In den bisherigen zweihundert Jahren der Wesensgeschichte
des Abendlandes liegt der Beweis, daß die Universalität
seiner Wertsendungen nicht schwerer wiegt als das Gewicht der Glaskäfighamster.
Dennoch oder gerade deswegen bewirkten sie für ihre Empfänger
auf dem Wege zur Emanzipation als Ballast.
Das eigentliche Kräfteverhältnis dieser
abendländischen Werte liegt zwischen der bisher virtuellen
Erzählung vom “Untergang des Abendlandes” und der
testamentarischen Apokalypse.
Trotz aller Lobeshymnen, mit der die Domäne der
merkantilen Humanität eine Horde von Claqueuren unterhalten
kann, wäre es den Vertriebsagenten der bürgerlichen Ideologie-Produkte
nicht gelungen, in weiten Teilen des Globus Fuß zu fassen.
Begeistert haben sich die Kontinente erst für die sozialistischen
Ideale, deren Verbreitung auf der Grundlage der Aufnahmebereitschaft
stattfand.
Dagegen erfolgte die Ausweitung der bourgeoisen Ideen
durch Eroberungskriege, Invasionen, Bevormundungen, Einmischungen,
Intrigen und Provokationen. Mehr als Nationalismus, Klerikalismus,
Rassismus u.ä. enthalten sie nicht.
Mit der Siegesparade des monetären Kapitalismus
über den Sozialismus wandte sich die Bourgeoisie an all jene
geschichtlichen Domänen mit der Botschaft zur Versöhnung,
gegen die sie sich bisher als Klasse des Fortschritts behauptete.
Um ihre Dynastie zu verewigen, droht sie mit der rachegöttlichen
Erzählung der Apokalypse, bedient sich selbstherrlich der technologischen
Errungenschaften, stützt sich auf die Oldies der Systeme wie
Leibeigenschaft, Sklaverei, Häuptlingstum...
Hier stellt sich die Frage nicht danach, wie reaktionär
diese Bourgeoisie geworden ist, sondern ob ihre Fundamente überhaupt
universale Bausubstanz enthalten.
Berührt werden sich von einem solchen Fragesatz
die Meisterdenker des kritikgeschützten Intellektuellenprogramms
nicht fühlen, die sich in den nächtlichen Kanälen
im harten Überlebenskampf mit den Bordellfürsten befinden
- auch die aufrückenden Gesellen der Intellektuellenzunft nicht.
Denn sie verdanken ihr Wohlergehen dem Mangel an subjektiver Gegenkraft
der neofeudalen Macht und daß sich der Zusammenprall der sozialen
Gegensätze mit den Mittel des Kulturdiskurses beruhigen läßt.
Oft treten diese Gesellen in der Rolle des Demo-Kuratus
auf und spielen vor, wie man sich beim Gestank des Elends die Nase,
beim Knurren des Magens die Ohren zuhalten kann. Um ihre Stellung
nicht zu verlieren, müssen sie ihr Publikum mit den ewig impulslosen
Anregungen über Demokratie und Chancengleichheit, Zivilgesellschaft
und Menschenrechte in den Schlaf beten. Im rückwärtsgewandten
Leitzug der Modernisierung haben sie die politische Ökonomie
aus den Foren über Rassismus, Ethnophobie, Emanzipation, Bürgerrechte
u.ä. zu verjagen.
Sie haben den menschlichen Horizont zu verhüllen
und davon abzulenken, daß die Sprachgüter wie Individualismus,
Pluralismus, Liberalismus eine Chimäre auf dem Tretrad des
Kapitalverwertungszwangs sind. Auch müssen sie sich mit den
Moderatoren der Neuen Rechte verbrüdern sowie mit Neolinken
verbünden und darüber lamentieren, wie die metropolitane
Vermehrung des Privateigentums die schrecklichen Übel lindert,
wie viel Sozial-Präfixe die respektive kapitalistische Demokratie
erträgt und wie viel Political Correctness-Suffixe die reflexive
Gesellschaft.
Das Denkmonument des Abendlandes: Andere müssen
Maß halten für ihre Erwartungen
Der hier versuchte Streifzug durch das komplette Abendland
zielt nicht darauf ab, es in irgendeinen Kasten zu stecken oder
ihm eine Schablone der Teufelei anzudichten, sondern basiert auf
einem provokativen Denkansatz: Da es ist, was es tut und läßt,
fordert es zu einer fundamentalen Auseinandersetzung mit sich selbst
heraus.
Die Zivilisationskaste des Abendlandes besteht auf
der autokratischen Autorität im Leitwerk des Fortschritts,
und seine bürgerlichen Kräfte tappen seit dem Sturm auf
die Bastille durch das Château der immer korpulenter werdenden
Oligarchen in der Wolkennacht – mit der Lappe der “universalen”
Werte, ohne sie definieren zu wollen. Sie schließen jede Veränderung
in ihrer “Hochkultur” aus und beschriften Papierwerke,
mit denen sie dann den Rest des Kosmos auffordern, sich genau so
zu reformieren, nämlich den Gesetzen des Marktes unterzuordnen.
Also lebt das Abendland von jenen Werten, die sich
mindestens seit zweihundert Jahren im Stillstand befinden. Sie sind
daher nicht in dem Sinne rückständig, weil sie nicht auf
der Tradition der Aufklärung stehen, sondern weil sie eben
nichts anderes enthalten als dieses Oldie.
Es betrachtet den Kosmos als seinen Besitz und die
Erdenbürger als seine Leibeigene, die es glaubt, mit dem Notwendigsten
zum Überleben zu versorgen, um sein Wohlbehagen mit aller Vielfalt
der Natur und Technik zu sichern.
Immer wenn das Abendland eine höhere Etappe für
seinen Vormarsch auf dem Geschichtsgelände verkündet,
erfinden seine Gelehrten neue Novellen. Nicht mehr mit den Paraphrasen
wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit flattert seine
Fahne, sondern mit der neomerkantil-kulturalistischen Ideologie
der “Menschenrechte”, seit es am Mount Everest der Arier
als Wiege der Zivilisation kalt wurde.
Eine Versagensangst geht um in seinen Kapitalen, herrscht
die Stimmung des Ausnahmezustandes vor dem Aufbruch der “neuen
Völkerwanderungen”. Daher befehlen ihre Oberhäupter,
die Ökonomisierung bzw. Monetarisierung menschlicher Träume
und die Bombardierung tumultuarischer Begegnungen mit Geldparkmöglichkeiten.
Das Programm des neuen Abendlandes, das inzwischen
den Abstand zum Faschismus verlor und seine Institutionen wie Korporatismus
in “Konsensgesellschaft” umschrieb bzw. übernahm,
mußte den ramponierten klassischen Rassentheorien die Absage
erteilen, weil sie den Wechsel von einer Rasse zu anderen, von Unterrassen
zur Oberrasse ausschließen.
Dagegen sind die Grenzen der Kulturkreise nicht so
fest betoniert. Also kann Kultur von Einzelnen verworfen und erworben
werden. Gemeinsam ist bei beiden Kreismarkierungen die Stufenförmigkeit
gemäß der Hierarchie-Leiter mit Wertunterschieden.
Darin liegt auch der Grund, warum die Gelehrten der
Integrationsseminare einen Heidenlärm schlagen müssen,
wenn ihr Angebot, den angeborenen Unterkulturkreis zu verlassen
und sich vom höheren assimilieren zu lassen, nicht einen Glückstaumel
auslöst.
Agora und Zivilgesellschaft im audiovisullen
Stadium der Aufklärung
Gemeinschaftssäckel des Individuellen leergeschöpft
– der Marasmus der zivilisatorischen Kernfäule weitet
sich aus. Der herrische Trommelschlag verkündet die Gewalten-Totalität
des “Legislativ-Exekutiv-Judikativen”, gestützt
auf die architektonische Metapher eines vierkantigen sich nach oben
verjüngenden Pfeiler des Kommunikativen mit pyramidenförmiger
Spitze. Um diesem Obeliks herum versilbern die subalternen Statthalter,
die wiederum in hierarchischen Legionen besoldet werden, ihren druidischen
Kunsttrank.
Führen die Spuren der quertreibenden Urteile
zum Fundort der Kolonisierten, braucht kein Hahn danach zu krähen.
Noch stehen die Schallwellen des diametralen Denkufers unter der
Aufsichtsturm der globalen Zentren. Noch kann der humanitäre
Reklame-Rummel in weiten Menschenländern fiebernde Furore zeitigen,
während das Treibhaus der Kernfäule tiefgekühlt bleibt.
Nur die Ziehkinder der Westgermania, die im Herbst
1989 für die “friedliche Revolution” marschierten,
zeigen sich enttäuscht.
Geschwungen und abgeschliffen ist der Federkrieg mit
dem Sexus-Konsum als Femme fatale, bis sich sein Profil ins Unkenntliche
verwandelt. “Belle Epoque” singen die Pop-Guerilleros
der Party- und Spaßparteien in der Formhülle der Neue-Mitte-Demogracien.
In der Souffleur-Kabine kugelt sich der Theorie-Patriarch vor Lachen.
Dem Gesellenstück folgt der Meisterlehrgang:
Krisen und Kriege werden weggeschwatzt und weggeschrieben, verschwinden
im Einerlei des parlamentarischen Pingpong. Das Paradeheer des demokratischen
Wirtstiers – Soldschreiber der Mass-Media, Hofphilosophen,
Studienstricker... – jagen hinterher.
Die Intervention der Intriganten schreitet voran.
Sie beschränken ihre Werkgrenzen nicht mehr nur mit der Kunst,
die staatlichen Machtzentren zu erschleichen, sie sind auch brüskiert,
die Schaltstellen der Zensur erobert zu haben. Die Akteure der medialen
Meetings und Patrone der Denkfabriken schwelen im Zirkusrund der
Humanität und schwelgen im Siegesrausch der High-Tech-Brigadisten.
Das Riesenrad der Demokratie dreht sich. Terrorismus-Mär
als die letzte Erzählung der Aufklärung im Stile kolonialer
Überfälle übervölkert das Bürger-Parkett.
Jede Politokratenzunft, die sich Partei nennt, verfügt
über eine Zweigstelle, die sich unter dem Label Stiftung betätigt.
Ihre Zwecke, erzählt Arnold Schölzel in “junge Welt”
vom 19. November 2001, “ reichen von der Versorgung abgehalfterter,
also verdienter Parteimitglieder mit lebensstandardsichernden Ruheposten
über Beschäftigungstherapien für junge karrierewillige
Menschen, die dem politologischen Aberglauben anhängen, bis
zur Ausbildung von Führungspersonal ferner Länder, das
so mindestens moralisch verpflichtet wird, der Bundesrepublik vielleicht
einmal zu Diensten sein. Damit sie das alles bezahlen können,
erhalten die Stiftungen offiziell rund 600 Millionen DM im Jahr.”
Der Demokratiekurs diktiert den Prototext
für das Publikum, mit dem ökonomistischen Terrorsystem
zu flaggen
Menschenmaterial wird eingesetzt zu produzieren, und
die Produktion paradiert auf der Kosten-Kurve. Aus dem Wettlauf,
die Faktura der Arbeitskraft zu marginalisieren, entstand plötzlich
die Konsumkrise, der Korso der Überproduktion. Und plötzlich
rufen die Vorturner der Deregulierung den Übervater, den Souverän
des Standortnationalismus zur Intervention in der Arena der Marktspielkräfte.
Er muß seinen Untertanen die Konsumlust als einen patriotischen
Akt beibringen.
Um die Bedürfnisse der Konsumjunkies zu befriedigen,
müssen die Postenschacher alles tun für die Freiheit endloser
Bereicherung. Daher trainieren sie am Himmelspunkt mit den kalten
Kriegswaffen, um die Freiheit der Aneignung zu sichern. Immer eifriger
nähern sie sich dem Stabmanagement eines Supermarktes, das
sich freut, wenn die eingelieferten Waren billiger werden und die
Regal-Preise undurchsichtiger. Unerheblich dabei, was der Geldsack
mit immer größer werdenden Banknoten machen kann.
Immer nach rechts, wo sich die faschistischen Kultstätten
ausweiten, driftet der demo-kreative Traktor.
Die Agenturen des Werbefeldzugs der OneWorld inszenieren
ein Laienstück mit Raufbolden und Desperados als Gegenpol des
humanitären Krieges. Um den virtuellen Gegner mit islamistisch
gedruckter Banderole gemäß dem Pentagon-Plan “Clash
of Civilizations” einzuhämmern, werden die Ethno-Banden
je nach der Krisenlage rekonstruiert. Allein ihre Existenz dient
dann zur Gehirnwäsche des metropolitanen Publikums.
Die Aufdeckung dieser Inszenierung benötigt keine
mühsame Aufklärung. Es gibt genug Belege dafür, daß
die Staatsdiener mit Protagonisten der rivalisierenden Gewalt kooperieren.
Die arrangierte Gehirnwäsche des verwertbar demokratisierten
Publikums vollzieht sich so gründlich, daß jeder für
verrückt erklärt wird, der wagt, die Zusammenhänge
publik zu machen, die sich von den vorgegebenen Szenarios abweichen.
Nicht können die journalistisch jonglierenden Soldgesellen
der Aufklärungsindustrie mehr bewirken, als auf dem Schoß
der Nachrichtendienst-Agenturen zu sitzen und auf das maßgeschnittene
Informationsmaterial zum Füllen ihrer Pflichtspalten zu warten.
Mit dem Zusammenfall von Agora und Theater befaßt
sich der Berliner Politologe Herfried Münkler in "Frankfurter
Allgemeine Zeitung" vom 26. Juli 2001:
Einige Beobachter des politischen Geschehens schlagen
Alarm: Politik, und zwar keineswegs bloß deren Darstellung
in den Medien, sondern auch die Entscheidungsabläufe selbst,
verkomme zu einer Veranstaltung, die unter dem Diktat der audiovisuellen
Medien steht, die, wenn sie beim Publikum Erfolg haben solle, Unterhaltungswert
haben müsse.
Dementsprechend würden Konflikte inszeniert
und Personen präsentiert, ohne daß dies mit der Sachlogik
des politischen Entscheidungsgangs irgend etwas zu tun habe; es
gehe bloß darum, auf dem Marktplatz der Aufmerksamkeiten gegenüber
anderen Unterhaltungsangeboten nicht ins Hintertreffen zu geraten.
Eine Politikberichterstattung, die bei der allabendlichen Programmauswahl
nicht sogleich weggezappt werden will, muß entsprechend durchgestylt
sein. Um in die Nachrichten zu kommen, hätten sich die Politiker
inzwischen entsprechend designt. Das alles habe, so die Kritik,
mit sachlicher Politik nur noch wenig zu tun.
Tatsächlich läßt sich eine Fülle
von Einzelbeobachtungen zusammenstellen, die diese These bestätigen
und womöglich als Bedrohung für die repräsentative
Demokratie anzusehen sind. In zunehmendem Maße haben die Parlamente
die Funktion der konkurrierenden Präsentation von Interessen
und Wertorientierungen, deren argumentativer Vermittlung, schließlich
der Ermittlung von Kompromißlinien und Gemeinsamkeiten an
politische Talkshows verloren. Fast durchweg haben politische Talkshows
höhere Einschaltquoten als die Parlamentsberichterstattung
auf Phoenix, und damit haben sie, wenn Quoten die Währung auf
dem Markt der Aufmerksamkeiten darstellen, auch eine höhere
politische Relevanz.
Fragen der medialen Vermittlung sind dem Politikprozeß
schon lange nicht mehr äußerlich - und wahrscheinlich
sind sie es auch nie gewesen. Im Falle der Relevanzverschiebung
vom Parlament zur Talkshow zeigt sich dies unter anderem darin,
daß es für einen aufstrebenden Politiker ein größerer
Karriereschritt ist, zu Sabine Christiansen oder Maybrit Illner
eingeladen zu werden, als von seiner Fraktion im Rahmen einer Parlamentsdebatte
ans Rednerpult geschickt zu werden. Parlamentsauftritte sind in
der Regel nur noch relevant für das Ranking innerhalb der Fraktionen;
Talkshoweinladungen bieten die Chance, die Meinungsführerschaft
in bestimmten Fragen zu erlangen. Wer in einer Talkshow brilliert,
bietet sich damit für höhere politische Aufgaben an.
Der parlamentarischen Beschlußfassung sind
Prozesse vorgeschaltet, in denen Dissens markiert und Konsens hergestellt
wird; diese haben sich im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts und
seiner tiefgreifenden medialen Veränderungen aus dem Parlament
herausverlagert. Nun hat es in der Verfassung nicht vorgesehene
informelle Strukturen von jeher gegeben. Aber sie hatten ihren Platz
innerhalb des Parlaments und der in ihm vertretenen Parteien. Die
Informalität von Meinungsbildungs- und -aushandlungsprozessen
hat eine andere Qualität bekommen. ...
Wo Theater gespielt wird, sich also ein Publikum
versammelt, um sich durch die Leistungen von Schauspielern unterhalten
zu lassen, gibt es Grund zu der Vermutung, daß sich im uneinsehbaren
Hintergrund der Bühne ein Autor, ein Regisseur sowie Souffleure
und Maskenbildner verbergen, die die Fäden ziehen und über
das entscheiden, was das Publikum zu sehen bekommt.
Auf die Politik übertragen, heißt dies
daß, wo Theatralisierungen konstatiert werden, Manipulationsverdächte
und Verschwörungsängste naheliegen. Nennen wir dies die
mit der Theatralisierungsbeobachtung verbundene Manipulationsthese.
Sie ist in der Geschichte des demokratischen Denkens, präziser:
der Sorge des Republikanismus vor der Aushöhlung bürgerschaftlicher
durch herrschaftliche Ordnungsmodelle immer wieder anzutreffen.
Die zunehmende Politiktheatralisierung, wie sie
insbesondere durch das Fernsehen als Leitmedium moderner Gesellschaften
forciert wird, ist Indikator einer neuen Form von Arkanpolitik,
bei der alles Wichtige und Folgenreiche hinter verschlossenen Türen
ausgehandelt wird, während für das allgemeine Publikum
anschließend ein Theater in Szene gesetzt wird, das mit dem
zuvor Verhandelten und Abgemachten nur wenig zu tun hat.
Was in den letzten Jahren an Konzeptionen der
Zivilgesellschaft entwickelt und in Umlauf gebracht worden ist,
erweist sich nur auf lokaler, allenfalls regionaler Ebene als politisch
praktikabel. Die Formel einer europäischen Zivilgesellschaft
ist über eine bloße Floskel nie hinausgekommen; schon
wo sie als politische Vision apostrophiert wird, ist dies ein Euphemismus.
So steckt das Modell der Zivilgesellschaft als Alternative zur theatralen
Politikkonzeption von Bühne und Publikum in demselben Kerker,
in dem sich bereits der Republikanismus des 17. und 18. Jahrhunderts
befunden hat: Es hat Plausibilität nur für kleinräumige
und überschaubare Verhältnisse, und je stärker Politik
in globalen Maßstäben agiert, desto weniger ist erkennbar,
wie es gegen das Theatralitätsmodell ankommen kann. ...
Tatsächlich nämlich haben sich Demokratie
und Theater keineswegs immer und grundsätzlich ausgeschlossen,
wie dies der Republikanismus unter dem Eindruck eines herrscherlichen
Gebrauchs von Theatralität gemeint hat. Daß die Blütezeit
der attischen Demokratie und die glanzvolle Periode von Tragödie
und Komödie in Athen zusammengefallen sind, ist immer wieder
mit Erstaunen bemerkt worden. Erklärungen für diese Gleichzeitigkeit
sind freilich wenige angeboten worden. ...
Agora und Theater schlossen sich nicht aus oder
konkurrierten um die größere Aufmerksamkeit, sondern
ergänzten und stützten sich gegenseitig. Jene demokratischen
Politiker, die dem Volk den Weg ins Theater erleichterten, indem
sie ihm Aufwandsentschädigungen für den Besuch der Aufführungen
auszahlten, scheinen sich dessen bewußt gewesen zu sein. Tragödie
wie Komödie der Athener waren wesentliche Elemente bürgerschaftlicher
Erziehung, die die Folgen von Entscheidungen wie Nichtentscheidungen
vor Augen führten und so die Informationsverarbeitungskompetenz
der Bürgerschaft ausbildeten und steigerten.
Das Theater war - zumindest funktional - eine
Form politischer Erziehung in der Demokratie. Die Orestie, der Ödipus
oder die Antigone waren auch Reflexionen auf die Risiken und Dilemmata
der Politik, in denen der Bürgerschaft vor Augen geführt
wurde, was alles zu bedenken war, wenn man politisch handelte. ...
Die Theatralisierung der Politik ist gleichbedeutend
mit einer Erhöhung der politischen Prämien auf Populismus.
Und das Spannungsverhältnis zwischen Politik
und Theater, wie es für die attische Demokratie charakteristisch
war, wird durch die Politiktheatralisierung gerade aufgelöst;
das Rollenrepertoire der Bühne wird zum Rollenrepertoire der
Politik selbst. Das reicht von der Inszenierung des Privatlebens
der Politiker, durch die ihre Wahlchancen erhöht werden sollen,
bis zu jenen Formen umweltpolitischen Agenda-Settings, wie es von
Greenpeace perfektioniert wurde. Die Initiativen der Bürger,
die sich aus Sorge um die Bedrohung ihrer Umwelt politisch engagierten,
sind abgelöst worden durch eine kleine Gruppe von Professionals,
die in Form spektakulärer Aktionen Medienereignisse produzieren,
um damit sowohl Aufmerksamkeit für spezifische Umweltfragen
als auch neue Anreize für die Spendenwilligkeit des Publikums
zu schaffen.
Der sich für die Erhaltung und Reproduktion
kollektiver Güter engagierende Bürger ist ersetzt durch
ein interessiertes Publikum, das seine politische Präferenzbildung
in Form steuerabzugsfähiger Spenden artikuliert. Der Kampf
um die knappe Ressource der Aufmerksamkeit des Publikums ist zum
wichtigsten Betätigungsfeld der Umweltaktivisten geworden.
Die Mittel, mit denen sie diesen Kampf führen, sind immer seltener
solche der überzeugenden Argumentation und immer häufiger
die einer gelungenen Inszenierung. Nicht viel anders ist es um die
Rekrutierung des politischen Personals bestellt. Die Fähigkeit
einer geschliffenen Rhetorik ist längst durch smarte Telegenität
abgelöst; die Fähigkeit, innerhalb von dreißig Sekunden
vor laufenden Kameras eine politische Botschaft zu pointieren, ist
wichtiger als die mitreißende Entwicklung einer politischen
Idee in einer längeren Rede.
Trivial-Tiraden mit der Vollmacht der Wallstreetmagnaten
Subkommissare der UNO und die verkappten Agenturen
des Imperiums, welche die NGO-Parlamentäre sind, harren auf
den Rauch der todtragenden High-Tech-Apparate und werfen sich dem
repräsentativ-demokratischen, nordisch-weißen Kupplerkapitalismus
an den Hals. In ihrem kontrafaktischen Konstrukt entspinnt sich
der Topos des systemischen Schabernacks, mit dem sie als Musterexemplare
jener Spezies den Mund vollnehmen, welche generell ein mysterienreiches
Wachstum ihres Geistesvermögens generieren wollen. Vorausgesetzt,
daß es den Gelehrten des globalen Glockenspiels gelingt, der
Ausbeute durch Stilisierung segmentierter Sekten neue Marktnischen
zu eröffnen.
Der Eulenspiegel der MultiKulti-Maskerade folgt dem
postmodernen Postulat hybrider Identitäten auf dem Dritten
Weg der Sozialdemokratie mit dem Ökopaxen-Faun. Die neokonservativen
Verteidiger des grenzenlosen Marktes verachten das Kollektive als
kontraproduktiven Sentimentalismus.
In ihrem erdballumspannenden Virtuell diktieren sie
eine Spaßgesellschaft, die das fiktiven Quantum des privaten
Reichtums ermuntert, sich über die Versager kaputt zu lachen.
Dann verhängen sie ein Lachverbot mit populistischen Pointen
und polemischem Tolerieren, das man gegenüber jedem und überall
dort verhängen kann, wo man nichts vermutet, was ernst zu nehmen
ist.
In der bereitwilligen Knechtschaft für Pax Americana
rekapitulieren sie den Geiz der Besitzkaste, wiegeln den Bombersturm
auf, setzen jeglichen Widerspruch außer Kurs, konstruieren
ein ölfleckartiges Gesinde mit Gespenstern in der Gestalt von
Staatsschurken, Machtmullahs, Stammeshäuptlingen, hofieren
den lamentablen Feuilleton-Gelehrten, nehmen die Abweichler in Geiselhaft.
Galeerensklaven in den nordischen Zitadellen
Visuell im Usuell öffnet sich das Tor der ethnozentrischen
Bastei nach außen als Menschenrechtsmentor, nach innen als
Protektor der Menschenverwaltung.
Mit dem fashionablen Terminus "clandestino"
pusseln die professionellen Hütejungs der migrantischen Menschenherde
einen recycelten Reklame-Reiz für eine gewissenhafte Gesinnungsgemeinde
der hoch begüterten Staatsbürger im imperialen Zentrum.
Zwischen dem Sog der Minderbemittelten bewegt sich der Aufklärungskuppler
und sorgt dafür, daß die Fremdensektion des überflüssigen
Menschenmaterials konstant die ideologische Bauhütte der Gespenster
bevölkert, gegen die der parlamentarische wie private Stammtisch
und die verkopfte High-Society Giftpfeile abschießen können.
Die Klüfte zwischen Menschenlandschaften werden
tiefer, die Lüfte aggressiver, die Gräben intensiver.
Gleichzeitig verschwinden die Konturen zwischen sozial Errungenem
und schäbig Hinterwäldlerischem. Auf dem Arbeitsmarkt
türmte sich das Formelle im Informellen auf.
Die National-Holding der Profiteur-Partie setzt ins
Werk, was als Vermächtnis aus dem Zeitalter der Galeerensklaven
gilt: Ein neoliberal ökonomisches Verfahren nach dem Pyramiden-Paradigma.
An der Spitze sitzt der Generalunternehmer, der als Vertragspartner
der Aufträge zum Vorschein kommt. Direktes Verhältnis
zum Handwerk hat er nicht, beschäftigt hauptsächlich kompetentes
Personal, um die Untervergabekette des Geschäfts in Gang zu
halten.
Ähnlich verfahren auch die zwischengeschalteten
Unternehmen. Nach Abzug des jeweiligen Gewinnanteils reichen sie
die Aufträge weiter nach unten. Ganz unten verweilen die Flurhüter
der Werkverträge und Schwarzarbeit. Gesetzt den Fall, daß
hier eine Kontrolle abläuft, kommt der Schwarzhändler
der Arbeit generell mit einem Bußgeld davon, das in keinem
Verhältnis zu der zuvor erzielten Ausbeute steht. Es wird verschiedentlich
berichtet, daß diese Brotherren kurz vor einem anstehenden
Zahlungstag mit einer anonymen Anzeige eine Razzia provozieren und
so die Lohnbegleichung umgehen, weil die "Illegalen" sogleich
abgeführt und der Deportationsgendarmerie übergeben werden,
für die die erbrachten Ansprüche nicht ins Gewicht fallen.
Dank der mediaten Beihilfe durch den reibungslosen Abtransport der
klandestinen Malocher fahren die Tâcherons (Handlanger der
Baufirmen) ihren Beutezug fort, weil die Ausgewiesenen ihre Ansprüche
auf außenstehendes Entgelt nicht mehr geltend machen können.
So entlastet können die Schwarzhändler der Arbeit fette
Anteile einheimsen.
Hervorgebracht hat das Gewerbe in der Schattenwelt
zum Beispiel in der Alpenrepublik Ö-Reich ein Betrag von 12
Milliarden Euro.
Diese Art Ausplünderung migrantischer Proleten
hat sich längst als gängige Methode der Menschenverwertung
im Herzen der Menschenrechtsmonarchien etabliert - wovon in den
EU-Standorten einige Hunderttausende betroffen sind. Ein Wassertropfen
im Verhältnis zum globalen Mißstand, der als eine Springflut
oder als fauliger Strom dargestellt wird, um den Fruchtacker der
apartheids-appetitlichen Tretmühle auszudehnen.
Die Raffinesse des Rationell-Rassismus
Rassistisch-kulturalistische Konstruktion des Fremden,
das Fehlen von minoritären Repräsentationsorganen begünstigt
den kräftigen Reibach. Sie bringt das Weltbild in Umlauf, wonach
der Fremde selbst an seiner Herabsetzung Schuld hat, weil er nicht
die Fähigkeit auf Lager hat, die Maßstäbe zu erfüllen,
welche die Majorität der Moneymagnaten festsetzt.
Das Böse gibt es im Foliant des Christentums
als göttlicher Urheber des zivilisatorischen Urbilds. Überträgt
man den Topos Böse auf einen Menschenschlag, ist das Trivial-Gewicht
der Gewalt begehrt - damit der Übergang vom merkantilen zum
martialischen Terror durch die nach außen gewölbt urbanen
Zentren der privaten Reichtümer.
Das Böse ist dem Getue seiner Illustratoren nach
mysterienreich, plutonisch, aber auch wandlungsfähig wie Proteus.
Einziger Charakterzug, mit dem sie ihn ins Auge fassen, besteht
aus dem Zugehörigkeitspathos zu Pluto, dem Gott des Hades,
vergegenwärtigt im Wesensgehalt des migrantischen Fremden.
Auf das Lehrgebäude des bösen Fremden -
böse ist allemal alles, was als fremd erscheint - stützt
sich der Werkzeugkasten des Abendländertums mit dem Rassismus.
Gestern richtete er sich an den Segmenten der Schädel-Silhouette
und Hautfarbe aus. Diese abwertende Markierung rechtfertigte die
Enteignung durch Versklavung und Eliminierung der muffigen und parasitären
Geschöpfe des für den Besitzstand warmherzigen Allvaters.
Der Hitlerismus fügte zu den biologischen Merkmalen der abwertenden
Differenz auch die kulturalistischen Fragmente hinzu und erhob die
faktische Judeophobie zum ideologischen Rüstzeug seiner Zivilisationspyramide.
Während er im Sinn hatte, die Weißen-Zivilisation zu
erretten, verniedlichte er den Blickwinkel der Ständegesellschaft.
Der gegenwärtige Rassismus läßt sich
als eine fortgeschrittene Version des Hitlerismus auffassen, welche
die Kultur als Maßstab aller Verhältnisse generalisiert.
Seine Endstation birgt den Gipfel der Zivilisation in sich und den
Freibrief, den restlichen Globus zu knebeln, den universalen Menschenschlag
in Unterkulturen zu parzellieren, sie zu enteignen und schließlich
zu eliminieren, wenn er sich gegen sein Schicksal aufbäumt.
Das Kabale-Kabarett mit dem EU-Papierwerk
»Minderheitenschutz«
Die Kontroversen zum Tandwerk, ob die Republik Türkei
für die Reife einen Beweis erbringen kann, den Türgriff
des Euro-Clubs zu befingern, erreichten während der Wahlkämpfe
zum Europäischen Parlament bis auf weiteres die Talsohle bzw.
den Gipfel, ohne die Konturen zu veranschaulichen, welche Fragmente
dieses Konglomerat kreiert. Die frommen Frondeure eines E-Konstrukts
mit den Kompagnons nicht-christlicher Glaubenslehre bauen das Evangelium
(“gute Botschaft”) auf als Grundsäule für
ein zielstrebig haltbares Viadukt auf lange Sicht. Die Befürworter
der Beitrittsgespräche untermauerten hingegen ihr Lehrgebäude
variabel mit den Idealen der Aufklärung und stellen den Scherenschnitt
des Realen auf den Kopf. Daß sie die idealisierte Despotie
der Bourgeoisie zum Inhalt hatte, verflüchtigte sich in der
Silhouette der parlamentarischen Postenjäger. Ob der Protestantismus
die bürgerliche Klasse auf die Geschichtsbühne begleitete
oder umgekehrt, ob sie ihn aus der Taufe hob, bleibt eine rätselvolle
Volte, ein obskures Gedankengut in der Vitrine des abendländischen
Ideologieladens.
Die gottlob belobte Aufklärung ging selbst gegen
den Katholizismus nicht mit der Fiktion vor, dem Klerus das Heft
aus der Hand zu nehmen, sondern ihm gemäß dem Zweckverband
des zielstrebigen Besitzbürgertums Gestalt zu verleihen. Demnach
entpuppt sich die gegenwärtige E-Euphorie als eine abermalige
Renaissance des christlichen Abendlandes auf der Stufe des Hightech-Kapitalismus,
dessen Pathos der Informationsgesellschaft das kollektive Bewußtsein
manipuliert und das soziale Geschick des Menschengeschlechts vernebelt.
Mit dem überlauten Aufwand der Reklametrommel
des ökumenischen Stelldicheins, des Dialog-Gefasels gemäß
der Agenda der monotheitischen Glaubensbekenntnisse, steuern die
Strategiestäbe der Eurokratie eine Evangelisation der Province
Anatolia an, attackieren daher unablässig die dortige Maxime
des Laizismus. Von dem manifesten Manierismus der Pax Americana
weiß man, daß die militanten Mentoren der imperialen
Gelüste einen Hintergrund evangelischer Allianzen aufweisen.
Während hier die Wortklauber der “Privilegierten Partnerschaft”
ihren Blütentraum auf die Regimenter des gemäßigten
Islamismus im kleinasiatischen Tafelland hegen, experimentieren
die eurozentrischen Advokaten des eventuellen Beitrittsgeplauders,
mit dem Menschenrechtsmetier – auf den Terminus “Minderheitenschutz”
gekürzt und die sozialen Komponente kategorisch negiert –
dem endkapitalistischen Expansionsprozeß Druck zu verleihen.
Dieses kulturalistische Kalkül, den Geknebelten zu Hilfe zu
eilen, ruft das Intrigenspiel des Auswärtigen Amtes, in Balkanien,
primär im Bundesstaat Jugoslawien, das ethnische Auseinanderdriften
anzuspornen, ins Gedächtnis.
Daß das Feigenblatt “Minderheitenschutz”
in Kleinasien gerade von den beiden EU-Obermächten D-Land und
F-Reich ausgespannt wird, ist eine Extra-Attraktion des Kabale-Kabaretts.
Ihnen gelang es nämlich vor über einem Dutzend Jahren,
der “Europäischen Charta für regionale und Minderheitensprachen”
nach eigenem Gutdünken Schranken zu setzen. Die eingewanderten
Minoritäten wurden unter dem Diktat der alliierten Nachfahren
von Jakobinern und Junkern aus dem kulturalistisch kokettierten
Gemeinplatz der Determination ausgemustert. Abgesehen davon, daß
ca. acht Millionen Einwohner der bundesdeutschen Republik unter
dem Titel “Ausländer” mit Fronarbeit versehen und
abqualifiziert werden, können z.B. hunderttausende eingewanderte
Deutschländer mit “Nationalität: deutsch”
in ihrem Identitätspapier das EU-Papierwerk “Minderheitenschutz”
nicht in Anspruch nehmen.
Zum Exempel gibt es einen Riesenwuchs von Raffinessen,
wie die potente Pappschachtel “Menschenrechte” in den
talentierten Händen ihrer abendländischen Protektoren
plattgedrückt wird. Trotzdem drängelt sich die Europäische
Union talmihaft als historische Gouvernante der Zivilisation vor,
verflüchtigt sich de facto in den Schützengräben
des “Clash of civilization”, für den sie das Feuer
angezündet hat.
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