Der Winterwitz, feuchte Augen zu bekommen: Entfernt
haben die Ministerialen Dr. Görners DIE BRÜCKE zwar aus
der Liste der von ihnen bezuschußten Projekte, behalten ihre
Anschrift auf ihrer Internet-Seite aber immer noch bei - unter „Sozialberatungsstellen
für ausländische Familien“.
Die
Promoter der vollzogenen Zensur-Zeremonie versuchten, dem Blätterwerk
DIE BRÜCKE einen enthumanisierten Stempel aufzudrücken,
indem sie ihren Rotstift an einem Gutleut-Getue anseilten. Um ihrem
Urteil eine weltanschauliche Tünche überziehen zu können,
spielte sich die Ministerin als Padrona der Gutherzigen „gegen
die Ausgrenzung von MigtantInnen in Deutschland“ auf. Darum
sei sie hier erneut im O-Ton zitiert:
Insofern
melde ich heftigen Widerspruch an, wenn in der „Brücke“
die Integrationsbemühungen von Menschen lächerlich gemacht
werden oder sogar offen gegen das Konzept „Integration“
polemisiert wird. Das ist nicht nur unfair gegenüber denjenigen,
die sich bemühen, in ihrer neuen Heimat Fuß zu fassen
und ihren Platz in der Gesellschaft einzunehmen. Es liefert im übrigen
- und das halte ich für regelrecht gefährlich! - auch
denjenigen, die mit dem Rassismus und den Ausgrenzungen liebäugeln,
Vorwände, an ihren menschenverachtenden Haltungen festzuhalten.
Die saarländische Landesregierung und, da bin ich sicher: die
allermeisten BürgerInnen des Saarlandes, wo immer sie geboren
sind, werden eine solche Haltung jedenfalls nicht akzeptieren.
Ob
DIE BRÜCKE tatsächlich eine Attacke auf das Konzept der
„Integration“ im Visier hatte und es torpedieren wollte,
solange der Terminus einen emanzipatorischen Prozeß verkörpert,
die Heloten in den Status vollwertiger Citoyens einzuführen,
ist dahingestellt. Einen Beleg für ihren Lehrsatz legt die
Ministerin nicht vor, überläßt es damit dem Leben,
die wahre Geschichte zu schreiben.
Das
neurechte Wochenblatt „Junge Freiheit“, das eine Renaissance
der „konservativen Revolution“ propagiert und mit den
Ideen des französischen Europoiden Alain de Benoist vom „Recht
auf Unterschied“ sowie dem „Ethnopluralismus“
sympathisiert, widmete in seiner Ausgabe vom 7. Februar 2003 DIE
BRÜCKE ihre Rubrik „Zeitschriftenkritik“. Unter
dem Titel „Interkulturelle Verständigung“ bewerkstelligte
der JF-Autor Werner Olles ein ziemlich denunziatorisches Porträt:
„Forum
für antirassistische Politik und Kultur“ nennt sich die
im 21. Jahrgang erscheinende Vierteljahreszeitschrift Die Brücke
im Untertitel. Als Herausgeber zeichnet „Die Brücke e.V.
- Verein zur Förderung politischer, sozialer und kultureller
Verständigung zwischen Mitbürgern deutscher und ausländischer
Herkunft“ verantwortlich. Gefördert wird das Blatt vom
saarländischen CDU-Ministerium für Frauen, Arbeit, Gesundheit
und Soziales.
Gleich
nach ihrem ersten Erscheinen attackierte Die Brücke den Begriff
der „Integration“. Der deutsche Staat und seine Institutionen
hätten „aufgrund ihrer Praxis jedes Vertrauen bei den
Einwanderern aus den Südländern verloren“. Da dieser
Staat über eine Gesellschaft herrsche, „die Keime des
Rassismus, des Chauvinismus und des hegmonistischen Nationalismus“
in sich trage, dürfe er nicht „der alleinige Vertreter
der eingewanderten ethnischen Minderheiten sein“. Den eingewanderten
Minderheiten müsse „das Recht auf kulturelle Autonomie“
zugestanden werden, schreibt der „verantwortliche Redakteur“
Necati Mert. Jeder „Versuch von Rassentrennung“ sei
zu verbieten. Die Frage, ob derartige Definitionen und Forderungen
überhaupt irgendetwas mit der Realität unserer Gesellschaft
zu tun haben, stellt sich dabei für den Autor offenbar gar
nicht.
Einen
abrundenden Beitrag zu diesem „Portrait“ leistete ein
gewisser Dr. Karl Soest aus Bonn unter dem Leserbrief-Titel „Brückenkopf
statt Brücke“ im gleichen Blatt vom 28. Februar 2003:
Bei
der Zeitschrift „Brücke“, die sich im Untertitel
„Forum für antirassistische Politik und Kultur“
nennt, handelt es sich nicht um „Interkulturelle Verständigung“,
eher ist das Gegenteil der Fall. Diese offenbar von der JF-Redaktion
hinzugefügte Überschrift beschönigt einen Sachverhalt,
der längst ein Skandal hätte sein müssen: Eine überwiegend
von Ausländern gemachte Zeitschrift, finanziell gefördert
von einem saarländischen Multi-Ministerium (das daher wohl
den Überblick über seine Subventionsempfänger verloren
hat), ist gegründet worden unter dem Motto: „Den Vielvölkerstaat
BRD verwirklichen“. Integration von Ausländern wird abgelehnt,
vielmehr sollen ethnische Brückenköpfe - und eben nicht
eine „Brücke“! - geschaffen werden. Daß sich
diese Zeitschrift dezidiert gegen deutsche Interessen wendet, ist
damit klar. Daß dies, subventioniert durch Deutsche, mit antideutscher
Polemik erfolgt, ebenso. Diese Zeitschrift ist eher ein Fall für
den Verfassungsschutz.
Der
letzte Satz dieser „Korrektur“ erinnert an die Kampagne,
die Ende der achtziger Jahre im vorigen Jahrhundert die „Nationalfreiheitlichen“
des ethnisch homogenen Deutschtums um „National+Zeitung“
und „Deutscher Anzeiger“ bundesweit gegen DIE BRÜCKE
starteten. Sie attackierten vor allem die „ausländischen“
Autoren des Blattes und versuchten, die „mündigen Bürger“
gegen die Gemeinnützigkeit des herausgebenden Vereins zu aktivieren.
Also
war DIE BRÜCKE immer ein Dorn im Auge derer, denen es auf den
Magen schlug zu erspähen, wie es die „Ausländer“
hier zu weit treiben und das Gras wachsen hören wollen, indem
sie auf eine unzensierte Aussprache pochen.
Welche
adjektivische Aura sich die Gutmenschen-Mentoren auch immer leisten
mögen, sie verfolgen die neokonservativ kulturalistische Generallinie
einer Schwarzen-Union, die im „Kampf der Kulturen“ das
Regiment der Leitkultur führt und den Druck auf die selektive
Assimilation potenziert.
Noch
dichter und dicker werden daher die schwarzen Wolken über den
migrantischen Quartieren hängen. Und das doppelbödige
Spruchband „Integration“ hinter dem abendländisch
ethnozentrisch zusammengewürfelten Attribut „Migration“
wird die Abwehr-Attitüden der gebürtig Überlegenen
gegenüber den untertänigen Eindringlingen weiter anheizen,
auch wenn der Nutzeffekt der Letzteren für die demographisch
demontierte Majorität nicht unerwähnt bleibt.
Die
integrierte Flickenidentität des Völkischen sekundiert
der Blockade des Singulären und reduziert es auf das Individuum
des Besitzstandes. Gleichermaßen steigert der Aufklärungsfetischismus
die urdeutsche Debatte über das „Volk“. Wer warum
dazugehört und wer nicht, wiederholt sich im kulturalistischen
Maßstab.
Im
Gepolter der Gutleut-Gentlemen über das germanische Getue „Integration
oder Separation“ entschwand z.B. auch der eigentliche Gehalt
des Kopftuch-Streits. Denn das Turban-Tragen der Frauen gilt als
Meßlatte für die gelungene oder mißlungene Intention.
Paßt es nicht in das Prokrustesbett der Leitkultur, wird es
abgeschnitten werden müssen. Erweist es sich als dienlich,
die eingewanderten Communities auszumerzen und kommunitarische Perspektiven
anzusteuern, um den Volksstaat in sein Sozialklimbim zu entlassen,
läßt sich sein Tragen leicht verschmerzen.
Verdaut
haben die Apologeten der integrationalen Allüren schon lange,
wie der vergrämte Versuch, das archaisch antiquitierte Staatsbürgerrecht
Bundesdeutschlands zeitgemäß aufzumöbeln, scheiterte.
Was
kümmert die Gentilhommes der integrationalen Intentionen, daß
allein der Bezug der Sozialhilfe als ausreichender Grund vorgetragen
wird, den Zugang zur Staatsbürgerschaft zu sperren.
***
PARADEFALL
Die
Story eines budget-bürokratischen Bravourstücks
Seit
bekannt wurde, daß DIE BRÜCKE in Gefahr schwebt, durch
den Eifer der saarländischen Budget-Bürokraten aus dem
Blätterwald zu verschwinden, befinden sich seine Fertiger auf
der Suche nach alternativen Perspektiven, um ihrem Fortbestand Gewähr
zu leisten. Als ein Leitgedanke keimt hier neben neuen Fördermitgliedern,
Abonnenten und Anzeigenkunden erneut die Herausgabe einzelner Hefte
in Kooperation mit egalitär engagierten Stiftungen und Instituten
auf.
Am
24. November 2003 wandte sich die Redaktion auch an die Beauftragten
der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien.
Geschildert wurde der Staatsministerin Dr. Christina Weiss der Zustand
der Zeitschrift in einem ziemlich ausführlichen Schreiben,
das folgenden Ausklang enthält:
Gegenwärtig
klemmen wir uns dahinter, potentielle Kooperationspartnerschaften
anzusprechen. Auch wenn die freimütigen Akteure des kulturellen
Engagements großenteils mit den Folgen des generellen Kahlschlag-Kommandos
konfrontiert sind, stellen sie sich als Exponenten der Majorität
in der Regel nicht der Realität der Lebenswelten mit dem migrantischen
Hintergrund. Ihre Angehörigen werden nicht als gleichwertige
Mitträger ins Gesichtsfeld der Reproduktion und Repräsentation
von Kunst und Literatur einbezogen, höchsten als exotische
Exponate aus der Umwelt der Minorität verwertet.
Bisher
nahm unser morgenbuntes Laubwerk davon Abstand, mit den Unterordnungsparadigmen
des Status quo konform zu gehen, verbummelte damit auch den Schritt,
an den ruhigen Hafen der Förderpötte zu gelangen. Vielmehr
strengten sich seine Mitstreiter an, ein Forum nonkonformistischer
Gedankengänge für eine kosmopolitische Bürgerrepublik
Deutschland jenseits der mediokratisch popularisierten melancholischen
Scheinmelodie „Interkultur“ zu favorisieren. Ihren Schwerpunkt
legten sie auch in der Kritik am Postulat „Multikultur“,
das mit seinem späteren Pendant „Leitkultur“ am
Ende dazu animiert, die anschwellenden sozialen Hierarchien kulturalistisch
zu legitimieren. Ideologisiert wird im diskursiven Allerlei die
ethnische Charakteristika des Sichauseinanderlebens, mit deren Dazutun
das Szenarium der kulturellen Identitäten so komplettiert wird,
daß dem Menschentum nichts anderes bevorsteht als der apokalyptische
„Clash of civilization“.
Wenn
die lautstark protegierte „Interkultur“ über ein
reales Gewicht verfügen sollte, dann müßte DIE BRÜCKE
im Port der durch „Kultur und Medien“ gesponserten Initiativen
längst einen Titel innehaben.
Hiermit
beantrage ich die Aufname unseres „Forum für antirassistische
Politik und Kultur“ im Verzeichnis der frei-gemeinnützigen
Körperschaften, denen Ihr Amtsbereich Beistand leistet. Zugleich
bitte ich Sie um die Bearbeitung unseres Anliegens, ohne den Amtsschimmel
zu reiten.
Zwei
Monate vergingen, eine Antwort blieb aus. Auf ein wiederholtes Schreiben
vom 27. Januar 2004, das darauf Bezug nahm, reagierte man mit einem
Ablehnungsbescheid vom 9. Februar: „Ich bedaure sehr, Ihnen
diese Nachricht übermitteln zu müssen und hoffe, dass
Sie über das Land entsprechende Unterstützung finden werden.“
Anfang
März rief dann ein anderer Bürolist der Beauftragten an
und wollte wissen, worauf sich das Schreiben vom 27. Januar bezog.
Nach der Klärung des Sachverhalts bedauerte er ebenfalls, daß
der Bundesbehörde die nötigen Mittel fehlen, der vom „Aus-Druck“
gefährdeten Vierteljahresschrift zu Hilfe zu kommen.
Ein
Verfahren, daß seit dem Trabantenstart des neoliberal verschlankten
Ständestaates Schule macht. Seine Ministerialen schicken sich
an, ihr Gehalt dadurch zu sichern, daß sie eingetroffene Anträge
ohne Lobby zurückweisen, indem sie ihr Bedauern auf finanzielle
Engpässe zurückführen.
Doch
dem Etat der Kulturbeauftragten stehen für 2004 insgesamt 904,27
Millionen Euro zur Verfügung. Davon geht wiederum der größte
Anteil an Zuweisungen und Zuschüsse (ohne Investitionen), nämlich
668,27 Millionen Euro, über 11 Millionen mehr als im Vorjahr.
Der schlanke Staat macht alle satt
Die
Trennschärfe zwischen Ständestaat und Souverän geht
bald zur Neige. Am Fördertropf der gestylten Get-together-Party
hängen nur noch die Troubadoure und Troupiers der Krautjunker.
Sie lenken ihr Allradfahrzeug durch die periphere Wüste des
Maastricht-Blocks im abendländischen Imperium. Auch die rot-grüne
Allgegenwart läuft aus, ihr Werte-Klimbim erodiert wie das
Refugium der ertappten Wegelagerer. Es grünt nichts, es blüht
nichts.
Der
Raubzug durch die sozialen Systeme durchstreift die Quartiere des
Existenzminimums. Unter dem geblümten Transparent „Gerechtigkeit
für die kommenden Generationen“ drückt die Herrschaftsgewalt
vergnügt aufs Tempo der neoliberalen Planierraupe, um zu versteuern,
was dem geringfügigen Genuß der breiten Schichten zugute
kommt: Ein verqualmter Glimmstengel und ein Glas Sorgenbrecher vor
dem abendlichen Glotzophon.
Wenn
ein Operntheater schließt, beginnt die Singakademie der Krämerseele
mit einem windigen Jammerkonzert. Wenn Bibliotheken und ähnliche
Anstalten verriegelt werden, wird kein Tonfall laut. Schön
brav haben sich die Untertanen anzustellen und den Restriktionen
der Bürger- und Menschenrechte ohne Murren zuzustimmen, die
schließlich nur dem Erhalt der allgemeinen Eintracht dienen.
Hinterm Zonenzaun des Volkstums dürfen kalte Klagen ertönen,
aber kein vernehmliches Zähneknirschen.
Einige
zehn Milliarden fließen vom Staatsbudget in den Kirchentopf
als Entwicklungshilfe. Sold beziehen davon die Heinzelmännchen
einer „humanitären“ Tragikomödie und die Gehilfen
einer Interessengemeinschaft, die sich mehr elitär als humanitär
etabliert hat. Selbstbestimmte Tätigkeiten, die keinen Mehrwert
auf dem Markt abwerfen, werden über die Achsel angesehen oder
kurzerhand herabwürdigt.
In
dieser Atmosphäre ging die Protest-Brief-Aktion ihren Gang.
Mühsam kam der Spätwinter 2004 aus der frostigen Nebelzone
der wohltätigen Reklame-Romanzeros heraus. Und es gibt dennoch
das Funken der Hoffnung auf dem dornigen Pfad in einen nächsten
Morgen. Als eines solcher Blätter, die sich ein Herz nehmen,
an neue Ufern der universalen Wertbeständigkeit zu gelangen,
versteht sich DIE BRÜCKE.
Weiter
wird dieses Blatt der Morgenröte über der Biosphäre
der Hominiden kreisen. Nicht das Gangbare unter systemischen Asymmetrien
wird sie zu assimilieren testen, sondern weiter auf elementare Kritik
setzen und auf eine antiimperialistisch humanitäre Ästhetik.
Necati Mert
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