Oliver Kahn, teurer Torwart von Bayern München,
typisierte kürzlich die Fußballer als neuzeitliche Gladiatoren
im Tunnel der Arenen, die nicht imstande sind, etwas zu Gesicht
zu bekommen außer den stämmigen Siegespalmen.
Tatsächlich befindet sich die ruhmsüchtige
Raummaschine der Menschheit in einem Stadium von Stadien unter dem
Standbild einer Zivilisation, unter deren systematischem Tugendtrumpf
sich allerhand stattliche Triumphe und triviale Trauer abspielen.
Ihr kanonisches Wertevermächtnis und drama-theatralisches Testament,
das magische Verswerk aus einer „unsichtbaren Hand“,
diktiert höchst heilig, daß alles, was Früchte abwirft,
einem kapitalen, zombig gezierten Kastenkastell des Privaten zu
Gebote steht. Und alles, was dem zünftig zurechtgelegten Klassenkismet
zuwider erscheint, gehört zugrunde gerichtet.
Ein fast einhalbes Jahrhundert breitestfrontmäßig
kommandierter „Kalte Krieg“ gegen den Kommunismus, das
Gespenst des Kollektiven, hat zur Folge, daß die kritischen
Kräfte über kaum mehr Gewicht bei schicksalhaften Geschehnissen
verfügen. Im gegenwärtig gesellschaftlichen Gestrüpp
der raubritterlichen Rivalitäten wächst dennoch das Gestöhn
nach dem Wo des linken Gestades. Und die Grübler des marktgläubigen
Lehrgebäudes wechseln betrübt die Farbe, bleiben abermals
gefühlsleer – allerorten, vor allem an der Spree.
Da rumort Berolina, gibt den bärbeißigen
Berserkern der Kröten-Bastei die Klinke in die Hand. Erneut
wird ein germanisch-hegemonisch heroischer Herbst angesagt. Über
dem alten Kontinent fallen Blätter wieder dicht braun und häufen
sich im Herbarium der habsüchtigen Heuchler der Humanitas-Heide
an, die bewässert wird von dilettantischen Dichtertränen
vor gehäuteten Zwiebeln – bravourös behütet
von „Herr der himmlischen Heerscharen“ in persona.
Aufs Glatteis geführte und an den Bettelstab
gebrachte Loser strömen ungestüm im herrischen Fanblock
der Bellizisten zusammen, rauchen gemeinsam mit einsamen Pazifisten
des Zitadellen-Zirkus die Friedenspfeife und fallen den probaten
Potentaten der Fledderfreiheit zu Füßen.
Das retrospektive Repertoire der regimetreu reglementierten
Repressionen lebt nicht trotz der Vielfalt von Räten und Verbänden
fort, sondern dank ihres repräsentativen Reservoirs, die bourgeois
resistente Überlegenheit des Eigenen zu legitimieren.
National-emotional aufgeladene (Ge)Zeiten werden von
eleganten Allianzen aus der Taufe gehoben, um zuträglich das
Zepter zu schwingen, ihre Riecher in die entlegensten Ecken zu stecken,
mit endlos prächtigen bunten Flecken zu prahlen. Doch hinter
dem eliminatorisch artikulierten Leuchtturm weitet sich das trostlose
Nichts aus.
Edle wie eingebildete Intellektuelle, die nicht einmal
auf einen Marschbefehl im Flüsterton warten, der Propagandamaschinerie
für die markt-kreischenden Renaissance der Kreuzzüge zu
assistieren, überstreifen sich mit dem Pathos der Philanthropie,
memorieren das opulente Opus der millennaren Monekratie. Als stattlich
satte Streiter der Status-quo-Quoten betreiben sie Betrübnisse,
betreten das durch Schlachtenspektakel vermimte Terrain, halten
hinter dem Hymnus des Hurrapatriotismus in Siebenmeilenstiefeln
Schritt, huldigen hühnenhaft einen imperialen Husarenstreich
nach dem anderen.
Zeitweilig verweilt das breite Publikum untertänig
in der Saison der Impressionen sowie Souvenirs aus den Urlaubsorten,
nimmt hinter dem reklamantorischen Dukatenscheißer her kaum
den souveränen Duktus der dröhnenden Repressionen wahr.
Sozialisiert wird in allerlei Allüren die Saison
der Gladiatoren und Plagiatoren der fliederfarbenen Philomela und
fischblütigen Philo-Sophia filzokratischer Sensation –
als Stoßkraft auf Usurpatoren-Tour.
Es ist die siebengescheit gesiebte Saison der marktkonformen
Intelligenzia, die auf dem Planetoid der Spaßpartisanen menschenrechtsmemoresk
den Pegasus sattelt, systemisch stilistische Satelliten auf Trab
bringt und erfaßt, wie furios die Lebenswelten allerwärts
aneinander geraten.
Es sollte aber auch die sonnendurchflutete Saison
des kollektiv utopischen Urbanismus und primär universalen
Humanismus geben, wofür DIE BRÜCKE seit einem Vierteljahrhundert
steht, und zwar wie ein standfester Fels vor der Feste Okzidentale.
Als zeitgeist- und zivilisationskritische Brigadier-Barke der Feder
schwingenden Individuen. Gegen den Briganten-Port der postmodernen
Postulate. Als Bastion der kosmopolitanen Globetrotter – den
Gezeiten der krisen-kapitalistischen Werte-Variante zum Trotz.
Gestartet war sie als Sprachrohr der Marginalisierten
in der Feste Europa, der eingewanderten Minoritäten, Asylmigranten
und “Illegalen“ sowie derer, die in trikontinentalen
Mega-Slums den Staub von den Füßen schütteln, um
sich den migrantischen Meuterern anzuschließen. Erstarkt ist
sie als widerständiges Forum der literarisch rebellischen Handwerker.
Über ein Vierteljahrhundert ebnete sie Tausenden von Streitschriftstellern
den Weg zum medialen Meeting und trug erheblich dazu bei, daß
die opulent orakelnden Oratoren des biologisch begründeten
Rassismus und kulturell kokettierten Ethnizismus in der eurozentrischen
Oase zu demaskieren.
Bekanntermaßen werden nach dem Erscheinen jeder
Ausgabe ein paar Hundert potentiell Interessierten Probehefte versandt,
außerdem erhalten alle darin vertretenen Autoren jeweils ein
Belegexemplar mit einem begleitenden Appell, dem Fortbestand des
Blätterwerks auch materiell beizustehen.
Denn dieses Forum ist seit Jahren den Eliminations-Ambitionen
einer pangermanisch manischen “Koalition“ auf den Fährten
des wilhelminischen Drang-nach-Osten-Denkens ausgesetzt, dessen
Zielbahnhof das ethnische Zersplittern der kosmopolitischen Quartiere
als Vorstufe der »humanitären Interventionen« innewohnt.
Das gegenwärtige Terrain dieser Orient-Offensive umfaßt
die Gebiete vom Balken bis nach Mesopotamien und zum Hindukusch
genauso wie die hiesigen Parallelwelten.
Autoren, die das Blätterwerk bereits mit einem
Abonnement oder einer Mitgliedschaft im herausgebenden Verein beistehen,
bestellen zusätzliche Exemplare, andere leisten Spendenbeiträge.
Hinzu kommt der Beistand einiger frei-gemeinnütziger Institutionen.
Trotz mancher Zugänge neuer Abonnements und Fördermitgliedschaften
wird das kommende Jahr wieder ziemlich schwierig. Da bleibt der
geschäftsführenden Redaktion kein anderer Weg übrig,
als sich erneute an alle zu wenden:
• an die Bezieher von Probeexemplaren, ein Abonnement
in Betracht ziehen.
• an die freiwilligen Autoren, dem herausgebenden
Verein als aktives oder Fördermitglied beizutreten, nach Möglichkeit
ein paar Extra-Exemplare (freilich mit Autorenrabatt) zu bestellen
und dafür zu sorgen, daß die Buchläden in ihrer
Nähe auch unser Printprodukt zum Verkauf ausstellen. Wünschenswert
ist auch eine Mitarbeit in der Redaktionskonferenz.
Zuallerletzt werden die Rezensenten wiederholt daran
erinnert, zu ihren Beiträgen folgende Angaben hinzufügen:
Name des Autors oder Herausgebers, Titel und Untertitel,
Verlag oder Verband, Ort und Jahr, Seitenzahl und Ladenpreis der
Publikation. Außerdem erwartet die Redaktion den Versand eines
Rezensionsexemplars des jeweiligen Bandes.
Necati Mert
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