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"Ach, der", sagt Lenz, "mein Gott,
der H., der ist ein großer Dichter, aber er ist doch irgendwo
in den Siebzigern steckengeblieben!"
Ups. Das ist heftig. H. und in den Siebzigern steckengeblieben?
In den Siebzigern, in denen Biby WIntjes' NONKONFORMISTISCHES LITERARISCHES
INFORMATIONSZENTRUM blühte, in denen sich alle mit Du plus
Vornamen anredeten, in denen man diskutierte und demonstrierte (Anti-Vietnam
oder Anti-RAF), sich solidarisierte und engagierte, in denen die
Wörter "Alternative" und "Gegenöffentlichkeit"
geprägt wurden, womit ein Ort gemeint war, an dem die "Humanisierung
der Kommunikation" erreicht werden sollte? Das sind doch alles
hehre Ziele! Was soll denn das heißen: "in den Siebzigern
steckengeblieben"? Wenn wir uns an die Humanisierung der Kommunikation
halten, wenn der tödliche Büro- und Amtssprech abgeschafft
wird zum Beispiel und sich Politiker nicht mehr hinter Seifensprechblasen
verschanzen könnten – dann wäre "in den Siebzigern
steckengeblieben" kein Vorwurf, sondern eine Auszeichnung.
Wenn.
Für manche ist es auch eine Auszeichnung. Lenz aber meint es
nicht als Auszeichnung, sondern als Kritik. Und Lenz ist kein neuschlauer
Kommerzhase, im Gegenteil – Lenz ist älter als H., Lenz
gehörte 1968 schon zum alten Eisen, Lenz hat damals schon das
durchschaut, was sich dann zur "literarischen Gegenöffentlichkeit"
herausmausern sollte. Lenz wird zwar von R., einem Ex-Dichtungs-Revoluzzer,
der jetzt rotweinsüffelnd in seiner Butze hockt und donnernd
gegen die "Literaturmafia" wettert, gerne verächtlich
als "harmloser Spinner" tituliert – aber ein harmloser
Spinner ist mir lieber als ein neurotischer Choleriker mit Hang
zum Machoismus. Zumal Lenz vor allem eins verstanden hat: die Progression.
Er bleibt nicht stehen, er ist nie stehengeblieben. Er ist über
siebzig, aber er ist agil, geistig kregel und offen. Und er erzählt
einem nie dieselbe Geschichte zweimal. R.s Geschichten hingegen
kennt man nach dem ersten Besuch bei ihm schon alle auswendig, und
nie ändern sie sich, und nie kommt eine neue hinzu. Und die
Protagonisten sind immer dieselben: auf der einen Seite steht die
böse, oberflächliche, dumme, gemeine, kommerz- und konsenssüchtige
Literaturmafia – auf der anderen Seite stehen R. und seine
Spießgesellen, aufrecht, kompromißlos, kritisch, nicht
unterzukriegen. Blabla. Wenn man sich R.s jetzige Aktionismen ansieht
– auf der einen Seite seine galletriefenden Sonette und Briefe
gegen die angeblich böse Front, auf der anderen Seite seine
arschkriecherischen Schriebe, wenn er den Hauch einer Chance wittert,
mit seiner Soße von einem Radiofritzen interviewt zu werden
-, kann man über diese Anekdoten aus dem letzten preußischen
Kriege nur grinsen.
Was hat das nun mit H. und der Siebziger-Jahre-Ideologie zu tun,
in der H. laut Lenz angeblich steckengeblieben ist? Viel –
denn R.s Regression hat ebenfalls mit dieser Ideologie zu tun, wenn
auch er wohl schon Mitte der Sechziger stehengeblieben ist.
Es geht hier um die allseits bekannte Kluft zwischen Außen
und Innen, Hollywood und Faust, Stephen King und James Joyce, Form
und Inhalt, Karriere und "Selbstverwirklichung" (noch
so ein 70er-Jahre-Wort, das man jetzt in Anführungszeichen
setzen muß), Geld und Qualität. Die Fragen lauten: kann
man mit guter, kritischer Schreibe reich werden? Wenn ja, warum
sind die guten, kritischen Schreiber alle arm? Wenn nein, wozu schreibt
man dann?
Ich höre schon das Aufjaulen und das schlagende Geräusch,
das entsteht, als die Siebziger-Jahre-Fraktionäre und ihre
diversen Pseudo-Adjutanten und sonstigen Rattenschwänze sich
auf die Stirn klatschen. Was sind denn das für Fragen?! Ja,
Gudix, was ist denn mit dir los?! WEISST du das denn nicht?!
Klar, ICH weiß es – ich kann die Fragen für mich
beantworten. Aber ich bin auch nicht in den Siebzigern steckengeblieben,
weil ich in den Siebzigern ja erst geboren wurde. Und deshalb möchte
ich diese Fragen jetzt mal beantwortet haben, RADIKAL, d.h. von
der Wurzel her. Zurück zum Anfang der Geschichte! Wovon sprechen
wir also hier?
Von Antikapitalismus, Verwertungs- und Vermarktungslogik, Globalisierungskritik,
Kommerzkritik, Dialektik. Wir sprechen von Hegel, Marx, Marcuse,
Adorno, Collmer, von Robert Pirsigs ZEN UND DIE KUNST EIN MOTORRAD
ZU WARTEN; Shakespeares KING LEAR, Rimbauds SAISON EN ENFER, Sartres
L'ÊTRE ET LE NÉANT, von Ploog, Burroughs und diversen
anderen, die ich aber hier nicht aufzählen muß –
ich denke, Sie wissen, welche Route ich einschlagen will; wer nicht,
soll die angeführten Bände, Philosophen und Schriftsteller
studieren und auf die Jetztzeit beziehen beziehungsweise auf die
Siebziger.
Ad radicem. Es war einmal ein Häuflein Gerechter, das trachtete
gegenzustinken gegen die vorherrschende Meinungsgleichschaltung
in den medialen Großkonzernen wie Springer, SPIEGEL, Rowohlt,
Fischer und gründete zu diesem Zweck eigene Zeitungen, Zeitschriften,
Verlage. Das war Ende der Sechziger. Dann passierte folgendes: die
Großverlage und -konzerne merkten, daß sie auf diese
Weise bald nur noch als Seniorenvereine dastehen würden und
holten einige der jungen Wilden in ihr Boot, zähmten sie, stylten
mit ihnen ihr eigenes Image um und hatten auf diese Weise zwei Fliegen
mit einer Klappe geschlagen: erstens die literarische Revolution
verhindert und zweitens ihre eigene Vergreisung. So lebten die Großverlage
weiter heiter und froh, und ihr seliges Ende ist nicht abzusehen,
wenn wir, das Häuflein Gerechter, uns nicht endlich unserer
Sendung besinnen und die literarische Revolution stattfinden lassen!
Wofür sind wir denn damals angetreten?!
So weit, so klischeehaft. "Ja, fällt euch denn nichts
besseres ein als diese alten Geschichten?" sagt Lenz. Recht
hat er. Denn mehr als Geschichten sind es nicht. Ich habe sie schon
so oft erzählt, in zig Essays und Pamphleten wiedergekäut,
skandiert, monologisiert. ICH bin vor zehn Jahren für die Entphrasung
und Dekonditionierung der Sprache angetreten, und insofern ist nun
festzuhalten, daß das ganze Märchen von der Literaturmafia
und der heldenhaften "Alternative" inzwischen von vorne
bis hinten aus Phrasen besteht. Tote Hülsen, die mit der Wirklichkeit
nichts mehr zu tun haben. Eingerostete Seifenblasen.
Wo sind sie denn jetzt, die tapferen Ritter der Gegenöffentlichkeit?
Es gibt derer welche in mehreren Generationen. Es gibt z.B. R.,
Jahrgang 1937, der jetzt wie gesagt in seinem Häuschen im Norden
Berlins sitzt, schimpft und sich in Fusel tröstet. Dann gibt
es B., Jahrgang 1947, genauso alt wie Biby Wintjes, der lange Jahre
ein "Alternativheft" herausgab, aber jetzt nur noch verächtlich
vom "Sumpf" spricht und mir riet: "Es gibt nur zwei
Arten unterzugehen: in Ehren – oder ohne." Und das Engagement
im "Sumpf" der "Alternative", besser gesagt
das Dümpeln in diesem Sumpf, ist eher letztere Art... Dann
gibt es E., Jahrgang 1952, der einen festen Beruf hat, Familie,
Kinder – und der die ganze "Szene" für einen
Knalltütenverein hält und seit einem üblen Befindlichkeitshickhack
vor einigen Jahren überhaupt nichts mehr sagt. Damals verstand
ich das nicht, heute zolle ich ihm Respekt – er hatte den
Befindlichkeitskindergarten der "Alternative" richtig
eingeschätzt. Und dann ist da H., Jahrgang 1957, der nach wie
vor ohne Heizung, Wanne und Computer in einer Butze in Prenzlauer
Berg von der Stütze lebt und Solidarität zwischen Kaffeefiltern,
Mausedreck und betipptem Papier praktiziert. Und dann gibt es noch
all jene, die sich Anfang der 90er Jahre zum Wiederaufwärmen
der alten Literaturrevolution berufen fühlten und das Social
Beat nannten; die sind im allgemeinen in den Sechzigern geboren,
und viele unter ihnen sind heute gescheiterte Existenzen, alkohol-
und drogengeschädigt, hartz-IV-gezeichnet und pleite. Einige
von ihnen haben "es" geschafft und sind heute Stars, veröffentlichen
dicke Bücher mit großer Auflage in berühmten Verlagen
– und werden von anderen genau dafür gehaßt und
des "Verrats" bezichtigt. Einige der ehemaligen SB-Fraktionäre
produzieren nach wie vor dilettantische Käsblättle mit
seltsamen, schlecht geschriebenen Stories darin, fotokopiert und
zusammengezwickt mit Zwecken, leben von der Stütze und rühmen
sich, "unabhängig" geblieben zu sein und ihr "Genie"
nicht an die Großverlage "verheizt" zu haben.
Derlei dürftige Bemäntelung der eigenen Talentlosigkeit
erregt in mir das große Kotzen. Balduin Bählamm, der
verhinderte Dichter von Wilhelm Busch, war kein literarischer Revolutionär,
sondern eine Farce! Das weiß eigentlich jedes Kind –
und trotzdem gebärden sich manche Pseudo-Dichter wie Bählamm,
bauen sich theatralisch vor einem auf, reden von ihren "Werken"
und davon, daß sie es aufgegeben hätten, für diese
"Werke" Verlage zu suchen, weil die "Werke"
für die Verlage wohl zu komplex seien, weil die Verlage ohnehin
nichts verstünden, denn bekanntlich gehen sie ja nur nach dem
schnöden Mammon, mit denen ihre eigenen "Werke" nichts
zu tun hätten, und das zeigt doch gerade, wie mutig, wie großartig,
wie nochniedagewesen ihre "Werke" sind, und es ist ja
klar, daß kein Verlag sich trauen würde, so was zu drucken
– öhöm, so ist das als verkanntes Genie, nicht wahr,
traurig, aber heldenhaft. Und ziehen sich zurück in ihr Kämmerlein,
zwirbeln sich einen saftigen Joint und murksen weiter an der Vollendung
ihres hehren "Werks" herum, auf daß es dann wenigstens
posthum angemessen rauskomme.
Gut, das war jetzt übertrieben. Aber es soll mit den Mitteln
der Satire zeigen, wie es sich viele Dichter, darunter auch welche,
die tatsächlich schreiben können, in jenem Geister- und
Schattenreich der "Alternative" bequem einrichten, rülpsend
nach der Stütze verlangen und bei Nachfrage die eingeübten
Phrasen über die schicke Anti-Kapitalismus-Theorie der Siebzigerjahre
zum besten geben. Aber diese Haltung hat nichts mit Antikapitalismus
zu tun! Es ist weder antikapitalistisch noch mutig, was ihr da tut,
sondern dumm, feige und schwachsinnig! Das ist keine Revolution,
das ist kein "Marsch durch die Institutionen", denn jegliche
Progression, jegliche Dynamik ist weg, es gibt nur noch Stasis!
Dümpeln in der Stasisblase und Gott einen guten DJ sein lassen!
Wem ist mit einer Meute Dümpelbarden geholfen, die nichts tut
außer kiffen, saufen, schlechter Gedichte schreiben und sich
in Selbstmitleid suhlen? Wem ist geholfen mit Wracks, die sich nicht
mal selbst ernähren können und das der Literaturmafia,
Hartz IV und allgemein den schlechten Zeiten in die Schuhe schieben?
Es ist hier dasselbe Mißverständnis im Gange wie bei
dem angeblich so "rebellischen" Akt des DrogenkonsumsÄ:
"aufbegehren" will man damit gegen einen Staat, der einen
in Schubladen zwängt und die Zukunft verbaut – doch was
man dann erreicht, wenn der Drogenkonsum zum Ritual geworden ist,
ist nur, daß man völlig unfähig ist für jede
Art des Aufbegehrens. Man macht sich freiwillig unzurechnungsfähig,
man lallt von "Unabhängigkeit" und ist abhängiger
als je zuvor! Man macht sich freiwillig zum Affen – und wer
jetzt kommt und sagt, "das ist doch gerade die Negation!",
der hat nicht begriffen, daß es bei der Negation nicht um
Stasis geht, sondern um Kinesis, um ein Sich-Bewegen. Stasis aber
ist die Negation der Negation. Entweder man IST rebellisch, dann
versucht man aktiv und klaren Kopfes mit den ihm zustehenden Mitteln,
die Gesellschaft zu humanisieren – oder man ist es NICHT.
Dann soll man aber auch endlich diese jämmerlichen, billigen
Ausreden ad acta legen! Drogenkonsum ist keine Rebellion, da sie
einen der Mittel zur Rebellion beraubt. Und Sitzenbleiben ist auch
keine Rebellion.
Es hat sich festgedümpelt. Es war nicht falsch,
was Marcuse, Adorno, Dutschke, Burroughs, Wintjes in den Siebzigern
geplant hatten, ganz gewiß nicht, es war vielmehr richtig
und klug. Es hat sich halt nur festgedümpelt in den dreißig
Jahren seither. Es geht nichts mehr vor und nichts mehr zurück;
überall blöken einen nur immer wieder dieselben Phrasen
an, wenn man sich dem Thema nähern will.
Es waren hehre Ziele, die die Gründer der literarischen Alternative
hatten – und es sind immer noch hehre Ziele. Denn sie sind
nicht erreicht worden. Warum nicht? Weil zwar jede Generation von
Revoluzzern seinerzeit ihr Scherflein dazu beigetragen hat, es anzupacken,
die nächste Generation dann aber nicht dort weitermachte, wo
die alten Männer aufgegeben hatten und aufgeben mußten,
sondern sich hinstellte und wieder die alten Phrasen skandierte!
Hier liegt das Problem. Nicht die "schlechte Unendlichkeit"
perpetuieren, Leute, sondern überwinden! Das meinte auch Rimbaud
mit seinem "il faut être absolument moderne". Und
das hat z.B. auch Burroughs begriffen, der sich, Jahrgang 1914,
ja auch nicht zeitlebens nach dem Stummfilm und der seligen Revolution
der 20er Jahre zurücksehnte, sondern die Medien seiner jeweiligen
Zeit (Grammophon, Tonband, Kassettenrecorder, Telefon) in ihrer
ganzen Weite nutzte, denn nur in den Medien der Zeit kann man GEGEN
die Medien der Zeit antreten! Wer also mit einem Füllfederhalter
gegen die E-Mail-Manie anschreiben will, braucht sich nicht zu wundern,
wenn er ausgelacht wird. Dieses Ansinnen ist genauso reaktionär
wie das der "Pro-DM-Partei", die zur Bundestagswahl 2002
angetreten war. Und wer mit den schriftstellerischen Mitteln der
Siebzigerjahre die Jetztzeit erklären will, ist genauso anachron.
Damit wir uns nicht mißverstehen: ich spreche nicht davon,
daß sich der kritische Schriftsteller der Gegenwart erst dann
als solcher manifestiert, wenn er sich allen möglichen technischen
Schnickschnack angeschafft hat. Das ist das andere Extrem der Verfehlung.
Die einen kaufen sich den ganzen Brimborium, sitzen dann vor ihrem
Maschinenpark und hacken Mist in die Tastatur – die anderen
legen sich den Maschinenpark aus angeblicher "Negation"
gerade NICHT zu und glauben irrtümlich, allein schon dadurch
die literarische Revolution einen Schritt vorangetrieben zu haben.
Tja, so einfach ist das nicht. Vielleicht ist gerade das das Entscheidende:
wirkliche, dynamische Negation ist nie einfach. Billige Ausreden
wie das Märchen von der Literaturmafia oder das Sich-Suhlen
im Nicht-Verkaufen seines Ichs haben mit ihr nichts zu tun. Denn
bei diesen billigen Ausreden geht es nur um Äußerlichkeiten:
man gibt den Umständen die Schuld, daß man selbst den
Arsch nicht hoch- und nichts auf die Reihe kriegt. Was ist jämmerlicher?
Beim Projekt der "Alternative", beim Projekt der "Humanisierung
der Kommunikation" (Hadayatullah Hübsch) geht es vor allem
aber um eins: um Inhalte. Nicht um Äußerlichkeiten. Nicht
um Brimborium. Wir, die kritischen Dichter, Essayisten, Dramatiker,
Romanciers, Übersetzer haben die Aufgabe, die Inhalte festzuhalten
und bekanntzumachen. Dabei müssen wir vor allem an der Sprache
arbeiten und so gut wie möglich ausdrücken, was ausgedrückt
werden muß. Ich rede nicht von Stilen, ich rede von Essenz,
von der Essenz der Sprachbeherrschung. Wir Schriftsteller sind Handwerker,
und so wie es gute und schludrige Handwerker gibt, gibt es auch
gute und schludrige Sprachschaffende. Wer aber seine Sprache nicht
beherrscht, wer nur mit ihr herumzudilettieren und Phrasen zu dreschen
versteht, ist kein Schriftsteller, so wie ein Handwerker, der mit
dem Meißel nicht umgehen kann, auch nie den Meister machen
kann. Und letzterer stellt sich dann auch nicht hin und seucht davon,
er sei halt ein "verkanntes Genie", dessen "Stil"
der Meister nicht begreife! Sondern er arbeitet an sich, weiter,
und genauso hat auch der Dichter die Pflicht und Schuldigkeit, an
der Sprache zu arbeiten, wenn sie ungenügend ist, wenn zuviel
Luft dazwischen steht, wenn sie zuwenig ver-, gedichtet ist. Wer
sich darüber aufregt, daß sich im Internet nur Analphabeten
austoben, der sollte genau hier aktiv gegenstinken und mit seiner
eigenen Schreibe dazu beitragen, daß es weniger inhaltslosen
Analphabetismus im Netz gibt. DAS ist "Marsch durch die Institutionen"!
Nicht von hinten motzen, sondern von vorne handeln! Laberflaschen
brauchen wir nicht, die sitzen im Café Schliemann schon zur
Genüge! Und wer sich in dem Gedanken sonnt, "die Verlage"
seien zu dumm für seine ach so komplexe Lyrik, weil "die
Lektoren" heutzutage ja eh nur akademisch verblödete Schmalspurgeister
seien, der mache sich auf und arbeite als Lektor in einem Verlag.
Wenn er es schon besser KÖNNTE, dann soll er es TUN!
Ich arbeite. Und ich arbeite an der Sprache, an meiner Sprache,
an der Sprache als Stemmeisen im Steinbruch der Kommunikation. Und
hier sind wir bildlich bei einem alten Bekannten: bei Sisyphos.
ANTIKAPITALISMUS IST EINE SISYPHOSARBEIT! Antikapitalismus heißt
nicht, sich nicht ums Geld kümmern müssen, weil die Stütze
ja das Problem vom Staat ist und man sich selbst bekanntlich mit
Höherem, mit der Beweihräucherung des eigenen verkannten
Genies nämlich, befassen muß. Antikapitalismus heißt,
sich auflehnen dagegen, daß uns Äußerlichkeiten
und Institutionen beherrschen. Und das ist nur in aktiver Arbeit,
in Arbeit am Inhalt, in mühevoller, hamletischer Klein- und
Mauwurfsarbeit zu erreichen.
Sie haben eine Shakespeare-Theorie? Sie sind der Ansicht, Baudelaire
könnte besser und treffender übersetzt werden, und Sie
würden sich das zutrauen? Sie sind plötzlich dahintergekommen,
was Dante mit Nietzsche und beide mit dem Jetzt zu tun haben? Gut!
Zeigen Sie uns das! Schreiben Sie, übersetzen Sie! Wenn es
wirklich neu ist, wird es sich Bahn brechen; wenn nicht, sind Sie
noch nicht soweit. Aber: arbeiten Sie weiter! (Und wenn ein Verlag
Sie ablehnt, versuchen Sie es bei einem anderen. Das haben die vorangegangenen
Literaturrevoluzzer unzweifelhaft erreicht: es gibt nicht mehr "die
Medien", es gibt viele Medien, "linke" und "rechte",
große, mittelgroße, kleine, mikroskopische Verlage.
Wer behauptet, von "den Verlagen" abgelehnt worden zu
sein, hat es entweder nicht ausreichend versucht, oder sein Buch
ist ungenügend.)
Der Sinn des Schreibens ist eine absolute Präzisierung, jedenfalls
für mich. Die Verdichtung der Realität in ihren jeweiligen
Facetten in der Sprache. Darum geht es mir, daran arbeite ich, als
Übersetzerin und Autorin. Ob man damit reich wird, ist mir
egal. Aber leben kann man davon, ohne seine Seele billig ans Arbeitsamt
verkaufen zu müssen.
Leute! Entdümpelt euch!
9.4.05
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