriminiert werden, obwohl der Generalissimus
des Imperium Okzidentum den Text seiner ordinären Order auf
den brodelnden Wortbrocken “Kreuzzug” verkürzte.
Wie lassen sich nun die Tortur-Touren der selbstherrlichen
Zivilisationsersten bezeichnen? Als Kolonialismus oder Imperialismus?
Nun: Sie kursieren selbst in den kritelnden linken Kreisen als notgedrungen
geführte Aktionen, deren Attraktivität im Kontext mit
den Menschenrechtsmeriten akklamiert und hämisch mit den hegemonialen
Ambitionen unter dem Label “humanitäre Interventionen”
harmonisiert wird.
Wie läßt sich der “christlich-abendländische
Kulturkreis” bezeichnen? Als Empire oder Imperium? Das sind
nun längst die gutartigen Tumore, die zwar kontaminierend wachsen,
ihre Folgen jedoch höchstens als kleineres Übel in einem
aus den Fugen geratenen Erdenrund gelten.
Sehen nicht die allermeisten links oder alternativ
artikulierten Parteien in ihrer alt-kontinentalen Landzunge ein
Eldorado der abenteuer- und spaßdurstigen Zivilgesellschaft,
die Bahamas unter dem Leitstern eines zur Reinkarnation gereiften
Christoph Kolumbus, ein himmlisches Flugfeld des Space Shuttles,
das Fraternisation, Schutthalden-Krieg, Friedensfortuna, Fremdenfreundesdienste,
Frauenrechte, Emanzipationseifer u.a. akkumuliert? Ein Konglomerat
der Menschenrechts- und Zivilisationsersten?
Konterkarieren läßt es sich aber nicht
als Novum Romanum, dessen Fernziel darin besteht, ein Kastell neoständischer
Architektur aufzubauen, ein Koloß der Tüchtigen-Kollektive,
ein supranationales Gewaltkartell, das die Peripherie und den Trikont
auf das Terrain der Galeerensklaven und Leibeigenen, auf das Reservat
der Überflüssigen, auf die Quarantäne der Verseuchten
reduziert? Eine auf kulturalistisch bewölkte Sumpfsäulen
getürmte Apartheidpyramide in einem “globalen Dorf”,
deren enges Oben die Kaste der Patrizier bevölkert, deren breites
Unten die Klasse der enteigneten Parias?
Die gegenwartsnahen Gegenpart-Partisanen der sprachlichen
Umweltsünder stehen auf Wacht in einer zählebigen Zensur-Zone
zwischen “Political Correctness” und dem neuesten Duden-Druck,
patrouillieren wie eine Geisteskraft- und Zeitgeist-Gendarmerie
vor den zeilenzüchtenden Zirkeln, die zweckwidrig aus dem Rahmen
des Normativen fallen.
Daß es Blattleser gibt, die sich bei der Lektüre
eines zivilisationskritischen Schrifttums durch Sprachschwierigkeiten
konfrontiert fühlen, läßt sich nicht weg leugnen.
Gleiches Dilemma dämmert jedoch herauf, wenn technologische
wie ökonomische Neudruckbogen-Brocken als Folge der mikroelektronischen
Revolution sogar den Makrokosmos der Feuilletons überfluten.
Welches kritische, dem kapitalismuskonformen Konvoi
widerstreitende Gewicht kann ein sprachlicher Versuch dann vorweisen,
wenn der Autor mit dem alteingewurzelten Wortbestand das Ungetragene,
Unbekannte, Ungewohnte akribisch artikulieren und illustrieren will?
Natürlich fordert er seine Leserschaft, wenn er für den
Inhalt, den er in seinem Kopf komplettiert, Synonyme, das gängige
Gedankengebäude überschreitende Symbole sucht, notfalls
neues Sprachgut schöpft. Er muß Mut fassen zu alterieren,
statt das Altersblanke zu alternieren. Ansonsten versteht man den
Inhalt, ohne davon eine einzige Silbe mitzunehmen.
Solange die linksgängigen Literaten nicht über
das Potential verfügen, sich eine libertäre Licht- und
Sprachflut anzueignen, werden sie weiter das antiquierte Agitprop-Steckenpferd
kutschieren, im nachhinein die katastrophalen Kraftquellen kritikastern,
sich stets in die Geiselhaft des repräsentativen Lehrgebäudes
begeben, hier ein Gemüt wie ein Schaukelpferd haben und sich
die erhoffte Reaktion aus dem Kreuz leiern müssen. Je launiger
sie im Blickwinkel gemeingültig verständlicher Texte formulieren,
ihre Feder schwingen oder auf die Tastatur ihres Elektronenhirns
hämmern, desto lauter und lausiger wird ihnen der Klagegesang
zu Ohren kommen: Ich verstehe die Welt nicht mehr!
Wer kleinkariert mit dem herrisch transferierten Kompost-Kompaß
der transparent altväterischen Profession experimentiert, das
Begriffsinventar der Nonkonformisten ins Abseits des Minderwertigen
transportiert und dadurch edle Eigenschaften für sich reklamiert,
landet selbst im potentiellen Zeughaus der lichtlosen Parodien oder
paradiert im popmodernen Port des Populismus, in dem nur eine Krähe
der anderen kein Auge aushackt. Wer in einem solchen Tafelland den
Raben zum Wegweiser beruft, kann seinen Riecher schwer aus dem Mist
herausziehen.
Das Delirium durch die demokrakende Demontage der kosmopolitanen
Lebenswelten
Die Frage nach der universalen oder partikularen Gültigkeit
vom heiteren Menschenrechtsmemorandum fußt auf einem heiklen
Bodensatz. Was universal ist, bestimmen die selbstpartizipierten
Patrizier des Universums. Partikular heißt dann, was mit ihrem
Flair vom Verständnis nicht übereinstimmt. Der Patrizier
heischt daher immer nach interkulturellen Zusammenkünften und
Kontakten, nach Appellen, aus seinem Herzen keine Mördergrube
zu machen. Im Prinzip stecken die rivalisierenden Raff- und Raufbrüder
der Freimütigkeit im aufklärerischen Sumpf fest, kapseln
sich ab und drücken sich um Mißverständnisse herum,
statt sie so zu riskieren, daß sie letztlich an den Lichtpunkt
gelangen, für das Zustandekommen einer kollektiven Kommunikation
einen Beitrag zu leisten.
Das transnationale Trara, mit dem die von der Eurokratie
besoldeten Projektpatrone und populistischen Affektheischer ihre
poppig geplanten Panels praktizieren, birgt in sich nur Gehabe,
spielt somit jene supranationale Affenkomödie, um die superimperialistischen
Gelüste stattlich zu mehren. Die Diskurswerkstätten des
studiokratisch strukturierten Tugendwachtturms mit Toleranz-Trommel
und tantenhaftem Tändelmarkt-Tamtam bringen die diskriminierende
Tünche angeblich ins rechte Licht, doch überwiegt die
Konstitution von Geld und Eigentum, die das breite Publikum in Flüssige
und Überflüssige teilt.
Hinter der seit Mai 2004 ausgedehnten Schengen-Linie
der tüchtigen Tütendreher stiefeln die Leibdiener und
Lehnsessel-Laien der Paläste. Während das macht-maschinell
ferngesteuerte Betriebsystem der geldlich grellen Zivilisation und
der Polyarchie der Mammon-Monaden die Keimzellen des Daseins vernichtet,
setzen sich die lokalen Lakaien der lukrativen globalen Lobbys in
Szene, indem sie die anderen im Außerhalb ent- oder verwerten.
Licht am Ende des Tunnels erblicken sie nur, wenn es ihnen gelingt,
die Erdkugel so zu arrangieren, daß sie mit allen imaginablen
Facetten ins eingeengte Gesichtsfeld der imperialen Improvisationen
paßt.
Die öko-sozial okulierte Demagogie vom nachhaltigen
Fortschritt, dessen Mittelwert darin besteht, die unmittelbare Mitwelt
mithilfe der Demokratie-Droge abzuwiegeln, hebt die neoliberal nivellierten
ständestaatlichen Allianzen des kulturalistisch komplementierten
Totalitarismus in den Sattel. Unter dem Donnerwetter der Toleranz,
die geschlossene, miteinander konkurrierende Gesellschaften voraussetzt,
negieren die öko-patrizischen Marktschreier des ethnozentrisch
entfesselten Establishments jegliche Übergangs- und Zwischenzonen
sowie Quartiere gemischter Populationen. Als Tugendwächter
der Aufklärungsaura lassen sie nicht zu, Unterschiede auf der
Grundfeste der Gleichwertigkeit als selbstverständliche Impressionen
einzukalkulieren. Wer Metaphern aus der Fontäne der Utopien
schöpft, dem wird mit dem Prügelstock des Spottes die
Fresse poliert.
Die Föderierten der Freiheitsformel hinken hinter
der Formation der Tartüffe-Trommler her, haben selbst kein
Format mehr. Selbst am Dateienfenster zum Datennetzwerk spiegelt
sich das Sonnenbraun des Kapitalismus, über dessen ruinöse
Ruhmsucht man nicht hinauskommen kann, ohne seine altväterisch
verräterischen Fundamente zertrümmern zu wollen –
samt seiner Avantgarde in seinem universitär und medial partizipierten
Port, seiner Kader in patriarchal positionierten Palästen der
Oligarchien und seines parlamentarisch postulierten Politikums.
Ohne diesen Wagemut haben sich alle alten Grübel-Knaben
der peripheren Podien und Publikationen der kapitalkritischen Foren
in Geiselhaft der Demograzien im Krisenkosmos zu begeben –
hinter der ihnen aufgezwungenen Charaktermaske der hämisch
gekünstelten Humanität und hermetisch verriegelten Universalität.
Frech wie Oskar – die Episode einer Ohrfeigen-Opposition
Angetreten als rivalitätsvitaler Balkanfeldzugsritter,
Reformmotor, Arbeitsplatzzauberer, als probater Genosse der Bosse
und Kommissionär des Krösus kolorierte er die Green-Card-Kapriole,
die fremdländischen Qualifikationseliten den Einlaß ins
“Neue Mitte”-Reich der Berliner Republik zu erleichtern,
restaurierte das Lehrgebäude des selektiven Staatsbürgerrechts,
schickte sich an, den Friedensfiaker zu steuern und zwischen Paragraphen-Duellanten
des Labels “Zuwanderungsgesetz" zu beschwichtigen, das
ein monströses Verbotsregister verkörpert und manifestiert,
daß die innere Sicherheit keinen Aufschub duldet. Für
all diese kühnen Mannestaten bekam er, auch als Kaschmir-Kanzler
mit der Original-Havanna im Mund bekannt, in kühlen Maitagen
eine Ohrfeige eines Landeskindes, das wahrscheinlich wegen überspitzter
Palaverparaden durch den Wolf drehte. Die ärmliche Episode
barg für die sensationssüchtigen Prosaproduzenten kein
pomphaftes Politikum in sich, aber einen Themenstoff für das
“Vorwärts”-Editorial vom Juni 2004, das sozialdemokratische
Promotionsblatt. Dabei gehe es “um mehr als die Ohrfeige eines
arbeitslosen Lehrers,” pointiert die Editorin Susanne Pohrn
und legt damit an den Tag, wie die “innere Sicherheit”
des Groß-D-Landes von Innen heraus gefährdet wird: “Immer
mehr Menschen schicken wüste Beschimpfungen auf den Weg, drohen
mit Gewalt, bis zum Mord, wenn ihnen an der Politik etwas nicht
passt. ... Es kommt noch schlimmer: In einigen Medien wird der Schläger
zum mutigen David stilisiert, der es wagt, sich mit der großen
Politik anzulegen. Letzter Höhepunkt der Perfidie: Er darf
im Fernsehen seine Ohrfeige nachspielen. Der Täter wird zum
Helden, der Nachahmer animiert. Ein Schlag ins Gesicht, für
all diejenigen, die versuchen, das Faustrecht auf Schulhöfen
und Straßen einzudämmen.” Wer meine, meint die
Genossin am Schluß, “Politiker als Fußabtreter
benutzen zu müssen, tritt auch die Demokratie mit Füßen.”
Ein Schmerzensruf gegen den Schelmenstreich mit schwieriger Schattenseite.
Hinzu Mathias Wedel in “junge Welt” vom 28. Mai 2004:
»Halbwüchsige, die sich in der Öffentlichkeit
aus Schabernack gegenseitig “schrödern”, werden
von ehrenamtlichen Schöffen ermahnt. In einem Gymnasium am
Prenzlauer Berg mußten Schüler, die “klammheimliche
Freude” durch freches Grinsen ausdrückten, von den bevorstehenden
Abi-Prüfungen ausgeschlossen werden.
Auch unsere Kultur- und Kunstschaffenden treten
dem geschlagenen Kanzler zur Seite. Der Ostberliner Schriftstellerverband
unter Führung von Hellmuth Karasek rief zu einem Literaturwettbewerb
“Kanzler schlägt man nicht” auf. Ein ABM-Projekt
wurde bei der Bundesregierung eingereicht, in dem sich Hunderte
erwerbslose Historiker, Philosophen, Pädagogen und Journalisten
der Kulturgeschichte der Ohrfeige zuwenden und somit ihre Einkünfte
bis in den Sommer 2005 sichern. Sorbische Trachtengruppen üben
den Volkstanz “Volle Kanne eine Klatsche” für die
nächste Kanzlervisite im Osten.«
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