|
Lange hat sie darauf hingearbeitet. Nun hat sie es geschafft. Sie
hat es geschafft mit der nur Zonis eigenen Zähigkeit, die in
40 Jahren DDR gestählt wurde, als die Mangelwirtschaft eine
Hamstermentalität hervorrief, die sich bei Angela Merkel in
den gleichnamigen Backen auch physiologisch niedergeschlagen hat.
Wenn ich sie auf dem Bildschirm sehe, befällt mich schlagartig
eine tiefe Depression. Schließlich wird die traurige Gestalt
mit dem leicht verkniffenen Zonenblick in den nächsten vier
Jahren das politische Klima bestimmen, gegen die die „bleierne
Zeit“ ein Honigschlecken sein wird. In ihr hat sich Honeckers
Rache nicht nur ökonomisch vollendet, sondern wurde auch ästhetische
Wirklichkeit. In Angela Merkel erhebt die DDR noch einmal ihr häßliches
Haupt. Die überall im Land zu hörende Klage über
das Jammertal Deutschland hat in Merkel Gestalt angenommen. Mit
Merkel ist nicht nur die Zone wieder auferstanden, sondern die Banalität
der Blöden zurückgekehrt, die unter Kohl, dessen Ziehtochter
sie ist, schon einmal sechzehn Jahre lang wie Patina sich über
das Land und alles lahm gelegt hat, was nach einem Ausweg aus der
Misere Deutschland gesucht hatte.
Angela Merkel hat keine Ausstrahlung, höchstens
Stallgeruch, sie mit Glamour und Glanz in Verbindung zu bringen
gliche dem Versuch, die Spreewälder Gurke auf einer Modenschau
von Gucci verkaufen zu wollen. Merkel verkörpert nicht das
Böse, das die Opposition in dem Ziel einigen würde, sie
wieder abzuschaffen, sie hat nicht das Format eines George W. Bush,
der den Haß der ganzen Welt auf sich zieht und der immerhin
das Verdienst hat, die Linke weltweit wieder wachgeküßt
zu haben. Merkel taugt weder zum Schurken noch zum Messias. Sie
ist nur öde, uninspiriert, unoriginell und Humor ist bei ihr
das, wenn man trotzdem lacht, am besten im Keller. Merkel liebt
eher das Unscheinbare als die große Geste und sie erweckt
immer ein wenig den Anschein, als fühle sie sich im Scheinwerferlicht
nicht besonders wohl. Lieber würde sie zu Hause auf der Couch
sitzen, wo sie als Kartoffel eine prima Figur abgeben würde.
Merkel ist die perfekte ideelle Gesamtkleinbürgerin, und deshalb
wurde sie auch gewählt, denn diese Spezies ist immer noch in
der Lage, in Deutschland Mehrheiten zu generieren. In ihr erkennt
sich der Spießer wieder, hier fühlt er seine Tugenden
gut aufgehoben, das Piefige, das Duckmäusertum, das Beharren,
bzw. all das, worauf Enzensberger mal ein Loblied gesungen hat in
der irrigen Annahme, dieser Typus wäre resistent gegenüber
allen Verlockungen, mit ihm Staat zu machen. Was er nicht bedachte,
daß es die großen Rattenfänger nicht mehr gibt.
Heute heißt der Rattenfänger Angela Merkel und sie schalmeit
nicht und flötet auch kein unwiderstehliches Liedchen, sondern
rationiert gesellschaftlichen Reichtum.
Als feststand, daß die Merkel Kanzlerin werden
würde, wurde sie auf einer Pressekonferenz gefragt, wie es
ihr gehe, denn die Presse neigt dazu, etwas aus den Leuten herauszubröckeln,
was man eigentlich gar nicht so genau wissen will. Erstens gehe
es ihr gut und zweitens stünde viel Arbeit an. Ad 1 bin ich
dankbar, daß sie ihren Zustand nicht ausführlicher beschrieben
hat, ad 2 fällt mir ein: Je weniger von dieser, der Arbeit,
vorhanden ist, desto mehr ist die Rede davon und um so mehr wird
Arbeit simuliert. Angela Merkel geht da mit gutem Beispiel voran.
Sie geriert sich als fleißige Arbeitsbiene im Dienste des
Volkes, und wahrscheinlich ist sie es auch, aber auch bei ihr gilt:
Je größer der Aufwand, desto geringer der Ertrag.
Merkels Philosophie läßt sich in einem
Wort zusammenfassen: Bodenständigkeit. Sie ist nicht nur für
„bodenständige Küche“, was immer das sein
mag, sondern auch für „bodenständige Schuhe“,
was immer das sein mag, und bodenständig sollte auch der „Star“
sein. Nicht der graue oder grüne Star, den man vermutet, wenn
Angela Merkel davon spricht, sondern der Prominente. Allüren
und Extravaganzen sind ganz schlimm und kämen für Angela
Merkel nicht in die Tüte. Bodenständige Frauen wie Angela
Merkel schminken sich auch nicht gerne. Wozu auch? Selbst wenn sie,
wie sie bekennt, zu Hause mehr Schminke hat als sie gebrauchen kann.
In dieser Welt der Bodenständigkeit und der Angela Merkel herrscht
das Grauen des schlechten Geschmacks, des protestantischen Graubrots
und des schlichten Gemüts. Im Fußball hält sie Hansa
Rostock die Daumen, dem Verein mit der unappetitlichsten Anhängerschaft,
und, um ihre gesamtdeutsche Belämmertheit unter Beweis zu stellen,
dem FC Bayern München. Musikalisch befindet sie sich auf dem
Niveau von Karat: „‘Über sieben Brücken mußt
du gehn’ höre ich heute noch gern“, sagt sie. Ihr
Lebensmotto heißt: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“
Und Angela Merkel ist dieser stete Tropfen, der zunächst kaum
merklich auf uns niedertropft, aber irgendwann zur echten Qual wird,
wenn jeder Tropfen wie ein Vorschlaghammer auf uns niedersaust.
Diese Foltermethode hat sich Karl May ausgedacht, und der kommt
ja auch aus dem Osten.
Alle, die Angela Merkel eine kurze Amtszeit prophezeien,
werden sich noch wundern. Diese Frau wird nicht einmal durch eine
Überschwemmung oder ein Erdbeben mehr weg zu kriegen sein.
Da müßte schon eine neue Weltwirtschaftskrise oder ein
neuer Börsencrash wie 1929 passieren, bevor diese Frau den
Löffel abgibt. Von Honecker lernen heißt eben immer noch
Siegen lernen.
|
|
|
Netzbrücke:
• Necati Merts Kolumne
• Mehr lesenswertes
Textmaterial
• Wider den Schwarzen Winter
• Porträt des Periodikums
|
|