XXV. Jahrgang, Heft 142
Okt - Nov - Dez 2006/4

 
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Letzte Änderung:
03.06.2006

 
 

 

 
 

 

 

Der Kulturen-Komet auf Konfrontationskurs im metropolitanen Makrokosmos
Kosmopolitane Gettos als Abtrünnigen-Nest
Im Halbdunkel der ethnozentrischen Inquisitionen • Im Musentempel der aufklärerischen Inspirationen • Teuto-TÜV für demographische Blütenlese • Cartoon-Crash • Bombastische Türkeninvasion im Filmtheater

   
 
 

Vorfrühlingsnotate von Necati Mert

Das Geld, das in menschlichen Gegenseitigkeiten als Tauschmittel fungierte, wurde Anfang der Siebziger im vorigen Jahrhundert von einem Bückling des Endkapitalismus namens Milton Friedman zum Götzenbild erhoben. Präpotenten Patronen Pentagoniens gelingt es mit dem Kratzfuß des Imperialismus namens Samuel Hungtinton, die sozialen Konflikte auf die kulturellen Kriege zu verlagern und die Irrlehre vom "clash of civilization" - eines der engstirnigsten Elaborate im Epistoralstil am episodischen Ende des zweiten christlichen Jahrtausends - zum kreischend zitierten Wahlspruch der neoliberal globalen Kreuzritter zu kreieren.

Das Erdenrund wird von bodenlosen Spalten erfaßt, vom furchtsamen Frost der Frustration, weil allerorten die Ellenbogen regieren. Einziges Votum der aufklärerischen Voluntaristen angesichts der Schreckbilder der Zivilisationsschäden ist die Volte mit François-Marie Arouet Voltaire, dem ethnozentrisch instinktiven Johlen der Journaillen-Junta. Soziale Schikanen des monetär manierierten Systems kommen in ihren Inspirationen kaum zum Vorschein.

Der Chor der Untergebenen von Boulevardliteraten über Libertinage-Liebhaber und selbstvermarktete Spartiaden bis hin zu Patronage-Patrioten trägt chronisch christianisierte Verse vor, am medialen Jammertal hallt es zurück.

Die arisch-aristokratisch berufenen Berufsbarbarenbarone und paneuropäisch manischen Brimboriumsbarden bramarbasieren wie Messias und brüskieren mit Bravour eine Unterschicht der eingewanderten Leibeigenen, arrangieren argloses Affenspektakel, um sich Ärger vom Leib zu halten. Sie bequemen sich zu allem, was den Klassencharakter einer absolut auf Beutegut fixierten diktatoralen Bourgeoisie ausmacht, deren globale Kontur der Kannibalen- oder Raubtierkapitalismus ist, der nach Massenopfern verlangt und seine Diener dem totalen Krieg, dem Kreuzzug im Namen eines gräßlichen Götzen ihr Amen geben.

Im zivilisatorischen Zwielicht der "Dauerkrise" okzidentaler Emanzipationszyklen sticht die Herkulesfrage nach dem hedonistischen Heute der Hautevolee unter dem Herperus hervor, nämlich die Größe des privatisierten Grupps in der Grotte der hoch begüterten Besitzstände. Der Gedächtnisbeutel der Herolde enthält keinen humanitären Heroismus mehr, sondern nur noch Husaren-Humbug hybridischen Habitus aus dem Hades.

Immer schwerer wird der erbärmliche Bissen, den der beleibte Leithammel der lukrativen Marketender-Meute den Menschenherden zum Schlucken bietet. Sie erbrechen. Auf doktrinären Diskurs-Runden der Rollen-Rivalitäten kommen die intellektuellen Realitäten turbulent ins Trudeln.


Demokratie als Gemeinplatz-Gemenge

Hohe Wellen schlug der Herbst-Ansturm der Schwarzen auf Stacheldrahtzäune, das Sperrwerk des krisen-kapitalistischen Kastells in Ceuta und Melilla mit selbstgebastelten Leitern. Kalt begann das Jahr 2006. Klimaforscher zwischen Werte- und Wetterwarte zeigten sich frustriert, wenn nicht sprachlos oder überrascht von der Frostwelle. Geheizt wurden die Foren mit ein paar Materialien aus dem Arsenal des Migranten-Managements. Journalistisches Jägerlatein und leidige Legenden erhoben sich zum Leitstern. Zugleich gerieten die eingefleischten Verfechter der ethnisch-homogenen Staatsnation in ein Dilemma. Jeremiaden jagten jegliches Gejubel ins Bockshorn.

Die demographischen Grundfesten wackeln, Geburtenraten bleiben in der Negativzone stabil. An dem Menschenimport führt kein Weg vorbei. Animiert werden züchtige Anstalten wie Teutonen-TÜV für die eingesessenen Fremdlinge als Aspiranten der hiesigen Staatsbürgerschaft und Verbot der nicht-deutschen Muttersprachen in allen zugänglichen Orten, begonnen im Schulhof.

Polit-Profiteure, die sich stets auf der Jagd nach einer Loge im Politikum befinden, setzen sich glanzvoll in Szene, prunken vor einem proper indoktrinierten Publikum. Die von Habgier belauschte "vierte Gewalt" paktiert mit dem Hegemon, indem sie sich freudvoll wie fromm der Selbstzensur fügt sowie dem kruden Kuratorium des "political correctness" unterwirft. Dieses hochanständig wie inständig instrumentalisiertes Rüstzeug zielt auf den praktischen Ausschluß des Pluralismus durch den patriarchalisch archaisch arrangierten Purismus der sprachlichen Strukturen, auf einen Pauperismus des sozial-humanen Ideenhumus.

Hier wirft nicht zuletzt der neoliberal normierte Parlamentarismus repressiv seine Schatten voraus, als dessen Primat sich das prähistorische Prädikat Demokratie pastoral ans Licht drängt. Sie enthüllt sich mehr und mehr als das System der Klassenkompromisse - jedoch unter den Prämissen, daß das Recht auf Privateigentum himmlisch sanktioniert, nämlich unantastbar bleibt, damit die Profitraten als heiliges Gut. Zu Buche schlägt sie als Schutzhülle der "unsichtbaren Hand" der mentalen, mächtig monopolisierten Marktkräfte. Der Gewaltapparat, dessen Dimension den fraktionellen Formationen als Pressure Groups obliegt, wird selbst die Wiederkehr des Faschismus für immer unterbinden, solange es ihm gelingt, den Kommunismus im Käfig der Gespenster zu fesseln.

Davor hält sich die Upper Class auf, die im chronischen Freiheitskrampf rassistische Mythen legieren, faschistische Methoden redigieren und mit der Reklameflut regieren läßt - als Lichtgeflacker im Labyrinth der Luftschlösser.

Seit dem Pyrrhussieg der bürgerlichen Reklame-Revolution über den bürokratischen Partei-Sozialismus wandeln die globalen Oligarchien ungezügelt auf den Spuren der cäsarischen Zombies. Die von Mäuse-Monarchen bestens besoldeten Söldner der Intelligenzbestie bewerkstelligen den trickreichen Handstreich auf die letzten universalen Pavillons der Zivilisation und trampeln triumphal auf jenen Werten, die man meint, pflegen zu wollen. Der Wüstenstaub, den sie im Humus des Humanen aufzogen, wird sich lange nicht legen.

Immer wenn die Deputierten der Demokratur an den Tag legen, im Hinblick auf die Gewalttouren in Denkpause zu gehen, verkünden sie die nächste Blockade vor dem Morgen und blondieren die Nebelzone hinter der Tour d'horizon.


Parlamentarismus als patronatparat dekorierte Diktatur

Im schweren Winter präsentierte sich die Pressure Group des Privatier-Ports als Wärmespeicher im Privilegierten-Fort. Als Gegenpart zum sozialen Frost fällt es schwer, mit einem ausgereift alternativen Programm jenseits der parlamentarischen Paradigmata in die Gänge zu kommen.

Der gebetsmühlenartig artikulierten Freiheit wohnt eine von Profit-Propheten paraphierte pervertierte Lesart inne. Hinter der Fassade einer hochgesteckten Moral für das Individuum steckt das System der Manipulation. Dem Einzelnen wird jegliche materielle Basis entzogen, sich selbst zu verwirklichen - jenseits seiner Funktion als ökonomisch verwertbares Utensil.

Das Abendland vertraut absolut auf Gewalt. Hängengeblieben ist es an den aufklärerischen Allüren der bürgerlichen Revolution, die sich retrospektiv feste Fragmente einer Religion, des marktheiligen Machiavellismus monetären Monotheismus aneignete. Sie bezieht sich auf den christlichen Missionarismus und die kolonialistischen Feldzüge.

Auch ein paar angeheizte Tage konnten in die humane Atmosphäre des letzten schweren Winters dringen - das genügte, die Frage nacht dem "Kampf der Kulturen?" in den Alltagstrott zu schmuggeln. TV-Moderatoren und Gazetten-Kommentatoren fanden sich prompt im Orient-Expreß, ließen sich zu Islam-Experten erklären. Politikaster polemisierten: (Presse)Freiheit oder theokratische Tabus?

Das ganze Getöse fand in einer Zeit statt, als die Werbegestalter Pentagoniens das Verse-Werk für den nächsten Kreuzzug vorbereiteten, der vermutlich unter dem Tarnnamen "Enduring war of civilization" losgehen wird.

Das Feuilleton verschiebt alles andere außer dem christlich Abendländischen ins Barbarische, ist die Botschaft pur. Es gibt den Krieg, den man gewinnen muß. Kein Wettstreit um Alternativen, sondern das Gebet vor dem Gefecht der Geschlechter. Hier die Front der aufgeklärten Armeen, dort die Horde der Bösewichte.

Die Segmente der aufklärerischen Arien werden trotz aller Nebel der Apokalypse systematisiert, um die Segregation zu legitimieren. Keinen Reim machen sie sich von dem Kollaps, arbeiten eifrig an ihrer Arche Noah.

Es ist wahr: Der Haß auf den Westen ist real. Darin entlädt sich der Grimm der Habenichtse, der Überflüssigen des global kreischenden Kapitalismus. Die Apostel der aufklärerischen Manichaismus und Maestros der Theater-Arien vom Kulturkrach triumphieren dadurch, indem sie ein fiktives Feindbild auftrumpfen.

Das von Pentagon-Fabulanten fabrizierte Bild der Kulturen fungiert als Ersatz der Rassen. Die abwertende Abart der Hautfarbe wurde in den Schatten verdrängt, dafür der Glaube als Hauptgehalt der Differenz installiert. Nirgends der ersehnte Satz, der die Perfide des Kulturalismus als die höchste Stufe des Rassismus vor Auge führt.

Wer den Miseren der Tretmühle permanent mit dem Gemeinplatz Demokratie begegnet, meint die patronatparat dekorierte direkte Diktatur des Parlamentarismus.


Eurozentral gemanagte Elendszirkulation

Die geschichtliche Einmaligkeit der Ereignisse wird so geschickt verdreht, daß das Gestern zur moorigen Gegenwart gehört und die Morgenstürmer ewig in Morpheus' Armen liegen. Während die globalen Erdkugelglocken ohrenbetäubend läuten, umreißt der Weitblick der Eine-Welt-Eiferer keine Kategorien der im Zivilisierten-Zentrum expandierenden Galeerensklaverei mehr wie heimliches Hantieren, Malochen in der Maquiladora-Manufaktur, Lean-production-Werkbänke, steuerbefreite Patronage-Praktiken des Klerus, auf der Gelände neben den Produktionsstätten kasernierte Wohnbaracken. Nicht einmal in Marginalien werden sie erwähnt. Und wenn in den TV-Röhren und Printprodukten Reportagen über die schemenhaften Zustände aufkreuzen, dann geht es meistens darum, die Suchhunde bei den sensationellen Razzien gegen Papierlose und Parias.

Es passiert alltäglich auch und gerade im Groß-D-Land: Will der Tacheron die Löhne nicht bezahlen, kündigt er die Werkvertragskulis und ruft die Polizeiposten. Die Deportation steht binnen kurzer Zeit bevor. Ein Türke bemängelte kurz vor dem Abtransport Ende Januar 2006 in einer Fernsehreportage: "Man sagte uns, D-Land ist ein Rechtsstaat. In diesem Punkte müßte er von der Türkei einiges lernen."

Es kreist der Komet des neoliberalen Fundamentalismus, der die humane Harmonie auf den Glanz des Geldes reduziert, persönliche Perspektive unter das Kreuz der Profit zwingt und unterbemittelte Menschenmassen zu überflüssigen Ressourcen bzw. Rassen macht. Selbst die trikontinentalen Elendszirkulation wird EU-zentral gemanagt. Hierzu ein Abriß aus einem "www.german-foreign-policy.com/de"-Bericht vom Januar 2006:

Die Bundesregierung finanziert den Flüchtlingsabschub zwischen mehreren afrikanischen Staaten und greift in die Migration im Ostteil des Kontinents ein. Die Maßnahmen betreffen mehrere hunderttausend Menschen in Tansania und sollen den von dort ausgehenden Flüchtlingsstrom umlenken, so dass den Armuts- und Bürgerkriegsopfern der Weg nach Europa versperrt wird. Deutsches Lenkungsziel sind Burundi und der Kongo, wo die Flüchtlinge Hunger und Tod erwartet. Die Eingriffe werden von der UN-Flüchtlingsagentur umgesetzt, vor deren Kairoer Niederlassung es kürzlich zu einem Massaker an verzweifelten Migranten kam. Die ständig fortschreitende Expansion des Grenzregimes der EU sieht ein internationales Lagersystem vor, das die soziale Dynamik der Fluchtbewegungen in regional angelegten Auffangreservaten reguliert ("Regional Protection Programmes", RPP). Zwischen diesen Camps und interessierten Wirtschaftszentren können ausgesuchte Arbeitskräfte "pendeln", heißt es in einer Darstellung der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung. Die EU-Pläne werden in zwei Pilotprojekten vorangetrieben - und schließen an den gegenwärtigen deutschen Flüchtlingsabschub in Tansania an. Dort haben die Vorbereitungen für den Aufbau von "Regional Protection"-Lagern begonnen. Das zweite Auffangreservat wird gegenwartig für Flüchtlinge aus der "Ukraine, Moldawien und Weißrussland" entworfen. Damit treibt die EU das deutsch-italienische Konzept der organisierten Zuführung billiger Arbeitskräfte aus transkontinentalen Armutszonen bei möglichst totaler Absperrung sämtlicher europäischer Grenzen entschlossen voran.


Spitzfindig affektierter Akt des Affenspektakels

Drei Affären, die eigentlich auf die episodischen Ingredienzien eines Generalgedeihens der endkapitalistischen Kapriolen deuten, erschütterten das Erdrittertum des staubigen Status-quo-Kosmos, retteten die Revolverblätter und televisionären Rhetorrunden währen der letzten sensationellen Kältesaison vor dem Erfrieren:

1. Die baden-württembergische Fabel unter dem Label "Gesprächsleitfaden" für die Kandidaten-Prüfer des Staatsbürgeschaftsstatus.

2. Die Reaktionen in den islamischen Reservaten der OneWorldOrder auf die Mohammed-Cartoons eines radikal reaktionären dänischen Blattes.

3. Die Karriere eines türkischen Leinwand-Produkts als Gassenhauer in deutschen Lichtspieltheatern. Ein Fanal fürs Feuilleton, im Fiaker der Zivilisationsersten gegen finstere Fusionen Fanfaren zu fabrizieren.

Die Theatralik der Integrationsfabulanten allein, muslimischen Migranten den Zugang zum Staatsbürgerrecht zu erschweren, wenn nicht schlankweg zu sperren, hätte nicht ausgereicht, wenn es ihnen nicht gelungen wäre, die sozialen Zündstoffe in kulturalistische Krakeels zu monövrieren. Dabei ist das Merkel-Mysterium als erste Kanzlerin aus der großdeutschen Favela auf die Fabel angewiesen, die Berliner Republik an die Pentagon-Koalition der Willigen beim großen Mittel-Ost-Projekt zu führen.

Doch alle Kommentatoren der drei Episoden fokussierten ihren Intellekt auf den Fehlgang der Integration im selektiv-sektoralen Themenfeld der Krisen kreischenden Gesellschaft. Endlich kann die wohlanständige Intelligenzbestie dem völlig frustrierten Parlament am völkischen Stammtisch die Hand reichen und sich dem Patent der Parole anschließen : "Türken raus!"


Der kultische Kurs des Kulturalismus in der Tretmühle der selektiven Assimilation:

Integrative Intrigen im Souterrain des germanophilen Gedankengebäudes

Integration meint das Einbinden der Außenstehenden in das Ganze, dem einen Wertekosmos des "Unberührten", "Unversehrten" (griechisch: entagros) innewohnt.

Assimilation meint das vermengte Zusammenspiel von unterschiedlichen Lebenswelten zu einem Ganzen, welches durch Interaktion und Austausch entsteht. Sie setzt einen variablen Prozeß der Beteiligten voraus.

Das praktizierte Primat der Integration kommt beim hellhörigen Hinschauen als ein patentiertes Projekt der Zwangsassimilation zum Vorschein. Ein vorgeschriebenes Urteil, das nur seinen Rezitatoren Vorteile verspricht. Von Beginn an eine Drohkulisse gegenüber einer Objektmasse im sozialen Souterrain. Faktisch fabulierter, demokratisch diktierter Fetisch, rassistisch, kulturalistisch systematisches Spezifikum des Souveräns, taktisch strukturierte Separation. Humanitärer Spasmus.

Das Konzept der Integration setzt voraus, daß das zugewanderte Objekt sich erneuert, zum mentalen Modell der postmodernen Mulatten, z.B. zum Euro- oder Deutsch-Islam mutiert, oder Abschied nimmt.

Kommandiert wird dazu ein Heer von herrischen Migrationstheoretikern und Integrationsfanatikern, die aufpassen, daß das Wertepathos des Christentums als urbanes Kulturmuster des identitätsstiftenden Mysteriums nicht reduziert, vor allem nicht als die Zugkraft der Kreuzzüge denunziert wird.

Darauf beruhend flammt die Dubletten-Debatte der Demokratie-Druden um den Maßnahmenkatalog immer wieder auf. Nimmt man ihren maßregelnden Gehalt zur Kenntnis, platzt einem der Kragen: Deutschpflicht auf dem Pausenhof! Wer sich widersetzt, verdient einen Rüffel. Und man vermeidet die Kebab-Bude, stillt den Hunger bei "Döneria".

Die programmatische Definition der disziplinarischen Profession zielt auf die Negation jener Existenzen, die von der Rechtslehre des Volksstaates nicht erfaßt und eventuell als zu eliminierende Elemente aussortiert werden.

Integration setzt eigentlich Abgabe und Annahme unter züchtigem Zwang voraus. Wenn Demographen vom Absterben des Germanen-Genres sprechen, dann meinen sie eine völkische Gemeinschaft, eine Kultur, deren frühere Fruchtfolge die Rasse ist. Wenn Staatskünstler dem Absterben entgegen wirken durch den Untertanen-Import der Zweibeiner, meinen sie deren selektive Assimilation, nämlich die administrativ gemeisterte Adaptation:

Abgabe der hergebrachten Dokumente, Annahme der Identitätspapiere mit dem Adler auf dem Deckel; Abgabe der herkömmlichen Sprache, Annahme der Herrschaftlichen. Der Glaube darf bleiben als verdeutschtes spirituelles Refugium oder wohlan als ein Stück periphere Exotik im Zentrum.

Ethno-kulturelle Kolonien haben sich gefälligst einzuordnen, freiwillig zu verpflichten. Sonst türmt sich vor ihnen ein Berg der Sanktionen empor und der Druck durch Trug. Angewandt wird die Methode des Lawrence von Arabien, dem es während des Ersten Weltkrieges gelang, die Stämme der Wüste gegen das Osmanische Reich aufzuwiegeln und somit die dortigen Ölfelder unter das angelsächsische Protektorat zu befördern. Um die Sehnsucht der rückständigen Fremdlinge nach Selbständigkeit zu befrieden, werden gegenwärtig die ethnischen Mythen mobilisiert und mit ihrer Hilfe missioniert.

Serviert wird den Marginalisierten illusionäre Symbole des Miteinanders auf Katzenpfoten unterm stets steigenden Druck der Erwerbskämpfe. Sie sollen sich für das Angebot erwärmen und bei interkulturellen Festivals mit kulinarischen Spezialitäten und exotischen Folkloren gegenseitig wettlaufen. Augenlos sollen sie jenem Dialog-Diktat der Kulturen zu Füßen liegen, bei dem generell die Techniken des Elendsmanagements dominieren.

Beim Versuch, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, gilt es, das eigene Elend elegisch zu verallgemeinern und mit dessen Urquell möglichst zu fremdeln. Eingezwängt und ramponiert im Kampf ums Überleben haben die als überflüssig Ausgeschlossenen am Ende die Narrenfreiheit, den armen Fuchs nachzuäffen, dem das Fleisch vergammelt vorkommt, wenn die Hühnerleiter zu hoch liegt.

Auch aus leichtgewichtigen Worten können Weltbilder entstehen, wenn sie unentwegt gesprochen und durch mediale Markt-Marken übertragen werden. Spracherwerb soll den Spätankömmlingen den Weg zum Schulabschluß bahnen, damit sie in Sold und Brot kommen. Das gehört zum Treatment der Integration. Transparent ist tatsächlich die Tragikomödie. Man rührt alles - Sprache, Schule, Islam, Zwangsehe, Heiratsmarkt, Ehrenmord - zusammen, um das kulturell kokettierte Konstrukt zu buchstabieren. Die Staatsbürgerschaft gilt nach wie vor als Recht der zünftigen Majorität, die zugewanderte Population zu züchtigen und ihren produktiven Effekt je nach Bedarf zu verwerten.


Elitäre Elogen emanzipatorischer Potenz

Marginalisierende Mechanismen finden sich allerorten. Leute, die den Staatsbürgerschaftsstatus erwerben wollen, müssen einen liebreich leuchtenden Leumund nachweisen.

Was bleibt, ist die Integrationsmisere als Gesprächsstoff im Diskurs-Zirkus, die als eine maßregelnde Maskerade vermarktet wird. Denn es geht nicht um den An-, sondern Ausschluß der Überflüssigen, die sowieso nicht dazu gehören.

Lange lassen sich die Fakten nicht auf den Kopf stellen: Das Groß-D-Land, absterbende Nation braucht Bürger, die Ökonomie billiges Humankapital. Die Kardinallüge: Man wolle den Spätlingen der einst als provisorische Proleten angeworbenen Gastarbeiter zur Seite stehen, damit sie Abitur haben und einen Beruf erlernen. Man will sie zu ihrem Glück zwingen, indem sie in den Sprachnebel verbannt werden. Steil steigt die Serpentine von untertänigen Steppenstrukturen zum Bürgerstatus.

Fakt bleibt: Migranten und ihre Eigenheiten werden gemäß der Episoden eines Karl May oder Pierre Loti zu primitiven Probanden der Prosa degradiert - als Legionäre der Werkbank und Leibeigene der elitären Eingeborenen.

Während morgenländischen Frauen ans Herz gelegt wird, ihr Refugium im Schoß der abendländischen Übervater zu finden, hat man das lingua franca im kommunikativen Kontext bereits verdeutscht und zum demokreativen Dogma erhoben, wie Armin Laschet, Nordreihen Westfalens Integrationsminister, in einem FAZ-Gespräch vom 1. Februar 2006 indirekt diktiert: Schluß mit babylonischen Sprachengewirr im deutschen Sprachatlas. Das Vaterland mit der Muttersprache Deutsch gebietet obrigkeitliche Deutschpflicht - heute im Pausenhof, morgen in der Moschee, gleich danach in den Sackgassen der Gettos.

Alles, was den systeminhärenten Geschäftsgang verletzt, wird über den Kamm des Patriarchalen geschert. Reißerische Pamphlete und Eleven-Elaborate, in denen ein paar Erlebnisse elegisch - angereichert durch schwülstige Episoden aus eigenen Familien- oder Clangeschichten - als patriarchalische Parabel parodiert sowie verallgemeinert werden, gelten als elegante Elogen der emanzipatorischen Print-Prosa.

Weit entfernt von der Idee einer Bürgerrepublik und auf Stur geschaltet, konsumiert der Regent der Alteingesessenen die Kunst der konventionellen Worte mit intellektuellem Schliff, schmiert Schund aufs Brot. Das Fremde verantwortet die Ehrenmorde und Zwangsheirat, schmettert er, schiebt die Schuld auf die Herkunft, statt sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen.

Im Zwielicht befinden sich die Zivilisierten-Zeloten. Zweitrangig ist bei ihren Ambitionen, mit den Zwangsehen aufzuräumen. Vielmehr bedingen sie sich aus, die Schlupflöcher wie Heiratsmigration, den Zulauf der Importbräute und -bräutigame einzudämmen.

Fakt ist: Globale Heiratsmärkte zwischen Südost-Asien und Westeuropa ermöglichen Mädchen und gleichermaßen Jünglingen den Zugang zum Eldorado. Es gibt nicht nur verkaufte Bräute, sondern auch gekaufte Bräutigame. Familienkonflikt gehört zur Normalität der kapitalistischen Lebensform, damit auch die besitzständisch praktizierte Zwangsheirat als Folge der gentilgesellschaftlichen Überbleibsel.

Beim Ausblick auf die Bandbreite der Problematik kenne die Gelehrten nichts weiteres als die Standpauke und stoßen Schreie aus: Ein riesiges Proletariat, das auf uns zukommt!


Teuto-TÜV für muslimische Minorität

Während die Gesellen der integrationalen Gilde an der Ethno-Falle im Höhenrücken der Menschenrechtsmetiers feilen, feilschen ihre Lehrherren um die Kritik an Religion - ein Reizthema neben dem Staatsbürgerschafts-TÜV, bei dem der Islam in Kreuzverhör genommen wird.

Mit dem "Gesprächsleitfaden" der baden-württembergischen Regenten werden die Anwärter der bundesrepublikanischen Staatsbürgerschaft einem verbissenen, dem zentralen Gehalt nach rassistischen Test unterzogen. Sie werden, wie Werner Pirker in "junge Welt" vom 14. Januar 2006 erwägt, inquisitorisch auf ihr weltanschauliches Dafürhalten hin befragt und müssen sich als dahergelaufene Zöglinge der emanzipatorischen Events deklarieren. Ihnen wird das Unvermögen zugeschrieben, sich die Demokratie abendländisch zivilisatorischen Zuschnitts anzueignen. Sie haben sich theoretisch per Geburtsurkunde selbst ausgebürgert. Die Fähigkeit dazu hat man anscheinend mit der Muttermilch aufzusaugen. Der Bekenntnisdruck auf die Neuankömmlinge der Zivilisierten-Zone offenbart somit das Armutszeugnis der westlichen Werte-Variante, universale Utensilien ungeniert ins Unikum der Urbanität zu assimilieren.

Was hier im Kontext mit dem fingerfertig fabrizierten Leitfaden-Text beherzt über die Bühne geht, ist das totalitäre Tamtam-Tabu Teutoniens Demokratur.

Der Gesprächsfaden systematisiert insgesamt die kulturalistisch populistischen Emotionen, stigmatisiert einen Teil der bodenständigen Population wegen ihres Glaubens, stiftet schnöden Streit.

Die gezielt generalisierenden Fragen lassen sich als Satire stilisieren, enthalten zugleich kulturkriegerische Drohgebärden und obrigkeitsgläubige Schnüffelei.

Mit dem Schnüffel-Frage-Bogen werden faktische Mitglieder einer Gemeinschaft vor die Behörden des Hegemons gezerrt und verhört, wenn sie sich nicht länger als Periöken behandeln lassen und das Schlupfloch der Staatsbürgerschaft durchlaufen wollen.


Der kulturalistische Kurs des Kolonisatoren-Kollektivs

Die besorgten Bramarbasse der eurozentrischen Barkasse alarmieren vor der Gefahr eines ethnischen Gleichgewichts in der Peripherie der Metropolen.

Die Protagonisten der medial moderierten Debatte sind hauptsächlich die Praktiker der sozialen Selektion. Die Stichwortgeber in Feuilletons und Fraktionen brillieren mit Brimborium der Braven, werfen vor der Wertewarte Fragen auf und sich fein für das feindliche Gegenüber den Riten ins Zeug.

Beim pro forma Diskurs über das Schicksal der Parias probieren die Protagonisten der professionell positionierten Politika, die Parabel der Parallelgesellschaften in einen kontrollierten "Kampf der Kulturen" umzufunktionieren.

Das ethnozentristische Konzept der selbst stilisierten Zivilisierten, die Integration, war von Beginn an der Wegweiser der Differenz. Entwickelt bzw. erfunden wurde sie im Herbst 1973 als Retourkutsche auf die Rebellion der Gastarbeiter und enthielt die Formel "Anwerbe-Stopp, Rückkehr, Integration". Im ersten Jahrzehnt blieb der Erfolg aus, und es folgten "schöpferische Einfälle" wie der Erhalt der kulturelle Identität im Rahmen der kirchlich konzipierten, grün-alternativ artikulierten "Multikulturellen Gesellschaft" als exotisch bereichernde Barkasse. Betriebsamen Beistand leisteten dazu die christlich-abendländischen Kulturkreispatrioten der Schwarzen-Union wie Barbara John oder Heiner Geißler sowie die neurechten Bramarbasse des Ethnopluralismus.

Kultiviert wurde mit vielfältigen Alibi-Aktionen der Humus des Kulturalismus. Außenstehenden der republikanischen Bürgerrechte wurde die Zugehörigkeit zu ethnische Kollektiven zugeschrieben, damit ethno-kulturell kreierten Eigenheiten.

Der Begriff "Kultur" wurde von postmodernen Mode-Nomaden zum puren Bindewort verdeutscht und mit ihm Suffixketten gebildet: Hoch- und Trivialkultur, Trauer- und Theaterkultur, Fraß- und Spaßkultur, Haus- und Mauerkultur, Migranten- und Minoritätenkultur Unter- und Interkultur.

Leiter und Laien der Integrationsgilde definierten ethnische Differenzen nicht mehr aufgrund der biologischen Merkmale, sondern erfanden "kulturelle Identitäten", hielten daran fest, daß Kultur homogen ist und herkunftsbedingt. Aus unterschiedlichen Lebensweisen entwickelten sie unterschiedliche Kulturkreise, in denen Individuen aufgingen.

Die subalternen Kumpanen der Integrationsindustrie mußten zuvor dem ethnozentristischen Projekt einen Durchschlag der dynamischen kulturellen Eigenschaften hinzufügen, damit sie die Hintertür erblicken sollten, sich vom elenden Rand zum elitär elementaren Zentrum zu mausern.

Kultur soll nach wie vor für Marginalisierte Identität erzeugen, die das andere herabsetzt, um die eigene Ethnizität, deren Hauptmerkmale neben der Hautfarbe, Religion und Sprache sind, auf den Höhenrücken zu erheben. Ästhetische Exponate berücksichtigt die Eselsbrücke nicht.

Die wegweisende identitätsgebende Majorität, die sich christlich-abendländisch nennt, schließt jeglichen Wandel im eigenen Einerlei aus, rückt die Religion in den Mittelpunkt der Konformität, fordert die Aufgabe der Muttersprache.

Die antiquarische Attacke auf die postmodern modellierte Attrappe der "Multi-Kulti" basiert auf der Strategie der ethnisch homogenen Schicksalsgemeinschaft und zielt darauf, den Antagonismus des anderen auszumerzen. Der autoritäre Ethos stigmatisiert en masse den Ethnos in Enklaven und nicht dessen Offerten für Erotomanen und Hedonisten wie die Lokale Speisespezialitäten und Bauchtanzschulen.

Die prahlerisch protegierte Kollaboration der Kommunitaristen mit den Community-Kommissären der Kolonisierten ist eine protektoral projektierte Provokation, auf deren Fährte sich der Korporativ-Konvoi der Kolonisatoren aus dem Journaillen-Milieu fuhrwerken kann.


Die Reaktion der Rivalen

Die systemisch semantisch seminaristisch gehandhabte selektive Assimilation - Integration - zwingt die Neuankömmlinge zum Abkapseln, zur Reaktion auf den bangen Blick der Alteingesessenen.

Die Neuen der Gettos leben gedanklich nicht in der alten Heimat, sondern befinden sich auf der Suche nach selbstbestimmten Alternativen, frei vom Wachtraum eines deutschen Islam. Dagegen ziehen die Repräsentanten der Republik zu Felde. Warum fühlen sich die Abkömmlinge der Gastarbeiter im Groß-D-Land nicht angekommen?

Schlechten Ruf hat die Reaktion darauf: Wie wäre es, wenn der Diskurs aus den Nebelschwaden einer Republik als "Rechtsnachfolgestaat des Deutschen Reichs" heraustritt und sich der Realität stellt, der die Existenz der nicht-homogenen Lebenswelten als Parallelgesellschaften innewohnt?

Außer Frage steht, daß der völkische Souverän sich auf den kolonisatorischen Kurs versteift und verstärkt den assimilatorischen Druck gemäß der Maxime: Adaptation oder Abmarsch!

Nicht mehr üblich, wie es mal galt, geben Pressure Groups des Gelehrtengenres das Tempo vor, sondern die kulturkriegerischen Brandstifter der Bravour-Presse. Da kontradiktorische Wahrheiten sich nicht parallel als wahr erweisen können, lautet ihr Lehrsatz, sind wir die einzige Realität, andere bleiben Parallelpopulationen, an die es gilt Bannstrahl zu adressieren.

Naivität der Narren erleichtert der Nobilität das narrative Nonplusultra. Übel, plaudern ihre Barden, hat seinen Stamm immer draußen, aber gefährlich Zweige im Haus, die es gilt abzusägen, bevor sie Wurzel schlagen.

In der germanophil initiierten Ideenmanufaktur köcheln die medialen Materialien der Integrationsindustrie seit der Rebellion der Spätlinge nordafrikanischer Migranten in den Randstätten der französischen Metropolen vor sich hin. Während die Fanfaren phantastisch zum Gruß für die neuen Ankömmlinge ertönen und die Leitfaden-Fabulanten fanatisch auf die Pauke hauen und meinen, den Islam germanisch arisch zu adoptieren und die Abkömmlichen zu deportieren, weinen sich die bereits Bekehrten die Augen aus dem Kopf. Natürlich vor Freude, aber auch vor Furcht, daß ihnen gewisse Privilegien verlustig gehen. Was die völkisch hegemonial vervollkommneten Fundamente angeht, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Jeder vom Wunderding namens "Dialog der Kulturen" hingerissene Hirt kommt in den Gernegroß-Genuß und fühlt sich gereift, als Genius der pangermanischen Get-together-Party in die Tasten zu hauen sowie Menschenherden minderbegüterten Genres in Beschlag zu nehmen.

Der Dialog-Donner, dessen Pulsschlag puppenlustiger Pluralismus ist, enthält die Dogmen-Droge der mythisch manipulierten ethnischen Emanzipation, bezweckt, den gleichwertigen Wettrenner des Dualismus zu bezwingen bzw. zu eliminieren.

Unter dem Diktat der Dominanz kommen dilettantisch die Lobhudler zu Wort. Ihre Devise hat den Wortlaut: Lieber ein paar Schimpfwörter der Depremierten überhören, als ihnen Giftpfeile entgegenzuschießen. Denn nichts wissen sie zu würdigen und können dem Gönner in die Hand beißen. Vor allem aber muß man sie beim Wickel nehmen und nicht als dummen August in der Gedankenwerkstatt verniedlichen.


Der Kollaborierten-Konvoi

Es gibt keine gescheiterte Integration, sondern die Aversion gegenüber der Methode der selektiven Assimilation. Die Heuchelei mit mangelndem Integrationswillen ist der letzte Trumpf des germanophilen Hegemons.

Das Majoritäten-System unter dem synthetischen Pseudonym "Demokratie" determiniert die Akklimatisation der Teile im Ganzen, Attacken auf das andere, diktiert die Dauer der Besitzverhältnisse, welche - fundiert auf dem sympathischen Synonym der Freiheit - durch die fragilen Fragmente des Leibeigenenwesens forciert werden.

Diverse Dilettanten werden zu Freiheitskämpfern delegiert, Dialoge inszeniert. Schnüffel-Frage-Bogen werden formuliert, Cem Özdemirs, Ekin Deligözs, Feridun Zaimoglus, Necla Keleks, Seyran Ates in Szene gesetzt, unter dem Schlagwort "auch ich bin Deutschland" Schnäppchenjagdparties arrangiert. Auszugeben haben sie sich als Alibi für eine repressive Handhabe gegenüber den Objekten einer obrigkeitlichen Staatskunst. Ihm allein obliegt der Überlegenheitsanspruch, bemitleidenswerte Geschlechter gemäß der Opferperspektive zu behüten.

Der Sklaven-Status für die Parias auf dem Schattenmarkt bleibt stabil. Geltende Gesetze widersprechen grundsätzlich dem Zweiklassenrecht nicht. Selbst das Grundgesetz läßt sich als oberstes Organ der verminderten Rechte wiedergeben. Nichts ist daher menschenrechtswidrig, was sich für das Profit-Paradies als brauchbar erweist.

Wer den Wertekosmos des Bestehenden betrat und sich den kosmopolitischen Lichtquellen des Kommenden verschließt, bekommt die Fibel der Lakaien, etwa die Evas und Adams der Evangelisation als integrationales Event wie Necla Kelek, Cem Özdemir und Seyran Ates. Dennoch: Mehr als ein paar extravagante Konvertierte, die geradeheraus stolzieren, brave Deutsche zu sein, kann die Zunft der Assimilationsallüren nicht exponieren. Der Fokus ihres Brimboriums richtet sich allgewaltig auf die "Bringschuld" der Ausgeschlossenen. Die Koketterie mit den kollaborationsbereiten Islamverbänden kommunitaristischen Charakteristikums ruft billige Ersatzsoziusse für die Zunft der Sozialarbeit ins Leben.

Arrangierte Ehe (von Zivilisationszeloten als Zwangsheirat kompensiert) und Ehrenmord sind ethnozentrisch entstellte Themen, deren sich Leute wie Necla Kelek annehmen, um dem Patriarchalen ein ethnisches Gesicht zu geben. Hammerhart hantiert die Autorin des autobiographisch gefärbten Opus "Die fremde Braut" mit dem, was die okzidentalen Beobachter des Orients orakelhaft in der Optik behalten. Nicht Wissen vermittelt sie, sondern eine verbale Nachschrift von Gewissensbissen.

Diese Assimilierten und Konvertierten, die gern zur majoritären "Wir"-Society gehören wollen, bleiben in der marginalisierten "Sie"-Gemeinde haften - mittendrin in einem von der germanophilen Selektionsmühle erzeugten Selbsthaß. Ohne Schere im Kopf sollen diese Erstlinge der erdichteten elitären Identität handeln, wenn es sich um die Erdlinge überall im Homeland der Apartheid dreht. Mehr Wert legen sie auf das monetäre System der manierierten Seelenklempner als auf die Gegenseite des Mehrwerts. Die soziale Emanzipation opfern sie der Prophetie vom "Zusammenprall der Kulturen", gesellen sich auf der Suche nach Modi vivendi zum islamophoben Herumjaulen, damit dem nordisch arischen Intrigenstück, den Kosmos zu kolonisieren und für immer in die Pflicht zu nehmen - als eine schikanös schimärische Schildwache der Schickeria.


Gettos als kosmopolitisches Gegengestade

Die Tüftler der Teutomanen-Tugenden meistern eine totale Blockade gegenüber der kosmopolitanen Population in der Parterre.

Die Route der germanophilen Civil-Society liegt auf der gleichen Wellenlänge wie die Gedanken-Garden der Menschenrechtsmentoren beim mentalen Feldzug gegen aufsässige Gespenster. Rivalität ist das Urbild der Marktmagister. Wenn nicht vorhanden, so müssen die Geistesfürsten das öffentliche Getöse heraufbeschwören. Erst bestaunen sie ihr Werk als Marionettentanz, dann als Monster, vor dem ihnen selbst der Kamm schwillt.

Je lauter das Genörgel gegen die angeblich Abgeneigten der integrationalen Allüren kursiert, um die Differenz zwischen den Zünftigen und zügellosen Anderen zu zementieren, desto enger werden diese unter sich bleiben, als sich allzeit vor der züchtigenden Oberhoheit rechtfertigen zu müssen. In "tageszeitung" vom 27. Februar 2006) bekräftigt Mark Terkessidis:

Integration sollte mehr sein als nur der Ruf nach schärferen Gesetzen. Und auch mehr als das Geschrei der Kulturkrieger, die stets nach dem Einmarsch in die Parallelgesellschaft rufen.

Schon lange genug ist Integration kaum mehr als die Mohrrübe, die den Migranten vor die Nase gehalten wird. Der sie hinterherlaufen, ohne sie je zu bekommen. Jeder in Deutschland versteht etwas anderes unter Integration, aber eines ist klar: Den Maßstab für Integration legen die Einheimischen fest. Und sie befinden auch darüber, wer integriert ist und wer nicht.

In Frage kommt als Alternative zur integrationalen Illusion die kosmopolitische Utopie, die repräsentative Akzeptanz der Gettos als eigenständige autonome Lebenswelten. Denn sie sind die Antwort auf die züchtigenden Zyklen der kapitalistischen Gesellschaft, die vereinzelt, vereinsamt und entfremdet. Und zu den Grundfesten einer emanzipationsfähigen Bürgerrepublik gehört der Laizismus, was heißt, den christlichen Kirchen als Träger des kulturalistischen Mysteriums aller Vorrechte zu entheben.


Coming-out mit Cartoons-Comics:

Kombinierte Kulturkriegs-Kapriolen statt homerischen Gelächters auch im Teutonen-Tempel

Die Aufgabe von Religionskritik, religiöse Nebelvorhänge zu zerreißen, um die dahinterliegende Realität sichtbar zu machen, beinhaltet auch, die "weltliche" Mythologie zu bekämpfen, die imperialistische "Kriege der Kulturen" als Kampf gegen religiösen Fanatismus verklären will. Freidenker werden in einer derart verkehrten Welt nicht die ihnen zugedachte Rolle der nützlichen Idioten des Imperialismus spielen, und sich nicht als Propagandisten vor den Karren antiislamischer Rassisten und Weltordnungskrieger spannen lassen. (Klaus Hartmann, Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes in "junge Welt" vom 4. Februar 2006)

Ein dänisches Blatt druckte billige Cartoon-Comics als kritische Kunst, die krampfhafte rivalisierende Reaktionen in der islamischen Welt evozierten. In schmuddelig-kalten Rädern der Weltgesellschaft ging der Rauch der brennenden Flaggen auf.

Provokation gelungen. Die mentale Unschuldsmiene der Protagonisten mischt mit, markiert den Markstein und protegiert die medialen Maskerade, Comics zu einem Weltbürgerkrieg zu manövrieren. Auffällige Beweise liegen vor, geliefert über Satelliten, in Bildern von Demonstrationen, die deuten sollen, wie gewaltbereit die Muslime sind, die schreien und als Schurken schurigeln.

Unter der divers reservierten Devise "Aufklärung" reift eine Kirche heran, die zum gefährlichsten Dogma aller Zeiten auf den fürstlichen Fußstapfen des Kolonialismus forciert. Der besitzstandsbesessene funktionelle Fundamentalismus, der über die Technik der Gewalt verfügt und sich als höchste Gut erklärt. Er praktiziert Privileg, klassifiziert zwischen oben und unten, reproduziert die Differenz, setzt Grenzen fest: Hier das Hochheilige, dort das Hinterhältige. Lebt von Metaphern und Mythen, erzeugt Sensationen, kommuniziert mit Idolen und Ikonen.

Die systemparat strukturelle Gotterkenntnis "Aufklärung" will als Gewaltapparat das spirituelle Andere nicht überwinden, braucht das gekränkte Gegenüber, um sich selbst zu definieren. Sie ist Vorbote aller Wertsuche, Wächter der Verbote. Kapitalistisch kreiert, demokratisch dogmatisiert, eindimensional determiniert, diktiert sie die Demarkationslinie: "Wir" gegenüber jenen Dämonen, die "uns" als Domäne der Ewigkeit widersetzen. Hier das Wander-Varieté der Waren-Varia, dort die Barbaren.

Den Cartoon-Crash instrumentalisierten die Tüftlergenies der aufklärerisch autorisierten Avantgarde, die Theokratie als destruktiven Gegenpol der Demokratie zu entwerfen, und entfernten die Gleichrangigkeit der Andersartigen aus der Formel "Liberté-Ègalité-Fraternité". Auf ähnlicher Ebene ballen sich Interpretationen und Inspirationen zusammen. "Der Islam ist der große Andere," orakelt Thomas Assheuer in "Die Zeit" vom 16. Februar 2006, "und der Gegensatz, den er zum freiheitlichen Westen bildet, ist so absolut und existenziell wie die Antithese von Freund und Feind."

Mit dem erdichteten "Ende der Geschichte" hat die Evolution bereits den Gipfel erreicht. Der Planet Erde befindet sich in der sicheren Hand des Allmächtigen, unter dessen Gebot sie den Ursprung der Arten aufs Neue artikulieren.

Freie Marktwirtschaft favorisiert die Global Players als Götterbildnis auf dem Olymp der Zivilisation. Die neoliberale Novelle des Kapitalismus gründet sich auf der harten Konkurrenz, welche die Oligopole friedlich unter sich um die Kontrolle des Zentrums austragen. Blutige Konflikte verlagern sie in der Peripherie.


Kultur als Synonym für Rasse

Das Dreigroschenheft der Demokratie dokumentiert beim genauen Hinschauen nichts außer der parlamentarischen Parabel der Domänen-Diktatur.

Der Dialog der Kulturen bzw. der Religionen entpuppte sich als eine postmoderne Pappmache, ein super-imperialistisches Projekt, welches zum Ausdruck bringt, daß die kriegerischen Konflikte lösbar sind, wenn sich die enteigneten Erdenbürger ihrem Kismet hingeben. Der Formel der Kulturen wohnt zentral die Konkurrenz inne, der Konflikt überhaupt. Hier wiegt das Recht der Stärkeren auf Monolog vor, welcher der Solidarität der ausgebeuteten Klassen mit der Drohkulisse des totalen Krieges begegnet.

Die Taktiker der Talksociety scheuen kein Tandwerk. Denn sie tragen den Talisman des Talentierten. Ihnen gelingt immer die Konversion von ein paar Kolonisierten, die sie dann einsetzen, um beim breiten Publikum die Assoziation zu wecken, daß ihr Gedankengebäude den Halt nicht verliert. Dank dem Cartooncrash nähern sie sich dem Absoluten einen Schritt weiter. Der Abstand zwischen dem islamischen Terrorismus und Glauben wurde schmaler. Der Islam ist, den ererbten abendländischen Eigenarten entsprechend, der Terrorismus selbst.

Der Theaterpotentat von Teheran bestätigt den Anspruch des Abendlandes, Hüter des Holocaust-Vermächtnisses zu sein und die Schuld aufs Morgenland zu projizieren sowie ihm den Kassenbon zu servieren, obwohl es sich hier um ein abendländisches Verbrechen dreht.

Verlieren muß das Menschentum aus dem Gedächtnis das Kreuzzugsdenken des Christentums. Vom "Millet-System", das den Christen und Juden ihren Glauben zusicherte, will man nichts wissen.

Neu ist das Martyrium nicht, daß den Zivilisierten-Zentren droht, überfallen zu werden. Nach den kräftigen Reaktionen auf die kränkelnden Cartoon-Comics des rassistischen Dänemarks beklagt man den demographischen Prozeß, der hinter dem islamischen Vormarsch in Europa stehe. Der Großteich der larmoyanten Lyrik schwillt an. Nicht mehr nur liegt die Feste belagert, sondern fast unterwandert, überfremdet. "Der Leichengeruch der eigenen Kultur zieht durch die Straßen", lamentiert Dieter Stein im neurechten Zirkular "Junge Freiheit" vom 17. Februar 2006, "während die Morgenröte des Islam anbricht."

Der Groll auf das Gegenfeuer des Westens erwächst zu lodernden Flammen, zum Weltsteppenbrand. Die Husaren der Hetz-Legenden logieren im Gästehaus der Denkfabriken, im Breitwandformat ihrer Produkte. Wer Schutz vor dem anschwellenden ideologischen Schmutz sucht, muß unter den Teppich fliehen. Negiert wird die Geschichte als gemeinsames Gedächtniszentrum der Zivilisation. Das Gefecht der Schlächter gegen die "Schläfer" umfaßt das Geflecht der Gerechtigkeit. Es verging kein einziger Tag im klaftertief kalten Winter, an dem die Katastrophenkracher der globalen Kamarilla nicht kalkweiß vor den Kameras standen und den "Krieg der Kulturen" herbeiredeten.

Mit dem Konflikt der Kulturen kalkulieren sie seit dem Ende der ideologischen Blockkonfrontation, aus der die neoliberalen Kreischer des Kapitalismus als Sieger hervorgingen. Sie argumentieren mit der Kultur - aus ihrem Urstand als ästhetischer Ausdruck des gesellschaftlichen Lebens entrissen - als symbolische Größe, als Inbegriff von allem, was instrumentalisierbar erscheint. Mal als Synonym für Rasse, mal als Anonym für Klasse.

Im geld-gerecht geregelten und propaganda-parat programmierten Diskurs sind die zentralen Elemente der Kultur mehr als Religion und Sprache. Es sind die Mythen der nordischen Nomenklatur, das raucherfüllte Gestern, das die Gelüste der Gegenwart widerspiegeln soll.

Endlich kapiert, wo hier der Hammer hängt, nämlich der Frust der Islamis auf den Westen. Da schlottert den Herkulessen der Gedankenfreiheit plötzlich die Hose, und sie gehen vor den Kameras auf die Barrikaden, reagieren affirmativ auf den Gegenschall der Krieg heischenden Kameraderie. Denn die Arroganz verwandelt sich ins Gegenteil, nämlich in die Angst um den aufgetürmten Reichtum.

Hoch im Debatten-Duktus, dick und fett die Überschrift: Kampf der Kulturen. Alle schreien danach. Lauthals wie die Sirene. Alle rennen ihr nach. Außer Atem. Alle huldigen sie wie einen Bibel-Vers. Doch sie will nicht, gibt keinen Wink, bleibt verschlossen wie eine Stahlschatulle, ein Mekka, Mythos, Metapher.


Wer Kulturkreis malt, manifestiert Militärschlacht

Derzeit wird das angebliche Zurückweichen der freien Presse vor dem Islam lautstark beklagt, während ihr viel folgenschwereres Zurückweichen vor dem Kapital seit Jahren klaglos hingenommen wird. Das verrät eine Betriebsblindheit, die schon an Fahrlässigkeit grenzt. Wenn der Westen ernsthaft glaubt, die Pressefreiheit in Europa hinge davon ab, ob man dem Tabu des islamischen Bilderverbots widerstehen könne, so hat er noch ein gutes Stück Aufklärung vor sich. (Daniela Dahn in "Freitag" vom 17. Februar 2006)

Selbstgefällig mandatiert sich eine Diskurswerkstatt der Presse- und Kunstfreiheit bei Interventionen im "Reich der Bösen". Verblüfft kann sie verblöden und verblenden, wenn ihre Wortführer Solidarität mit den Demagogen der Libertinage bekunden.

Die Possenmacher des "Jyllands-Posten" überschritten den Rubikon nicht, attackierten die Regelwerkstatt des "political correctness" nicht, indem sie Paparazzis auf die Jagd nach Skandalbildern aus der Privatsphäre der Oberschicht schickten. Daher waren sie sich der Solidarität einer breiten publizistischen Front von Voltairianern sicher, die eigentlich unter der Agnosie leiden und alles für das hohe Schutzgut halten, was sie sich unter dem stehenden Ausdruck "Aufklärung" aneigneten.

Als hohes Gut begutachten sie die Freiheit des Ausdrucks, betrachten sie so weihevoll wie ein Kruzifix, plagiieren daraus Suffixschlangen, die sie irgendwann beim Teutonen-Grill an der Riviera gegen Russen-Horden und Hunnen-Huren patrouillieren lassen werden. Zu Hause aber darf das Klischee der kopfbetuchten armen Türkin nicht entsorgt werden, damit die Überlegenheit der Alteingesessenen legitimiert bleibt.

Was um die Pressefreiheit vergossen wurde, war ein Meer an Krokodilstränen. Die Papageien des papalen Patriotismus propagierten keinen Handstreich auf christlichen Wertekosmos und auf Anti-Paparazzi-Paragraphen.

Zum Überlaufen wurde eigentlich das Gefäß der Pressefreiheit gebracht, das mit dem aufklärerischen Abwasser und Schund voll war.

Die Gescholtenen der Herrenmenschen-Manieriertheit kontern ihre Kritiker notfalls auch mit Karikaturen, die weder künstlerischen noch kommunikativen Charakter haben, sondern nach Konfrontation kreischen. Darin kommen Generalverdacht und Repression gegen Repräsentation des islamischen Glauben zum Ausdruck. Fabeln haben auf dem Feld der Weltkenntnis Oberwasser. Belege bleiben im Nebel.

Nicht mit Comics haben die Mohammed-Cartoons im geringsten zu tun. Sie lösen weder Gelächter aus, noch Schabernack. Und die eigentliche Missetat, der sich die Laien-Künstler schuldig machten, besteht nicht aus dem Affront auf den Glauben, sondern daraus, die Regeln des Humors mißachtet zu haben. Karikieren läßt sich nämlich eine Person nicht, von der kein Bild existiert. Dazu der türkische Karikaturist Metin Üstündag, Herausgeber des wöchentlichen Satireblatts "Penguen" in einem "Jungle World"-Gespräch vom 8. Februar 2006:

Mir ist es ... nie in den Sinn gekommen, den Propheten Mohammed zu zeichnen. Nicht weil dies nicht zulässig wäre, sondern weil es ein handwerkliches Problem gibt. Von Mohammed existieren keine Darstellungen, die man aufgreifen und karikieren könnte. Eine Karikatur funktioniert dadurch, dass man etwas, das es schon gibt und das die Leute kennen, überzeichnet. Man kann nichts karikieren, von dem es kein Bild gibt. ...

Mich stört die Art, mit der viele Europäer, oft die, die sich uns Oppositionellen verbunden fühlen, auf uns herabblicken und sich dabei so aufplustern, als seien sie weiß Gott wie großartig. Wenn sie dann unsere Satirezeitschriften in die Hand bekommen, staunen sie, wie entwickelt und vielfältig unser Zeichenstil ist, wie reich unser Humor ist. Und sie sind überrascht, wie radikal und freizügig unsere Publikationen sind. "Bei uns gibt es keine Zeitung mit einer so hohen Auflage, die sich solche Dinge trauen würde", sagen sie dann.


Fingierte Tyrannen-Tour durchs »Tal der Wölfe«

Laienlärm vor der Leinwand - Inquisition im Halbdunkel

Spätwinter 2006. Es graute im Blätterwald. Ein aus der Türkei geliehenes Kinoprodukt erhitzte die Gemüter. Es dreht sich dabei um den anglo-amerikanisch kommandierten zivilisatorischen Feldzug im Erdstrich Mesopotamien und hinterher um den erträumten Sieg des Orients über den Okzident.

Die Wilden kommen zu überfremden und unterwandern, lautet die Botschaft derer, die sich auf die Hühneraugen getreten fühlten. Wovor neurechte Regimenter Alarm schlugen, ist den Voltaire-Adepten und den Adlaten der aufklärerisch ausgeklüngelten Vollkommenheit Edikt geworden: Die Gefahr des islamischen Vordingens in Zentren der Zivilisation dämmert über dem alten Kontinent herauf. Universal uniformierte Epigonen der Politokratie befinden sich im Höhenflug, prahlen im Urbanen-Parkett ihrer uninformierten Untertanen.

Vor dem Krösus katzbuckelnd begannen die medialen Musketiere das Mysterium Abendland aufs Neue zu memorieren. Die Meisten verstricken sich in die Kabale, deren Faden der Anonym, also die "unsichtbare Hand" des Mammons, in den Händen hält.

Eine breite Feuilleton-Front rührte die Reklametrommel für den Gegenstoß gegen den westwärts unterwegs fortwährenden islamischen Vormarsch. Sie reicht von judeophiler Linken wie "Konkret", "Jungle World" oder "Bahamas" über aufklärerische Reformatoren wie "taz", "SZ" oder "Die Zeit" bis hin zu den vaterländisch-patriotisch potenzierten Printimperien wie "Die Welt", "FAZ" oder "Der Spiegel".

Geschäftige Gesellen der schreibenden Zunft nannten das Kinoprodukt "eine platte, ziemlich dumme und hemmungslos antiamerikanische Antwort auf Abu Ghraib", "ein übles Machwerk" ("taz", 17.02.06), welches "nicht alle ... bloß als Fiktion betrachten (werden), sondern als Beschreibung eines realen Kampfes: Wir gegen die" (Spiegel online, 14.02.06)". Einen "synptomatischen panislamischen Hetzfilm" ("taz", 22.02.06). "Einen antiamerikanischen, antichristlichen, ... einen türkisch-nationalistischen und pro-muslimischen Streifen (FAZ.net, 16.02.06). "Einen Rambo-Film, geschickt auf die Stimmungslage des türkischen Publikums zugeschnitten. (Die Welt, 16.02.06). "Einen amerikanischen Triumph: Wie man den Kampf um die Bilder in den Köpfen am geschicktesten führt, haben seine Macher in Hollywood gelernt" (Die Zeit, 16.02.06).

Gerade in der Narrenzeit profilierten sich die Honoratioren der Tretmühle hühnenhaft besorgt um die türkischen Jünglinge wegen der Gefahr, durch den "rassistischen, antisemitischen Haßfilm" vielleicht "radikalisiert", wenn nicht kriminalisiert zu werden. Das Plädoyer für ein Verbot, zumindest durch Selbstzensur der ehrenwerten Kinobetreiber, erfüllte sich zum Teil, damit die Vogelstraußstrategie im Kontext mit dem aufklärerischen Unikum. Doch "Tal der Wölfe" provozierte die Advokat-Adlaten der adligen Affenkomödie zum Heulen. Es kam beinahe zu einer Trophäenjagd der Journaillen-Meute, zu einem zeitweiligen Exkurs ins Kinodunkel. Dabei ging es - mehr heikel als heiter - nicht um die Bilder auf der Leinwand, sondern im Raum davor. Im herrisch heimischen Kardinalpunkt zeichnete sich schließlich die importierte heillose Heimtücke derer ab, denen es gilt heimzuleuchten, statt die Freundeshand zu bieten. Manchen der Exkurs-Kunden überging manch einmal vor den hitzköpfigen Halunken sogar das Herz. "Jetzt bekam plötzlich ich meine ersten echten Integrationsprobleme unter den Türken in Berlin," heuchelt Eberhard Rathgeb "Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland" 16. Februar 2006:

Ich hielt mich an der Vorstellung fest, daß ich ja nur in einem Kinosaal in Neukölln saß, gleichsam in einer Gesellschaft sehr kurzer Dauer. Doch mußte ich, während der Scheich seine Worte in die Welt schickte, daran denken, welche Integrationsprobleme ich und all die viel Jüngeren in Berlin (und nicht nur in Berlin) in einigen Jahrzehnten bekommen würden, und zwar nicht mehr nur in einem Kinosaal in Neukölln, sondern schon weit draußen vor dem Kino in der Wirklichkeit. Im Februar 2006 lernte ich mitten in Berlin mein Minderheitengefühl kennen.

Das Bild der hohlen Hooligans, das mit zornroten Protesten gegen die kulturalistisch kommandierten Gazettencomics begann, hatte die Short Story vom massenhaften Türken-Sturm im Lichttheater zu vervollständigen. Im Cartoon-Konflikt erklügelten die Themen-Tüftler zum Teil einen affektierten Affront auf die Gefühle von jenen muslimischen Massen, die unter prekären sozio-ökonomischen Prämissen einen aufwiegenden Rückhalt im Glauben gesucht hätten. Ähnlich gingen sie gegenüber den Kinobesuchern mit vorder-orientalischem Hintergrund vor.

Das Urteil, daß es sich beim besprochenen Kinoprodukt um einen primitiv provokanten Tand dreht, saß in den Schädeln der demokreativ aktiven Reporter per se. Viele fühlten sich berufen, Aversionen gegenüber "Tal der Wölfe" ausstoßen zu müssen, ohne ihn direkt in Augenschein nehmen zu wollen. Auch das grüne Greenhorn, der Alibi-Ali im Europäischen Parlament und Quoten-Kolumnist des ethno-deutschen Feuilletons, der dreiste Alle-Welt-Apostel der Floskel "Dialog", Cem Özdemir, gab sein Statement ab:

Man könnte den Film nicht weiter beachten, ihn als die übliche Action-Klischee-Nummer abtun und es gut sein lassen. Aber wer einen solchen Film produziert, der will nicht einfach unterhalten, sondern rechnet damit, dass er rassistische Einstellungen bedient und verstärkt und den Dialog erschwert. Dieser Film erschwert einmal mehr all jenen die Arbeit, für die das Wort "Dialog" keine billige Gutmenschen-Floskel ist - und dieser Tage ist es offensichtlich Mode, anderen absichtlich oder unabsichtlich die Arbeit zu erschweren. Und wer diesen Film gut findet, sollte zu den veröffentlichten Mohammed-Karikaturen besser schweigen. (Spiegel online, 16.02.06)

Wer nun diesen schwatzhaften schwabischen Moralprediger nicht wiederholen will, gehört längst zur Gegenfront. Denn hier herrscht die echte, hochgescheite Bush-Formel des hegemonialen Monologs: Entweder für oder gegen uns. Alles, was nicht für unseren Kreuzzug ist, stellt ein potentieller Büttel für den Dschihadismus dar.

Welchen Reim sich die selbstbestellten Tugendwächter des zivilisatorischen Zyklen-Zirkus auf den Globus machen, offenbart sich holzschnittartig in der Konsequenz, daß sie ihren Zeigefinger zeichenhaft auf die brünett bunten Communities aus dem vorderen Orient richten und brüllen: Da sind sie, immerdar draußen!


Rätselvolle Renaissance des Rassismus

Nach drei Jahren Irak-Okkupation gibt es immer noch keine Hollywood-Eloge über die "mit Blumen begrüßten Marines", stattdessen Bilder von alltäglichen Horror-Szenarien. Der Höllenlärm von Explosionen und Donnerbüchsen wird seit der Gewalttour der Demokratie-Desperados nur noch vom Dröhnen der Flieger übertönt, die unaufhörlich über die urbanen Quartiere im Zweistromland kreisen.

"Tal der Wölfe" hält, bekunden seine Produzenten, den gegenwärtigen Gesellschaften den Spiegel vor, erdichtet keine Geschichten. Er reflektiert sie, riskiert auf sie ein vom westlichen Wertekosmos abweichendes Auge.

Falls die "Macher" dieses Bildstreifens gar rassistische Ressentiments gebrauchen, so haben sie das allenfalls aus Hollywood gelernt. Endlich verstehen die Architekten dieses Lehrgebäudes die Tragweite ihres Werkes. Der Rassismus bediente biologische bzw. genetische Merkmale, der Film aber nicht. Seine "Dreher" dokumentieren die kulturellen Klischees, haben nicht das Geschick für den Trick, den Zauberstab zu schwingen und aus dem Nichts triviale Torturen auszukochen.

Hingegen basieren die Kommentare der medialen Meute auf Metaphern, auf kulturkriegerischem Jägerlatein, Malum und Marasmus, auf alles Menetekel, dessen Urquell sie allein im Morgenland beobachten.

Ein Rambo- oder Bond-Film galt immer als ein Produkt, das ohne den Triumph im Kalten Krieg keinen Wert hatte. Die Adressaten der Botschaft, die er verbreitete, wurden meist von Mythen aus den militaristischen Gedankenwerkstätten der Krautjunkern vorgegeben. Das eigentliche Gewicht dieserlei Kunstfertigkeit liegt in Wahrheit auf der Traditionslinie des Urbanen, der auf der Trophäenjagd besonders auf die Barbaren angewiesen ist, um über sie zu bramarbasieren.

Im Train der Trophäenjäger findet das Training der triumphalen Triarchie aus Marketender-Mandatar-Messias oder Magnat-Manager-Mentor statt. Es sind dann Heldentaten der Titanen, Trauer statt Traum im Tränental von Unterworfenen hinterlassen. Der Rassismus als blutiges Handwerk des Kolonialismus lebt nicht im "Tal der Wölfe" fort. Er ist ein abendländisches Produkt, und jetzt mußten seine Urheber plötzlich erfahren, wie das in den elenden Händen der Hollywood-Adepten gegen sie gedreht wird.

Offensichtlich entzogen sich die orientalischen Comming men der Gehirnmanipulation und suggerieren, daß sie sich nicht länger als schurkischen Objekte des Drachen drangsalieren lassen, sondern auch als Scheusal zu handeln fähig sind - mit einem Comming-of-Age-Drama.

Das authentische Coming-out der aufklärerisch autorisierten autonomen Kompanien in Kooperation mit gleichermaßen genialen Gilden des Geldscheffelns amüsiert mehr als die Comic-Kunst der kleinbürgerlichen Bornierten. Die These, daß die Demokratie eine durch den Urnengang und urban untermauerten Stimmenfang gestützte Oligarchie ist, findet hier einen weiteren Beweis.


Die judeophile Fanfarengemeinde

Der Aufruhr der Völker im unterentwickelten Teil der Welt gegen die, auch kulturell schmerzhaft empfundene Hegemonie des Westens wird damit per se als antisemitisch denunziert. Das ist das böse Erbe der faschistischen Gegenaufklärung: Die Identifizierung von Judentum und Kapitalismus, wie in der Naziideologie vorgenommen, wird von den Bushisten und ihren immer zahlreicher werdenden europäischen Anhängern - umgekehrt gewertet - fortgesetzt. Der zeitgeistige Philosemitismus erweist sich als umgestülpter Antisemitismus - in seiner ordinärsten Form. (Werner Pirker in "junge Welt" vom 25. Fabruar 2006)

Das antiamerikanische Heroen-Stück verunglimpfe die Juden und nehme den Antisemitismus in Gebrauch, zerpflücken die Zeitgeist-Guerilleros eine Szene, in der eine Gestalt im weißen Kittel den irakischen Gefangenen bei lebendigem Leib die Nieren herausnimmt und sie in Transportbehälter mit dem Aufdruck "Tel Aviv", "London" und "New York" steckt. Sichtbar wird der Organhändler im Habitus eines Juden, so daß die Junioren des Junkertums und Jünger des Toleranz-Tempels mit der Demontage ihrer Opferperspektive konfrontiert werden.

In der Tat kommunizieren die Geistesfürsten der germanophilen Get-together-Party und die selbst ermächtigten Kommissare der judeophilen Routine nicht mit der universalen Route einer libertären Lehrfahrt, sondern mit deren Zerrbild. Instrumentalisiert werden derartig demütigende diverse Dramen vielmehr, um die nordisch weiße Dominanz als weise Werte-Warte zu dekorieren sowie als naturhaftes Konstrukt der Humanitas zu dokumentieren. Alles, was in den Geruch des Antisemitischen gerät, ist antiwestlich. Und alles, was sich gegen westliche Weltherrschaftsambitionen richtet, ist antisemitisch, obwohl dies über Jahrhunderte hinweg die abendländische Ideologie des Verbrechens verkörperte. Welch ein drahtiger Dreh, den dunklen am eigenen Hals klebenden Schandfleck weißzuwaschen.

Fernerhin kommuniziere der Actionthriller sogar mit frühmittelalterlichen Satrapen, heißt es in manchen Pamphleten. Damit hege man Blütenträume auf die Zeiten des Osmanischen Reichs und Haß gegen die Gegenwart. Damit entferne sich der "sanfte" Islam immer immenser von ihrem byzantinisch bestallten Ziel, im christlich kapitalistischen Club einen Platz vermutlich ganz hinten im Parkett einnehmen zu können, wenn die Potentaten am Bosporus solchen wider-westlichen Vorboten nicht mit Verboten begegnen. Sie sollen den Gemeinplatz "Allianz der Zivilisationen" nicht übersehen, auch wenn dabei das heilige Gut des Westens, die Freiheit des Ausdrucks auf der Strecke bleiben sollte.

Allen Ernstes: Es braucht nicht erst diesen Streifen des Bond-Plagiats, um über die Gräuel Uncle Sams im Zweistromland in Wut zu geraten. In Reaktion auf das koloniale Wiederkommen läßt er sich nicht als Manifest zum Aufstand gegen die super-imperialistischen Okkupationshorden einordnen. Viel mehr ist er dazu geeignet, die Geknebelten durch einen mit Fabel und Fantasie angereicherten rache-riechenden Cocktail zu faszinieren.

Die Rebellion gegen die nordamerikanische Nomenklatur des nordischen Imperiums kann kein Fall von ein paar Maulhelden sein. Somit manifestiert sich die Produktion nicht als Opus des Triumphs, sondern als Trumpf von Rachsüchtigen.

Wer diesen Reißer in einem ramponierten Weltalter des Raubtierkapitalismus dennoch als Zombie-Zeichen, gezielten Fehdehandschuh deprimierter Dilettanten oder gar Brandbeschleuniger einstuft, hantiert mit der Reserve der Revanche.

Tatsächlich geht das gesamte Geschreibsel in den allermeisten Revolverblättern den Eleven der evangelikanen Eremiten apokalyptischer Apologie zur Hand.


Die systemimmanent gesteuerte Selbstzensur

Bevor die Frontreporter der Journaille ins Kino gingen, wußten sie, was sie zu sehen hatten. Manche von ihnen befanden sich vielleicht nicht einmal am Tatort. Sonst müßten sie einen anderen Bericht bewerkstelligen als den redaktionell Bestellten und hinnehmen, in der Nebenseite gelandet zu haben wie Susanne Gaschke in der "Zeit Online" vom 23. Februar 2006, dem "die Aufregung mancher Feuilletons und die Verbots- und Absetzdiskussionen nicht wert zu sein" scheint:

Nun also, dachte ich, ein Propagandastreifen, der auch noch das vielleicht nicht großartige, aber doch ziemlich zivilisierte Zusammenleben von Türken und Deutschen in Deutschland kaputtmacht. Die ersten Berichte jedenfalls lasen sich haarsträubend: Antiamerikanisch, antisemitisch, antichristlich, gewalttätig, aufwieglerisch sei der Film. Und offenbar johlten allenthalben die türkischstämmigen Zuschauer, wenn die amerikanischen Erzbösewichte abgeschossen oder abgestochen wurden.

In der Vorstellung, die ich dann besuchte, um mir meine Vorurteile bestätigen zu lassen, johlte niemand.

Die Cine-Maxx-Kinos nahmen "Tal der Wölfe", der als Folge einer generalstabsmäßig gelenkten Kampagne als Hetzstück abgestempelt wurde, aus ihrem Programm. Der bayerische Medienminister Eberhard Sinner triumphierte: "Die Absetzung dieses Hass-Films durch die größte deutsche Kinokette ist ein wichtiges Signal der gesellschaftlichen Verantwortung." In "Süddeutsche Zeitung" vom 23. Februar 2006 fragt sich Fritz Göttler:

Kann man also davon ausgehen, dass der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber und sein Medienminister ... den Film gesehen haben, den sie so vehement verdammen?

Wo haben sie ihn gesehen, in einem Projektionsraum der Staatsregierung, in einem der vielen deutschen Großstadtkinos, in denen der Film läuft, vor vorwiegend türkischem Publikum? ...

Ein aggressives Publikum, das nie mitgekriegt hat, dass es einen Unterschied gibt zwischen Wirklichkeit und Fiktion?

In Wahrheit ist es ein durchaus bürgerliches Publikum, das sich den Film anschaut, und dem schon gefällt, dass ausnahmsweise ein türkischer Held am Ende siegt - auch wenn wahrscheinlich jeder merkt, dass er gegen die weltweit strahlenden Amerikanerhelden eine eher zweitklassige Figur abgibt.

Von einem solchen Standpunkt lassen sich die Wegbereiter des "christlich-abendländischen Kulturkreises" mitnichten beeindrucken. Am liebsten im Trüben sieht der Wolf den Glücksfall. Der Laienlärm vor der Leinwand bietet diesen neokonservativen Mullahs des Mäuse-Götzen die Gelegenheit, als Barden der Brüderlichkeit zu brillieren, zugleich als tüchtige Türhüter des Christen-Clubs unter dem Label "EU". Zum türkophoben Tugendwächter avanciert, widmete der Bavuraniar-Boß der Schwarzen-Sozialunion Edmund Stoiber mehrere Passagen seines Aschermittwoch-Referats dem Reizthema Integrationspannen, verursacht durch Fehlgriffe wie “Tal der Wölfe”:

Hier wird bewusst Hass gegen den Westen geschürt und die Integration torpediert. Dieser anti-westliche Hassfilm fördert nicht die Integration, sondern baut Feindbilder auf. Es ist in einer freiheitlichen Gesellschaft nicht hinnehmbar, wenn sich amerikanische Staatsbürger aus Angst vor Gewalt nicht mehr in die Nähe deutscher Kinos wagen. ...

Hier ist eine Grenze überschritten. Das dürfen wir nicht hinnehmen. Es ist deshalb richtig, dass der Film nochmals geprüft wird. ... Es geht hier nicht um Zensur, sondern darum, dass so ein Film die von uns allen angestrebte Integration nicht erleichtert, sondern massiv erschwert.

Hier also! Am Zitadellen-Zipfel der globalen Glorien kreuzt der Toleranz-Troß als triumphale Tünche gegen Abtrünnige auf, aus der sich die zopfigen Troupies der zünftigen Blockparteien und ihre zeitnahen züchtigen Zöglingszirkel nähren.


Freiheit als Husarenstück oder Hurenstreich?

Vulkane schleudern Felstrümmer aus, Wintertemperaturen Feldstürmer. Das ideologische Amalgam der Ammenmärchen-Urheber aus Humanität, Freiheit und Fortschritt schärft das Evangelikaner-Event, das Gebet vor dem Gefecht. Doch es ist die Gegenseite, die den Konfrontationskurs versus Dialog der Kulturen geht.

Die Freiheit wehrt sich, lautet die Lemma - ein Phänomen im Endstand seiner Evolution. Ein heiliges Gut, das keiner kaufen will, kein höheres Ziel, kein weiteres Stadium beim Studium der menschlichen Geschichte bemerken läßt.

Welche Freiheit? Die des obersten Besitzstandes der gesellschaftlichen Pyramide? Die der Oligarchien auf dem Geipfel der monetär montierten, ökonomisch orchestrierten organischen Pyramiden-Parade? Die der Oratoren des Ordo-Olymps, der omnipräsenten Ökonomik und ihrer obligatorischen Organe? Die der okzidentalen Kollektive "Wir" vor der muslimischen Mulde?

Die Kalten-Krieger haben sie erst hochgepäppelt als Angaria-Agenten gegen den Kommunismus sowie gegen den an die Blockfreiheit orientierten laizistischen Nationalismus.

Alles in allem: Die Allermeisten der Pressefreiheit ordneten sich dem Ritterkreuz eines christlich-jüdischen Hurrapatriotismus unter und richteten ihr Augenmerk darauf, die peripheren Wilden in den metropolitanen Magistralen ins Bockhorn zu jagen. Olgun Bayrak schreibt www.turkcom.org:

Dass sich gestandene Kolumnisten und Feuilletonisten reihenweise zu Selbstversuchen genötigt sehen und sich in die Niederungen der "Migrantenkinos" begeben sowie "allein unter Türken" deutsche Untertitel mitlesen, um etwa Holzereien zwischen dem amerikanischen Bösewicht und dem "türkischen Rambo" zu verstehen, ist ein Anblick für Götter. ...

Man fragt sich nach diesem medialen Kulturkrampf jedoch, was Türken überhaupt noch dürfen. Immerhin sollen sie keine Actionfilme drehen, denn diese würden den "Clash of Civilizations" schüren. Heiraten, ohne mit der Familie zu brechen, sollen sie auch nicht, denn dies wären ja alles Zwangsheiraten. Ferner sollen sie auf deutschen Pausenhöfen gefälligst deutsch sprechen, ansonsten würden sie die "Integration" verhindern. In Hauptstädten demonstrieren sollen sie bitte auch nicht, denn das wären ja "Großkundgebungen des Türkentums" und last, not least, sollen sie keine Historiographie betreiben, denn das wäre ja "Genozidleugnung".

Es würde nicht verwundern, wenn demnächst einige gelangweilte Chefredakteure sich dazu erblöden, türkische Schnulzen rückwärts abzuspielen, in der Hoffnung, "geheime Botschaften" und "Aufrufe zum Cihat" ausfindig zu machen. Auch diese Idee stammt übrigens aus den USA.


Heidenspektakel der Kapriolen-Kompanie

Kasperliaden der Dialog-Domestiken zwischen den monotheistischen Drilligen, deren moderate Musterknaben sich in einem militanten Messianismus vertieft haben, gelten nicht dem wechselseitigen Respekt, sondern der Ausflucht aus dem Apokalyptischen, das sie selbst kolportieren. Sie kostümieren sich als Herolde, thronen auf dem Erdenleben.

Wirr wie widersprüchlich ist die humanitäre Variante der Zivilisierten-Varieté. Die lauthals gepredigte Toleranz ist ein Behelf, um Gemüter zu erhitzen. Die Gepeinigten haben gefälligst Zucht und Zügel der Zunft-Zeloten mit Zugabe zu zelebrieren.

Die Metropol-merkantile Manie des Manichäischen hat das Böse zu vergegenwärtigen. Die Apostel der aufklärerischen Kirche appellieren nicht mehr an die Vernunft der Einzelnen, sondern an die Herkulesse im "Krieg der Kulturen", der noch ein "Crash of Cartoons" ist. Einmal vom Zaun gebrochen, wird sich sein Rauch lange nicht verziehen.

Die Fundamentalisten der Feuilletons führen den Weltkulturkrieg, indem sie jene Metaphern als Tatarennachricht aussäen, die in den Laboren Pentagoniens fabuliert werden: Terror aus dem Tartarus!

Das soll verblenden, daß die USA - ein Siedlerstaat mit dem Gemetzel der Indianer im Gedächtnis - das mächtigste Imperium sind, das die Erde je sah, damit das Gewalttätigste. Aus dem schwindelerregenden Chaos schlußfolgern seine Oberhäupter wüste Stories, die sie erst erzeugen, dann für ihre Feldzüge instrumentalisieren. Und der Patriotismus, unter dessen Panier die Yankees paradieren, ist der Aberglaube, der das Handwerk zum Marodieren und Morden spitzt.

Er ist mit dem Gottvertrauen nicht vergleichbar, der seinen Ursprung im Unvermögen der Menschen hat, naturgetreue Phänomene zu ergründen, ohne sie einer transzendenten Gewalt zuzurechnen.

Auf der johlenden Jagdpartie nach dem Armageddon dämonisiert die Aufklärungsarmada der superimperialistischen Journaillen-Junta mit geballter Wut das ästhetische Pendant ihrer esoterischen Phantasie, dem sie dann nichts als Tückisches unterstellt.

Die gewerbliche Presse verpflichtet sich nicht dem Denken des freien Individuums, sondern dem Fundus ihrer eigenen Profite, die sie über Anzeigenaufträge reklamiert. Sie duldet im marktmentalen Mainstream nur, was nicht stört. Unbequemes gilt auszumisten. Reklame regelt und macht aus den kritischen Querdenkern lendenlahme Lämmer.

Die Herzen dieser Freiheitlichen schwellen vor Hochgefühl beim Geistesblitz, daß das westliche Machtzentrum so monumental ist und allzeit in der Lage, seinen Fuß auf den Nacken all seiner Rivalen zu setzen.

Niemals zuvor hatten sie im Sinn, der Kardinalfrage nach bewußt Bösartigen oder albern Artigen auf die Schliche zu kommen. Man krittelt mehr an der Fiktion als an den Fakten. Man horcht herum, um dem als häßlich klassifizierten Gegenüber eine Standpauke zu halten. Hauptsache, die misanthropische Heimleuchte sitzt.

Mit welcher Sorte der Soße auch immer vermengt, die Doppelzüngelei hört nicht auf halbwertig zu riechen.


Patronaten-Drang der Dragoner-Patrouille

Dem kritischen Blick aufs Gestern liegt Kraft zugrunde, wenn ihm der Blütentraum vom Morgen innewohnt. Wer das Gewesene schlecht benotet, muß sich davon ein Bild machen, was für das Künftige gut ist.

Einzigartige Konturen kreuzen im Revier der Revuen und Revolverblätter. Hinter der Larve der humanitären Lesart lassen die Larifari-Legionen keine Differenz zu rassistischen Radikalen erkennen, liefern dieselben Litaneien in die Tretmühle und leisten behände den bellizistischen Blendern der Plutokraten-Pyramide willfährigen Handlangerdienst, bürsten beharrlich libertäre Weltbilder gegen den Strich, lobhudeln unterschwellig jene Zuchtstätten, die seit der Renaissance der Kreuzzugskulte unter Star and Stripes Hochblüte zeitigen.

Je toleranter sich das Aktionären-Varieté der aufklärerischen Werte-Warte und ihre Kumpanen der Tugendtünche dünken, desto totalitärer gestalten sich die gesellschaftlichen Dominanzen. Solange außerhalb der Mauern des Parlamentarismus kein Spielraum Licht ausstrahlt, alles im retrospektiven Schlagschatten der bürgerlichen Borniertheit auf der Stelle tritt und die sozial revolutionären Ideale durch die Graben-Garden des Marktes zugemauert bleiben, fruchtet die Furcht.

Die postmoderne Revue der Reaktion hat nur eine Botschaft: Es gibt keinen Morgen, alles muß ins Heute integriert werden. Die sekulären Systeme und die Subsistenz-Existenzen werden so selektiv suggeriert, daß daraus die Segmente eines absoluten Gottvertrauens dem sakrosankten Syndikat der Grossisten subsumiert sowie durch die Orwellsche Gedankengewalt stigmatisiert werden.

Im Tarnanstrich "Demokraten gegen Theokraten" formiert sich eine renovierte Kriecher-Kompanie einer monetär renommierten Reformatoren-Meute. Mit einem von EMMA-Patrona Alice Schwarzer aufgemöbelten "Manifest der 12" (Apostel) propagiert sie einen ideologisch novellierten Gemeinplatz gegen einen trotzigen "Totalitarismus", brütet aus dem Windhauch einen mysteriösen Zyklon aus, nämlich einen zornroten "Islamismus" und klassifiziert ihn als "eine reaktionäre Ideologie, die Gleichheit, Freiheit und Sekularität tötet." Zutage tritt im blauen Dunst des hohlen Werte-Universalismus von Neuem der militante Missionarismus, der den Häuptern der okzidental ökonomischen Tyrannei die Absolution erteilt. Zugleich zeichnet sich die aufklärerisch artikulierte Attacke als das Manöver für die Renaissance des Kolonialismus im höchsten Stadium. Ihm geben nicht mehr die barfüßigen Bataillone der Schwarzröcke Geleit, sondern die freiheitlich-demokratisch fingierte Formation der endkapitalistischen Fundationen. Anders läßt sich das System der Freibeuter- und Zinszyklonen nicht instand halten, jedenfalls nicht allein mit lauter vervielfältigten Effekten und Brokergebrüll.

Überwältigt vom Megären-Mythos fühlt sich Alice Schwarzer als Feldherrin eines Dragoner-Korps in einem islamophob gefächerten Geflecht. Zuletzt in der März-April-Ausgabe ihres Blattes zieht sie über die beiden Autoren eines "Offenen Briefs" in "Die Zeit" vom 1. Februar 2006, Yasemin Karakasoglu und Mark Terkessidis, vom Leder, der - unterzeichnet von 60 Migrationsforschern - unter dem Titel "Gerechtigkeit für Muslime" stand. Die Denkschrift hält der Publikation "Die fremde Braut" von Necla Kelek generalisierendes Gehabe vor, was Schwarzer zum Gegenstoß anregt. Dabei nimmt sie von jedweder inhaltlichen Kritik Abstand und nähert sich der Logik der Denunziation, um die "Islamisten-Freunde" ans Kreuz schlagen: "Yasemin Karakasoglu und Mark Terkessidis. Die eine ist Erziehungswissenschaftlerin an der Uni Bremen und der andere ist freier Autor in Köln. Beide haben interessanter Weise binationale Eltern, sie einen türkischen Vater, er einen griechischen. Sie kommt aus der militanten Pro-Kopftuchszene, deren hervorragende Stimme sie ist; er kommt aus der radikalen Linken."

Die Patrona der Dragoner-Patrouille bewölkt den zentralen Horizont der geschlechtlichen Knechtschaft, deren Wurzeln wesentlich in der imperialistischen Inbesitznahme des Orients liegen. Ohne die willfährige Kollaboration der dortigen Stammessysteme haben die imperialen Invasionen keine Stütze, die sich wiederum den feudalen Überresten den Fortbestand. Folglich sympathisieren die Freiwilligen-Formationen des Europiden-Forts nicht mit den Protagonisten der gesellschaftlichen Emanzipation, den national-revolutionären Kräften, in der Peripherie, sondern lassen sich dem metropolitan hegemonialen Augenmerk missionarischen Maschenwerks unterordnen. Auch hier. Sie schwärzen jegliche Parteinahme für die Autonomie-Tendenzen innerhalb der eingewanderten Quartiere und tun sie als spartanische Schwärmerei, separatistisch strukturiertes Lehrgebäude ab oder gar als Kanaken-Krakeel und versuchen gleichzeitig, unterwürfig integrative Initiativen anzuhimmeln.

Als gegenstandslos gelten Endprodukte jener bürokratisch partizipierten Publizisten, die nicht über den Marktwert verfügen, dem kulturell konzipierten Neorassismus Argumente sowie instinktive Munitionen zuzuspielen. Gesprungen mit Hang zum Dramatisieren auf den Zug der Loyalitätsliteratur kommen immer mehr Autorinnen von emphatischen Pamphleten zum Vorschein. Honoriert werden sie nicht wegen ihres emanzipatorischen Gewichts für eine libertäre Bürgerrepublik, sondern wegen der Verwertbarkeit ihrer Textmaterials, die Angeprangerten an den Pranger zu stellen.

Das ethnozentrische Augenmerk der Intelligentsia wendet sich dem schwachen Geschlecht in den Türken-Gettos zu. In den Regalen der Bücherstuben türmt sich der Stapel der Biografie-Produkte immer höher, die den Leidensweg der anatolischen Mütter und Töchter in den trübsten Tönen nachzeichnen. Aber es gibt auch eine Fraktion der Gegenkraft, auf die Daniel Bax in "die tageszeitung" vom 16. März 2006 unter der Titelzeile "Die heimliche Revolution" anspielt, wobei es sich um den Opus "Typisch Türkisch?" der Journalistin Hilal Sezgin dreht, in dem sie junge Türkinnen ihrer Generation porträtiert:

Autorinnen wie Asli Sevindim ("Candlelight Döner"), Hatice Akyün ("Einmal Hans mit scharfer Soße") oder Dilek Güngör ("Unter uns") erfreuen ihre Leserschaft mit 1.001 humorigen Anekdoten über die Liebhaberqualitäten von deutschen und türkischen Männern im Kulturvergleich, die Integrationsprobleme deutscher Schwiegersöhne in eine anatolische Sippe sowie den kulinarischen Kampf der Kulturen am Küchentisch. Sie klären die Deutschen darüber auf, was diese schon immer über Beinenthaarung und andere Epiliertechniken wissen sollten, aber nicht zu fragen wagten. Vom Feuilleton werden sie zwar weitgehend ignoriert. Aber weil sie ihren Migrationshintergrund als reine Lifestyledifferenz zelebrieren, empfehlen sie sich als emanzipierte Identifikationsfiguren für Gleichgesinnte.


Fulminant auf der Suche nach Supergermanen

Es kriselt allerwärts. Die Fragelust der Regentschaft reift heran im fragilen Menschenpark zwischen Standpauke und Staatssatire. Zum Beispiel der Hessen-Test zum Kreuzverhör der Staatsbürgerschafts-Aspiranten, durch den sich der laut verbürgte rechtmäßige Anspruch auf Autochthonen-Status erneut als Farce entpuppt.

Auf hundert Fragen haben die allochthonen Einwohner zu antworten, sie enthalten alle Episoden der deutschen Geschichte und Gegenwart. Irgend etwas nicht parat, gehen die Examinanden leer aus. Wird er auf den Bereich der bereits den staatlichen Status besitzenden Normalbürger erweitert, droht selbst der Bundeskanzlerin, ausgebürgert zu werden - vielleicht muß sie dann ihre Karriere als Ziegenmelkerin auf den Alpenpässen fortsetzen. Und die laut gefeierte Freiheitskämpferin der "fremden Bräute" und Hintermännin des leidlichen "Gesprächsleitfadens" in Baden-Württemberg, Necla Kelek? Auch sie läuft Gefahr, wieder in das peripheres Parkett der orientalischen Patriarchen evakuiert zu werden.

Vielleicht schwante ihr ein solches Schicksal, und sie erstellte daher die Streitschrift "Die verlorenen Söhne", die sie Mitte März 2006 auf den publizistischen Markt brachte. Darin plädiert sie für die "Befreiung des deutsch-türkischen Mannes" und womöglich für einen Gesetzerlaß, der die Muselmanen-Jünglinge festnagelt, gegen ihre in "archaischen Stammestraditionen" festgefahrenen Väter zu revoltieren.

Die Rezitatoren der grauen Neugermanen müssen auf das Handlanger-Hallo nicht mehr warten. Als medial geadelte Patrona bestätigt Kelek lautstark und am laufenden Band, was sie schon immer über die ungebändigten Untertanen orientalischer Despotismen im Oberstübchen zu denken pflegte.

Gerühmt wird sie vornehmlich als eine der Vorreiterinnen eines kulturellen Dammbruchs in "Spiegel Online" vom 16. März 2006 von Henryk M. Broder, dem Impresario der Berufsjuden, der sein Augenmerk letztens dem schwer assimilierbaren Bereich der Almancis widmet. Für ihn dreht es sich da um mehr als um "die verlorenen Söhne", nämlich "muslimische Frauen", die "derzeit die heftigsten Debatten auslösen, weil sie einen klaren Blick für die Situation und keine Angst haben, ausgegrenzt zu werden, da sie es schon sind. Frauen wie die Niederländerin Ayaan Hirsi Ali, die Kanadierin Irshad Manji, die Amerikanerin Wafa Sultan und die Deutsche Necla Kelek, eine Hand voll Dissidentinnen und Ketzerinnen, die sich nicht nur gegen ihre Familien behaupten mussten, sondern auch gegen eine große Koalition aus Ignoranten und Gutmenschen, die den Diskurs bestimmen wollen. Freilich: Jeder soziale und kulturelle Dammbruch fängt mit winzigen Haarrissen an. Es geht nicht anders."

Necla Kelek scheint familiäres Asyl im Autoritäten-Aufenthalt des obrigkeitlich volksstaatlichen Konstrukts gefunden zu haben, nachdem sie vorgeblich von ihrer Familie verstoßen wurde. Sie glaubt hierbei Heldenmut zeigen zu müssen im intellektuellen Hilfsdienst für die Philanthropen auf den Machtsesseln. Kontrafaktisch bleiben ihre Parabeln nun erst recht - orientiert an den Bedarf des majoritären Manierens mit germanophilen Codes aufklärerischer Provenienz. Hauptsache, die Heimleuchte sitzt, und sie feiert fröhliche Urständ - angelehnt an den Wachtturm der Journaillen-Junta.

Gewöhnlich filtern die Musketiere der medialen Meute für die Mehrheit beliebte Informationen. Sie funktionieren als Motoren und Multiplikatoren des Mechanismus, der soziale Lebenswelten ethnisch definierten und den Ethnizismus notfalls erdichten. Sie jagen nach Themen, die sich eignen, beim breiten Publikum hohe Wellen zu schlagen. Sie zementieren die im Inneren der Autochthonen ausgebildete Hierarchien gemäß der Zugehörigkeitskonstellation völkischer Formation. Allochthone Einwohner, die den künftigen Loyalitätsnachweis nicht erbringen können, werden zu potentiellen Proleten erklärt in Gefahrenzonen unter dem Label Gettos - dem Spott des Abgeschotteten sowie dem Angriff der ethnisch anständig Angepaßten anheimgestellt.

Der Text des hessischen Loyalitätskontroll-Testes für mögliche voraussichtliche Inhaber eines Ausweises mit dem Adler-Deckel als amtlich ambitioniertes Emblem bewegt sich zwischen strapaziöser Sanktion und skandalöser Satire, kann auch als lausekalter Kalauer am Fachgesprächskamin an Fahrt gewinnen. Für die Spaßsöldner und Leitkultur-Legionen der "Vierten Gewalt" stellt er jedenfalls ein spezielles Spektakel dar. Sie jagen einer eingängigen Leidenschaft nach, nämlich die metropolitan heimatliche Erwerbsgesellschaft des Welt-Kapitalismus vor der heimlichen Invasionsgefahr durch orientale Spezies in Gewahr zu nehmen. Ob in verteilten Rollen oder Personalunion, die Advokaten der imperialen Inspirationen und die Inspektoren der integrationalen Intention schließen sich an jenem stets startklaren Statement für die Spätankömmlinge, welches das gleiche Gewicht auf die Waage bringen soll wie das Schaumschlagwort der Chancengleichheit.

Die 100 Gebote im Treue-Kontroll-Katalog enthalten ziemlich zweideutige Fragen, die selbst der Literaturpapst Marcel Reich-Ranicki nicht mühelos bestehen könnte. Sicher sei er sich jedenfalls nicht. Offen ethnophobe Aversionen wohnen ihnen nicht bei, und sie sind jedenfalls pfiffiger formuliert als ihr baden-württembergisches Pendant "Gesprächsleitfaden", der nicht den Wissensstand der Prüflinge, sondern ihr sittsames Gewissen auf die Probe, somit alle unter den Generalverdacht des "islamistischen Totalitarismus" bzw. "Terrorismus" stellt.

Nichtsdestotrotz bleibt das hessische Katalogwerk ein spitzfindiger, kulturalistisch befangener und kränkender Wertetest des germanophilen Volksstaates.


Der demographisch dominierte philanthropische Rassismus

Das starke Geschlecht orientalischen Schlags scheint längst den konventionellen Wert für die spätkapitalistische Erwerbsgesellschaft verloren zu haben, seit die Werkhallen, die auf Fronarbeit der rüstigen Fremdenlegionen angewiesen sind, ihre Toren schlossen. Der anatolische Hinterwäldler, der sich in das alternierte Rentier-Regime der Altennation nicht wohlfeil adaptieren läßt, gilt nur noch als Störfaktor im Reservoir der Überflüssigen. Hingegen benötigt die ramponierte Rentnerrepublik fragile fertile Evas.

Als hellhörige Angehörigen der systemkonform freiheitlichen Fraternitätsfront werden diejenigen Heldinnen wertachtet, denen es gelang, in ihren Biographien die feudalen Überrest aus dem Weg zu räumen. Doch ihre provisorische Rolle für die gesellschaftliche Emanzipation bleibt auf der Bühne des Marionettentheaters. Und das begünstigt die gebieterischen Stabsakteure des Hegemons, ihre kreuzzugsmentalen Gebote im Hinblick auf kolonisatorische Expansion in den Kardinalpunkt zu rücken.

In den retrospektiv repressiven Verhältnissen innerhalb der familiären Verbünde sehen sie einzig fremdverschuldete Antriebe und keine sozio-ökonomischen Zwänge. Zu klagen haben unter kulturalistisch kumulierten Maßgaben die Frauen migrantischen Hintergrunds vor allem als Reservoir des Frondienstes - ob in Putzkolonnen, Dönerbuden oder Bordellen. Sie sind in ihrem Daseinskampf entfremdet und untermenschelt zugleich.

Wenn das Lehrgebäude der Rassen auf biologisch äußere Differenzen hindeutet, dann haust es auf naivem Niveau. Es gibt schließlich unterschiedliche Hautfarben: Bleiche, Schwarze, Brünette... Daraus entsteht das rassistische Weltbild erst, wenn diese diffuse Wesensarten verdreht und ihnen soziale Attribute zugeschrieben werden.

Das Grundelement des Rassismus ist sozial und gründet sich hierarchisch auf Besitzstände. Wer sich den Reichtum bereits bemächtigt hat, verfügt über Definitionsgewalt, die enteigneten Kollektive als Rassen minderwertigen Reservoirs einzustufen.

An Fahrt gewinnt der Rassismus im Groß-D-Land in erster Linie wegen des notwendiges Übels, dem unaufhaltsamen Populationsschwund mit den Mitteln des Untertanenimports entgegenzuwirken. Allein der alarmierende Kerngedanke vom Aussterben der Nation ist so abartig, daß sie die human-sozialen Systeme den biologischen Symptomen subsumiert. Demnach tritt das Volkstum als ein unveränderliches Naturell auf den Plan und erträgt keine fremden Elemente. Solange aber die demographische Talfahrt anhält, kann man Fremde als Ersatzbürger importieren, vorausgesetzt, daß sie sich restlos naturalisieren, zuvor aber rastlos assimilieren bzw. germanisieren lassen. Auf diesem fixen Fundament türmt sich die gegenwärtige Intention der Integration, für die sich eine feste Fraktion im vaterländischen Feuilleton erwärmten.

   

Netzbrücke:

• Necati Merts Kolumne

• Mehr lesenswertes Textmaterial

• Wider den Schwarzen Winter

• Porträt des Periodikums