XXVIII. Jahrgang, Heft 150
Jan - Mär 2009/1

 
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Letzte Änderung:
14.02.2009

 
 

 

 
 

 

 

EDITORIAL

Es wettert schwer winterlich.
Die Black-Partner der CD-Union wärmen die kulturalistische Atmosphäre auf

   
 
 


Der Krisenkurs des Endkapitalismus befindet sich im Höhenflug, hält dennoch seinen Widersachern die Faust unter die Nase, macht aus ihnen Krummbuckel-Karawane und Kapriolen-Konvoi.

Überall grübeln die Kröten-Kurtisanen, die Kompanien der Krisenkritik kommen als arische Aristokraten oder archaische Liebediener der liberalen Libertinage vor. Es maunzt und mault der kleinbürgerliche Krämergeist, und kaum einem geht das Licht auf, daß der träge wie triviale Turbokapitalismus mit seinem abgrundtief in Fäulnis übergehenden Habitus bereits den Gipfel erreicht hat, wo er loslegt, seine Tage zu beschließen.

Metropolitane Höflinge des demokratischen Metiers eilen demonstrativ zum höchstmöglichen Dazutun für die betagte "unsichtbare Hand", halten über sie den Schild, damit sie die Demontage verschmerzt, wieder wie der Hahn auf dem Mist in Funktion tritt und den Gewinnfluß sichert.

Man bemängelt den Mammon, verstummt aber vor dem Mammutkult der globalen Besitzstandskaste. Kumpanen der kranken Krakenkartells krakeelen nicht, die kreiselnden Krise zu bewältigen, sondern deren Kosten in globo auf die wehrlosen Schultern der Loser zu laden.

Es kreiselt. Der Krisenkomet kreist über den Dächern der metropolitanen Mäuse-Häuser. Die Mentoren der medialen Meute lassen lässige Lehren memorieren. Die Glockenlaute der merkantilen Globalisation klingen als Sintflut der Flaute aus. In den Denkfabriken dominiert die demokratisch akklamierte Diktatur als dämmeriger Akademiker, der sich der geläufigen Routine der demagogischen Manier nach abplagt zu deklarieren, warum es andere geben muß, denen man die Last der Verluste auf den Hals laden kann. Das sind natürlich die unterbegüterten Nationen.

Ist das Augenmerk der imperialen Zentren auf die Feste Europa angemessen positioniert, kommt es nicht zu blutigen Händel, sondern zum blumigen Handel. Dieses eine Mal wollen die marktmächtigen Hegemons nicht krampfhaft konkurrieren, sondern koalieren, um die Finanzhaie zu begütigen. Zuvor brauen sie sich aber mit Bravour zusammen, selbst den gestrig gespenstigen Gegnern des super-imperialistischen Systems den Kopf zu waschen.

Die Agenten des satten Tartüffe-Taumels auf dem Staatssattel leisten Gewähr, den Schlendrian in den Mäuse-Häusern im Griff zu haben und den alten Adam abzulegen. Den Husarenstreich setzen sie gemäß der Maskeradenmanier in ihren Mustermessen fort, nehmen regelrecht weite Erdgegende als Protektorate unter dem repressiven Regiment der lokalen Leisetreter in Augenschein.

Der expansive Aufwärtstrend des enteigneten Anteils der Erdlinge hält an, zuvorderst in der Peripherie, aber auch in den Zentren der Zivilisation. Das heißt, die breite Masse der Randständigen ufert aus jenseits der gesellschaftlichen Mitte. Zugleich gerät der Kapitalismus nicht außer Rand und Band, steckt vielmehr im Haufen der Fäulnis.

In einem Zeitabschnitt des als Anstand reflektierten Renegatentums und des reservierten Konvertiten-Konvois, wobei jede bourgeoise Krämerseele den Mantel nach dem Wind dreht und gegen die Pleitiers des Planeten zu Felde zieht, ist man allein auf weiter Flur.

Wenn die Avantgarde der elementaren Kritik nicht auf Lager den Wagemut hat, dann sollten zumindest die Kabarettisten vor dem Kabinettstück der kapitalistischen Klagebarden und dem Klamauk der Koketterie-Karrieristen nicht kapitulieren. Denn Humor kommt in zornmütigen Zeiten der demokratisch dominierten Zeloten als wahrhaft wirksame Waffe vor, die sich dem hundserbärmlichen Trübsinn des Humanen entgegen halten läßt.

***

Es wettert schwer winterlich. Die demokratisch dekorierten Gemeinplatz-Gemecker kursieren kurzweilig im Schein über alle Kommunikationsmittel. Überall. Die Regimenter des ramponierten Regimes wetteifern um Gespenstergeschichten und triviale Tiraden, malen allemal paralysierte Parallelwelten, attackieren Windmühlenflügel. Alteingewurzelt.

Zum Beispiel wärmen die Black-Partner (nicht Panter) der Schwarzen-Union die kulturalistische Atmosphäre auf, um die Neugier des breiten Publikums auf etwas zu lenken, was im Jenseits der vaterländischen Fantasterei ans Licht kommt. Sie manövrieren anhand einer Manifestation von der Pleitenpartie der Plutokratie hin zum germanophilen Gesprächsstoff.

Der CDU-Parteitag vom Anfang Dezember 2008 lieferte einen beleibten Beleg dafür, was die Tugendwächter des Groß-D-Landes alles tun, um den völkischen Charakter des Staates verstärkt zu vertiefen. Das Delegierten-Votum, den Zusatz "die Sprache der Bundesrepublik ist deutsch" in das Grundgesetz aufzunehmen, bricht als ein Wagestück hervor, zugleich eine Warnsignale an die Adresse der Population nicht-deutscher Sprache. Ein Ausschluß aus den staatsbürgerlichen Rechten droht, der Druck des Apartheidsapparats gewinnt an Gewicht, wenn aus der artikulierten völkisch frommen Formell ein Artikel hervorgeht.

Im Grunde genommen fungiert die ihrem Gedankengehalt nach amüsante Ambition der CD-Union längst als blümerante Bulle mit dem praktizierten Sprachtest für die Kandidaten der Staatsbürgerschaft.

Genau genommen wohnt der aus dem leeren Lehrgebäude der Leitkultur-Lektion resultierten Resolution die Intention der Initiatoren inne, in Mainstreammedien eine dumpfe Debatte auszulösen. Das tat sie mehr oder minder auch. Völkische Zirkel machten sich schnell ans Werk, starteten schnellstens Unterschriftenaktionen. Die Butler und Bundesgenossen der Partei-Potentaten, die eigenem Gutdünken nach für das gemeine Wohl buckeln, verheimlichen, daß ihr Augenmerk im Kontext mit Massendeportation von der muslimischen Minorität steht, welche als die Blasen-Basis der marktschreienden Djihad-Scharen markiert wird. Man erblickt nicht unschwer die Renaissance jenes tausenjährigen Denkens, welches mit dem Führer-Reich nicht unterging.

Ein solcher Artikel im Grundgesetz, den man im Schilde führt, also in einer einmaligen Konstitution, da sie nicht aufgrund eines Referendums zustande kam, zielt darauf ab, die kulturelle Menschenrechte zu negieren, zu denen auch die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen gehört. Das Reichstag hat sie bisher nicht ratifiziert.

Jegliches plebiszitäres Plenum schließt der Hegemon der deutschtümelnden Demokreatur aus und prahlt populistisch gegenüber dem Randstand der allochthonen Plebejer - der Metöken in den Metropolen der Menschenrechtsmentoren.

Kein kritisch kristallisierter Gegenstandpunkt. Nirgends. Kein Unterfangen Utopie. Auf Weg und Steg. Kein Herz, den christlich kapitalistischen Kannibalismus in die Schranken zu fordern und an die Sonne zu kommen. Selbst migratorisch selbstorganisierte Sympathisanten der Teuto-manischen Demokratur äußerten sich in ihren ersten Reaktionen auf den Schwarzen-Schwank so sanftmütig, als wollten sie ohne Sang und Klang bleiben. Also byzantinisch. Sie erwiesen sich einmal mehr als karnevaleske Karikaturen der getreuen Gettogther - als Kollaborateure einer demokratisch doktrinären Domänen-Gewalt, die in Sachen der Indienstnahme von Malträtieren und Traktieren als Altmeister zutage tritt. Als systemimmanente Pressuregroups kreuzen sie die Schwerter um das subalterne Prestige. Doch die regulatorische Regie der Status-quo-Streifen läßt die allochthonen Allemanen nur als Staffage-Statisten regenerieren - im Parterre der Privatier-Parteien. Und wie platonische Promotoren des Politikums, die mit profunden Fertigprodukten der Propaganda sowie Platituten hausieren, werfen sie mit gelehrten Brocken um sich.

Wann auch das Kruzifix seinen Schutz im Grundgesetz sucht, weiß man nicht. Doch das kommt noch. Sicher wie das Amen in der Kirche. Sobald der Kreationismus stark genug spektakelt, und das nächste Debakel des Kapitalismus apokalyptische Visionen zu Hilfe ruft.

***

Es kriselt. Auch in jenem Nährboden, auf dem die Stützpfeiler des Quartalperiodikums DIE BRÜCKE stehen. Manche verlassen sie, andere wiederum melden sich, ihr den Rücken zu stärken.

DIE BRÜCKE war und bleibt das Sprachrohr der marginalisierten Lebenswelten unter dem Ellenbogen der imperialistischen Gewalt. In ihr kommen seit über einem Vierteljahrhundert die Realisten und Utopisten der kosmopolitanen Weltbilder sowie die Handwerker der literarischen Ästhetik zu Wort. Sie denken sich ins Leibeigenen-Kismet der Wanderproleten und in die ethnozentrischen Barrikaden der metropolitanen Gesellschaften hinein, attackieren die marode Kastenpyramide des Besitz- und Krötengötzen sowie die neorassistischen Marotten der Leitkultur-Kurtisanen, die keine Alternative zum ramponierten Globus sehen.

Trotz aller Engpässe, in denen die Herausgeber stecken, pocht DIE BRÜCKE auf ihre Fortdauer und hofft, daß die Verfechter eines kosmopolitanen Gesellschaftsgebäudes sie nicht im Regen stehen lassen.

In diesem Sinne wünscht die Redaktion allen ein frohgemutes neues Jahr.

Necati Mert


Im Überkastenreservoir des Krötenkastells allein
fleht der Brokerbaron zum Zyklopenklon
zieht sich zurück ins stille Kämmerlein
fordert in die Schranken den Barbarenzyklon
mit Bravour auch die braven Barden
trainiert Titanentumult in der Top-Etage
bemächtigt sich die arische Avantage
wenn der Vagabund hinter dem Warenhauswall
zum Steinerweichen weint
wenn Warnzeichen-Wallfahrer jedes Mal
einen Privat-Propheten als Profit-Hirten schaffen
einen Garten Gottes nach dem anderen raffen
und angeben wie eine Lore nackter Affen

   

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