Unterwegs mit Ressourcen und Geschichten
Wissentlich, das Altbewährte nicht zu gefährden,
lassen die kreativen Organisatoren der Elitären-Events karitative
Krisen-Kampagnen auf dem ordinären Kriecher-Kurs rollen, um
paneuropäische Patrouillen gegen Kosmopolitanen-Karawanen zu
kommandieren. Der Kreuz-Stern der Katastrophen muß möglichst
außerhalb der Zivilisationszentren kreisen, lautet ihr Leitspruch,
z.B. in der Levante. Hier im Landstrich Kleinasien türmt sich
eine Bastion als Vorposten des Imperium Okzidentums empor. Der dortigen
Republik steht bevor, unter dem gemäßigt-islamistisch
angekreuzten Regime vom Status eines panemerikanischen Panzerkreuzers
zu einem morgenländischen Kreuzfahrtschiff modelliert zu werden,
auf dem alle Akteure der globalen Kastenpyramide tummeln können.
Zugleich werden die mit High-Tech-Waffen aufgerüsteten Sturmboote
die Seewege überwachen und jene Seelenverkäufer senken,
deren Fracht aus den autonomen Migrantenmengen besteht. Der Schrei
der Ertrunkenen wird sich in den Fluten auslösen. Die Gewässer
der Ägäis gelten längst als Gottesacker.
Doch der Tatort des Todes läßt sich nicht
beliebig beschränken. So starben seit den Neunzigern des vorigen
Jahrhunderts in der Küstengegend der Costa del Sol vier Mal
so viel heimliche Menschen beim versuchten Grenzübertritt als
in vierzig Jahren am “Eisernen Vorhang”. In “Freitag”
vom 4. November 2005 erzählt Raul Zelik: "Im andalusischen
El Ejido, wo für deutsche Nachfrager Obst und Gemüse produziert
werden, hat es vor einigen Jahren Pogrome gegen afrikanische Arbeiter
gegeben. Auch deshalb ist von der - farbigen - Arbeiterklasse Andalusiens
nicht viel zu sehen. Sie versteckt sich.
Und trotzdem legt man natürlich Wert darauf,
dass die Arbeiter kommen. Sie müssen kommen. Ohne sie wäre
das Geschäft nicht profitabel. Damit sie nützlich sind,
müssen sie allerdings zunächst ausgeschlossen werden.
Als Legale wären sie „überbezahlt“.
Ist Globalisierung also das: Ein Einschließungsprozess,
der auf Ausschließungen beruht und diese vorantreibt?"
Die Ereignisse an den Wallanlagen der Feste Europa
in Maghreb sollen keinen millennaren Marasmus, keine mephistophelischen
Malaisen manifestieren. Nur wollen die Zentren der Zivilisationsersten
aufs Neue zementiert werden. Während sich in D-Land die Fraktionen
der Kröten-Kaste in einer koalitionären Liaison re-formierte,
frappierte in F-Reich die Furie.
Aufruhr der Ausgeschlossenen
Von der oberen Etage der Überfluß-Allianz
übertrumpft und zu überflüssigen Ressourcen erklärt,
in die Kaskaden der Kanaillen geraten und im Labyrinth integrationaler
Intrigen eingeschlossen, schlossen sich vor dem Antritt der Herbstkälte
die Periöken Pariser Peripherie den Flammen einer Revolte an.
Der Planetoid der lammfrommen Laien begann zu lärmen und den
Planeten der Formvollendeten zu brüskieren. Lichtvolle Nächte
drangen in Bildröhre ein. Zensur-Zentren schlugen Alarm. Wieder
ging ein Gespenst um im alten Weißen-Kontinent. Die Gegenbilder
der Urbanen, die Barbaren, schwangen sich prangend empor, prangerten
reaktivierte apartheidsparate Apparaturen an.
Die Manöver-Mentoren der Präventiv-Partie
machten sich ans Werk, Mementos zu verteilen. Die Attacke der allochthonen
Heloten wurde vorerst als Attrappe artikuliert, die es gilt zu selektieren
und unter dem Assimilationsdruck zu naturalisieren. Zuvor etablierte
sich ein Berufstand der züchtigen Zivilisationszöglinge,
betrat das Neuland. „Integration“ lautet seine mentale
Maxime. Sein humanitärer Habitus bestand aus den Utensilien
des eurozentrisch zementierten Kosmos, wie sie sich in ihrer Variante
made in Germany ins Auge fassen lassen. Heißblütig heischten
die Kommissare der kommunitaristischen Kolonnen einen Heiland, dessen
Apostel aus dem Patrioten-Port der Profiteur-Parteien Posten-Poeten
rekrutierten. Das Spektrum der Selektionsseminare und Kolonisationskurse
eskalierte exemplarisch, in deren Postszenerien die System-Softies
als Souffleure sich eksatisch positionieren ließen. Prosperität
erfuhren die Produktionsphasen der Prospekte und Poster, die eine
Manege gemäß der melancholischen Melange aus Rhetorik
und Reklame, Manipulation und Marketing manifestierten.
Insgeheim fußte das Lehrgebäude der angeheuerten
Lehnsleute auf dem Wiederkehr-Versprechen des Messias, der gewöhnlich
gerufen wird, den Höllenfürst übers Knie zu legen
und das Paradies auf Erden zu errichten. Wer ihm aber den Weg bereiten
will, muß das Leben zur Hölle machen. Sonst kommt er
nicht, und der Mythos hat keine Kraft.
Es gespensterte nichtsdestoweniger im Geflecht der
Gegenfeuer-Getreuer gewaltig. Die millennar militanten Statthalter
der martialisch marmorierten Ständegesellschaft sahen lange
darüber hinweg, daß die bevormundeten Banlieu-Burschen
zum Platzen satt sind.
Von einem Flammenmeer frappiert, wandten sich Oberordner
des Burg-Friedens an die Macht der Märe und verwendeten züchtigende
Vokabulare, um die Rebellenreihen zu entmenscheln. Ganz und gar
als „Gesindel“ benamst, traten diese zum Spießrutenlauf
an, während die Avantgarde der medialen Meute souverän
in den Schützengraben der Söldner Posten stand. Vom Beginn
an gingen die Frontreporter ans Werk, beim Flammenschein den Fremden-Effekt
zu veranschaulichen, und erdichteten aus den sozialen Elementen
einer Rebellion den Krawall der ethnischen Unterschichten, richteten
ihren Fingerzeig auf den „Zusammenprall der Kulturen“,
auf die Gewaltgeneration der peripher Primitiven in Metropolen.
Bevorzugt bewegten sie sich hinter dem „Hochdruckreiniger“
der sensiblen Schicksalsgemeinschaft der siegesgewiß schimmernden
Schickeria.
Überdies trugen sich die Adressanten der anfänglich
aufgebauschenten Tatarennachrichten aus Distrikten der Feuernächte
in bankrotten Banlieus von Paris mit der Absicht, vor allem die
widerspenstige Wiederkehr des Proletariats zu bewölken. Die
hermetischen Rauchfahnen aus dem hermeneutisch hergestellten Brandherd
sollten hektisch in den hintersinnigen Hort der zensierten Zyklen
kanalisiert, rassisch-hypothetisch aufgeheizt werden.
Geläufig aus der Geschichte: Einzig kann die
bourgeoise Gewalt der Lage Herr werden, wenn es ihr gelingt, die
Aufständischen zu Außerhalbstehenden zu derangieren und
in ihren Reihen ethno-kulturellen Zwist zu säen. Dabei lassen
die raffiniert getarnten Zitadellen-Zentrurien aus den Zensurzentren
keine Message kontradiktorischer Konterfeis durchsickern.
AM BOSPORUS DER VORPOSTEN DER BOURGEOISEN-BASTION
Episodische Epigonen der Epauletten-Partie
Während durchwärmte Gemeinplatz-Gendarmen
mannigfaltig im ethnophoben Kernschatten patrouillierten, begannen
die Fackelträger des Artefakts Liberté-égalité-Fraternité
sich am ausgerufenen Notstand zu ergötzen. Das Empire schlug
zurück. Die buntscheckigen Feuernächte versanken im kalten
Dunkel, hinterließen keine spürbaren Spuren, über
die man einen einigermaßen realiter revolutionären Spruch
fällen könnte. Schwer übersehbar bleiben gleichwohl
jene Fragmente, die erkennen lassen, daß die Jünglinge
der kolonial enteigneten Erdlinge selbstsicher waren, dem frankophilen
Fangboot der kosmischen Aristokraten-Armada Paroli zu bieten und
den auf einer Serviette schwulstig skizzierten Bonus fürs bodenständiges
Bravseins zu verwerfen.
Anders als andere antirassistisch animierte Allegorien
drehte sich ihre Resistenz um die allgemein akzeptierte Gleichwertigkeit
der andersartigen Lebenswelten und zielte auf den kulturalistischen
Trennzaun zwischen Alteingesessenen und Spätankömmlingen.
Naturgemäß ist dabei der retrospektive Haß dieser
Aufsässigen gegen die Konsorten der kolonialen Konvention,
die sich auch gegenwärtig brüsten, die Wilden in die Zivilisation
angeleitet zu haben.
Zurück kehrte die Ruhe im Flug. Mit rauchgeschwängerten
Nachwehen unter dem Hesperus. Demungeachtet wandten sich die Gewalthaber
der endkapitalistischen Kapitalen an die Gesellen des Feuilletons,
hinter Noël-Novellen her den Pegasus zu satteln, das Steckenpferd
der Schildbürger zu pflegen, Affenspektakel zu schlagen und
vor Klimbim-Kameras Grimassen zu schneiden.
Solcherlei prunkende Parties der Platitüden regen
erneutes Zurück zum Ausgang der Flammensäule an: Längst
verwandelte sich die Bambule der Blacks und Beurs in den Marginalien
der archivierten Annalen in Dampf, und die Soldjäger des Mediendschungels
müssen um neue aufrüttelnde Geschichten ringen, die kernige
Konfliktstoffe enthalten und so als Politikum ins Gewicht fallen.
Je augenfälliger sie sich fremdeln und je abseitiger sich die
Gefahrenzonen den Sichtweiten des mittelprächtigen Konsumentenkosmos
medialer Modeartikel entfernen, desto tragbarer fallen sie auf.
Vom jeglichen Potential vital verbürgter Verbündeter
verraten, sich selbst überlassen, hielten die Getto-Guerillas
länger als vier Wochen, die als Wüterichs diffamiert wurden.
Als solche dämonisiert verschwanden sie auch von der Bildfläche.
Das Pariser Sternenzelt kühlte sich wieder ab. Vorläufig.
Denn die fortgezogenen Rauchfahnen lassen sich primär ins Gedächtnis
rufen: Die Banlieu-Barbaren waren auch die Stürmer der Bastille
und des Königspalasts Tuillerien, somit die Bahnbrecher der
bürgerlichen Revolution, als deren epochales Erbe allgemein
das republikanische Konstrukt der Konstitutionsgewalt in die Annalen
der Geschichte einging. Hinzu gehört auch das Postulat der
Menschenrechte, das anfangs ebenfalls als universales Gemeingut
ans Licht kam, sich jedoch nach und nach zu einer platten Postille
der parlamentarisch politierten Potentaten entwickelte.
Die Feuernacht-Flegel vom heiteren Herbst 2005 gaben
Signal, die Revolution der Parias von vorn anzupacken - epochalen
Ansturm auf die Privatier-Paläste. Das gegenwartsgewandte Genre
dieser Errungenschaften prägt sich als Gegengestern aus, wenn
man ein kritisches Auge auf die Zukunftsaussichten der Geschichten
richtet, die die Gevattergenerationen der Zivilisationswärter
erzählen. Besonders pervertiert werden die Begriffe wie Humanismus
und Universalismus, die im christlich-abendländisch markierten
Humus immer wieder als magische Marke der Manöver-Maschinerie
aufkreuzen.
Einst als Bahnbrecher der Humanität salutiert,
gehen die Spätlinge der Sansculotten blank mit westlich wegweisenden
Lebensbildern hausieren. Mit dem Pantalone-Porträt des spätbürgerlichen
Patronats stammverwandt und genußgewandt lassen sie sich als
sakrosankte Hurra-Honoratioren der vom Konsum-Kobald kolonisierten
Menschenscharen separieren, als sentimentale Sympathisanten, proletarische
Fußtrupps oder patriotische Pelotons im Grauschatten von plutokratischen
Allianzen sanktionieren. Den linken Ballast ihrer Altvordern abgeworfen
und als Stammhalter der klerikal kommandierten karitativen Missionaren-Heere
stilisiert, lassen sie sich als Reklame-Legion für den Feldzug
der Privatier-Bastei gegen den Ansturm der Hunnen aus dem Süden
rekrutieren.
Feuer fangen sie beim Anblick auf den supranational
nivellierten Hegemon der nordischen Upperclass. Heuer haut dieser
Gewaltapparat in den Sack, verordnet den Waffengang gegen das Ungeheuer
der enteigneten Weltuntertanen, nämlich gegen die autonom agierenden
heimlichen Migranten-Haufen dunkler Haut und fordert die Freiwilligen-Formation
auf, ihnen bis zum Brenner mit patriotischem Heroismus entgegenzugehen.
À-la-Turca-Tournee im à-la-Franca-Fiaker
Im Hinblick auf die Zukunft birgt der Limes des zeitnahen
Imperium Romanum das schicksalhafte Gewicht, das schikanös
geschliffene Gebot, die Wallanlagen entlang den Küstenstreifen
des mediterranen Teichs unpassierbar abzudichten. Was die Sicherheitsarchitekten
in Maghreb zuwege bringen, um die Fontäne der Fluchtfluten
trockenzulegen, sie wenigstens im Wildnis einzudämmen, erweist
sich in der Levante genauso eindringlich.
Im Turnus ihrer Triumphe hänseln die emphatischen
Emissäre des suprarnationalen Superstaates unter dem Zwölf-Sternen-Banner
ein Evolutionsevent, spielen den staubigen Türkei-Trumpf in
ihrem neoständisch tutenden Orient-Express, stoßen auf
der expansiven Beute-Partie um extrafeine Trophäen kräftig
in die Trompete. Die Republik Türkei beäugen sie als eine
geographische Größe, zugleich ein kleinliches Kleinod
in der Souvenir-Schatulle der Jägerlatein-Lyriker sowie als
einen Truthahn wie im angelsächsischen Vokabular „turkey“,
mit dem die John Bulls das Osmanen-Reich in seinen letzten Dekaden
zum Spottbild ihrer imperialen Ambitionen machten.
Im Space Shuttle der aufklärerischen Episode-Exponenten
überwiegt der Export-Katalog mit einem pompösen Papierpaket
für die emanzipatorische Erzählkunst, auf dessen Banderole
exemplarisch die mimosenhaft montierten Menschenrechtsmythen flimmern,
darunter die markig firmierten Marktmysterien. Es sind eindimensional
dominante Dokumente kleingläubig klebriger Kalküle, deren
Kapitel gänzlich daraus bestehen, in Kleinasien die absolute
Demokratie des Kapitals zu diktieren. Der taktische Leitfaden dieses
Traktats enthält den Machtdrang der klerikalen Kamarilla im
Stil der Kabale und kreiert darunter eine spartanische Legion aus
Lakaien und lokalen Kanaillen. Der solcherart paraphrasierte Wegweiser
artikuliert die monotheistisch mobilisierte Attacke auf die virtuell
fingierte Kapitale jener Gespenster, die sich augenscheinlich dem
Geschick der Firmenfilialen plutokratischer Get-together-Party quer
legen, damit dem Wertekosmos der Kostgänger im Konsumtempel.
Das imaginäre Kumpanen-Konstrukt der euro-imperialen
Kommissare fußt auf der Ideenmanufaktur, einen Vorposten der
selbststilisierten Zivilisierten-Bastei zu managen, der sich für
den perfekten Gang der Makler-Wellen in die Weltmärkte asiatischer
Extras verbürgt und den Fluß der Naturressourcen, vor
allem den des Petroleums, in die Zitadellen überwacht. Zugleich
hat er die Wallanlagen vor der jeglicher Migrantenflut zu warten
und die Odysseen orientalischer Fakire zurückwerfen.
Summa summarum: Das kunstvoll komplettierte Projekt
„Provinzia Anatolia“ der Profit-Poeten typisiert die
dortige Republik als einen billigen Baustein für das Auftürmen
der global sozialen Apartheidspyramide.
Marodeuren-Mond über Morgenland
Damit das Pilot-Projekt eines vorderasiatischen Protektorats
sich auch bewahrheitet, muß der nationale Starrsinn am Bosporus
zerkrümelt bzw. an die Kandare genommen werden, dessen Weltbild
offensichtlich mit kemalistischen Konturen korrespondiert und mit
der byzantinischen Lesart der Eurokatie nicht konform geht. Hier
kommt die lokale Offensive der „anatolischen Tiger“
an die Oberfläche als günstiger Moment, denen es gilt,
als fromme Verfechter der privilegierten Klassen das Rückgrat
zu stärken, urteilen die okzidentalen Oberhäupter, die
das Universum der Urbanen längst in ein „globales Dorf“
verwandelten und zu okkupieren freihalten.
Wenn wundert, daß diese Häuptlinge einer
aus den Fugen geratenen Eine-Welt-Gemeinde ihren Vasallen eine glücklichen
Hand wünschen bei ihrem Wetteifer, mit den kemalistischen Widerstandsnestern
der nationalen Souveränität und sozialen Sockel sowie
mit dem Stallgeruch der laizistischen Legende aufzuräumen -
im Vertrauen auf den Rückhalt aus dem Westen. Für den
Triumph dieser Papiertiger entflammt sich die linientreue Singakademie
der schreibenden Zunft besonders beseelt wie Boris Kalnoky in „Die
Welt“ vom 23. November 2005: "Der türkische Gewaltmarsch
in Richtung EU verwirrt und verwundert viele Europäer. Noch
vor zwei Jahren schien ein EU-Mitglied Türkei so undenkbar,
daß kaum jemand auch nur darüber nachdachte. Diese Illusion
beruhte auf der Meinung, daß es in der Türkei weder eine
politische Kraft noch eine gesellschaftliche Klasse zu geben schien,
die willens und fähig wären, eine einschneidende Beitrittsstrategie
durchzusetzen.
Beides war falsch. Die gesellschaftliche Kraft, die
das Land mit aller Macht in die EU zu lotsen versucht, ist die neue
anatolische Bourgeoisie, und die einst für unberechenbar und
„islamistisch“ gehaltene Partei AKP hat sich unter Führung
von Ministerpräsident Erdogan und Außenminister Gül
in einen effizienten Machtapparat verwandelt, der die Ambitionen
seiner anatolischen Klientel kraftvoll vorantreibt. Der Gegner ist
dabei das alteingesessene kemalistische Establishment in Ankara
und Istanbul."
In Sichtweite vom Teuto-Turm gelegen: Terra Turchia
Ob die neokonservativ konvertierten Kräfte des
Marktes am Bosporus die Palme des Sieger jemals erringen werden,
bleibt dahingestellt. Augenscheinlich ist jedenfalls, wie die Neuheiten
um sich greifen: Die Republik Türkei unter der gemäßigt
islamistisch grünen Glühbirnen-Gewalt begeht mit Bravour
Einlaß in den christlich kreierten supranationalen Staatenbund.
Da rühmt sich der flotte Tausendsassa Tayyip Erdogan, sich
den Flaggschiff-Kapitän der florierenden Flotte aus Krauter-
und Krämerkähnen in stattlichen Kabinen und der Pressure
Groups am Backbord bescheinigen zu lassen.
Indem er gelobt, klares Schiff zu machen und obendrein
den verwesten Teufelskreis ein für allemal aus dem Tempel des
Marktgötzen zu entfernen, klopft er ungesättigt wie ein
Habicht und kollaborationsbereit an die Türen seiner westlichen
Mäzen. Läuten hören muß er unverdrossen, daß
so was nicht übers Knie brechen kann. Beim nackten Luftschloß,
im präpotent polierten Hochhaus paneuropäischer Partnerschaften
doch eine Stube - gleichwohl im untersten Stock - zu erwerben, hämmert
sein Herz immer heftiger gegen die Brust.
Nach außen byzantinisch, nach innen cäsarisch
spielt er sich den barschen Prahlhans auf, geißelt die Abtrünnigen
der markt-bestimmten Marschroute, geigt im Endspurt-Ensemble des
neofeudalen Umkehrprozesses. Als honoriger Gebieter begeistert er
die Turbanträger auf dem Tummelplatz der Tugendreichen, mahnt
als hartgesottener Staatsdiener die Untertanen bärbeißig,
sich noch regsamer zu rackern, um den Schuldenberg abzutragen, den
zuvor von ebenbürtigen Regentschaften angehäuft wurde.
Um den profitbedingten Mangel zu managen, setzt der
geläutert muslimische Renommist und prophetisch prahlende Reformist
auf die Eskalation der raubtier-artig entfesselte Marktkräfte.
Um weiter aus dem Vollen zu schöpfen und weite Bögen zu
schlagen, muß er dabei den direkten Draht warm halten, den
er dicht zu den EU-Zentren hat. Wer wagt, ihm den Spiegel vorzuhalten,
vor dem fortschreitenden Untergang des Wir-Gefühls zu warnen
und dem brutal um sich greifenden Pauperismus ein Gesicht zu geben,
wird als Nestbeschmutzer gebrandmarkt. Die Promenaden müssen,
schlägt er den Takt, von Hausierern bereinigt und für
den Besuch der westlichen Prominenz bereit gehalten werden.
Während ihrer Visiten im Haus des schwierigen
Aspiranten vermeiden die EU-Kommissare und ihre zivilgesellschaftlichen
Kumpanen bewußt jeden mißfälligen Blick auf das
irreguläre Terrain, wo sich Hunderttausende verpflegen. Liberalisiert
wird weiter, lautet ihr Transparent im Orient-Expreß, der
durch die Schutthaufen der privatisierten Plattformen tutet. Dampf
setzen sie nichtsdestoweniger hinter der Lokomotive der Menschenrechtsmaskerade,
um dem Statthalter des Weltkapitals unter die Arme zu greifen, damit
er sich noch mehr und merkbarer ermannen kann, vor allem florierende
Staatsbetriebe im Fluge zu privatisieren und den Global Players
zu vermachen. Die lokalen Manager dieser Mäuse-Magnaten befleißigen
sich zunehmender Reserve, ihre okzidental-oliv ornamentierten Werkanlagen
und Office mit oriental menschlichem Inventar zu bestücken.
Darin sollte eine einigermaßen anständige Aussicht auf
das Massenglück Wurzel haben. Weit verfehlt.
Vielmehr haben sie destruktive Folgen. Das Aufkommen
der Räuberbanden, die in öffentlichen Orten ans Leben
gehen, gewinnt an Boden und legt alle Augenblicke einen Zahn zu.
Neuheiten darüber lassen sich täglich der Presse entnehmen.
Recep Tayyip Erdogan, der honorige Mann der imperialistischen Bastion,
hält Maulaffen feil, prahlt dann produktiv wie der Scharlatan
gegen den Bauernfänger, gießt Wasser in den Wein und
spielt am Ende seiner Schleichwege auf die Wiederkehr der Scharia
an. Verlassen kann er sich auf ein breites Spektrum alliierter Adlaten,
das sich aus offiziösen Ordnern und oliv gezierten Söldnern
der Zivilgesellschaft, Menschenrechtsmanagern, ethnophilen Anthroposophen,
NGO-Noblesse, eurozentrisch genormten Nonkonformisten, No Globals
u.a. zusammensetzt.
Das markige Mirakel der Krisenkanzlerin Merkel
Zu Ohren kommt umseitig, daß sich der kulturalistische
Kordon der Berliner Republik aufs Neue auftürmt. Frisch gekürt
für das Amt des Bundestagspräsidenten ergriff z.B. der
Union-Funktionär Norbert Lammert im Diskursrund der „Leitkultur“
das Wort und sprach sich in „Rheinischer Merkur“ vom
26. November 2005 für ein Kopftuchverbot in Schulen aus. „Wenn
das in einem islamisch geprägten Land zulässig ist, kann
es doch in einem christlich geprägten nicht von vornherein
abwegig sein“, lamentiert er und spielt auf die Türkei
an, wo in öffentlichen Anstalt ein rigides Kopftuchverbot gelte.
Zugleich akzentuiert er das altbewährte Urteil: „Der
Einfluss christlicher Religionsgemeinschaften und Glaubensüberzeugungen
auf unsere Gesellschaft bleibt fundamental.“
Kanzlerin Angela Merkel, die Supernova am Himmelsdach
überm prunkenden Punkthaus Europa, die einen Husarenritt gegen
den fünften apokalyptischen Reiter in Erwerbslosen-Gestalt
orakelte, tat in ihrer Pflichtrede am 30. November 2005 im Reichstag
den Gegengehalt des vaterländischen Gedankengebäudes unter
der Hauptschrift des schwarz-roten Koalitionsvertrags „Gemeinsam
für Deutschland“ kund: „Parallelgesellschaften,
in denen die grundlegenden Werte des Zusammenlebens in unserem Land
nicht geachtet werden, passen nicht in dieses Denken. Deshalb ist
Integration eine Schlüsselaufgabe unserer Zeit.“
Dem Essential der Merkelschen „Schlüsselaufgabe“
dürfte der Pflicht-Katalog für jene Werteverräter
innewohnen, die ihr Dasein in den Buden der Döneria fristen
und über keine Konditionen verfügen, die Mehrheitssprache
zu erlernen. Kontrastpunkte im Kontext „Deutsch“ werden
sicherlich noch konsolidiert und dem kultur-kolonisatorisch genormten
Kommandostab in Verwahr gegeben. Und er wird sich keine Aufsässigen-Aura
gegenüber dem schützenswerten Schrebergarten der Alteingesessenen
bieten lassen. Folglich maßt sich die frischgebackene Integrationsministerin
Maria Böhmer in „Die Welt“ vom 1. Dezember 2005
an, den längst fälligen Prozeß der Staatsbürgernation
dem Primat des „Unseren“ unterzuordnen, nämlich
der Volksgemeinschaft: "Die Schlüsselfrage, auf die wir
eine Antwort finden müssen, heißt doch: Wie gelingt es
uns, die Menschen, die zu uns gekommen sind, in unserer Gesellschaft
zu verankern. Sie müssen unsere Sprache sprechen, unsere Geschichte
kennen, unsere Wertvorstellungen und unser Recht anerkennen. Und
sie müssen sich auf die Spielregeln unserer Gesellschaft einlassen,
wie sie das Grundgesetz vorgibt. Beim Thema Integration müssen
wir alle gesellschaftlichen Gruppen in den Blick nehmen."
Ins Gewicht fällt bei dieser Spielart des Fundamentalismus
im Nachdruck „unser“ nicht allein, das Aufkeimen eines
aus verzweigten Lebenswelten geprägten Flickwerks auf deutschem
Boden zu vereiteln. Es dreht sich dem Anschein nach vielmehr darum,
aus den Marginalien der Diaspora die infamen Faustregeln der Diapohra
abzuleiten, um die Gleichwertigkeit der unterschiedlichen anderen
zu negieren. Wer sich dem Wertekosmos der mächtigen Majorität
nicht akklimatisiert, hat in der kulturellen, damit sozialen Kälte
zu vegetieren.
Je hemdsärmeliger der volksstaatlich fokussierte
Hegemon im Blickfang der Berolina-Barden den Wenigheiten seinen
Willen aufzwingen kann, desto beleibter läßt er sein
Wertepathos als kosmisches Kollektivgut zugute halten. Folglich
offeriert sich die blutvolle Bravour-Barke der „Leitkultur“
als ein diktatorales Kommando der rassistischen Ideenmanufaktur,
zu der sich das Groß-D-Land auf Abwegen wieder öffnet
und eine Apartheidsapparatur hochpäppelt. Besonderes Augenmerk
zieht in diesem Kontext das altbacken waltende Allerlei der selektiven
Assimilation auf sich.
Haßtiraden haben an den Stammtischen Hochkonjunktur,
die als subalternes Parlament nationaler Hochheiten fungieren. Die
Pedanten der Pappmache-Poesie benötigen ihr Pendant pompöser
Hohlheit, um ihm die Häßlichkeiten der Tretmühle
in die Schuhe zu schieben.
Der kreativ geläuterte Westherr ärgert sich
sehr, daß etliche Evas muslimischen Glaubens ihre Haare unter
Tuch bedeckt halten. Als auffälliger Atheist aufklärerischer
Attitüden stellt er den orientalischen Opponenten des Patriarchats
sogar Ansinnen, sich vom Allah besonnen abzuwenden. Erstaunt starrt
er gleichzeitig die evangelikan avisierte Attacke, das Erdenrund
vollends zu christianisieren und die weltumspannende Dominanz des
christlichen Abendlandes krönen, woran auch im Groß-D-Land
breitschultrig gearbeitet wird.
Offensichtlich scheuen sich die Ordner der derzeit
arrangierten „Leitkultur“-Orgie vor keinem Behelf, sich
ins Mittel zu setzen und ihren Willen Ausdruck zu verleihen. In
diesem Zusammenhang steht die televisionäre Offensive unter
dem Werbe-Spruch „Du bist Deutschland“, der einen historischen
Rückhall offeriert. Die Volksgemeinschaft-Kampagne basiert
mutmaßlich auf dem Plagiat eines Plakats anno 1935 bei einem
Nazi-Aufmarsch auf dem Ludwigsplatz in Ludwigshafen wie der untenstehende
Bild-Beitrag offenlegt - abgedruckt in einem 1999 erschienen Band
„Ludwigshafen - ein Jahrhundert in Bildern“.
Die von den Mäuse-Magnaten gesponserte kümmerliche
Kampagne nimmt ein Türke gefaßt in einem Rundmail des
elektronischen Informationsforums „Bilgi“ (www.bilisim.de)
unter die Lupe:
"Wahrscheinlich sind es die
gleichen Medien, die in den letzten Jahren für Fremdenhass
und Kriegstreiberei in Deutschland eingetreten sind. Bild, Spiegel
und Konsorten. Jetzt machen wir einfach paar hübsche Spots
mit sogar Ausländern drin und spielen die bunte heile deutsche
Welt. Und morgen kommst du trotzdem nicht in ihre Diskotheken und
in ihre Cafes und siehst an der Tankstelle schon von weitem die
Schlagzeile der Bild, dass Du Türke Schuld an der Neuwahl bist,
an der Wirtschaftsmisere, an der Pisa-Studie, an Hartz 1-4, an ALG
1-5 und an der Verfettung der Deutschen durch Döner.
Dann zerren die Deutschen wieder paar Moslems (Terrorverdächtige)
aus ihren Moscheen (Terrorzellen), zeigen dir vor der Sommersaison
täglich Fernseh-Reportagen, wie deutsche Urlauber für
ihren Türkei-Urlaub, den sie für 3,50 EUR gebucht haben,
entsetzt nur 4 Sterne-Hotels bekommen haben. ...
Mousse T. ist Hannoveraner, Erol Sander Münchner,
Cem Özdemir Schwabe, aber der U-Bahn-Schubser, der ist ein
Türke. Die deutschen Medien haben mitunterschwelligen Berichten
dafür gesorgt, dass über den Türken nur negativ berichtet
wird. Ganz Europa kann brennen, es kann gemordet, vergewaltigt und
gehetzt werden, aber im Spiegel-Online kann man großformatig
lesen, wie ein Schaf in der Türkei vom Dach gefallen ist. (Kein
Scherz)
Wir Deutschen verdrehen alles, wie es uns passt. Wir
erfinden Lügen, manipulieren, lassen Wahrheiten weg. Wir Deutsche
wissen nicht wo Armenien liegt, haben eigentlich noch nie von ihnen
gehört, wissen nicht welche Sprache sie sprechen, was sie essen
und was sie an Kultur zu bieten haben, aber für den Völkermord
an ihnen könnt doch nur ihr Türken in Frage kommen.
Da sagen wir auch nicht, dass es die Osmanen waren
sondern ihr Türken. Wir sagen schließlich auch nie, dass
die Deutschen an der ganzen Scheiße im zweiten Weltkrieg Schuld
sind. Das waren die Nazis. Ein oder zwei Wörter vertauschen
und alles klingt ein wenig anders.
Wir schicken Reporter durchs ganze Land und lassen
Dönerbuden nach Reinheit untersuchen, die fünfzig sauberen
zeigen wir dir nicht, den einundfünfzigsten, den wir dreckig
vorfinden hauen wir dir um die Ohren. Wir zeigen dir auch nicht
die Millionen Touristen, die zufrieden aus ihrem Türkei-Urlaub
zurückkommen, wir zeigen dir die zwei Touristen, die unzufrieden
waren. Wir werfen Euch vor, dass in der Türkei seit zwanzig
Jahren keine einzige Kirche gebaut wurde, dass es über 970
Kirchen für die paar Christen in der Türkei gibt, verschweigen
wir.
Wir werfen euch vor, dass ihr den griechischen Teil
von Zypern nicht anerkennt, aber dass der türkische Teil von
Griechenland auch nicht anerkannt wird, lassen wir weg.
So verdrehen die Medien alles und setzen unseren Konsumenten
ein vorgefertigtes Bild des Türken vor.
Und da glaubt ihr immer noch, dass IHR Deutschland
seid?"
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