• MV & Redaktionskonferenz.
Diskussion und Entschluß, endlich einen Förderkreis für
die Nazim-Hikmet-Fundation ins Leben zu rufen.
• Rezitationen
in Form eines freien Forums für engagierte Verseschmiede.
• Präsentation
der Preisträger im Rahmen der Literatouren »Kosmopolitania
SaarLorLux«.
Ein Komet namens »Clash of Cultures« kreist über
dem Erdenrund, kommuniziert mit der Korona »Kultur«,
deren Gewicht fast vollständig aus den ethnisch identitären
Zugehörigkeitszyklen resultiert und jene archaisch rassistische
Lehrformel ersetzt, wonach die Geschichte als die Gladiatoren-Arena
der völkischen Sippschaften auf den Plan tritt.
Der Terminus »Kultur« wurde von postmodernen
Mode-Nomaden längst zum puren Bindewort verdeutscht und mit
ihm Suffixketten gebildet: Hoch- und Trivialkultur, Trauer- und
Theaterkultur, Fraß- und Spaßkultur, Haus- und Mauerkultur,
Migranten- und Minoritätenkultur, Unter- und Interkultur...
Neoliberale Kreischer, die mit dem Konfliktkomet kokettieren,
reduzieren die Kultur – aus ihrem Urstand als ästhetischer
Ausdruck des gesellschaftlichen Lebens entrissen – auf eine
krakeelende symbolische Größe als Inbegriff von allem,
was instrumentalisierbar erscheint. Mal als Synonym für Rasse,
mal als Anonym für Klasse.
Gegen den schwer konfliktbeladenen Auswuchs der mit
Kultur bemäntelten neorassistischen Kolportagen geht DIE BRÜCKE
anderweitig aus der Reserve und plädiert für eine metropolitane
Bürgerrepublik kosmopolitaner Lebenswelten jenseits jeglicher
kultureller Identitätszwänge bzw. ethnisierter Lehrgebäude.
Die freiwilligen Brücken-Brigadiers pflegen neben
der Routine der Heftproduktion weltläufig auch die sprachliche
Illustration der Utopia. Demzufolge brachten sie im vergangenen
Frühsommer die Don Quixoten-Karawane »Kosmopolitania
SaarLorLux« (den Literatur-Wettbewerb) auf Touren. Sie landet
nun im Frühlingsmeeting 2006, bildet dessen Schwerpunkt, bleibt
auch künftig auf Achse. (Weitere Informationen: http://bruecke-saarbruecken.de/saarlorlux1.htm)
Auf der anschließenden Route der Literatouren
hält das wohlüberlegt stilvolle Sinnen stand, das Fundament
einer Nazim-Hikmet-Fundation zu legen, das demonstrieren soll, daß
die eingewanderten Quartiere einiges mehr im Koffer hatten als die
Pläne von Döner-Buden und Hinterhof-Moscheen oder Randstadt-Minaretten.
Daher versteht sich das Frühlingsmeeting 2006 als Appell an
alle Nachbarschaften, diesem Vorhaben unter die Arme zu greifen.
(Weitere Informationen: http://bruecke-saarbruecken.de/hikmet1.htm
Auch wenn das Gedankengut der Utopia von Geistesfürsten
des konservativen Werte-Kosmos stets über die Achsel gesehen
wurde, ihm wohnt die Kraft inne, einem zukunftsträchtigen Gesellschaftsgerüst
Wege zu pflastern sowie dem apokalyptischen Reiter im gegenwärtigen
Gespenstergewand der »Kultur« die Stirn zu bieten –
wider die Rivalitäten zwischen zombi-cesarischen Zentren als
Realrepubliken!
***
Kosmopolitische Kommunen versus kulturalistisch
kreierte Kolonien
Seit Beginn des laufenden Jahres avanciert das krakeelende
Gespenst des Kulturalismus mächtig zum Politikum im urbanen
Milieu des Abendlandes, in Feuilletons und Sendefolgen des Glotzophons.
Ein Untergebenen-Chor von blasierten Boulevardliteraten über
Libertinage-Liebhaber und selbstvermarktete Spartiaden bis hin zu
Patronage-Patrioten trägt chronisch korpulente Verse vor, brüskiert
eine Eingewanderten-Unterschicht in Chaos und Gettos, arrangiert
argloses Affenspektakel, um sich Ärger vom Leib zu halten.
Zum Vorschein kam als ein Reizthema bereits Ende 2005
der Glaubens-TÜV in Deutschen Landen, bei dem der Islam in
Kreuzverhör genommen wird. Mit dem vorerst in Baden-Württemberg
eingefädelten »Gesprächsleitfaden« werden
die Anwärter der bundesrepublikanischen Staatsbürgerschaft
einem verbissenen, dem zentralen Gehalt nach rassistischen Test
unterzogen. Sie werden inquisitorisch auf ihr weltanschauliches
Dafürhalten hin befragt und müssen sich als dahergelaufene
Zöglinge der emanzipatorischen Events deklarieren.
Der fingerfertig fabrizierte Leitfaden-Text systematisiert
insgesamt die kulturalistisch populistischen Emotionen, stigmatisiert
einen Teil der bodenständigen Population wegen ihres Glaubens,
stiftet schnöden Streit. Die gezielt generalisierenden Fragen
lassen sich als Satire stilisieren, enthalten zugleich kulturkriegerische
Drohgebärden und obrigkeitsgläubige Schnüffelei.
Sie stellen nicht den Wissensstand der Prüflinge, sondern ihr
sittsames Gewissen auf die Probe, somit alle unter den Generalverdacht
des »islamistischen Totalitarismus« bzw. »Terrorismus«.
Es kriselt allerwärts. Die Fragelust der Regentschaft
reift heran im fragilen Menschenpark zwischen Standpauke und Staatssatire.
Als ein amtlich ambitioniertes Paradebeispiel läßt sich
der hessische Loyalitätskontroll-Test für die Aspiranten
eines Ausweises mit dem Adler-Deckel bezeichnen. Der ambivalente
Textkomplex, der in hundert Fragen alle Episoden der deutschen Gegenwartsgeschichte
enthält, bewegt sich zwischen strapaziöser Sanktion und
skandalöser Satire, kann auch als lausekalter Kalauer am Fachgesprächskamin
an Fahrt gewinnen. Für die Spaßsöldner und Leitkultur-Legionen
der »Vierten Gewalt« stellt er jedenfalls ein spezielles
Spektakel dar. Nichtsdestotrotz bleibt dieses Katalogwerk ein spitzfindiger,
kulturalistisch befangener und kränkender Wertetest. Ob in
verteilten Rollen oder Personalunion, die Advokaten der imperialen
Inspirationen und die Inspektoren der integrationalen Intention
schließen sich jenem stets startklaren Statement für
die Spätankömmlinge an, welches das gleiche Gewicht auf
die Waage bringen soll wie das Schaumschlagwort der Chancengleichheit.
Gettos wohnen die Fragmente der kosmopolitischen
Utopie inne
Beim pro forma Diskurs über das Schicksal der
Parias probieren die Protagonisten der professionell positionierten
Politika, die Parabel der Parallelgesellschaften in einen kontrollierten
»Kampf der Kulturen« umzufunktionieren. Das ethnozentristische
Konzept der selbst stilisierten Zivilisierten, die Integration,
war von Beginn an der Wegweiser der Differenz. Entwickelt bzw. erfunden
wurde sie im Herbst 1973 als Retourkutsche auf die Rebellion der
Gastarbeiter und enthielt die Formel »Anwerbe-Stopp, Rückkehr,
Integration«. Im ersten Jahrzehnt blieb der Erfolg aus. Es
folgten »schöpferische Einfälle« wie der Erhalt
der kulturellen Identität im Rahmen der kirchlich konzipierten,
grün-alternativ artikulierten »Multikulturellen Gesellschaft«
als exotisch bereichernde Barkasse. Betriebsamen Beistand leisteten
dazu die christlich-abendländischen Kulturkreispatrioten der
Schwarzen-Union wie Barbara John oder Heiner Geißler sowie
die neurechten Bramarbasse des Ethnopluralismus.
Außenstehenden der republikanischen Bürgerrechte
wurde die Zugehörigkeit zu ethnischen Kollektiven zugeschrieben,
damit ethno-kulturell kreierten Eigenheiten. Leiter und Laien der
Integrationsgilde definierten ethnische Differenzen nicht mehr aufgrund
der biologischen Merkmale, sondern erfanden »kulturelle Identitäten«,
hielten daran fest, daß Kultur homogen ist und herkunftsbedingt.
Aus unterschiedlichen Lebensweisen entwickelten sie unterschiedliche
Kulturkreise, in denen Individuen aufgingen.
Transparent ist im Treatment der Integration tatsächlich
die Tragikomödie. Man rührt alles – Sprache, Schule,
Islam, Zwangsehe, Heiratsmarkt, Ehrenmord – zusammen, um das
kulturell kokettierte Konstrukt zu buchstabieren. Kultur soll nach
wie vor für Marginalisierte Identität erzeugen, die das
andere herabsetzt, um die eigene Ethnizität, deren Hauptmerkmale
neben der Hautfarbe, Religion und Sprache sind, auf den Höhenrücken
zu erheben. Ästhetische Exponate berücksichtigt die Eselsbrücke
nicht.
Die systemisch semantisch seminaristisch gehandhabte
selektive Assimilation – Integration – zwingt die Neuankömmlinge
zum Abkapseln, zur Reaktion auf den bangen Blick der Alteingesessenen.
Die Neuen der Gettos leben gedanklich nicht in der alten Heimat,
sondern befinden sich auf der Suche nach selbstbestimmten Alternativen.
Dagegen ziehen die Repräsentanten der Republik zu Felde.
Die Route der germanophilen Civil-Society liegt auf
der gleichen Wellenlänge wie die Gedanken-Garden der Menschenrechtsmentoren
beim mentalen Feldzug gegen aufsässige Gespenster. Rivalität
ist das Urbild der Marktmagister. Wenn nicht vorhanden, so müssen
die Geistesfürsten das öffentliche Getöse heraufbeschwören.
Erst bestaunen sie ihr Werk als Marionettentanz, dann als Monster,
vor dem ihnen selbst der Kamm schwillt.
Je lauter das Genörgel gegen die angeblich Abgeneigten
der integrationalen Allüren kursiert, um die Differenz zwischen
den Zünftigen und zügellosen Anderen zu zementieren, desto
enger werden diese unter sich bleiben, als sich allzeit vor der
züchtigenden Oberhoheit rechtfertigen zu müssen.
In Frage kommt als Alternative zur integrationalen
Illusion die kosmopolitische Utopie, die repräsentative Akzeptanz
der Gettos als eigenständige autonome Lebenswelten. Denn sie
sind die Antwort auf die züchtigenden Zyklen der endkapitalistischen
Gesellschaft, die vereinzelt, vereinsamt und entfremdet.
Im Vertrauen auf baldiges Widersehen in »Kosmopolitania«
verbleibe ich mit frühlingsfrohen und morgenbunten Grüßen.
Necati Mert
Verantwortlicher und koordinierender Redakteur der
Zeitschrift DIE BRÜCKE
***
In DIE BRÜCKE, diesem Quartal-Periodikum im deutschsprachigen
Blätterwald begegnen sich seit einem Vierteljahrhundert die
Verfechter einer kosmopolitanen Bürgerrepublik mit der Entschlossenheit,
der neoständischen Apartheidspyramide des metropolitanen Besitz-
und Kröten-Götzen in die Quere zu kommen.
Auch mit dem aktuellen Heft 140 (April-Mai-Juni 2006/2)
demonstriert dieses Forum, gewiß kein Lifestile-Magazin, abermals
seinen Bestand als publizistischer Bote eines morgenbunten Weltalters
und als fundamentaler Brückenschlag des freihändigen Gedankenaustausches.
Darin werden neben dem konträren Kurs gegen den erdweit agierenden
endkapitalistischen Zyklopen auch die humanitären Miseren in
der Feste Europa artikuliert.
Einen Überblick über das Themenspektrum
Quartal-Periodikums verschafft auch die Homepage
www.bruecke-saarbruecken.de
Sie enthält neben einer Auswahl der kritischen
und literarischen Texte in der vorrätigen Printausgabe ebenfalls
Informationen über DIE BRÜCKE (»Porträt des
Periodikums«), ein Archiv, ein Portal »Mehr lesenswertes
Textmaterial«, ein »Projekt Nazim-Hikmet-Fundation«
sowie eine Kommentaren-Kolumne von Necati Mert zum Themenkomplex
»selektive Assimilation« (respektive »Integration«)
der eingewanderten Quartiere unter der Aufsicht der selbststilisierten
Menschenrechtsersten.
Ohne den beständigen Beistand der Verfechter
des freien wie ästhetischen Wortes kann dieses Forum jedoch
den dornigen Daseinskampf im medialen Blätterdschungel nicht
überdauern. Daher wendet sich hier die Redaktion wiederholt
an die engagierten Akteure der entethnisierten Emanzipation sowie
Antagonisten des neoliberal strafenden Ständestaates, diesem
Blätterwerk durch eine (Förder-)Mitgliedschaft im herausgebenden
Verein DIE BRÜCKE e.V. oder ein (Geschenk-)Abonnement unter
die Arme zu greifen.
DIE BRÜCKE, ca. 148 Seiten stark, kostet im Jahresabonnement
34,– ¤ (Ausland: 38,– ¤). Einzelheft:
9,– ¤. Mitgliedschaft im Förderverein: 65,–
¤ und mehr im Jahr.
Redaktioneller Kontakt
und Bezug:
DIE BRÜCKE, Riottestraße 16 • 66123 Saarbrücken
• Tel. 0681/ 390 58 50 und 0681/81 72 32 • Fax 81 72
29 (nach telefonischer Rücksprache) • bruecke@handshake.de
|