Der Kaffee schmeckt gut, sonst würde ich ihn
hier nicht trinken. Und ich trinke und weiß, daß ich
gleich Magenschmerzen bekomme.
Die Cafeteria, im Soutterain des neuen Krankenhauses
eingerichtet, hat ein sparsames Angebot an Kuchen, Salaten und Brötchen.
Es reicht für die, die hier warten, die mit ihren Angehörigen
hier sitzen, für kurze Zeit dem Krankenzimmer entflohen. Hier
sehe ich die unterschiedlichsten, jedoch meist ausgelatschten Pantoffeln,
zu kurz geschnittene Pyjamas unter Jacken und Trainingsanzüge
mit Firmenlabel. Ich sehe auch manche Hand, die eine andere hält,
stumm, vielleicht tröstend.
Komme ich durch den großen, zwei mal zweitürigen
Eingang, befindet sich gegenüber der Fahrstühle gleich
links ein breiter Tresen. Es ist eine Auskunftsstelle mit Computer,
Telefon, Infomaterial.
Hinter dem Tresen Diensthabende. Ein kleiner Mann
mit gestutztem Oberlippenbart und einem Kindergesicht geht häufig
vor die Tür, raucht, erzählt von seinem 12-stündigem
Dienst.
„Heute wieder so lange?“ manchmal frage
ich, bekomme Antwort. Sein Lächeln ist verzerrt, und fällt
nach dem letzten Wort wie eine Maske von seinem Gesicht.
Drei Jahre Baustelle. Jetzt ist die neue Klinik „Hedwigshöhe“
eingerichtet. Der Altbau wird teilweise abgerissen. Jeden Tag sehe
ich einige Mauermeter weniger. Ein hoher Kran ist im Augenblick
Wahrzeichen auf dem Berg, weit sichtbar, so wie auf der anderen
Seite über Waldlinien der Müggelturm.
An der rechten Seite der Cafeteria stehen viele niedrige
Tische und Sessel mit weit nach hinten ausladenden Rückenlehnen.
Ich muß mir die Tasse Kaffee auf meine Kniee nehmen. Jeden
Tag, wenn die die Krankenzimmertür 32 a auf der Station St.
Konrad schließe, setze ich mich hier hin. Ich brauche Abstand.
Einmal machte mich, als ich meinen Kaffee trank, ein
eigenartiges schepperndes Fahrgeräusch hellhörig.
Drüben, an der anderen Fensterseite, am Buffett
vorbei, schob ein junger Mann mit Brille und blassem Gesicht ein
hohes Gestell.
Jetzt seh ich ihn wieder, Richtung Fahrstuhl eilen.
Auf dem Gestell liegt ein großer silberner Blechkasten.
Er ist langgestreckt und hat die Form eines Brotkastens. Wenn ich
richtig gesehen habe, wird er von einer Seite aufgeklappt. Warum
weiß ich nicht, aber mir fällt mein Brotkasten in der
Küche auf dem Schrank ein. Er ist blumig bemalt und aus Bulgarien.
Lange stand ich auf dem Markt, habe gewählt, die Kästen
miteinander verglichen, wegen der Farbe ein Auge zugekniffen, schließlich
solle er zu meinen Küchenmöbeln passen. Jünger war
ich damals und diese Entscheidung hatte noch großes Gewicht.
Den silbernen Brotkasten hier sucht sich keiner aus.
Ich sehe aus dem Fenster. Draußen wirbelt der
Wind Blätter auf, läßt sie wieder fallen. Der Herbst
hat sie im vorigen Jahr von den Bäumen geholt.
Ich verfolge ein braunes rissiges Blatt. Es bleibt
an einem Wurzelstock hängen. Ein kurzes Zittern, aber es kommt
nicht mehr los. Längst darüber hinweggeeilt ist der Wind.
Bald werfen neue Blätter helle Schatten.
Auf dem Weg zum Ausgang höre ich das Geräusch.
Ich drehe mich nicht um.
Draußen vor der Tür steht der kleine Mann,
Zigarettenrauch im Kindergesicht. Ich nicke ihm zu.
Marlies Schmidl
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