Zwanzig Tage zwischen Zyklonen-Zentrum und
Rand der Zivilisationen
Istanbul im Hochsommer. In diesem heißen Himmelsstrich
der heiteren Hominiden weilte der Verfasser dieser Zeilen drei Wochen
lang und brüskierte das fidele Drunter und Drüber - mit
dem schwermütigen Schädel des andächtigen Dichters.
Ins Auge konnte er eine Steppe der Betonbuckel fassen, dazwischen
fast zwanzig Millionen Zweibeiner und ein Staudamm geduldeter Nomaden,
der emporwächst. Einige Impressionen davon drangen in sein
Gedächtnis ein, jedoch explizit wenige Exponate aus der Marginalie
der exotischen Exponenten. Es schien ihm schwer zugänglich,
eine einigermaßen druckreife Reportage über die Menschenlandschaften
inmitten der Betonbauten und der dazwischen kreischenden Karren
zu kreieren und es zu Papier zu bringen. Als Ersatz dafür entsprang
folgendes Glossen-Sortiment:
Mentale Momente der Meetings zwischen Krösus und Krummbuckel
Am Bosporus treten Zentrum und Peripherie zugleich
auf den Plan, finden sich Okzident und Orient zusammen. Daraus ergab
sich das imperial imitierte Szenario, den Erdstrich im Weltatlas
als primäres Drehkreuz für angelsächsisch angeführte
atlantische Kreuzzüge zu installieren.
Istanbul geisterte im Hinterkopf der Westler, die
ihre edle Hochtour in den Ebenen des Orients suchten, schon immer
als Drehort der intensiven Intrigen und Integration der Inspirationen
herum - zumindest seit jener Zeit, als die Routen der Karawenen
ein riskantes Geschäft darstellten, im Mittelmeer die Korsaren
ihr Unwesen trieben und der Sklavenhandel blühte, die katholischen
Galicier die kosmopolitische Oase auf der iberischen Landzunge,
Andalusien, überfielen und sein Zentrum Granada samt seinen
humanitären Blüten in Besitz nahmen (Reconquista).
Die Metropolis westseits des Bosporus am Schnittpunkt
von Marmarameer und Goldenem Horn bewahrt diese Position auch gegenwärtig.
Hier läßt sich nicht von einer Nachbarschaft, gar einer
friedlichen Koexistenz sprechen, sondern von der Episode eines rivalisierenden
Rollendebüts.
Einst Vorposten der nordatlantischen Allianz, jetzt
Zwischen-Zentrum der monekratisch alterierten und spät-modern
alliierten Feldzüge - darauf basiert der Horizont des okzidentalen
Rationalismus, der mehr auf kategorische als analytisch dialektische
Merkmale verweist. Selbst sein akademisch assoziierter, militärisch
assistierter Orientalismus entstammt dem hermetischen Dogma des
göttlich Eigenen und teuflisch Anderen, zielt nicht aufs Erkennen,
sondern aufs Diffamieren. Die Selbstgerechtigkeit des Abendländers
verdeckt aber seine Dummheit nicht, was das dialektische Denken
angeht - Floh im Ohr. Ergreift er die Flucht vor dem Fluch der Flöhe,
bleibt er im Phantom-Flur zwischen Roh und Reif hängen - übernächtigt
bei der Lektüre des Epigonen-Epos über den Heiland.
Hier stellt sich die alte Frage aufs Neue, die nicht
nur den Charakter der hoffärtigen Zivilisationsritter tangiert:
Nach welchen Ansichten und Ansätzen läßt sich der
christliche Westen erhabener als erkennen als der islamische Osten?
Wurden die Juden vor fünfhundert Jahren, die den Flammen der
Ketzer-verbrennenden Inquisition in Andalusien entrinnen konnten,
nicht von der Flotte des osmanischen Reichs aus den Fängen
der Ritterhorden befreit und mit offenen Armen aufgenommen? War
es nicht das Volk der Denker und Dichter, das Adolf Hitler per Urnengang
an die Macht brachte und somit den Holocaust ermöglichte -
mit dem Freibrief des Oberhirten vom Vatikan?
Jetzt leiern sich ausgegorene Kreuzritter Reparationsrituale
aus dem Kreuz und betreiben im Vorderen Orient ihr Handwerk als
Retter der Juden, gegen die sie jahrhundertelang eigenhändig
Terror und Genozid praktizierten. Stammhalter der Konquistadoren
und Sachwalter der neoliberal ökonomischen Inquisition trumpfen
als weltanschauliche Honoratioren der Humanität mit ihren hochnäsigen
Werten auf. Unter ihrer Regie wird das Szenario „Kampf der
Kulturen“ ausgetragen. Natürlich lassen sie ihn im Kontext
mit ihrem Kriegskurs gegen den Terrortrubel stehen, um ihr Revier
gegen den Gewaltstreich der finsteren Horden und feigen Barbaren
abzusichern - als Dolce-Vita-Dorado der rostroten Domänen-Demokratur.
Die stilgerecht stimulierte Anti-Terror-Tortur trachtet obendrein
danach, den denunziatorischen McCarthyismus wieder ins Leben zu
rufen - auf eigenem Terrain.
Wenn die gesamte Region vom Hindukusch bis zum Mittelmeer
in Flammen steht, dort die aufgeputschten Völkerschaften stets
aneinandergeraten, Raketen fliegen und Alarmanlagen heulen, atomare
Sprengköpfe in Waffenkammern mobil gemacht werden, finden die
Emissäre und Missionare der OneWorldOrder wieder heim.
Ungehörige Regimenter, die kaum bis an ihre eigene
Nasenspitze sehen können, geschweige darüberhinaus, und
außerstande sind, ihre Hände an erster Stelle den Nachbarn
entgegenzustrecken, gibt es zuhauf. Aber wo sind die Intellektuellen,
die nicht staatskontrolliert weitsichtiger blicken müßten?
Reklamatorisch reflektierte Realitäten
Es gilt, die im Kern intensiv islamophoben Intentionen
der abendländischen Intelligenzbestie als initiatives Signal
zu begreifen, daß die aufklärerischen Institutionen stets
das Bedürfnis verspüren, sich in Kriegssituationen östlich
der Ägäis katzenfreundlich zu positionieren.
Der Weitblick der okzidentalen Reisenden als Kundschafter
reicht nicht über die Wasserstraße zwischen dem Schwarz-
und Weißmeer namens Bosporus hinaus, an dem seit über
fünf Viertel Jahrhundert der kolonialistisch konstruierte „kranke
Mann“ wohnhaft ist.
Das metroplitan manifestierte Konglomerat Istanbul
mit Konsulaten und Handelskommissaren beginnt am Galata-Turm der
Bankokratie und Bankrotterie, reicht bis Etiler, einem elitären
Stadtviertel. Ein Bogen mit Repräsentanten der internationalen
Über- und bodenständigen Unterwelt, der Diplomatie und
Transaktion. Hier spielt und spiegelt sich das Geheimnis aller Art
- Niedertracht pur...
Östlich vom Bosporus ist unterm Hesperus der
Karl Mays und Fabeldichter mit akademischem Umhang alles bekannt.
Hier beginnt der archaische Orient und geht das Gespenst jenes Kemalismus
um, welcher der Gegenwart der westlichen Paranoia Hohn spricht.
Er korrespondiert mit der nationalen Souveränität und
- Umständen entsprechend - mit der Sozialität, legt sich
dem superimperialistischen Konstrukt des ethno-kulturellen Identitätspathos
quer. Er steht im Widerspruch zum postmodernen Demontage-Demokratismus,
durch den Großgeschichten in Gedankensplittern versinken und
Epen von Elegien verdrängt werden - vor allem in jenem World-Wide-Web-Areal,
wo das periphere Menschentum als vagabundierende „Multitude“
der Posamentiers, sprich als fliegende Kurzwarenhändler, etwas
nur anbieten kann, was sie hat und damit sein Kreuz tragen soll
- ultra posse nemo obligatur!
Es ist gerade der Bedarf nach dem „Dialog der
Kulturen“, der belegt, wie das Erdenrund in ethnische Identitäten
zerfallen ist. Trotz allen Ruhms der individuellen Freiheit existieren
nur noch homogene, meist metaphysische Blöcke der Kulten und
mythischen Kollektive.
Auf diesem Themenboden operieren die Parlamentäre
der Global Players, der aufpolierten Krautjunker, Patronagen und
Patronaten. Vom irdischen Sachwalter des Himmels entlastet, handeln
sie, hantieren eventuell mit dem Elend als Event. Das bezeugt, wie
tief verflochten dieses Dies- und Jenseits im Hirn der klerikalen
Hirten des Endkapitalismus ist.
Euro-pariasierte Privatier-Party unter der Diktatur der Demokratie
Die lärmenden Vierräder schlagen die hausierenden
Straßensänger in die Flucht. Der Zores wächst, damit
auch der Zorn. Erkennbar an den Gesweitverzweigtichtern der Spaziergänger,
wie kräftig die Fingerabdrücke des ökonomischen Terrors,
des profitparat paradierenden Zyklopen sind. Daß dabei der
Demokratie eine Leerformel innewohnt, die mit jeder Gülle gefüllt
werden kann, da wissen Massen, wo eigentlich der Hase läuft.
Die schwächste Stelle der Ortsansässigen
ist seine Abhängigkeit von den uferlosen Bedürfnissen,
die durch rivalisierende Remakes der Reklame als kunterbunte Kunststücke
zusätzlich gesteigert werden. Adam Smiths „unsichtbare
Hand“ biegt gerade, daß der in wenigen Händen vermehrte
Besitz dem Gerechtigkeitsideal Garantie bieten soll - oder lebenslange
Einsatzbereitschaft beim Roulett. Doch die machiavellischen Prediger
des „sanften Islams“ und Parteien-Partner der metropolitan
besoldeten IMF-Musketiere widersprechen diesem monetär metaphorischen
Grundsatz des angelsächsischen Geistlichen nicht, dessen Lehrgebäude
das gegenwärtige Postament der Oktopoden-Ökonomie und
deren neoliberalen Legitimation untermauert.
Die Türkei bildet sich binnen der OECD (Organisation
for Economic Cooperation and Development/Organisation für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung) als das ärmste Land heraus,
hat aber gemessen am Prokopfeinkommen den höchsten Konsumstand.
Gerade darin erblicken die eurozentrisch zitierten Regime-Rhetoren
der Reform-Routine das Modell des Aufschwungs, den sie durch emporsteigenden
Warenimport zu bewerkstelligen glauben. Zugleich hetzen sie den
aufstrebenden Glücksrittern auf den Märkten hinterher,
lassen den frommen Müll-Wühler hoffen, irgendwann den
Status der Zinszombies einzunehmen. So sichern die Regimenter der
Staatsgewalt den Banken fette Ausbeute zu, die - wie neuerdings
ruchbar - sogar vor ihren Pforten Kreditkarten aushändigen.
Es genügt, den Anatolistanbulern Honig um den
Mund zu schmieren, dann sind sie die Partisanen des parasitären
Systems - im Dickicht der medial moderierten Mythen, vom Bauarbeiter
zum Showmaster zu mutieren.
Laut genug wird nebenbei auch über den Lärm
der Globalismusglocke geklagt. Doch das nordamerikanische Imperium
steigert ihn allgewaltig weiter, und seine altkontinentalen Alliierten
stehen ihm zur Seite.
Besonders laut schlagen aber die Glocken der Spaßgesellschaft
in den Bildröhren. Vierundzwanzig Stunden am Tag gibt es Leben.
In allen Variationen des Neben- und Gegeneinanders: Liebe und Haß,
Feier und Trauer, Hunger und Völlerei, Terror und Frieden...
Immergrün präsentieren sich die Get-together-Partys,
zumindest vor den Kameras. Tiefverschleierten Gestalten begegnet
man draußen kaum. Zeitweilig überwiegen junge Evas auf
den Trottoirs zahlenmäßig die mittelprächtigen Machos,
auch in der Nacht. Sie lustwandeln meist euphorisch mit dem Handy
am Ohr.
Stetes Rennen hinter dem Spaß her steigert den
Streß zusätzlich. Es erinnert an die letzten Tage von
Pompeji. Nur, es ist nicht der Vesuv, der droht, Lava auszupusten,
sondern der nächste Erdstoß, der bevorsteht, wie sich
die Vivat-Poeten der Dolce-Vita-Dorados scheinbar fühlen, daher
auf immer mehr Vergnügen pochen.
Während die letzten Partisanen der Spaßparty
ins Bett gehen, stehen die Muezzins auf, zum Morgengebet aufzurufen.
Ob die Schlawiner auf dem Staatssessel sich den Schlaf aus den Augen
reiben und den Gebetsteppich betreten, davon kann keiner Kenntnis
haben. Mit nachtwandlerischer Sicherheit läßt sich jedoch
vermuten, daß sie sich allmählich dem Allmächtigen
zuwenden, damit es in den Slums, sprich Gecekondus oder Varoschs,
ruhiger verläuft als in den Luxus-Gettos der Businessmans,
über die die mit göttlichem Gusto hantierenden Havarien
und Hurien die Hand haben?
Tortur-süchtige und Subversions-tüchtige Substanz des
Novum Romanum
Die menschenrechtsmissionaren Gladiatoren des Zivilisierten-Zentrums
jagen nach Trophäen auf dem ganzen Globus. Mit den Mitteln
aus ihren Reformwerkstätten und ideologischen Waffen aus dem
aufgemöbelten Arsenal des Kolonialismus. Subsistenz-Existenzen
werden überfallen und enteignet, Subtropen torpediert. Die
Blockwart-Mentalität rechtfertigt triviale Herren- und Untermenschen-Mechanismen.
Nach dem Motto, wer eine Schlacht ausruft, muß auch fechten,
intensivieren sie den Propaganda-Feldzug für den „Krieg
gegen Terror“, investieren in Anstalten der militaristischen
Interventionen. Unter ihrer humanitär habituellen Gewalt befindet
sich auch das Migrationsgeschehen im blutbefleckten Kontroll-Korsett.
Tatsächlich liegt auf ihrer retrospektiven Restaurations-Route
rigide der robuste Schutz der monekratischen Totalität beim
alljahreszeitlichen Roulette.
Um ihrem Ruhm als anständige Anthroposophen gerecht
werden zu können, müssen die Lemma-Lotsen und Legenden-Lektoren
das abendländische Lehrgebäude und den von ihm eingebrockten
verfahrenen Verlauf sozialer Verhältnisse auf dem Globus moralisch
überpinseln und legitimieren. Vom irdischen Sachwalter des
Himmels doch nicht entlastet, müssen sie handeln, mit dem expansiven
Mangel als existentiale Manufaktur hantieren, vor allem mit Alien-ähnlich
erdichteten Kreaturen Händel suchen. Um die martialischen Hintergründe
der markigen Miseren nicht zu entlarven, müssen sie ohne Rast
und Ruh für das waltende, den Erdkreis in Schach haltende Imperium
Okzidentum die Hand ins Feuer legen sowie standhaft dem Fazit hohnsprechen:
Das heutigentags verfaulte System läßt keinen Blütentraum
aufkeimen, keinen Ausblick auf eine Zukunft jenseits markt-mentaler
Mißstände wie Hunger, Gewalt und Krieg für wahrscheinlich
halten. Nur ein neuwertiges Emanzipations- und Zivilisationsmodell
macht die überfällige Umkehr möglich.
Doch die Markt- und Mammon-hörige Intelligenzia
des Imperium Okzidentum, für die der Ökonomismus - verwertbare
Ware und geldwertes Besitztum - als orakelhafter Glaube ins Gewicht
fällt, lebt eine prometheische Abstraktionsfähigkeit vor,
bei der sich der Rest des Globus einzuschleimen hat. Wer sich dagegen
wehrt, wird der Reinkarnation Hitlers bezichtigt.
Sie räumt dem Raubritterkapitalismus so eine
wuchtige Tragweite ein, daß ihr z.B. die Gewinnspanne der
Pharmaindustrie gewichtiger ans Licht kommt als das allgemeine Wohlergehen.
Sie haut überlaut auf die Pauke, wenn Petroleum-Potentate
- König, Prinz, Scheich, Pharao u.a. - in der Wildnis Arabiens
private Eislaufhallen bauen, während Millionen in der Einöde
Afrikas verdursten und verhungern.
Sie heftet den Blick auf Paläste und Präsidenten
abfällig, wenn diese auf der Abschußliste des Pentagon
stehen.
Sie setzt sich unentwegt über die Mißachteten
des Mäuse-Tempels hinweg, weil diese die humanen Miseren zum
Erliegen bringen wollen, daher der Werte- und Waren-Warte des Marktes
mit Unbehagen begegnen.
Sie speist sich aus dem Herzensbedürfnis, den
minderbemittelten Heloten die Botschaft zu übermitteln, daß
sie die totale Untertänigkeit, damit das Leibeigenenverhältnis
als Kismet zu begreifen und sich dem Ellenbogenrecht zu beugen haben.
Und Meriten erwerben ihre militanten Schwärmer
dadurch, daß sie in der medialen Maskeraden-Gilde, der „Presstitution“
(Uri Avnery), die erste Geige spielen und mit der Pracht unter der
monetären Übermacht prahlen. Brillant wie scharfsinnig
formulieren die Funktionäre, die in den televisionären
Talkrunden ihr Haupt wiegen, Imitationen, die Fundamente ihrer Syndikate
systematisch auszuweiden. Der immense Wettbewerb zwingt sie dazu,
ständig neue Waren herzustellen. Wer unter der Wucht der „unsichtbaren
Hand“ als Marktteilnehmer nicht untergehen will, muß
auch bereit sein, Krieg zu führen. Gewehre gewähren dem
Gewerbe das Überleben.
Das Schicksal des Endkapitalismus hängt davon
ab, die Weltgesellschaft in ethnizistisch definierte, konfliktbeladen
markierte Gemeinschaften umzumodeln. In Kauf genommen wird gleichfalls
ein Weltbürgerkrieg.
Auf dem Dünger, den das konforme System des Marktes
verbreitet, gedeiht der Terror der Timokratie, der im Schoß
des Kapitals fruchtet und historisch in Korrelation zur Theokratie
steht. Krokodilstränen vergießen die Konföderierten
der Konfrontation, wenn der Dreck, den sie verbreiten, an die eigenen
Scheiben oder Schuhe spritzt.
Die vermeintlich westlichen Werte wie Freiheit, Demokratie
und Menschenrechte haben Kultcharakter für den Markt. Ihre
Gleichheitsgebot des Individuums gilt ausschließlich für
den Erhalt des Rechtes auf Eigentum und untergräbt jegliche
Universalität des Überlebens. Diese Werte sind der Ökonomie
verpflichtet und unterminieren jeglichen Ansatz des Kollektiven
als menschliche Existenzgrundlage.
Die Demokratie, die im neoständischen System
des imperialen Kapitalismus als Schoner einprogrammiert wurde, strukturierte
schon immer die Demagogie statt Empirie. Dabei ist die Seite der
Repression so fürchterlich finster, daß ins Fenster Gegenpartei
kaum noch Licht dringen kann.
Den merkantil manierierten Menschenrechten, die mit
Doppel-Ellen gemessen werden, wohnen Partikular-Interessen inne,
und es gibt kein Abtriften davon. Wenn nicht durch erpresserisch
angetragene Freihandelsabkommen, dann durch „humanitäre
Intervention“ in Fällen besonders störrischer Staaten.
Edel empfinden die arischen Apologeten der Zivilisationszunft, was
den eigenen Gesichtspunkt widerspiegelt. Revolutionär ist für
sie, was dezidiert westliche Sichtweise einfordert und sich mit
ihrem Ideal, das Erdenrund samt seiner Atmosphäre uneingeschränkt
anzueignen, vermengt.
Kommentatoren kommunizieren über den merkantil
markierten Draht der Kröten-Kirche. Um das landläufige
Bild der Apokalypse, auf das sich die abendländische Pyramide
stützt, zu konservieren, vergegenwärtigen die doktrinären
Militanten der Journaillen-Junta einen „Dschihadismus“
und lassen ihn weitverzweigt gespenstern. Die schreibenden Legionäre
fahren alles auf, was sie an bleiern mentalem Glanz des Marktes
unterm Hesperos aufzuweisen haben.
Eine Zensur findet nicht statt, vorausgesetzt, daß
die Broterwerbskünstler der medialen Gilde die Vorschriften
im Strafgesetzbuch achten und die political correctness - im Kampf
um Status-quo-Quoten... Aber man kann einen hybridischen Wild-West-Cowboy
auf dem selbst stilisierten Imperatoren-Thron nicht als Staatsterrorist
bezeichnen oder als improvisierten evangelischen Hitler karikieren.
Bewundernswert verkauft sich der siebengescheite Heldenmut
mancher Marionetten der Journaillen-Junta. Auf Höchststand,
da sie dem imposanten Verswerk des Marodeurs nicht von den Fersen
weichen. Wer sich dem Paukenschlag widersetzt, landet im Hungerturm.
Welchen magischen Gehalt neuerdings die Münchhausiaden
beim breiten Publikum unterm Hesperos hat, zeigt die moderne Fiktion
des in rauhen Mengen produzierten und weiträumig publizierten
„Islamo-Faschismus“, der dem maroden Bush-Werk entstammt.
Somit können sich die Bravo-Brigadiers der „Presstitution“
leichter als zuvor der präventiven Propagandaschlacht gegen
globale Briganten anschließen und mit judeophilem Gejubel
die Antisemitismuskeule schwenken.
Mit stets verbalem Verweis auf die Gefahr des Dschihadismus
wird zugleich die Renaissance der Kreuzzüge als notwendiges
Novum renommiert. So maßt sich der US-amerikanisch katholische
Missionar Robert Spencer, u.a. Moderator Leader der Webseite JhadWatch
und Autor der Postille „The Politically Incorrect Guide to
Islam (and the Crusades)“ an, für die Kreuzzüge
eine historisch „gerechte“ Perspektive zu quittieren,
die gewissermaßen eine Konstante im Gestern des Christentums
enthält.
Auf dieser rauchigen Schiene rast die imperiale Lokomotive
der Zivilisation und überrollt alles, was droht, ihr in die
Parade zu fahren. Und längst wurden unter dem gewichtigen Geräusch
der Oligarchen-Orgie Lebenswelten zu Warensubjekten der kapitalistischen
Werte-Warte formatiert. Sie halten es für selbstverständlich,
daß ihr Wohl und Wehe vom markt-ökonomischen Wachstum
abhängt.
Im metaphysischen Schlagschatten ihrer humanitären
Aspekte überwiegt bei weitem das Kriegskommando gegen die „Armeen
von Holzbooten“. In der Endlosschleife menschenrechtsmental
begründeter Brutalität findet Tod vor der Küste oder
in der Wüste statt.
Die sonst wehhrhaften Ritter der geläuterten
Demokratie-Domäne verhalten sich wie Leibwächter der Potentaten
auf dem Wallach der Wallstreet-Wandalen, jagen nach der Rosinante
in der Wildnis.
Wer glaubt, wie manche islam-grüne Tausendsassas,
daß die Kraft, gegen Repression ohne Resignation Widerstand
zu leisten, nur aus dem Tempel kommen kann, ist auf dem Weg von
der Manie in die Depression.
Auch unter dem Lehrgebäude der „Multitude“
als emanzipatorischer Kraft mausern sich manche ambitionierte Musketiere
des Menschenmanagements, mit Naturschauspielen hantierende NGO-Husaren
und hochherzige Humanisten. Sie richten sich in einem asymmetrischen
Frieden ein, verschanzen sich in einem humanen Elfenbeinturm intellektueller
Fossilien. Jedes Wort, das ihnen in die Feder fließt, stammt
aus dem gepflegten Mythos des Zivilisierten-Zirkus. Sie reden wohlfeilen
Unsinn bezüglich der Möglichkeit einer „anderen
Welt“, um eigentlich die rebellischen Stimme der Entrechteten
und Gedemütigten zu übertönen. Schließlich
spielen sie sich als Riten-Reiter auf, die Zores und Zorn der Armen-Armeen
von oben herab sehen sowie ein übernächtigtes Individuum
über das Kollektiv hinweg in den Himmel heben und hoffen auf
das Gerechtigkeitsgenre der Hyänen - sinnverwandt mit der humanitären
Hybris im Singkreis der Hurra-Hymnen.
Gehässiges Geheimnis: Ethno-Atlas aus der Giftküche Pentagoniens
Es gibt am Bosporus kaum ein Kuriosum, vor dem die
spartanischen Späher der teutonischen Meute-Media die Augen
verschließen. Daß sie von den sozialen Eskalationen
keine Notiz nehmen, mit ethnischen Zwisten sowie geschenkten Geschichten
aus der hegemonialen Giftküche herumfuhrwerken, dürfte
längst nicht mehr verborgen sein. Daß sie sich zuletzt
über die schmierigen Schatten des super-imperialistischen Übergewichts
unter den „Stars and Stripes“ östlich vom Balkan
ausschwiegen, müßte einer durchdachten Methode folgen.
Als eine Neuheit ging der Öffentlichkeit der
Republik Türkei ein aus den Denkfabriken Pentagoniens stammender
Ethno-Atlas an die Nieren, publiziert Ende Juni 2006 vom „Armed
Forces Journal“, einem Periodikum der „Army Times Publishing
Company“. Es dreht sich dabei um einen generalstabsmäßig
protegierten pompösen Plan propagandistischer Popularität
sowie demagogischer Diktion für die Dekomposition fast sämtlicher
Staaten des Vorderen und Mittleren Orients östlich von Griechenland
und westlich von Indien.
Territorialverluste und neue Grenzscheiden betreffen
unter anderem die Türkei, Syrien, den Libanon, Saudi-Arabien,
Irak, Iran und Pakistan. Ganze Nationalstaatsgebilde sollen aufgelöst
und durch ausgegorene, nach Kriterien der Stammes- und Religionszugehörigkeit
definierte Völkerrechtssubjekte ersetzt werden. Demnach entstünde
auf dem Boden der heutigen Osttürkei und des Nordirak ein Flächenstaat
„Freies Kurdistan“ von der dreifachen Größe
Syriens. Der Rest-Irak wird erneut zerstückelt, die Hauptstadt
Bagdad zerschlagen. Der Iran verliert weite Teile seiner Küsten,
und in den an Pakistan grenzenden Gebieten soll ein „Freies
Baluchistan“ aufkeimen. Die heiligen Städte Mekka und
Medina, bisher in Saudi-Arabien gelegen, steigen zu Macht-Metropolen
eines muslimischen Gottesstaates auf, das an die Südgrenzen
Jordaniens stößt - als Doublette des haschemitischen
Territoriums („Groß-Jordanien“).
Die panamerikanisch paraphierte Ethno-Karte, der die
Geburtswehen eines Gewaltstreichs innewohnen, und die im Sinn hat,
den „Großen Mittleren Osten“ fest an die nordatlantische
Achse zu schweißen, erschien den sonst siebengescheiten Germanen
aufklärerischer Ambitionen nicht erwähnenswert. Sie siebten
das US-Kartenwerk vermutlich als morbide Mißgeburt heraus,
nahmen es wie ein Buch mit sieben Siegeln wahr. Doch dahinter steckt
mehr.
In einem Gespräch mit der german-foreign-policy.com-Redaktion
Anfang September 2006 urteilt der Pariser Historiker Dr. Pierre
Hillard: „Die deutsche Politik spielt bei der Propagierung
dieser Ideen eine große Rolle“. Der Spezialist für
deutsch-französische Kooperation erwähnt in diesem Kontext
die „Kopenhagener Kriterien“ und erläutert: „Diese
EU-Kriterien verlangen nach Minderheitenrechten in der deutschen
Definition. Sie sind von Deutschen ersonnen und von Deutschen in
die EU-Dokumente eingeführt worden, wie ich in meinen Veröffentlichungen
mehrmals nachgewiesen habe. Diese ethnisch geprägte Minderheitenpolitik
ist zum Bestandteil der gesamten EU-Nachbarschaftspolitik geworden,
sie betrifft auch die osteuropäischen Kandidaten und Anlieger
der EU. Es geht um ethno-regionalistische Konzepte, die zur Zerstörung
souveräner Staaten führen.“
Und zu den Ohren des breiten Publikums dringt kein
Fingerbreit. Denn die mediale Singakademie stimmt mental die Melodie
derer an, von denen sie etabliert, gepäppelt und vorweg zum
Geniestreich egalisiert wird. Stetig steigt daher ihre Aktie als
Handlanger im Laienlager für die Legitimation des liederlichen
Gelärms von „War on Terror“, und sie wiehert als
nächstes Zirkuspferd, auf das die alliierten Sekurity-Sektionen
des Imperium Okzidentum unentwegt setzen.
»Malthusianistische Krise«
Wieder kursieren entstellte Daten am Himmel der hochbetuchten
Bourgeoisen. Ein Bericht der „Deutschen Stiftung Weltbevölkerung“
alarmiert: Die Zahl der Erdenbürger wird von derzeit 6,6 Milliarden
bis 2050 auf 9,2 anwachsen. Davon werden nur 665 Millionen Europäer
sein, gerade noch 7,2 Prozent. In „www-telepolis.de“
vom 21. August 2006 kommentiert Thorsten Stegemann:
„Für die Entwicklungsländer kann der
unkontrollierte Anstieg der Weltbevölkerung nichts Gutes bedeuten.
Mit den Menschen werden auch Armut und Ressourcenknappheit zunehmen,
so dass soziale Unruhen, Bürgerkriege und Verteilungskämpfe
aller Art vorprogrammiert sind. In Europa wächst derweil nicht
nur die moralische Verpflichtung, den Menschen durch effiziente
Hilfe zur Selbsthilfe in sehr viel größerem Umfang beizustehen
als jemals zuvor. Das Bevölkerungswachstum wird den Druck auf
die schon jetzt streng bewachten Grenzen der westlichen Welt noch
einmal erhöhen und die aktuellen Migrationsphänomene vermutlich
in den Versuch einer Völkerwanderung münden lassen.“
Daß Hunger eine furchtbare Geißel ist,
weiß man einfach. Er stört dennoch nicht, solange er
am anderen Ufer des Mittelmeers als Furie ganz eigener Art verbleibt.
Die Intelligentsia des Abendlandes, tiefer als in
den Zeiten der Reconquista im Lehrgebäude des Christianismus
versunken, verbreitet das Bild des apokalyptischen Reiters, den
sie als „malthusianistische Krise“ der Menschheit verdeutscht.
Sie eskaliert. Und ihr begegnen die Apostel der Schicksalsgemeinschaft
mit Rat- und Perspektivlosigkeit der Enteigneten, die sie aus dem
Morast der Geschichte kennen. Denn die Maschinerie des Marktes,
die von der „unsichtbaren Hand“ gelenkt wird, läßt
sich kaum noch mit den Mitteln der Reformen warten. Die Beobachter
auf den Sternwarten melden Unstimmigkeiten im Sonnensystem und der
Atmosphäre bevorstehende Wasserkriege.
Überhaupt auf den „Krieg der Kulturen“
stützt sich die eurozentrische Architektur der globalen Zivilgesellschaft,
die experimentiert, äußere Feinde auch als innere Gefahr
zu instrumentalisieren, damit das krisenfeste Konstrukt der metropolitanen
Sicherheit steht. Das lautstark glorifizierte „globale Dorf“
besteht längst aus Enklaven, Elendstrichtern, ethnisch identitären
„Intifade“-Inseln. Hier lebt der Neoliberalismus fort
und die kolonialen Genozide.
Unter dem Zwang zunehmender Globalität der markt-
und mammon-konformen Humanität verkümmert die Freiheitsidee
zur partikularen Fortuna von Privateigentümern und sonstigen
Privilegierten.
Der Wärter der biologistisch-utilitaristisch
aufgezogenen kulturalistischen Eselsbrücke begegnet dem als
andere definierten Dilettanten nicht nur mit Argwohn, sondern er
fühlt sich auch auf der Höhe seiner Fähigkeit, diesen
abartigen Störenfried über den Jordan zu schicken oder
ihm solange an der Kehle zu drücken, bis die Kerze aus ist.
Die Eliten-Zunft, die sich weitsichtig der Furcht
der Hochbetuchten vor dem Aufbruch der Enteigneten zuwendet, rückt
mit aller Kraft die Demographie ins Zentrum der Demokratie und harrt
auf die Renaissance des Sozialdarwinismus gemäß der Konstitution
eines eliminatorischen Kulturalismus.
Historisch steht der Kapitalismus im engen Kontext
mit dem Christentum. Selbst sein postmodern präpotentes Postament
läßt sich im abrahamitischen Lehrsatz positionieren.
Sein Urvater, Adam Smith, war Geistlicher der evangelikanen Kirche
und erfand jene „unsichtbare Hand“, welche die Macht
hat, materiellen Reichtum respektive Kapitalstock zu mehren und
allen einen göttlichen Wohlstand zu bescheren. Diesen Ansatz
griff seinerzeit ein anderer Ökonom namens Thomas Robert Malthus
auf, der ebenfalls der britischen Kirche angehörte.
Auf dem Lehrgebäude des Theologen Malthus basiert
der Sozialdarwinismus, der postuliert, daß der gesellschaftliche
Prozeß ähnlich dem eines biologischen Organismus verläuft.
Im engeren Sinne bezieht er sich auf den ökonomischen Erfolg
sowie auf als angeboren angenommene Eigenschaften wie Fleiß,
Intelligenz und ähnliche Charakterzüge. Gesteuert durch
die unsichtbare Hand der Evolution setzt sich langfristig das durch,
was sich am besten fähig zum Überleben erweist.
In seinem „Essay on the Principle of Population“
geht der Schwarzrock Malthus davon aus, daß die Reproduktion
der humanen Population exponentiell steige, die Lebensmittelproduktion
in derselben Zeit aber nur linear. Dies folgt aus einer einfachen
mathematischen Formel: Wenn ein Paar vier Kinder hat und diese wieder
vier Kinder pro Paar, so wächst die Bevölkerung immer
schneller, die Bevölkerung verhält sich wie Zinseszinsen.
Er übeträgt Darwins Deszendenztheorie auf die Gesellschaft
und erklärt soziale Konflikte, Naturkatastrophen sowie den
Krieg als schicksalhaften Vorgang. Demnach ruft ein potentiell explosives
Wachstum von (menschlichen) Populationen zusammen mit der Begrenztheit
an Ressourcen den „Kampf ums Dasein“ hervor.
Malthus sah es als gottgewollt an, daß ein großer
Teil der Erdbewohner sich seinem Schicksal, einem Leben in Armut,
durch die “naturnahen“ wirtschaftlichen Umstände
verursacht, zu stellen hat. Elend, Seuchen, Zwangsmaßnahmen,
Kriege u.a. sollen die überschüssige Produktion der Menschen
reduzieren. Und der Neomalthusianismus befürwortet sogar den
Einsatz von Massenvernichtungswaffen.
Die naturalistische Theorien vom „Überleben
des Angepaßten“ setzten die Nazi-Ideologen um, indem
sie dem Schicksal der Ausgelieferten das Trugbild des “lebensunwerten
Lebens“ oder der “minderwertigen Rassen“ zuschrieben.
Wüten und zerstückeln kann der hochbetagte
Kapitalismus-Krake auch im moribunden Stadium. Mit weinenden Augen
und zerrissenem Herz zelebrieren seine Palast-Privatiers den letzten
Sieg über den Planeten.
Noch nie wurde auf dem Globus so viel Reichtum angehäuft
wie heute, welcher allen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen
könnte. Nur: Auf ein Prozent der Erdenbürger entfällt
soviel Einkommen, welches dem Anteil von siebenundfünfzig Prozent
entspricht.
Doch eine andere Welt wird es jenseits eines Morgens
des Sozial-Kollektiven nicht geben.
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